An diesem Verhandlungstag wird zunächst ein BKA-Beamter zu der möglichen Identifizierung der Täter eines Banküberfalles in Zwickau befragt, bei denen es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Mundlos und Böhnhardt handelt. Mit dem darauf folgenden Rocco Eh., dem Ex-Mann der Szene-Größe Katrin Dr. („Mappe“), wird ein weiterer Zeuge aus der rechten Szene gehört, der zwar erneut vor allem Mundlos‘ neonazistische Überzeugung bestätigt, aber sich wenig erinnern mag. Ein weiterer BKAler, der asservierte Videodateien auswertete, erklärt, welche Hinweise sich für ihn darauf ergeben, dass es bei dem formulierten Wetteinsatz zwischen Böhnhardt und Zschäpe um das Schneiden von Clips für das Erstellen des Bekennervideos handele.
Zeugen:
- Andreas Ma. (BKA, Überfall auf eine Sparkasse in Zwickau am 25.09.2002)
- Rocco Eh. (Erkenntnisse zu Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt, Nazi-Szene Chemnitz)
- Falko Hu. (BKA, Auswertung von Videodateien, Wette von Zschäpe und Böhnhardt mit Wetteinsatz Videoschnitt)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Erster Zeuge ist Andreas Ma. vom BKA (zuletzt 198. Verhandlungstag). Götzl sagt, es gehe um einen Überfall auf eine Sparkasse in der Karl-Marx-Straße in Zwickau am 25.09.2002, um Lichtbilder der Kamera, um die Beutel, um Spuren, Tatmittel und Bekleidung. Ma. sagt, er habe die Ermittlungen der PD Zwickau fortgeführt. Sie hätten die Ansätze, die in der Akte vorhanden gewesen seien, unter dem Licht der Auffindesituation Eisenach bzw. Zwickau, Frühlingsstraße, erneut betrachtet. Letztendlich hätten sich die Ermittlungsansätze in der Akte auf die Vergleiche der Bilder der Überwachungskamera beschränkt, da die Täter keine daktyloskopischen oder DNA-Spuren hinterlassen hätten. Aus dem Bereich des Raubgutes seien in der Frühlingsstraße Blanko-Sparbücher der Sparkasse Zwickau festgestellt worden. Zwischen 2002 und 2011 habe es nur zwei Überfälle auf Sparkassen in Zwickau gegeben, und der Überfall 2006 sei nur ein Versuch gewesen, wo keine Beute angefallen sei. Laut Zeugenaussagen, und er denke auf einem Bild aus der Überwachungskamera könne man es sehen, hätten die Täter eine Blechkiste mitgenommen, in der mutmaßlich diese Sparkassenbüchervordrucke drin gewesen seien. Diese Vordrucke hätten aber, wohl entgegen der Vermutung der Täter, keinen Wert.
Des weiteren sei auf einem Foto das Profil eines Revolvers mit einem mittellangen Lauf zu sehen. Der eine Täter habe eine schwarze Perücke auf und eine helle Schirmmütze. Der trage die Waffe in der linken Hand. Die habe einen mittleren Lauf. Und dem hätten sie eine Waffe zugeordnet, die sie im Wohnmobil gefunden hätten und die auch bei anderen Überfällen benutzt worden sei. Des weiteren habe man auf den Bildern sehen können, dass, wie in acht von den neun Überfällen verwendet, diese Halstücher als Maskierung verwandt worden seien. Die hätten die Auffälligkeit, dass sie mit einem Kordelzug vernäht worden seien, dadurch würden sie quasi zu Unikaten. Dieser Kordelzug habe den Sinn, dass man die Tücher einfach und stramm aufs Gesicht ziehen könne: „Sonst hätte man die hinten verknoten müssen, das vereinfacht die Geschichte.“ Diese kordelzugvernähten Halstücher seien gefunden worden in der Frühlingsstraße. Des weiteren habe man an Kleidungsstücken noch eine helle Schirmmütze mit dunklem Emblem gefunden, die der Täter mit der schwarzen Perücke getragen habe. Das seien, glaube er, die Asservate, die sie gefunden hätten, die dazu passen.
Ansonsten sei die Zuordnung erfolgt über die Täter. Es seien zwei gewesen, einer davon Linkshänder, stark vermummt und mit Handschuhen, sportlich, wie das bei den meisten Taten der Raubserie der Fall gewesen sei. Götzl fragt nach der Höhe der Beute. Ma. sagt, in der Akte sei eine Beutesumme von 48.571 Euro [phon.] vermerkt gewesen, ungefähr diese Höhe. Die Sparkassenbücher, die selber keinen Wert hätten, habe die Sparkasse deswegen nicht in die Schadensliste [phon.] gesetzt. Dann werden die Lichtbilder aus dem Bericht in Augenschein genommen, Ma. beschreibt die Asservate sowie die auf Überwachungskamera-Bildern zu sehenden Täter erneut. Er fügt hinzu, dass auf einem Bild zu sehen sei, wie einer der Täter ein Reizgassprühgerät gegen die Kunden benutzt, das verschwinde komplett in der Hand, daher sei es auf dem Bild nicht zu identifizieren. Aber er halte es in der rechten Hand und arbeite damit rechtshändig. U.a. darüber hätten sie die Unterscheidung von Mundlos und Böhnhardt getroffen. Böhnhardt sei Linkshänder gewesen, Mundlos habe Tätigkeiten beidhändig ausführen können. Zu einem Bild vom „Geldaufnahmefach“ sagt er, hier könne man sehen, dass das Hartgeld liegen gelassen worden sei, das sei wahrscheinlich einfach zu schwer gewesen. Die letzten Bilder würden die Täter beim Verlassen der Sparkasse zeigen. Zeugen außerhalb der Sparkasse hätten gesehen, wie sich die Täter mit Fahrrädern entfernt haben. Dann werden nochmal Lichtbilder von Asservaten in Augenschein genommen. Der Zeuge wird entlassen.
