Protokoll 219. Verhandlungstag – 20. Juli 2015

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Der Prozesstag beschäftigte sich in der Hauptsache mit einem Antrag der drei Zschäpe-Pflichtverteidiger_innen Heer, Stahl und Sturm, sich von der Verteidigung entpflichten zu lassen. Danach wurde der Zeuge Kay St. zum zweiten Mal gehört. In seiner ersten Aussage im NSU-Prozess hatte er angegeben, dass er selber und auch die Angeklagten Zschäpe und Wohlleben am Aufhängen eines Puppentorsos mit antisemitischer Beschriftung und dem Abstellen einer Bombenattrappe an einer Autobahnbrücke beteiligt gewesen seien, und dass er 1996/ 97 bei Polizei und Gericht Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und Wohlleben mit Falschaussagen ein Alibi für die Tatzeit verschafft habe.

 

Zeuge:

  • Kay St. (früherer Oi-Skin und Jugendfreund von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt)

Der Prozesstag beginnt um 09:55 Uhr mit einem Antrag von Zschäpes Pflichtverteidiger RA Wolfgang Heer, seine durch Beschluss des Ermittlungsrichters erfolgte Bestellung aufzuheben. Heer sagt, ihm sei bewusst, dass ihm eine verfahrenssichernde Funktion zukomme: „Ich habe mir den Schritt reiflich überlegt, damit nicht die Gefahr besteht, dass die Hauptverhandlung neu beginnen muss. Aus diesem Grund habe ich bisher Abstand von einem solchen Antrag genommen.“ Jedoch stehe nach seiner Berufsauffassung die optimale Verteidigung der Angeklagten im Vordergrund. Heer sagt, er habe den Vorsitzenden Richter Götzl „mehrfach davor gewarnt, dass der ungestörte Fortgang der Verhandlung gefährdet werden kann.“ RA Wolfgang Stahl schließt sich dem Antrag an und führt zur Begründung an, dass er die Gründe seines Kollegen teile. Er sei nicht mehr in der Lage, die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Verteidigung zu tragen. Als Dritte beantragt RAin Anja Sturm ebenfalls, ihre Bestellung durch den Senat aufzuheben. Eine Verteidigung „lege artis“ [= nach den Regeln der Kunst] sei ihr nicht mehr möglich. Sturm: „Was die Sicherungsfunktion betrifft, beziehe ich mich auf den Kollegen Heer. Die Gründe sind Frau Zschäpe bereits bekannt, weiteres kann ich hier nicht vortragen, weil ich der Schweigepflicht unterliege und von dieser nicht entbunden bin.“

Götzl reichen die Ausführungen zu den Entpflichtungsanträgen offensichtlich nicht aus: „Gründe haben wir keine erfahren, um es mal auf den Punkt zu bringen!“, moniert er. RAin Sturm weist darauf hin, dass sie hier nicht als Auftragsnehmer einer Sicherungsfunktion des Staates sitzen würden, sondern als gleichberechtigte Organe der Rechtspflege. Ihre Versicherung, dass entsprechende Gründe vorliegen würden, wird von RA Heer bestätigt, der darauf hinweist, dass er sich nicht strafbar machen werde, da er der Schweigepflicht unterliege. RA Stahl schließt sich an. RA Heer erklärt auf Nachfrage Götzls, dass er gerne dazu bereit sei, das auch schriftlich vorzubringen. Der Prozess wird unterbrochen.

Um 10:59 Uhr geht der Prozess weiter und mündet in einen Schlagabtausch zwischen Götzl und RA Heer anlässlich der nun schriftlich vorliegenden Ausführungen zum Entpflichtungsantrag. Götzl fragt, was RA Heer genau meint: „Sie schreiben, Sie hätten mich mehrfach gewarnt, dass solche Bedingungen eintreten.“ Götzl möchte wissen, wann, wie und welche Bedingungen Heer meine und was hier dazu erfolgt sei. Heer sagt, er denke, das wisse Götzl ganz genau, zuletzt noch als er sich an der Tür des Beratungszimmers verabschiedet habe. Götzl: „Mir gegenüber sind Sie nicht verpflichtet, nichts zu sagen.“ Heer sagt, es sei alles Erforderliche gesagt. Götzl macht deutlich, das es ihm um den Inhalt geht, Heer jedoch hierauf nicht eingegangen sei und fragt nach, was Heer damit meine, „dass solche Bedingungen eintreten werden“ und dass ihn interessiere, was er sich darunter vorzustellen hätte. Heer insistiert zum vierten Mal, er habe alles Notwendige vorgetragen. Götzl: „Es geht nicht um einen theatralischen Aspekt, sondern um Transparenz: Wenn Sie Punkte ansprechen, möchte ich wissen welche Punkte. Und Sie sind derjenige, der das auszuführen hat.“ Heer: „Sie haben eine beeindruckende Gedächtnisleistung unter Beweis gestellt, die meine bei weitem übersteigt.“ Götzl: „Also Sie weigern sich das mir zu sagen.“ Heer: „Zum sechsten Mal. Es ist alles gesagt.“

