Presseerklärung von Nebenklage-Vertreter_innen zu den Äußerungen des NSU-Mordermittlers Wilfling

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Wir dokumentieren eine Presseerklärung von mehreren Nebenklage-Vertreter_innen aus dem NSU-Prozess zu den Äußerungen des NSU-Mordermittlers Wilfling:

Presseerklärung
NSU-Mordermittler Josef Wilfling ist der Garant für das weitere Versagen der Sicherheitsbehörden

Der ehemalige Leiter der Mordkommission in München, Josef Wilfling, der federführend im Mordfall Kilic und auch im Mordfall Boulgarides tätig war, hat sich gegenüber der ehemaligen Landtagsabgeordneten Susanna Tausendfreund, die Mitglied des Bayrischen NSU-Untersuchungsausschusses war, in zwei Emails massiv beleidigend verhaltend und sie für ihre Arbeit im Untersuchungsausschuss scharf kritisiert.
Vertreterinnen und Vertreter der Nebenklage finden das Verhalten empörend und einmal mehr einen Beleg dafür, wie trotz des Auffliegens des NSU und der unzähligen Ermittlungsfehler die damaligen Ermittler bis heute glauben, alles richtig gemacht zu haben.
Josef Wilfling beschwert sich in seiner Email an Susanna Tausendfreund, die mit „offener Brief“ überschieben ist, darüber, dass seine in einer öffentlichen Sitzung des Bayrischen Untersuchungsausschuss getane Äußerung „Haben Sie schon einmal einen Nazi auf einem Fahrrad gesehen“ von ihr zitiert wird. Er schreibt ihr, er hätte mit diesem Satz nur erklären wollen, warum das Versagen der Sicherheitsbehörden zwangsläufig war: Die Täter hätten deshalb nicht ermittelt werden können, weil sie nach einem „eklatant unterschiedlichen Modus Operandi“ vorgegangen seien, der sich von allen vorangegangenen Tötungsdelikten mit rechtsradikalem Hintergrund unterschieden hätte, „laut, brutal, in der Meute, jagend und nicht bemüht“ gewesen sein „die Täterschaft zu verbergen“.
Diese Behauptung ist jedoch schon im Ansatz falsch. Bei den Anschlägen in Mölln, Solingen und bereits beim Oktoberfestattentat in München 1980 gab es keineswegs ein Bekennerschreiben von Rechtsterroristen.Die Ermittlungsfehler bei der Aufklärung des Oktoberfestattentats sind bis heute nicht aufgearbeitet: Es wird weiter vertuscht und verheimlicht, Beweismaterial wird vernichtet. Und – die Ermittlungsbehörden haben nichts gelernt.
Stattdessen findet Josef Wilfling die hartnäckige Nachfragen und Kritik im Untersuchungsausschuss „unseriös und zutiefst unfair“ und tut sie als „Belastungseifer“ ab. Er habe immer „fleißig und ordentlich“ seinen Dienst verrichtet. Statt also die eigenen Fehler und Versäumnisse kritisch zu hinterfragen, aus diesen zu lernen und die Ursachen für dieses Versagen zu eruieren, ist er immer noch – ebenso wie fast alle seiner Kollegen – der Meinung, nichts falsch gemacht zu haben.
Wir haben im Verfahren vor dem OLG München inzwischen fast alle, mit den Morden betrauten Ermittlungsführer gehört und so gut wie alle konnten auch heute noch nicht einsehen und zugeben, dass es falsch war, fast ausschließlich gegen die Familien und das Umfeld der Opfer zu ermitteln und systematisch Hinweise auf rechte Täter zu übergehen. Das Leid, das die Familien durch diese jahrelangen Verdächtigungen erlebt haben, wird durch das Verhalten von Ermittlern wie Josef Wilfling noch vertieft.
Ermittler, die noch nicht einmal Fehler in ihrer Polizeiarbeit zugeben können, können erst recht nicht erkennen, dass institutioneller Rassismus ein Grundübel für die Nichtaufklärung der Taten des NSU gewesen ist, geschweige denn über Konzepte nachzudenken, wie diese beseitigt werden könnten.
Mit solchen Mordermittlern wird es auch in Zukunft schwierig werden, rechtsterroristische Taten aufzuklären.
Die Nebenklagevertreter würdigen ausdrücklich das Engagement von Susanne Tausendfreund im Bayrischen Untersuchungsausschuss und setzen sich dafür ein, dass dieser auch in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt wird.

München, den 23.10.2013
Nebenklagevertreterinnen und -vertreter im NSU-Verfahren

Seda Basay-Yildiz, Antonia von der Behrens, Christina Clemm, Dr. Mehmet Daimagüler, Dr. Björn Elberling, Berhold Fresenius, Alexander Hoffmann, Carsten Ilius, Stephan Kuhn, Angelika Lex, Edith Lunnebach Eberhard Reinecke, Reinhard Schön, Peer Stolle