Es folgt die Einvernahme von Rocco Eh. Götzl sagt, es gehe um Informationen über die rechte Szene in Chemnitz und insbesondere darum, ob Eh. Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe kannte in der Vergangenheit. Eh.: „Gekannt habe ich nur einen, das war der Herr Mundlos und den habe ich kennengelernt bei einem Konzert.“ Auf Frage nach den näheren Umständen sagt er: „Schwierig. Ich sage mal so: Ich war fast jedes Wochenende bei einem Konzert.“ Da habe man immer neue Leute kennengelernt. Götzl: „Können Sie das zeitlich einordnen?“ Eh.: „Eher schwierig, weil das ist 15 Jahre her.“ Götzl sagt, Eh. solle ausholen, die damalige Zeit etwas schildern. Eh.: „Uhh, in Chemnitz waren wir eine Gruppe, die relativ viel unterwegs war. Und wir waren so ziemlich jede zweite Woche irgendwo in Deutschland unterwegs zu einem Konzert.“ Auf Frage, wer zu der Gruppe gehört habe, sagt Eh.: „Meine Ex-Frau, der Herr Lasch war mit unterwegs und Leute, die man halt vom Sehen her kennt. Also kein enger Freundeskreis in dem Sinne.“
Götzl; „Wer ist mit Ihrer Ex-Frau gemeint?“ Eh.: „Frau Dr.“ (200. Verhandlungstag) Er bejaht die Frage, ob er seine Ex-Frau Mitte der 90er kennengelernt habe. Böhnhardt und Zschäpe kenne er nur aus den Medien, so Eh. auf Frage. Götzl: „Nochmal zurück zu der Situation, als Sie Uwe Mundlos kennengelernt haben: Können Sie sich an die Situation noch erinnern?“ Eh.: „Nicht detailgetreu, aber es war auf jeden Fall bei einem Konzert und aufgefallen ist er durch seine Art, weil er ein bisschen ein auffälligeres Wesen hatte. Er war recht witzig umeinand, immer einen lockeren Spruch auf der Lippe.“ Götzl: „Wie häufig hatten Sie Kontakt zu Uwe Mundlos?“ Eh.: „Dort bei dem Konzert. Und durch die Presse ist das zurückgekommen, wo man sagt: Den kennst Du irgendwoher.“ Götzl fragt, ob Eh. Mundlos noch bei weiteren Gelegenheiten gesehen habe Eh.: „Nicht dass es mir aufgefallen wäre. Ich wusste auch nicht, dass es der Uwe Mundlos ist.“ Das sei ihm erst durch die Presse bekannt geworden.
Vorhalt aus Eh.s Vernehmung: Ich erinnere mich an ein Konzert in Deutschland, ob Sachsen kann ich nicht sagen; müsste so etwa 2000 gewesen sein, auf jeden Fall war ich da schon mit Mappe zusammen, also nach 1995; es könnte auch 1999 oder 2001 gewesen sein; da waren auch Uwe Mundlos und die Beate Zschäpe anwesend, die damals ein Paar waren. Eh.: „Das ist gut möglich. Aber aufgefallen ist mir Uwe Mundlos.“ Götzl entgegnet, da stehe, dass auch Zschäpe anwesend war, von einer Möglichkeit finde er da nichts. Eh. sagt, aus dem heutigen Stand sei ihm nicht mehr bekannt, ob er das wusste. Das sei zu der Zeit auch jeden Tag in den Nachrichten gekommen. Vorhalt: Frage: Wie genau haben Sie Uwe Mundlos und Beate Zschäpe kennengelernt? – Antwort: Also Bea und Uwe standen in einer Traube mit etwa zehn Leuten vor dem Eingangsbereich des Konzertes. Eh.: „Das habe ich ja eben gesagt.“ Götzl fragt, wie er diese Stelle im Protokoll sehen solle: „Haben Sie es bei der Polizei gesagt?“ Eh.: „Entweder hatte ich da einen Irrglauben. Aus der heutigen Sicht kann ich mich nicht entsinnen, dass die Beate mir aufgefallen wäre, die Frau Zschäpe.“ Götzl fragt, warum Eh. das dann nicht so gesagt habe bei der Polizei. Eh.: „Kann ich nicht erklären, nee.“
Götzl: „Können Sie sich an Äußerungen von Uwe Mundlos in dieser Situation erinnern?“ Eh.: „Aus dem Stegreif im Moment nicht.“ Das sei 15 Jahre her, da seien halt meistens „Witzeleien gemacht“ und „Sprüche geklopft“ worden, „nichts Weltbewegendes“. Götzl fragt, was mit „meistens“ gemeint sei, wie oft Eh. Mundlos gesehen habe. Eh.: „Ein Konzert, da haben wir eine halbe Stunde gewartet in der Traube, das wir rein können.“ Man habe sich dort unterhalten. Götzl: „Haben Sie sich mit Uwe Mundlos auch unterhalten?“ Eh.: „Ja, aber über nichts Persönliches, aber halt nur so in der Traube.“ Vorhalt: Mir ist da ein Satz von Mundlos in Erinnerung geblieben, demnach Konzerte nicht dazu da seien, um Spaß zu haben, sondern um gleichgesinnte Kameraden zu treffen und sich politisch zu organisieren. Eh.: „Solche Gespräche waren bei jedem Konzert zugange. War zumindest zu der Zeit so.“ Götzl: „War das ein Satz von Mundlos?“ Eh.: „Durchaus möglich.“
Vorhalt: Die Art von Mundlos, wie er in dieser Runde erzählte, ist mir in guter Erinnerung geblieben. Eh. sagt, Mundlos sei ja auch ein auffälliger Typ gewesen, weil er alles sehr amüsant dargestellt habe. Deswegen sei ihm Mundlos ja auch auf den Pressebildern aufgefallen. Vorhalt: Es war schon interessant, wie er es verstanden hat, politisch radikale und antijüdische Botschaften zu verpacken. Eh.: „Ja, er war ja nicht dumm und konnte gut erklären. Weil sonst wäre er ja einem auch nicht aufgefallen und untergegangen unter den ganzen anderen Leuten.“ Götzl: „Was bedeutet: ‚Politisch radikale und antijüdische Botschaften zu verpacken‘?“ Eh.: „Es wurde sich unterhalten, dass man auf den Konzerten auch Kontakte knüpfen kann, um andere Dinge außer der Musik zu machen.“ Vorhalt: Er hat da eine krasse Botschaft rübergebracht, dass man gegen die Juden viel härter vorgehen sollte, die hätten in unserer Gesellschaft nichts zu suchen; Mundlos hat das geschickt verharmlost, indem er dann einen passenden Judenwitz parat hatte. Götzl: „Hat er das damals gesagt?“ Eh.: „Ist schon richtig so.“ Vorhalt: Ähnlich mit Politikern: Er zog erst über Politiker her und hatte auch dann einen passenden Witz parat. Eh.: „Er hatte zu allem einen Witz parat.“
Vorhalt: War diese von Ihnen erwähnte Gesprächsrunde mit Mundlos und Zschäpe der einzige direkte Kontakt mit den beiden? – Ja, ich habe weder davor noch danach Kontakt zu Mundlos und Zschäpe gehabt. Eh.: „Richtig.“ Götzl: „Jetzt ist hier wieder von Beate Zschäpe die Rede, wie vorher auch schon und da sogar die zusätzliche Information ‚die damals ein Paar waren‘. Was war denn damals mit Beate Zschäpe in der Situation?“ Eh.: „Sicherlich war sie dann da, das kann gut sein. Aber sie ist mir dort in keiner Weise aufgefallen in dem Sinne. Aufgefallen ist mir Uwe Mundlos.“ Götzl: „Ja, war sie zugegen?“ Eh. sagt, er könne es nicht bezeugen, weil er sich aus der Sicht von heute nicht erinnern könne. Götzl: „Und die Information, dass die damals ein Paar waren?“ Eh.: „Das kann auch gut sein, dass das aus den Gesprächen rauskam, die man im Freundeskreis geführt hat nach der ganzen Aktion.“ Götzl: „Was meinen Sie damit?“ Eh.: „Wo das in der Presse aufkam, da war das natürlich auch in Chemnitz Stadtgespräch.“
Götzl fragt, was das für Konzerte gewesen seien. Eh.: „Meistens Skinheadkonzerte.“ Götzl: „Wie war Ihre Einstellung damals?“ Eh. sagt, er würde sich nicht als rechtsradikal bezeichnen zu der Zeit, sei mehr der Fan gewesen, der der Musik nachgereist sei. Er habe zur Skinheadszene durch den Punk gefunden und sei dann in Chemnitz durch die Skinheadszene auch in die rechte Szene rein. Götzl: „Welche Rolle spielte damals die Frau Dr. in der Szene?“ Eh.: „Was heißt Rolle? Sie war bekannt wie ein bunter Hund, sage ich mal, aber direkt eine Rolle gespielt hat sie in dem Sinne keine.“ Götzl: „Welche Einstellung hatte sie damals?“ Eh.: „Deutschnational schon, aber als rechtsradikal würde ich sie nicht bezeichnen.“ Sie habe auch Konzerte besucht, die mit Skinhead gar nichts zu tun gehabt hätten, seien auch zusammen zu Punk- und Reggaekonzerten gewesen. Auf Frage nennt Eh. Dr.s Spitznamen „Mappe“. Götzl fragt, ob es außer Dr. und Lasch weitere Personen gegeben habe, mit denen Eh. unterwegs war. Eh.: „Zu Konzerten ja, aber die meisten kenne ich nur mit Spitznamen. Die Geklonten, die Zwilling bzw. Brüder, Gunnar und Armin.“ Götzl fragt nach Jan Werner. Eh.: „War auch oft mit, aber meistens im eigenen Auto.“ Auch Michael und Antje Probst seien mit gewesen, aber nicht so oft, dadurch dass die Familie hätten.