Nun bezieht die BAW Stellung zu dem Antrag. OStAin Greger sagt, der Antrag sei zurückzuweisen. Sie führt aus, die Beiordnung sei dann aufzuheben, wenn das zur Verteidigung erforderliche Vertrauensverhältnis so schwerwiegend und endgültig erschüttert sei, dass dies eine sachgerechte Verteidigung unmöglich mache. Dies sei vom Standpunkt eines verständigen und vernünftigen Angeklagten aus zu beurteilen. Um zu beurteilen, ob eine derartige Störung vorliege, seien die Entpflichtungsgründe substantiiert darzulegen, dieser Darlegungspflicht seien die Verteidiger nicht nachgekommen: „Der Vorsitzende ist bisher nicht in die Lage versetzt worden, sich ein Bild zu machen. Der Minimalvortrag, dass unter Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht eine Verteidigung lege artis nicht möglich erscheint und dies anwaltlich versichert wird, rechtfertigt einen Widerruf nicht. Denn das hätte zur Folge, dass es im Spielraum der Pflichtverteidiger läge, den Anspruch durchzusetzen.“

RA Stahl antwortet als erster auf die Ausführungen der BAW und verweist darauf, dass der Verteidiger als Organ der Rechtspflege in die Lage versetzt sein müsste, zur Verschwiegenheit verpflichtende Gründe zu benennen. Solange die BAW das ausblende, werde man einem solchen Antrag nie stattgeben können, kritisiert er. Stahl führt weiter aus, dass die anwaltliche Versicherung – was eine Bezugnahme auf den anwaltlichen Berufseid bedeute – eine Information sei, die das Gericht nicht kalt abperlen lassen könne.

Im weiteren Verlauf beziehen sechs der Nebenklagevertreter_innen Stellung und weisen auf verschiedene Aspekte hin: RAin Edith Lunnebach: „Angesichts dessen, worum es hier geht, und dass ein sich ein Großteil hier sehr intensiv um Aufklärung bemüht, finde ich das, was hier als Befindlichkeit von Frau Zschäpe über mehrere Wochen diskutiert wird, unwürdig, auch aus Sicht meiner Mandantin.“ Sie erinnert daran, dass vor einigen Wochen die Angeklagte Zschäpe schon RAin Sturm abgelehnt hatte, ihre anderen Verteidiger jedoch weitermachen wollten. Lunnebach: „Heute soll das anders sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie glauben, dass mit diesen Anträgen eine Entpflichtung erfolgt.“ In diesem Verfahren gehe es darum, aufzuklären, welche Rolle Zschäpe gespielt hat. Sie habe aber den Eindruck, dass verhindert werden solle, dass Zeugen gehört werden, die Zschäpe belasten könnten: „Es kann nicht weiter Aufgabe sein, dass dieser Prozess sich mit den Befindlichkeiten von Frau Zschäpe auf dieser Ebene beschäftigt“, beendet Lunnebach ihr Statement.

RA Axel Hoffmann: „Der Antrag muss abgelehnt werden, weil es nicht ausreicht das Vorliegen der Voraussetzungen zu behaupten. Es ist nichts dargelegt. Wenn darüber hinaus selbst Dinge, die nicht von der Verschwiegenheit betroffen sind, weil Äußerungen gegenüber dem Vorsitzenden, vorenthalten werden, entziehen Sie uns die Möglichkeit, irgendetwas zu überprüfen.“ Wie seine Vorrednerin erinnert Hoffmann auch daran, dass erst zwei Wochen zuvor die Zschäpe-Verteidiger_innen Stahl, Sturm und Heer behauptet hätten, es gäbe keine solchen Probleme. Auch RA Mehmet Daimagüler findet, dass dem Antrag auf dieser Grundlage nicht stattgegeben werden könne. Er weist darauf hin, dass Zschäpe die Schweigestrategie jeden Tag beenden könne und es an ihr liege, ihre Verteidigung von der Schweigepflicht zu entbinden.