Vorhalt: Frage: Wen würden Sie zu Ihrem damaligen Bekanntenkreis zählen? – Antwort: Größtenteils Leute, die im Fritz-Heckert-Gebiet gewohnt haben, Jan Werner, Hendrik Lasch, Michael und Antje Probst, Svea, Jan Ri. [phon.] und die Geklonten; gelegentlich auch Enrico Ri., Torsten Schau und Kicke und Kacke; Kicke und Kacke gehörten damals der Hooliganszene an. Götzl: „Sagt Ihnen Thomas Starke was?“ Eh.: „Ja, er war auch öfters auf Konzerten .“ Den habe er gekannt seit der aus dem Gefängnis wieder rausgekommen sei, um 2000 rum, meine er. Götzl fragt, ob Starke ein Freund von Eh. gewesen sei. Eh. sagt, man habe sich gekannt, sei immer wieder mal ein Bier trinken gewesen und bei Konzerten habe man immer mal die Gelegenheit gehabt zu schwätzen. Vorhalt: Persönlich habe ich ihn erst nach seiner Haftzeit 1996 kennengelernt; von da an war er regelmäßig Party- und Konzertbesucher mit meiner Clique. Eh.: „Richtig.“ Vorhalt: Jan Werner hatte eine besondere Rolle, weil er immer heiße Informationen hatte, wo ein Konzert stattfand, egal ob im In- oder Ausland. Eh. bestätigt den Vorhalt.
Eh. verneint, dass in seinem Kreis mal von Waffen die Rede gewesen sei. Götzl: „Hatten Sie Informationen dazu, wo man scharfe Waffen bekommen konnte?“ Kurz nach der Wende sei das kein Problem gewesen, so Eh., da sei man an die „Russenkaserne“ gefahren, wenn man welche hätte haben wollen. Das sei auch kein Geheimnis gewesen in Chemnitz. Götzl: „Welche Rolle hat das Thema in Ihrer Clique gespielt?“ Eh.: „Eigentlich überhaupt keins.“ Götzl: „Gab es in Bezug auf Werner ein Ereignis, was außergewöhnlich war?“ Eh.: „Nicht wirklich. Götzl: „Gab es mal ein Verfahren gegen ihn?“ Zum Ende der Zeit, so Eh., da sei er selbst nicht mehr so aktiv gewesen und da sei gemunkelt worden, dass Werner ausgepackt hätte oder so. In der Szene sei erzählt worden, so Eh. weiter, dass Werner irgendwelche Leute verpfiffen hätte, es seien keine Details genannt worden. Mit Werner habe er darüber nicht gesprochen. Götzl: „Hatten Sie dann nochmal Kontakt zu ihm?“ Werner sei dann nirgends mehr anzutreffen gewesen, so Eh.
Götzl fragt, wie die Konzerte stattgefunden hätten. Eh.: „In Landgasthöfen oder alten Sälen von Gasthöfen und Konzerthallen. In Deutschland waren wir fast überall und teilweise auch im Ausland.“ Er verneint, dass Mundlos oder Zschäpe mal bei ihm übernachtet hätten. Eh. verneint, sich mal mit seiner Ex-Frau über das Thema Übernachtung von Uwe Mundlos bei ihr unterhalten zu haben; das sei eigentlich kein Thema gewesen. Auch Zschäpe sei kein Thema gewesen. Götzl: „Haben Sie mal mitbekommen, das Personen auf der Flucht wären, eine Übernachtungsmöglichkeit bräuchten?“ Eh.: „Nö.“ Götzl: „Hat Thomas Starke Sie mal angesprochen, dass er eine Wohnung suchen würde für jemanden?“ Eh.: „Nö.“ Götzl: „Sagt Ihnen der Name ‚Mucke‘ was?“ Eh.: „Ja, das war im Prinzip ein guter Freund vom Herrn Werner [phon.], der auch viel zu Konzerten unterwegs war.“ Götzl: „Wie hieß der richtig?“ Eh.: „Andreas möcht‘ ich meinen, aber Nachname fällt mir nicht mehr ein.“ Götzl fragt, ob in Eh.s Clique damals Anwendung von Gewalt eine Rolle gespielt habe. Eh.: „In Gesprächen eher weniger. Es ist mal vorgekommen, dass es eine Prügelei gab.“ Auf Frage, ob Gewalt zur Durchsetzung von politischen Zielen ein Thema gewesen sei, sagt Eh., das sei bei ihnen kein Thema gewesen, bei ihnen sei eher Partystimmung gewesen.
Götzl fragt nach B&H und Eh. sagt, das sei eine Vereinigung in Deutschland, die einiges an Konzerten organisiert habe, vor allem im Berliner Raum. Götzl fragt, ob Eh. Kontakt gehabt habe. Eh.: „Vom Sehen kannte ich einige, durch die Konzerte.“ Er kenne die nicht namentlich, eine „Berliner Truppe“, die auch fast bei jedem Konzert dabei gewesen sei. Auf Nachfrage, ob aus seiner Clique bei der Organisation jemand dabei gewesen sei, sagt Eh.: „Meiner Meinung nach war der Jan Werner dabei.“ Götzl: „Und von den anderen angesprochenen Personen?“ Eh.: „Nicht dass ich wüsste. Denn wir haben unseren eigenen Chemnitzer Trupp gehabt, mit unserer eigenen Fahne, von daher hat sich meines Wissens nach niemand offiziell da irgendwo beteiligt gehabt.“ Vorhalt: Mir fallen da spontan Jan Werner, ‚Mucke‘, also Andreas Graupner, aber auch Thomas Starke ein, die alle zur Blood & Honour-Szene gehörten. Dann habe er das das jetzt vergessen, so Eh. dazu. Es folgt eine Pause bis 11:36 Uhr.