RA Sebastian Scharmer weist darauf hin, dass es für eine Entbindung der Pflichtverteidigung nicht ausreiche, wenn das Vertrauensverhältnis zu ihrer Mandantschaft zerrüttet ist. Gefordert sei vielmehr, „eine vom Angeklagten nicht verschuldete Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses“. Aus der anwaltlichen Versicherung von Sturm, Stahl, Heer gehe jedoch nicht hervor, ob die Gründe nicht von der Angeklagten selbst verursacht wurden. Ein weiterer Aspekt wird von RA Eberhard Reinecke angemerkt. Er sagt, dass die Verteidiger_innen sich nicht jetzt beklagen könnten, dass das Wissen von Zschäpe nur fragmentarisch bekannt sei: „Wer sich in so ein Verfahren begibt, das hat ein Risiko, das weiß man vorher, und auf dieses Risiko kann man später nicht die Entpflichtung stützen.“ RA Stephan Lucas warnt vor einem Lahmlegen des Verfahrens durch die wiederholte Frage, ob eine Entpflichtung ermöglicht werde oder nicht, und weist darauf hin, dass bei einem Entpflichtungsantrag eindeutig klarzustellen sei, dass die Voraussetzungen nach Paragraph 143 vorliegen. Er sieht in dem zuvor geäußerten Vorschlag von RA Daimagüler einen gangbaren Weg. Lucas: „Was nicht geht ist, dass auf die Frage des Vorsitzenden einfach nicht geantwortet wird. Es ist nichts, was ihm hier verboten wäre vorzutragen. Es wird also gar nicht ernsthaft versucht, die Voraussetzungen vorzulegen, ernsthaft die Voraussetzungen nach 143 zu erklären.“

Nun äußert sich RA Stahl zu den Stellungnahmen und konzentriert sich auf zwei Punkte: „Wenn Sie die schriftlich vorliegende Erklärung des Kollegen Heer anschauen, werden Sie sehen, dass der Teil mit dem Vorwurf, den er dem Vorsitzenden unterbreitet, sich überhaupt nicht mit der Frage der Bestellung befasst.“ Zweitens stünden die „viel zitierten Voraussetzungen des [Paragraphen] 143“ nicht dort drin. Stahl: „Tatsächlich ist es möglich, eine Verteidigerbestellung aus wichtigem Grund aufzuheben. Das ist denkbar.“ Dies sei ein ungewöhnlich großes Verfahren und mglw. gebe es für die Konstellation wichtige Gründe für die Aufhebung der Bestellung anzunehmen. Wenn drei Verteidiger unter Bezug auf den Berufseid erklärten, dass die Voraussetzungen für Pflichtverteidigung nicht gegeben seien, dann müsse das Gericht damit zunächst umgehen. Mehr dürften sie nicht sagen, sonst machten sie sich strafbar, sagt Stahl abschließend.

Der neue vierte Pflichtverteidiger Zschäpes, RA Mathias Grasel, meldet sich zu Wort und verkündet, er dürfe für seine Mandantin mitteilen, dass dem Antrag ihrer bisherigen Pflichtverteidiger nicht entgegengetreten werde. Götzl fragt nach, ob damit auch die Frage der Nebenklagevertreter_innen an Zschäpe erfasst sei. Grasel antwortet darauf, dass seine Mandantin sich dazu weder persönlich noch durch ihn äußern werde. Er bittet Götzl „bei der Gelegenheit“ darum, ein am heutigen Morgen von Zschäpe an den Vorsitzenden Götzl gerichtetes Schreiben zu verlesen. Götzl liest das Schreiben vor, mit dem Zschäpe eine Änderung der Sitzordnung beantragt. Demnach soll an vorderster Position Grasel sitzen, dann sie selbst, dann Heer, dann Stahl und dann Sturm, so dass Sturm am weitesten von Zschäpe entfernt sitzt. Götzl trägt vor, dass Zschäpe zur Begründung ausführe, dass sie so weit wie möglich von Prof. Saß entfernt sitzen wolle, weil dieser sonst ggf. Gespräche mithören könne. Sie halte aus außerdem für wichtig, dass Grasel links von ihr sitzt, damit sie sich nicht der Presse zuwenden muss. Sie sei zudem zu weit von den Sicherheitsleuten entfernt bei einem unvorhergesehenen Zwischenfall. Im Saal kommt kurz Gelächter auf.