Danach hält Götzl vor: Ich kann jetzt nur die Einstellung vom Mundlos beschreiben, eine extrem national-deutsche Einstellung, und wie er sich gegeben hat, war er auch sehr arisch, er hat sich wie ein Herrenmensch gefühlt. Götzl: „Haben Sie das damals so angegeben?“ Eh.: „Ja.“ Auf Frage, was damit gemeint sei, sagt Eh.: „Wie soll ich es jetzt beschreiben? Aus dem Gespräch heraus, so wie er gescherzt und Witze gemacht hat, kam heraus, dass er ein bissel über den Dingen steht. Dass er den Judenwitz dazu gepackt hat und sich da drüber gestellt hat.“ Vorhalt: Für ihn waren Juden Abschaum, die nichts auf der Welt zu suchen haben; in den paar Minuten hat man gemerkt, dass er nicht nur ein bisschen rechts wie ein gängiger Skinhead ist. Eh. sagt, Mundlos habe sich gewählt ausgedrückt, da schon sehr bedacht geredet, zumindest habe er, Eh., das so empfunden. Götzl fragt, was mit „nicht nur ein bisschen rechts“ gemeint sei. Eh. sagt, Mundlos habe viel über Politik geredet, habe schon versucht, eine kleine politische Veranstaltung draus zu machen, als sie da gestanden hätten. Vorhalt: Er machte auf mich den Eindruck eines Rattenfängers, der die Plattform des Konzertes dazu brauchte, um antijüdische und rassistische Äußerungen einer größeren Öffentlichkeit näher zu bringen. Eh, sagt, man könne natürlich auf solchen Veranstaltungen Leute, die relativ labil sind, schnell in eine Ecke rüberziehen und denen das schön reden.
Vorhalt: Er war nicht der klassische Dummschwätzer, sondern wusste seine Worte zu nutzen; er machte einen intelligenten und freundlichen Eindruck, das unterschied ihn schon von der breiten Masse. Eh. bestätigt den Vorhalt. Vorhalt: Frage: Ist Ihnen bekannt, ob Widerstand mit Gewalt ein Thema in der Szene war, insbesondere bei den Personen des Trios? – Antwort: Nein, nicht direkt, aber Gewalt galt als legitimes Mittel zur Lösung des Ausländer- und Judenproblems.; dies war jedem bewusst. Eh. sagt, das sei in der rechten Szene ein gängiges Thema, dass die, die nicht geduldet werden, mit Gewalt zur Seite geschoben werden. Eh. weiter: „Es wurde darüber gesprochen, dann werden sie halt rausgeprügelt, sag ich mal so.“ [phon.] Götzl fragt, ob Eh. Wohlleben kenne. Eh.: „Ja, aus den Medien her halt, ansonsten nicht.“ Holger Gerlach sage ihm vom Namen her jetzt auch nichts.
RA Klemke fragt, wie die Person, die Eh. als Mundlos erinnere gesprochen habe, ob es da Auffälligkeiten gegeben habe. Das verneint Eh. Der habe sehr ordentlich gesprochen, sehr gut verständlich. Er selbst sächsele sehr, so Eh., der habe Hochdeutsch gesprochen, zumindest keinen starken Dialekt. Klemke fragt nach der Stimmlage. Eh.: „Nicht dass ich mich entsinnen könnte, dass da jetzt was extrem anders wäre.“ Klemke sagt, Eh. habe gesagt, er habe drei oder vier Mal das Bild in den Medien gesehen und dann gedacht, dass er den irgendwoher kenne. Klemke fragt, woran Eh. festgemacht, dass es die Person vom Konzert war. Am Gesicht als solches, antwortet Eh. Klemke: „Gab es Auffälligkeiten, woran Sie es festgemacht haben?“ Eh.: „Nein. Irgendwo hast Du das Gesicht schon mal gesehen. Keine extrem schiefe Nase oder sowas, sondern einfach: Das Gesicht haste schon mal gesehen.“ Klemke: „Das ist alles. Schon mal gesehen. Nach drei oder vier Mal, nachdem Sie das Bild gesehen haben. Danke.“
NK-Vertreter RA Reinecke fragt, ob Eh. ein enges Verhältnis zu den Brüdern Fiedler gehabt habe. Eh.: „Ja, kannte ich recht gut.“ Auf Frage, ob die ihm etwas erzählt hätten von Menschen die untergetaucht sind, sagt Eh.: „Nein, war nie Gesprächsthema.“ Reinecke: „Sie bezeichneten sich in Ihrer Vernehmung als deutschnational, aber nicht rechtsradikal.“ Eh.: „Richtig.“ Reinecke: „Können Sie sich erinnern, dass Sie nach den Nummernschildern Ihrer Kraftfahrzeuge gefragt worden sind?“ Eh.: „Kann ich nicht mehr sagen.“ Reinecke: „Auf was haben Sie geachtet?“ Eh.: „Dass eine 88 dran steht.“ Reinecke: „Wofür steht 88?“ Eh. sagt, das sei doch bekannt. Reinecke: „‚Heil Hitler‘?“ Eh.: „Ja.“ Reinecke: „Und das bezeichnen Sie als deutschnational?“ Eh.: „Nein, eher als provokant.“ Reinecke: „Was würden Sie dann als rechtsradikal bezeichnen“? Eh.: „Rechtsradikal ist, wenn ich Gewalt gegen jemand anders ausübe.“
RAin von der Behrens fragt, ob „Dackel“ auch zu der Gruppe gehört habe, die zu Konzerten gefahren ist. Das bejaht Eh. V. d. Behrens fragt, ob das Thomas Rothe (zuletzt 146. Verhandlungstag) sei. Eh.: „Gute Frage, ich kenne ihn nur als Dackel.“ Auf Frage, ob er sich mal mit seiner [Ex-] Frau über die Drei unterhalten habe, sagt Eh., dass sie sich nur unterhalten, dass es generell ein Thema sei in der Szene; sie hätten nur am Telefon gesprochen und an dem Sonntag in der Kneipe. Er verneint, seine Frau gefragt zu haben, ob Sie die Drei kannte. V. d. Behrens: „Gab es einen Grund, dass Sie sie nicht gefragt haben?“ Eh.: „Nö.“ Seine Frau habe ihm erzählt, dass sie vernommen wurde, so Eh. auf Frage. V. d. Behrens: „Wissen Sie auch, was sie gefragt wurde?“ Eh.: „Nein, so in das Kleinliche sind wir nicht gegangen.“ V. d. Behrens: „Haben Sie durch Dritte erfahren, ob Ihre Frau die Drei gekannt hat?“ Eh.: „Nee.“ V. d. Behrens fragt, ob Eh.s Frau während der Schwangerschaft oder zu einem anderen Zeitpunkt von einer VS-Behörde angesprochen worden sei. Eh.: „Also, mir ist nichts davon bekannt.“ Er verneint, selber mal angesprochen worden zu sein.