Götzl: „Ich lasse mich ungern unterbrechen beim Verlesen.“ Götzl liest weiter vor, dass RA Heer es laut dem Schreiben von Zschäpe kategorisch ablehne, seinen Sitzplatz zu ändern, das habe Heer ggü. RA Grasel kundgetan. Den von Zschäpe vorgeschlagenen Kompromiss lehne Heer mit der Begründung ab, dass dann eine Kommunikation von ihm mit Stahl und Sturm nicht mehr möglich sei und er auf jeden Fall an erster Position sitzen bleiben wolle. Sie, Zschäpe, beurteile es so, dass Grasel sie verteidige, eine Kommunikation mit Stahl und Sturm bestehe seit Wochen nicht mehr. Sie sei auf eine komplikationslose Besprechungssituation mit Grasel angewiesen und die anderen drei Verteidiger hätten ihr die Anträge vom 16.07.2015 [phon.] zugesendet, aber nicht abgesprochen [phon.]. Götzl fragt nach Stellungnahmen und Heer sagt, er begründe seinen Entpflichtungsantrag noch einmal ergänzend dadurch, dass die Behauptungen über eine etwaige Diskussion der Sitzordnung unzutreffend und die Darlegung unvollständig sei. Götzl: „Inwiefern unvollständig?“ Heer: „Das gleiche Dilemma: Ich kann hier nicht offenlegen, was mit der Mandantin besprochen worden ist und was mit Herrn Grasel besprochen worden ist, das ist mir berufs- und strafrechtlich verwehrt.“ Dann merkt OStA Weingarten kurz an, dass es ihnen aufgezwungen sei, sich in diesem Verfahren unter erwachsenen Menschen mit der Sitzordnung befassen zu müssen, und man doch so verfahren möge, wenn sachliche Gründe dem nicht widersprechen. NK-Vertreter RA Daimagüler merkt an: „Ich war vorletztes Wochenende bei meiner Mandantschaft in der Türkei und da war die Hauptfrage: Wer hat meinen Bruder umgebracht und warum musste er sterben? Und jetzt haben wir einen Antrag zur Sitzordnung. Ich finde das unwürdig.“

Um 11:28 folgt die Mittagspause. Um 13:48 Uhr geht es verspätet weiter mit dem Hinweis auf Computerprobleme. Götzl trägt nun anlässlich des Antrags von RA Heer eine chronologische Zusammenfassung vor, wer wann mit wem über den Entpflichtungsantrag von Zschäpe gegen RAin Sturm und einen möglichen vierten Pflichtverteidiger gesprochen habe. So führt er unter anderem aus: Stahl habe ihm gegenüber angegeben, er sehe die Bestellung eines weiteren Verteidigers kritisch, weil er dann befürchte, dass bei der Mandantin der Eindruck entstehen könne, Pflichtverteidiger würden nach ihrem Willen bestellt und entlassen. Außerdem habe Heer ausgeführt, er habe nur ein Problem, wenn es zu einer Teileinlassung der Mandantin komme. Am 01.07.2015 habe Heer mitgeteilt, er habe mit RA Grasel bereits ein Gespräch geführt und einen positiven Eindruck, auch mit RAin Sturm spreche die Angeklagte, das Binnenverhältnis würde aber unter Umständen durch einen vierten Verteidiger geschwächt, Grenzen aufzuzeigen werde mglw. durch einen weiteren Verteidiger schwieriger. Am 03.07. habe RA Grasel mitgeteilt, dass er Kontakt zu den bereits bestellten Verteidigern habe und eine konstruktive Zusammenarbeit möglich sei, am 04.07. sei Grasel bestellt worden. Am 20.07. seien die Antragssteller im Beratungszimmer erschienen und hätten angekündigt, Entpflichtungsanträge zu stellen, die Kommunikation sei seit Wochen gestört und sie könnten unter diesen Bedingungen nicht verteidigen.

RA Stahl fragt, ob sie diese Zusammenfassung haben könnten, aber Götzl lehnt ab und sagt, dass dies seine Anmerkungen seien. RA Heer erwidert, dass er zu keinem Zeitpunkt einen vierten Verteidiger abgelehnt habe, das läge auch nicht in seiner Kompetenz, weiter wolle er sich nicht dazu äußern, „weil es nicht im Interesse meiner Mandantin wäre“. RA Grasel bittet um eine fünfminütige Pause, um das mit der Mandantin zu besprechen. Der Prozess wird von 13:53 bis 14:06 Uhr für eine kurze Pause unterbrochen.

Danach fragt Götzl nach weiteren Stellungnahmen. Hierauf antwortet RA Grasel: „Ich möchte klarstellen, dass meine Mandantin von den offensichtlich stattgefundenen Gesprächen zwischen Verteidigung und Senat keine Kenntnis hatte, auch dass offensichtlich Gespräche über das Aussageverhalten stattgefunden haben, war bisher nicht bekannt und führte daher naturgemäß zu Befremden.“ RA Heer beantragt Akteneinsicht in die von Götzl verlesene Erklärung zu den geschilderten Vorgängen außerhalb der Hauptverhandlung: „Wir beantragen, dass Sie diese dienstliche Erklärung zur Akte reichen, uns Akteneinsicht gewähren und Gelegenheit zur Stellungnahme eröffnen.“ An dieser Stelle interveniert RA Lucas und fordert eine Beschleunigung des Klärungsprozesses: „Wegen der Mandantschaft, die wir im Rücken und im Nacken haben, soll das Verfahren endlich mal in die Bahnen kommen, dass das ein für alle mal vielleicht geklärt werden kann.“ Er verstehe nicht, warum die Verteidigung nicht länger als fünf Minuten Pause brauche, um zu klären, ob das Vertrauensverhältnis nicht jetzt zerrüttet sei: „Dass mit einem schriftlichen Antrag vielleicht mal alle Informationen vorgetragen wären für eine Sache, die längst entscheidungsreif wäre“. Götzl unterbricht die Hauptverhandlung, um 14:44 Uhr geht es weiter.

Nach der Unterbrechung möchte Götzl wissen, ob es noch Stellungnahmen gibt. Heer sagt, dass sie sich gerne dazu intern beraten würden und dass sie dazu geraume Zeit bräuchten, da er sich seine Notizen erst über sein Büro besorgen müsse. Götzl: „Ich habe die Pause gemacht, damit eine Stellungnahme kommt oder nicht.“ Stahl sagt, er sei sich nicht sicher, ob aktuell eine Stellungnahme zwingend erforderlich ist. Beim erstmaligen Lesen seien ihm ein paar Dinge aufgefallen, die seiner Erinnerung nach etwas anders formuliert sein müssten, er wolle aber nicht unterstellen, dass Götzl etwas Falsches erklärt habe. Stahl: „Ich müsste es nochmal anschauen, das braucht Zeit, aber ich denke, das ist ja nicht zwingend jetzt erforderlich.“ Götzl: „Ich gedenke darüber möglichst schnell zu entscheiden und dafür brauche ich Ihre Stellungnahmen.“ Darauf sagt Stahl, dass der Vermerk nicht die Aspekte beinhalte, die dem Problem zugrunde lägen, aufgrund derer er sich nicht in der Lage sehe, verantwortungsgemäß zu verteidigen. „Das hat mit dem Inhalt hier gar nichts zu tun“, schließt er ab. Götzl: „Sie müssten sich das anschauen und klarstellen, ob die Erklärung, die Rechtsanwalt Stahl abgibt, dass die für die Rechtsanwälte Heer und Sturm ebenfalls gilt?“ Stahl erbittet für die interne Abstimmung eine Pause bis 14:55 Uhr.

In den darauf folgenden sieben Minuten bis zur nächsten Unterbrechung erklärt zunächst RA Heer, dass die Gründe für den morgens gestellten Antrag auf Entpflichtung nicht im im Zusammenhang mit der von Götzl angedachten Bestellung eines weiteren Verteidigers bestehe. Dem schließen sich Stahl und Sturm an. Auf Götzls Nachfrage, ob der Antrag denn im Zusammenhang mit den von ihm angesprochenen Punkten stehe, sagt Stahl, dass er das Gespräch im Hinblick auf die ihm zugeschriebenen Aussagen nicht genau bestätigen könne und fügt an, dass Götzl sie zu „hypothetischen Stellungnahmen“ außerhalb der Hauptverhandlung aufgefordert habe, „wie wir denken würden, dass sich das wie auswirkt.“ Das habe aber nicht unmittelbar etwas mit dem Antrag von heute morgen zu tun. Götzl hakt nach, ob die gemachten Äußerungen nun entscheidend für den Antrag seien oder nicht. Stahl, Sturm und Heer beraten sich längere Zeit untereinander. Am Ende der Beratung verneint Stahl die Frage von Götzl: „Der Sachverhalt der hier wiedergegeben ist, ist nicht entscheidungsrelevant. Die Gründe für den Antrag sind heute morgen virulent geworden.“ Götzl: „Also, diese Äußerungen sind nicht entscheidungserheblich?“ Stahl, Sturm und Heer bestätigen das. RA Stahl sagt: „Damit jetzt nicht noch ein Missverständnis aufkommt: Ich kann das nur negativ abgrenzen. Auszuschließen ist auch, dass der Antrag von Frau Zschäpe – Sitzordnung – auch nur irgendetwas damit zu tun hat. Das ist nicht der virulente Punkt.“ Da es keine weiteren Stellungnahmen zu den Entbindungsanträgen und dem Antrag zur Sitzordnung gibt, wird die Hauptverhandlung um 15:08 Uhr unterbrochen.

Weiter geht es um 15:30 Uhr. Götzl verkündet die Verfügung, dass der Antrag, die jeweilige Bestellung als Pflichtverteidiger aufzuheben, abgelehnt ist. Zunächst gibt Götzl erneut den chronologischen Ablauf wieder, wie er ihn bereits zuvor verlesen hatte, lediglich ergänzt um die Ereignisse in der Hauptverhandlung am heutigen Tag. Zur Begründung führt er aus, dass für die Entpflichtung ein wichtiger Grund vorliegen müsse. Diese liege vor bei groben Pflichtverletzungen des Pflichtverteidigers oder wenn konkrete Umstände vorgetragen und nachgewiesen werden, aus denen sich ergibt, dass das Vertrauen nachhaltig so erschüttert ist, so dass die Verteidigung nicht mehr sachgemäß erfolgen kann. Das sei vom Standpunkt eines verständigen und vernünftigen Angeklagten aus zu beurteilen. Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze sei der Antrag aller drei Verteidiger abzulehnen. Denn die Ausführungen der Antragsteller würden keine konkrete Hinweise und Anhaltspunkte dafür liefern. Es sei nicht einmal in groben Umrissen skizziert, warum eine sachgemäße Verteidigung nicht mehr möglich sei. Somit stehe eine ausreichende Beurteilungsgrundlage nicht zur Verfügung. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes und zur Sicherung des Verfahrens sei dem Antrag daher nicht nachzugehen gewesen.