RAin Basay fragt nach Eh.s Spitznamen. Eh. sagt, der sei „Berzel“ [phon.] gewesen. Das komme daher, dass sich, wenn er die Haare kurz gehabt habe, vorne eine Beule gebildet habe. Er bejaht, ein Fanzine rausgebracht zu haben. Basay: „Wie lautete der Name?“ Eh. sagt, da müsse er nachdenken, das sei eine kleine Zeitschrift für Skinheads gewesen, die sich um musikalische Veranstaltungen gedreht habe. Basay nennt den Namen „Der Henker“. Eh.: „Ja, das würde passen.“ Auf Frage sagt er, das sei ungefähr ein Jahr lang gegangen, 1998/ 99, schätze er mal, es könne aber auch schon eher gewesen sein. Basay: „Waren Sie allein?“ Eh.: „Nein, einen Kumpel hatte ich dabei.“ Auf Frage nennt Eh, den Namen Jens Scha. Basay: „Haben Sie in der Szene mal wen mit einer Pumpgun oder anderen Waffen gesehen?“ Eh.: „Nee.“ Basay: „Und Jens Scha. in Verbindung mit einer Pumpgun?“ Eh.: „Nee, überhaupt nicht. Traue ich ihm auch nicht zu, zumindest aus der Zeit, wo ich ihn kannte.“ Basay: „Und Sie haben in der Szene niemanden mit einer Waffe gesehen?“ Eh.: „Vielleicht mal einen Baseballschläger, aber Schusswaffe nicht.“
RA Narin fragt, wer der „eigene Chemnitzer Trupp“ sei, von dem Eh. gesprochen habe. Eh.: „Das waren die Leute, die zu den Konzerten gefahren sind. Wir hatten T-Shirts mit ‚Skinheads Chemnitz‚ und eine Fahne, wo auch das ‚Skinheads Chemnitz‘ drauf war.“ Vorhalt aus Eh.s Vernehmung: Ich erinnere mich an Aussagen von Mundlos, aufgrund dessen auch Waffengewalt und Sprengstoff….wenn Adolf noch da wäre, es keine solchen Probleme mit Ausländern und Juden geben würde. [phon.] Eh.: „Ja.“ RA Ilius fragt, ob Eh. auch in Zwickau zu Konzerten gewesen sei. Eh.: „Mit Sicherheit.“ Wer das organisiert habe, könne er nicht sagen. Ilius: „Sagt Ihnen Ralf Marschner was?“ Eh.: „Nein.“ Ilius: „Haben Sie noch Kontakt zu Hendrik Lasch?“ Eh.: „Im Moment gar nicht, weil ich nicht mehr in Chemnitz wohne.“ Ilius sagt, Eh. habe angegeben, er sei manchmal zu Kneipenabenden dort. Er habe Lasch schätzungsweise vor zwei Jahren das letzte Mal gesehen, so Eh. Ilius: „Sagt Ihnen ein Lied namens ‚Dönerkiller‘ was?“ Eh.: „Nee, sagt mir nichts.“ Ilius: „Wissen Sie, ob Lasch Informant einer Verfassungsschutzbehörde war?“ Eh.: „Nee, weiß ich nicht.“
RA Klemke fragt, wo Eh.s Vernehmung bei der Polizei stattgefunden habe. Eh.: „In Berlin.“ Er habe eine Vorladung gehabt, sei ins Revier gefahren und von drei Herren empfangen worden. Es sei ein „ganz normales Frage-und-Antwort-Spiel“ gewesen, eine ganz normale Vernehmung. Klemke: „Haben Sie mitbekommen können, wie die Fragen und Antworten festgehalten wurden?“ Eh. sagt, die seien mitgeschrieben worden. Er bejaht, dass ihm das Protokoll vorgelegt worden sei. Er habe drübergelesen und sei froh gewesen, dass er gehen konnte, weil es schon spät gewesen sei. Klemke: „Sie haben drübergelesen?“ Eh.: „Ich habe es durchgelesen und unterschrieben.“ Dann sei er gegangen zu später Stunde, das habe sich in die Länge gezogen. Klemke fragt, ob Eh. Diskrepanzen aufgefallen seien zwischen dem, was er gesagt habe und dem, was niedergeschrieben wurde. Das könne er nicht so sagen [phon.], weil sich das in die Nacht reingezogen habe. Klemke sagt, im Protokoll stehe, Gewalt sei ein legitimes Mittel in der rechten Szene gewesen, heute habe Eh. aber gesagt, Gewalt sei zur Durchsetzung politischer Mittel überhaupt nie Thema gewesen. Das erste sei eine allgemeine Aussage zur rechten Szene, so Eh., nicht in Chemnitz. [phon.] Auch dort habe es sicherlich Gewaltakte gegeben, aber da sei er nicht dabei gewesen. Der Zeuge wird entlassen, es folgt die Mittagspause.
Um 13:22 Uhr geht es weiter mit dem Zeugen Hu. vom BKA. Götzl sagt, es gehe um die Auswertung von Asservaten, Videodateien. Hintergrund sei das Thema selbstgeschnittene Filme, der Zeitpunkt von Arbeiten und ob es unter den Asservaten Videodateien gibt, die mit Videoschnittprogrammen bearbeitet worden sind (siehe u.a. Beweisanträge der RAe Schön und Reinecke vom 89. und 181. Verhandlungstag). Hu. sagte, der Auftrag habe ihn Ende Januar, Anfang Februar erreicht, in den Asservaten aus der Frühlingsstraße und dem Wohnmobil nach selbstgeschnittenen Videos zu suchen. Hintergrund sei die Datei „Wette.cpt“, die in den Asservaten der Frühlingsstraße auf einer CD gefunden worden sei. Es handele sich um eine Wette zwischen Böhnhardt und Zschäpe, wo es darum gehe, dass man vereinbart, sein Körperwunschgewicht zu erreichen bis zum 1. Mai, ohne Jahresangabe.
Man sehe ein Bild, auf dem Zschäpe und Böhnhardt abgebildet seien. Als Wetteinsatz würden „Wohnung putzen“ und „Stube reinigen“ angeboten, aber eben auch „200 mal Videoclips schneiden“. Die Frage sei gewesen, ob sich das auf das Bekennervideo bezogen haben könne. Er habe nach selbstgeschnittenen Videos suchen sollen, auf die auch potenziell Bezug genommen worden sein könnte. Er habe nach Videos geguckt, die erkennbar mit einem Videoschnittprogramm bearbeitet waren. Das habe er daran erkennen können, dass Hartschnitte oder Bild- oder Texteinblendungen vorgenommen worden seien, grafische Elemente hinzugefügt oder Tonschnitte vorgenommen worden seien. Zusammenfassend könne man sagen, dass sich in der Tat selbstgeschnittene Videos in den Asservaten gefunden hätten. Allerdings sei bei diesen Videos nicht der Eindruck entstanden, dass mit der Wette auf diese Bezug genommen wurde, sondern es habe sich der Eindruck verfestigt, dass auf das Bekennervideo Bezug genommen worden sein könnte.