Nach der Verlesung der Verfügung beraten sich Sturm, Stahl und Heer zunächst untereinander. Dann teilt Heer mit, dass sie sich vorbehalten, nach einem inhaltlichen Abgleich mit ihren eigenen Notizen nochmal ihre Sicht der Dinge darzutun. Götzl fragt, ob es noch weitere Erklärungen gibt und kündigt an, dass nun der Zeuge St. gehört und aufgerufen werden soll. Bevor es zu der von Götzl angekündigten dreiminütigen Unterbrechung kommt, ergreift RA Stahl doch nochmal das Wort: „Ich erkläre hiermit gleichwohl für meine Kollegen und mich, dass wir uns außerstande sehen, jetzt die Mandantin weiterhin zu verteidigen.“ Götzl antwortet, dass sie dann aber eine Begründung abgeben müssten und er ihnen Gelegenheit geben würde, das entsprechend zu formulieren. Stahl entgegnet, dass das „Dilemma“, welches ihnen nicht unproblematisch ermögliche, „dazu Ausführungen zu machen und die Gründe darzulegen“, weiterhin fortbestehe. Auf Götzls explizite Frage an Zschäpe, ob sie bereit sei, sie zu entbinden, sei keine entsprechende Erklärung erfolgt, so Stahl. Deswegen sähen sie [Sturm, Stahl, Heer] sich jetzt außerstande, das zu erklären: „Aber ich gebe ihnen das zu Protokoll, dass ich unter den jetzigen Umständen nicht ordnungsgemäß verteidigen kann.“ Götzl: „Sie müssten es aber begründen, so bleiben es Worthülsen.“ So gebe es keine Grundlage zu entscheiden. Stahl: „Ich sehe das Problem, aber das müssen Sie halt so hinnehmen.“ Götzl: „Nein, ich muss das nicht hinnehmen. Soll dazu Stellung genommen werden von irgendeiner Seite?“

NK-Vertreter RA Langer schaltet sich ein: „Offensichtlich soll die Vernehmung des Zeugen St. verhindert werden. Wenn ein Kommunikationsproblem allein ausreichen kann, so eine Vernehmung zu verhindern, dann hat in der Tat die Angeklagte oder einer der Verteidiger die Herrschaft über das Verfahren übernommen. Das kann nicht sein.“ RA Stahl sagt, er verwahre sich dringend dagegen, dass ihnen unterstellt werde, die Beweisaufnahme vereiteln zu wollen, was ja „quasi ein Vorwurf der versuchten Strafvereitelung“ sei. Götzl beendet den Disput mit dem Hinweis, dass die Verteidigung ja die Protokolle kenne und vorbereitet sei. Er ruft den Zeugen St. herein.

St. betritt um 15:43 den Gerichtssaal. Götzl entschuldigt sich dafür, dass er so lange warten musste und fragt ihn, ob es seiner Ansicht nach Ergänzungen zu seinen Angaben vom letzten Mal (202. Verhandlungstag) gebe, was der Zeuge verneint. Götzl kündigt nun an, dass er das ein oder andere Detail nachfragen wolle und will wissen, welche Kenntnisse Kay St. über die Frage eines etwaigen Anwalts für Zschäpe und dessen Bezahlung hatte. Der Zeuge verneint, dass er darüber Kenntnisse hatte und er sei auch nicht darauf angesprochen worden. Er verneint auch die Frage, ob er denn Informationen darüber hatte, dass sich Zschäpe in den 1990er Jahren um einen Anwalt bemüht hätte. Götzl erinnert ihn daran, dass er beim letzten Mal auf die Frage, ob er Summen zur Verfügung gestellt habe, verneint habe, aber gesagt habe, er sei bereit gewesen, für einen Anwalt zu zahlen: „Deswegen die Frage, ob Sie mal damit befasst waren, dass oder ob Frau Zschäpe einen Anwalt suchen würde.“ St.: „Nein, war ich nicht.“