Die Gründe dafür seien als erstes die Zeitstempel. Die Wette verfüge über einen Zeitstempel vom 24.11.2005, da sei zuletzt auf die Datei zugegriffen worden. Das Bekennervideo sei begonnen worden zu bearbeiten am 28.05.2006, also ein halbes Jahr später. So dass man hier von einem zeitlichen Zusammenhang ausgehen könne. Der zweite Grund, warum er sagen würde, dass sich „Wette.cpt“ auf das Bekennervideo bezieht, so Hu., sei die Anzahl der Schnitte. Es seien ja 200 Schnitte genannt. Wenn man sich das Bekennervideo ansehe, sehe man schon 94 klar erkennbare Bildschnitte. Und in diesen 94 Schnitten seien noch keine Texteinblendungen, keine grafischen Elemente, keine Tonschnitte hinzugefügt. Daher könne man davon ausgehen, dass da noch sehr viel mehr Schnitte vorgenommen worden seien als 94.
Einen weiteren Grund sehe er in einem weiteren Asservat, das trage im Rahmen der Asservatenauswertung den Arbeitsnamen „Drehbuch“. Hier habe man eine handschriftliche Auflistung von Paulchen-Panther-Clips, und die Auswertung zeige, dass eben diese handschriftlich herausgeschriebenen Clips tatsächlich zum Teil im Bekennervideo verwendet worden seien. Diesen Teilen sei wiederum das Wörtchen „Clip“ vorangestellt, z. B.: „Clip 1 Paulchen fährt mit dem Auto die Straße runter“, „Clip 2 Paulchen ist auf dem Roller unterwegs“, „Clip 3 Gewitter mit Blitz“ [alle phon.]. Das sei nicht der genau Wortlaut, sondern sinngemäß, so Hu.: „Wir haben zumindest das Wörtchen Clip also mehrfach im Asservat wie in der Wette.“ Die Videos, die er in den Asservaten gefunden habe, könne man zum einen in der Kategorie „Urlaubsvideos“ verorten ab den Jahren 2008, 2009, 2010. Hier würden die Zeitstempel so weit weg von der Wette liegen, dass für ihn, Hu., der Schluss nicht plausibel sei, dass man sich bei der Wette dann auf erst 2008 zu erstellende Urlaubsvideos bezogen haben könnte.
Er habe auch Videos gefunden aus dem Jahr 2005, die sich mit NS-Aufmärschen in Dänemark und Schweden beschäftigen. Diese würden allesamt grafische Einblendungen aufweisen: „nordischeshilfswerk.org“ oder „info-14.com“, so dass für ihn nicht der Schluss nahegelegen habe, dass diese Videos von Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe erstellt worden sind. Es gebe noch weitere Videos auf einem Camcorder, die seien aber das Rohmaterial, da habe keine grafische Bildbearbeitung stattgefunden, insofern würden die auch rausfallen. Zum Aufwand der Erstellung des Bekennervideos sagt Hu.: „Wenn man sich die Frage stellt, wieso hat man sich schon überlegt, dass man 200 Videoschnitte als Wetteinsatz formulieren möchte. Da könnte man die Vorgängerversionen des Bekennervideos heranziehen als Argumentation. Es gibt ja zwei Vorgängerversionen. Nicht ganz so lang, aber auch aufwändig produziert mit grafischen Elementen, Logos und Texteinblendungen. Und es wäre denkbar, dass man den Aufwand eines neuen Videos schon hat abschätzen können zum Zeitpunkt der Wette, insofern auf die 200 Videoclips gekommen ist.“
Götzl sagt, Hu. solle auf die einzelnen Asservate eingehen und die jeweiligen Zeitstempel. Hu. nennt die Asservatennummern der Videos, eines MP3-Players und dann einer CD beschriftet mit den Worten „Fehmarn“ und „Test“. Auf dieser CD würden sich bewegte Bilder von einem Urlaub auf Fehmarn finden. Unter einer weiteren Nummer, die Hu. nennt, seien ebenfalls Urlaubsvideos von Aufenthalten auf Fehmarn zu finden. Dann gebe es auf der Festplatte, die bei ihnen „EDV 21“ genannt worden sei, ein Video „Hess 05 Kolding German“ und die Dateien „Schwedentest“ und “Schwedentest 2” und die Dateien “Salem Lars” “Salem Henrik” “Salem Lutz” [alle phon.]und noch weitere, die ihm gerade entfallen seien. Götzl hält aus dem Bericht vor: Salem 2005 Robert, Salem 2005 Lutz, Salem 2005 Anders, Salem 2005 Magnus, Salem 2005 Henrik. [alle phon.]Hu.: „Danke.“ Götzl hält die Asservatennummer des Sony-MP3-Players, der Festplatte „EDV 11“, „Seagate“, dann der Videokamera „Panasonic“ und von „Fehmarn Test“ vor. Außerdem, so Götzl, seien zwei DVDs aufgeführt mit dem Namen „Fehmarn 2009“, die bei den Familien S. und Sch. [Urlaubsbekanntschaften] sichergestellt worden seien, sowie eine DVD „Fehmarn 2008“, die bei der Familie Sch. sichergestellt worden sei.