Zum Stichwort „Geld und Unterstützung“ hält Götzl vor, St. habe geäußert, er sei entschlossen gewesen, keine Unterstützung zu geben, und als Ralf Wohlleben gefragt habe, wo das Geld bleibe, habe er gesagt, er hätte es in einen Briefkasten getan. „Bei den Eltern von Herrn Böhnhardt“, bestätigt St. Götzl fragt, ob dies vereinbart gewesen sei, was St. verneint. Er wisse nicht, ob Geld von den Eltern geflossen sei. Er habe sie auch nicht mehr gesehen, antwortet er auf Götzls Frage, wie er denn mit den Eltern von Uwe Böhnhardt verblieben sei. Götzl: „Und was ist gesprochen worden?“ Das sei zu lange her, antwortet der Zeuge. Vorhalt aus einer Vernehmung von St.: Jemand, es bleibt eigentlich nur Ralf Wohlleben übrig, schlug vor, dass ich zur Mutter Böhnhardt gehen solle, vielleicht würde die mir Geld vorstrecken. Sie streckte aber kein Geld vor sondern sagte sinngemäß: Ich gebe das meinem Sohn und Du gibst es mir wieder. St. sagt, das könne sein. Götzl will wissen, ob er das so zu den Vernehmungsbeamten gesagt hat. St. antwortet, es könne so ähnlich gewesen sein, er habe aber keine Erinnerung mehr daran. Götzl will wissen, was er denn in Erinnerung habe. St.: „Ich sollte da hingehen und vielleicht was zahlen, aber den genauen Wortlaut kann ich nicht wiedergeben.“ „Hätten Sie damals Geld gehabt?“, fragt Götzl. St. bejaht die Frage und erklärt auf Frage, dass er frisch bei der Bundeswehr entlassen worden sei und daher ein Entschädigungsgeld bekommen habe. Und er sei auch „gleich wieder in Arbeit gewesen“. Ob von den Eltern Böhnhardt nochmal jemand auf ihn zugekommen sei, will Götzl wissen, das er das zahlen sollte. St. verneint. Auch die Frage, ob er wisse, ob von Mutter oder Vater Böhnhardt Geld geflossen sei, verneint er.

Vorhalt: Als Uwe Mundlos mir sagte, dass man Sprengstoff besorgen wolle, kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung, da ich dagegen war; ich habe gesagt, man solle sich das genau überlegen, wir seien ja schließlich nicht im Krieg; das Gespräch führten Mundlos und ich, an andere Personen kann ich mich nicht erinnern. Götzl: „Können Sie sich an so ein Gespräch erinnern?“ St.: „Ja, man muss auch mal bedenken, das ist ziemlich lange her, wenn behält man einfach nur Bruchstücke in Erinnerung und die habe ich hier kundgetan.“ Er ordne das 1996/1997 ein, eher Anfang 1997, sagt St. auf Nachfrage des Vorsitzenden. „Wissen Sie, ob von Seiten Uwe Mundlos die Rede war, von wem er Sprengstoff besorgen wolle?“, fragt Götzl weiter. St. sagt, er meine sich zu erinnern, dass die Rede von Kameraden aus den alten Bundesländern gewesen sei. Es seien aber keine Namen gefallen, ergänzt er auf Nachfrage.

Vorhalt: Die Beziehung zu Uwe Böhnhardt war irgendwann zu Ende. Ich habe mit Beate vielleicht Ende 1997 gesprochen und hatte den Eindruck, dass sie auch selbst da raus wollte. Was damit gemeint sei, will Götzl wissen. St.: „Ich würde sagen, es gab gravierende soziale Probleme, es wurde massiv gegen Beate gehetzt von den beiden Uwes, es ging um die Familie von Beate.“ Er sei der Meinung, dass Zschäpe sich da „abseilen“ wollte. Für die beiden Uwes sei die Familie von Zschäpe „Assis“ gewesen. Das hätten sie auch kundgetan und sie spüren lassen, erläutert St. weiter. Auf die Frage Götzls, ob er mal mit [Cousin von Beate Zschäpe] darüber gesprochen habe, ob eine Unterstützung erfolgen solle, antwortet St., er könne sich nicht genau daran erinnern, ob er mit Apel gesprochen habe. Aber er habe „klipp und klar“ gesagt, „was dort vorgefallen ist, das mit dem Sprengstoff und den Attrappen finde ich nicht gut, mache ich auch keine Unterstützung“. Da sei aber auch kein negatives Feedback gekommen. Götzl fragt, ob er sich denn erinnern könne, was er [Apel] gesagt hat. St.: „Sinngemäß: Die haben doch einfach eine Meise, irgendsowas hat er gesagt, aber ob er selbst unterstützt hat, weiß ich nicht.“ Vorhalt: Ich hatte ein gutes Verhältnis zu Stefan Apel und wir beide waren uns einig, dass wir die Drei nicht unterstützen würden. St. entgegnet, das sei lange her, fast zwanzig Jahre, bestätigt aber, dass es “so im gleichen Tenor” war.