Götzl fragt zu den Zeitstempeln. Hu. sagt, die Urlaubs-DVD „2008“ habe einen Zeitstempel im November 2008, die anderen beiden Urlaubs-DVDs dürften im Jahr 2009 liegen, ebenso wie der MP3-Player, der liege im April 2009. Götzl hält vor, bei den Urlaubsvideos auf „Fehmarn 2009 Test“ [phon.] sei das Datum 06.12.2009. Hu.: „Ist korrekt, ich hab’s nur jetzt nicht mehr zusammengebracht.“ Vorhalt: DVD mit Aufschrift „Fehmarn 2008“: Alle Zeitstempel der Videodateien datieren auf den 13.10.2008. [phon.] Hu.: „Ja, Oktober 2008.“ Götzl sagt, es gehe ihm dann noch um die Frage, ob Hu. sagen könne, wie viele Schnitte erforderlich sind, um eine Paulchen-Panther-Szene oder irgendwelche Texteinblendungen hinzuzufügen, ob Hu. da eine Größenordnung angeben könne, wenn man noch an grafische Elemente, Text und Ton denke. Hu., sagt, er könne es nicht mit einer Zahl beziffern. man müsse im Grunde vom Begriff „Schnitt“ weggehen: Wenn man eine Grafik einfügen wolle, seien mehrere Arbeitsschritte nötig: „Wenn wir beispielsweise im fertigen Produkt einen Zeitungsartikel hineingeschnitten sehen, dann ist das nicht mit einem einzigen Arbeitsschritt getan.“ Das sei seiner Erfahrung nach noch ein sehr großer Arbeitsaufwand, der mit dem Bildschnitt einhergehe, insbesondere auch der Tonschnitt. Man müsse darauf achten, dass der Ton an der richtigen Stelle ist. Man spreche beim Fernsehen von „Text-Bild-Schere“. Es gebe nichts Schlimmeres, als wenn der Ton nicht zum Bild passt. Da müsse man im Millisekundenbereich nach vorn und nach hinten verschieben. Ebenso sei es mit der Einblendung von Grafiken. Hu. sagt, man rede hier von weit über 100 Arbeitsschritten: „Wenn man die 94 Schnitte zugrundelegt, würde ich sagen, wir kommen zu den 200. Aber eine Zahl zu nennen, ist eigentlich nicht seriös.“
Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Mich interessiert als allererstes, welche Asservate, welchen Asservatenpool Sie überhaupt gesichtet haben?“ Hu. sagt, er habe sich alle Auswertevermerke der Objekte 1 und 2, also Wohnmobil und Frühlingsstraße, durchgelesen bzw. das Asservat kommen lassen und im Original angeschaut. Größere Asservate wie „EDV 21“ würden als Image bei ihnen vorliegen und die habe er mit Hilfe der Fachdienststelle filtern lassen nach Videodateien, so dass nach Möglichkeit nichts verloren geht. Das sei bei den Datenmengen schwierig. Dann habe er sich die Dateien angucken und auf die Kriterien hin überprüfen können. Stahl: „Gibt es einen Grund dafür, dass Sie lediglich die elektronischen Asservate der Objekte 1 und 2 herangezogen haben?“ Das sei damals in Absprache mit seinen Vorgesetzten erfolgt, so Hu., das seien Dinge, die nach Sinnhaftigkeit entschieden würden. Er bejaht, mal in die Asservatenliste des GBA geschaut zu haben. Stahl nennt eine Asservatennummer und fragt, ob Hu. das Asservat kenne. Hu.: „Anhand der Nummer nicht.“ Stahl sagt, es handele sich um eine „DVD, handbeschriftet mit ‚Mario Barth'“. Auf Frage, ob er das schon mal gesehen habe, sagt Hu.: „Ich kenne Mario Barth.“ Stahl sagt, es gehe ihm um das Asservat. Hu.: „Das habe ich bestimmt schon mal in irgendeiner Form gelesen. Aber konkret damit gearbeitet, habe ich meiner Erinnerung nach nicht.“
Stahl fragt, ob Hu. im Rahmen der Festlegung, welche Asservate er auswerte, Feststellungen getroffen habe, ob die Asservate mglw. mit der Handschrift von Zschäpe beschriftet wurden. Hu.: „Im Gesamtkomplex?“ Stahl: „Wir reden jetzt nur von elektronischen Videodateien und Datenträgern. Aber ja, im Gesamtkomplex.“ Hu. sagt, er habe konkret nicht nach Beschriftungen gesucht, die Zschäpe zuzuordnen wären, er habe konkret nach Videodateien gesucht. Stahl sagt, im Ordner 616 ab Blatt 7959 [phon.] seien auf 15 Seiten Datenträger aufgelistet, auf denen offensichtlich Videomaterial drauf sei, und fragt, ob Hu. das nicht gemerkt habe. Diese Asservate seien zumindest in die Auswertung zu selbsterstellten Videodateien nicht eingeflossen, so Hu. Stahl fragt, warum nicht, was denn Hu.s Auftrag gewesen sei. Hu.: „In den Asservaten aus Wohnmobil und Frühlingsstraße nach Videodateien zu suchen.“ Stahl: „Und die Weisung war: Nur in den Asservaten dieser beiden Objekte?“ Hu.: „Korrekt.“ Stahl fragt, ob Hu. Feststellungen getroffen habe, ob die zugrundeliegende Wette je von jemandem verloren wurde. Da habe er keine Informationen zu, sagt Hu. Stahl sagt, Hu, habe ja dargelegt, wie viele weitere Schritte erforderlich seien, und fragt, ob Hu. mal Plausibilitätserwägungen angestellt habe, ob das, was da erforderlich sei für diese Videoschnitte, mit Zimmeraufräumen, Badputzen in einer Kategorie ist oder ein bisschen anspruchsvoller. Hu.: „Das liegt im Auge des Betrachters.“
RAin Schneiders fragt, ob Hu. Erkenntnisse habe, was „Nordisches Hilfswerk“ usw. für Organisationen sind. An der Stelle habe er nicht weiter recherchiert, so Hu. Schneiders entgegnet, dass Hu. gesagt habe, er habe nicht den Eindruck, Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe seien für diese Organisationen tätig waren. Hu. sagt, ihm seien keine Erkenntnisse aus der Asservatenauswertung bekannt, dass die Drei in einer dieser Organisationen aktiv gewesen sind. Er verneint, eigene Nachforschungen angestellt zu haben. Schneiders fragt, ob Hu. Erkenntnisse habe, inwiefern die Zeitstempel Sicherheit dafür biete, dass tatsächlich das genannte Datum dahinter steht. Hu.: „An der Stelle muss ich immer die Mahnung unserer Fachdienststelle zitieren, dass Zeitstempel natürlich aktiv manipulierbar sind. Wobei wir hier keine Hinweise auf eine solche Manipulation haben. Und natürlich sind Zeitstempel auch interpretierbar. Aber da bin ich nicht der Experte, da müsste man jemand aus der Computerforensik fragen.“
RA Stahl: „Eine Nachfrage: Sie hatten das Ergebnis Ihrer Bewertung mitgeteilt. Wenn ich Ihnen jetzt vorhalte beispielsweise das Asservat 32.1.2.10.15.2 [phon.]. Das sind 14 DVD-Rs, die sind beschriftet mit ‚Dr. House CD 1-7‘ und auf jeder DVD-R steht ‚6 Folgen” und wenn ich sage, da ist überall die Werbung rausgeschnitten, wie bewerten Sie das dann?“ Götzl fragt Stahl, ob der sagen könne, wie viele Schnitte da drauf sind. Stahl rechnet aus, wieviele Schnitte es bei 14 CDs mit 6 Folgen und vielleicht dreimal Werbung bei diesem einen Asservat gebe. Götzl fragt, wann das gefertigt worden sei. Stahl erwidert, das trage die Handschrift der Mandantin, es spiele keine Rolle, von wann es ist. Götzl sagt, dass es schon wichtig wäre, zu erfahren, aus welchem Jahr die stammen. Stahl sagt, er sehe sich nicht dazu veranlasst. Götzl: „Dann wird der Zeuge dazu wenig sagen können.“ Stahl entgegnet, es gehe darum, ob sich die Wette dann lediglich auf das Bekennervideo beziehen könne. NK-Vertreter RA Reinecke beanstandet die Frage, denn sie beinhalte eine Unterstellung, man wisse ja gar nicht, ob da etwas rausgeschnitten ist. Und es gebe eine Reihe von Programmen, die automatisch die Werbung beim Aufzeichnen rausschneiden würden. Die Frage sei unzulässig. RA Stahl zieht die Frage zurück. NK-Vertreter RA Narin fragt, ob Hu. noch bekannt sei, ob weiteres Quellenmaterial vorhanden war, das geschnitten war, aber nicht in die Endfassung aufgenommen wurde. Hu. bejaht das. Er habe die Festplatte „EDV 11“ [phon.] durchgesehen, da seien unterschiedlichste Clips drauf, „Paulchen Panther“ in verschiedensten Szenen, aber dazu gebe es schon eine Auswertung. Der Zeuge wird entlassen.
Nach der Einvernahme erklärt Reinecke, dass er und sein Kollege Schön auf die Vernehmung weiterer im Beweisantrag genannter Beamter verzichten. RA Stahl gibt eine Erklärung nach § 257 ab. Der Zeuge Hu., so Stahl habe hier „tapfer versucht“, aus der Vielzahl der im Verfahren angefallenen Asservate herauszufiltern, ob der Schluss, den der GBA und auch Teile der NK gezogen hätten, zutreffe, dass die Existenz der Datei „Wette.cpt“ nur zulassen könne, dass Zschäpe an dem Bekennervideo mitgearbeitet hat. Ein „tragischer Fehler“, der dabei unterlaufen sei, sei, dass man sich festgelegt habe auf Asservate in zwei Objekten und nicht drüber nachgedacht habe, ob es nicht noch andernorts Asservate gibt, die den Schluss zulassen, und wenn es nur die Beschriftung von DVDs sei.
Stahl: „Fakt ist, dass es in der Asservatenliste eine verdächtig lange Reihe von Asservaten gibt, auf die man zumindest mal einen Blick werfen könnte. Das ist nicht geschehen.“ Die NK habe im Hinblick auf den Verdacht des GBA aufgeführt, die Existenz der Datei könne nur den Schluss zulassen, dass Zschäpe am Bekennervideo mitgearbeitet hat. Dabei bleibe außer Acht, dass – wenn diese Wette überhaupt verloren worden wäre – es sich beim Wetteinsatz ja um eine Strafe handeln müsse. Es werde unterstellt, dass sie das verloren habe und es eine Strafe sei. Es würden aber keine Plausibilitätsüberlegungen angestellt, ob das Schneiden von Videoclips als Strafe wie Wohnungputzen und ähnliches angesehen werden kann. Er, Stahl, gehe davon aus, dass das Schneiden von Videosequenzen für ein Gesamtvideo einen relativ hohen schöpferischen Eigenanteil hat. Das sei keine Strafarbeit. Damit müsse man sich beschäftigen. Das Herausschneiden von Werbung sei als Wetteinsatz viel plausibler. Die Beweiserhebung, die stattgefunden habe, bei der die NK vielleicht schließe, dass Zschäpe mitgewirkt hat, sei ins Leere gegangen.
NK-Vertreter RA Scharmer: „In der Tat wissen wir nicht, ob Frau Zschäpe die Wette verloren hat. Es geht aber um die Kenntnis dessen, was dann auf sie zugekommen wäre.“ Was Hu. ausgesagt habe sei plausibel. Und wenn jetzt gesagt werde, da seien CDs von Frau Zschäpe beschriftet worden, stelle sich die Frage, ob das eine jetzt eine Teileinlassung ist. [phon.] RA Reinecke sagt, das Schneiden, copy and paste, könne ganz schön eintönig werden. Selbst wenn man dort bestimmte Möglichkeiten habe das pauschal rauszunehmen und einzusetzen, sei das keine Tätigkeit, bei der man sagen müsse, das es keine Strafe sein könne. RA Narin sagt, ob Zschäpe handschriftliche Anmerkungen auf DVDs anbringe, spiele keine Rolle. Im Filmgeschäft gebe es die Rolle des Cutters, das sei harte Arbeit, die wenig mit schöpferischer Tätigkeit zu tun habe.
Dann beantragt RA Klemke für die Verteidigung Wohlleben die erneute Einvernahme von Norbert Wießner (zuletzt 199. Verhandlungstag). Wießner werde bekunden, dass ihm Juliane Walther (98. und 99. Verhandlungstag) 1998 u. a. mitgeteilt habe, dass Jürgen Helbig (112. Verhandlungstag) das Arbeitsverhältnis kündigen und vorerst nur „jobben“ würde. Weiter habe Tino Brandt Wießner mitgeteilt, dass André Kapke bei Gordon Richter [Thüringer Neonazi] jobben werde. Im Antrag auf Vernehmung des Zeugen Jürgen Zweigert (208. Verhandlungstag) würden die Antragssteller behaupten, der Begriff „Jobben“ stehe für Raubüberfälle. Das sei Spekulation, in der Szene habe der Begriff vielmehr für „Arbeiten gegen Entgelt“ gestanden [phon.].
Dann gibt OStA Weingarten für die BAW eine Stellungnahme zu dem von NK-Vertreter RA Hoffmann am 208. Verhandlungsantrag verlesenen Beweisantrag ab. Die unter Beweis gestellten Tatsachen seien aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung. Es sei nicht dargelegt worden, warum die Behauptungen in entscheidungsrelevantem Zusammenhang stehen sollten. Soweit die Antragssteller die Vermutung unter Beweis stellen würden, Zweigert (99. und 144. Verhandlungstag) habe über Wießner oder Marcel Degner (191. Verhandlungstag) erfahren, dass Mundlos am Fanzine „White Supremacy“ mitgearbeitet habe, handele es sich lediglich um eine Wiederholung der Beweisaufnahme. Der Zeuge sei bereits befragt worden. Hinweise, dass Degner weitere Angaben hinsichtlich Mundlos gegenüber dem Thüringer VS gemacht hat, würden nicht vorliegen. Eine Autorenschaft des Uwe Mundlos stelle zudem lediglich eine abrundende, zusätzliche Tatsachenfeststellung dar. Soweit eine Gegenüberstellung beantragt wurde, handele es sich nur um eine Beweisanregung. Es stehe bereits fest, dass der Zeuge Degner der vom Thüringer LfV geführte V-Mann „Hagel“, „VP 2100“ war. Der Verhandlungstag endet um 14:23 Uhr.
Das Blog nsu-nebenklage kommentiert:
„Es folgte ein weiterer Zeuge aus der damaligen Nazi-Szene in Chemnitz. Er hatte bei der Polizei u.a. zur Ideologie von Mundlos ausgesagt (…). Heute versuchte der Zeuge – wie so viele vor ihm –, seine damalige Aussage zu relativieren und/oder Erinnerungslücken vorzuschieben, und wurde daher vom Vorsitzenden recht energisch zur Wahrheit ermahnt. Besonders ergiebig war seine Aussage aber auch im Weiteren nicht. Schließlich sagte ein weiterer BKA-Beamter zu den in der Frühlingsstraße gefundenen Computern aus. (…) Der Beamte sagte aus, dass sich auf allen Rechnern nur ein einziges Video befand, das aus dem in Frage kommenden Zeitraum stammt und aufwendig geschnitten wurde – das Bekennervideo des NSU. Dies spricht dafür, dass Zschäpe an dem Bekennervideo nicht nur mitgearbeitet hat, sondern dass dieses Video unter den Dreien ein so alltägliches und selbstverständliches Gesprächsthema war wie das Putzen der Wohnung – ein weiteres sehr starkes Indiz für die gleichberechtigte, täterschaftliche Stellung Zschäpes innerhalb des NSU.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/06/16/16-06-2015/