Götzl greift nun auf, dass St. beim letzten Mal über die Ereignisse „Stichwort “ gesprochen hat und über seine späteren Aussagen dazu. Ihn interessiere zunächst, wo die Kegel aufgestellt worden seien, als die Puppe aufgehängt wurde, so Götzl. „An jedem Ende der Brücke“, schildert St. die Situation. Götzl hält vor, dass St. von dem Schild mit dem Begriff „Bombe“ berichtet habe. Auf Frage sagt St., dass er meine, dieses Schild als erstes an der Brücke gesehen zu haben, als es dahin gestellt worden sei. Auf Nachfrage sagt St., er wisse aber nicht mehr, wo sich der Begriff „Bombe“ genau befunden habe. Auch wisse er nicht, ob neben den Kegeln auch Verkehrszeichen aufgestellt worden seien. St. schildert, dass einfach nur Kegel aufgestellt worden seien: „Und dann weg. Mehr ist nicht.“

Götzl hält vor, dass St. mal gesagt habe, er sei auf einer Feier gewesen und könne sich an den Ort nicht mehr erinnern. Vorhalt aus einer Vernehmung vom 15.07.1996: Ist ein Freitag gewesen, da war ich mit Böhnhardt, Wohlleben, Zschäpe zusammen in den Abendstunden, als ich angesprochen wurde ob ich mit zu einer Fete nach Schwarzbach fahre. Das könne sein, aber es sage ihm nichts, sagt St. auf die Frage, ob er eine Erinnerung an den Ort habe, antwortet St.: „Habe ich doch auch schon kundgetan, dass ich zu irgendeiner Feier war, aber an die ganzen Namen – also Herr Richter!“ Götzl: „Jetzt finden sich hier in diesem Protokoll weitere Angaben. Haben Sie die gegenüber der Polizei gemacht?“ Vorhalt: Es kann nach 24 Uhr gewesen sein, als wir von dort über Stadtroda nach Jena fuhren. Wir waren bei Zschäpe und spielten Skat. In den Morgenstunden fuhr mich der Mundlos mit dem Kombi zu meinem damaligen Schlafplatz bei Apel. St.: „Ich habe das alles zugegeben, dass das nicht richtig war. Im Endeffekt geht es hier um feige Morde, Sprengstoffanschläge, brutale Banküberfälle, nicht um irgendwelche Dinge von vor 20 Jahren, die falsch und widerwärtig waren, aber die im Endeffekt niemandem geschadet haben. Ich habe mich entschlossen auszusagen und ich habe gesagt, dass ich falsch ausgesagt habe und jetzt ins Detail zu gehen …“

Götzl bittet St. um Verständnis und appelliert an seine Geduld, trotz der langen Wartezeit. Er müsse aber auf einzelne Fragen nochmal eingehen und fragt konkret, ob dies Angaben waren, die St. damals bei der Polizei gemacht habe. St.: „Wenn das dort steht, wird das schon so gewesen sei Aber was ich genau gesagt habe … Das war 1996, jetzt haben wir 2015.“ Götzl weist den Zeugen darauf hin, dass unten rechts stehe: „Gelesen und genehmigt: Kay St.“ und sich ein Schriftzug entsprechend St.s Namen finde. Götzl möchte wissen, ob St. sich daran erinnert, das damals durchgelesen zu haben. Es ist keine Antwort des Zeugen zu vernehmen. Vorhalt: Mundlos und Wohlleben sind dann meiner Meinung nach auch heimgefahren. Böhnhardt übernachtete bei Zschäpe, während ich mit denen zusammen war, war auch niemand abwesend. Was Götzl denn eigentlich wolle, fragt St. Götzl: „Ich will wissen, ob Sie das damals so gesagt haben. Warum sind Sie denn so ungeduldig?“ St. sagt, er wisse es einfach nicht mehr. Götzl sagt, ihn interessiere, inwiefern zwischen St. und Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt, Wohlleben noch Kontakt gewesen sei war: „Was haben Sie denn noch in Erinnerung zum Ablauf, als Sie ausgesagt haben. Wie oft haben Sie ausgesagt und bei welchen Stellen, wissen Sie das noch?“ St.: „Nein, weiß ich nicht.“

Götzl sagt, es liege ein Protokoll der Polizei vor, eines aus der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht im April 1997 und eines aus der Verhandlung vor dem Landgericht im Oktober 1997. St. sagt, er wissen, dass er bei der Polizei ausgesagt habe und vor Gericht, aber was genau er ausgesagt habe, wisse er nicht mehr. Er könne sich auch nicht festlegen, ob er ein oder zweimal bei Gericht ausgesagt habe. Götzl fragt, ob denn zwischen der polizeilichen Vernehmung und der Aussage bei Gericht ein Treffen stattgefunden habe, ob nochmal drüber geredet worden sei, was man sagt, wie man sich verhält. St.: „Mit den anderen Menschen? Nee, kann ich jetzt keine genauen Angaben machen, ich weiß es einfach nicht mehr.“ Götzl: „15.07.96, polizeiliche Vernehmung, und dann ist viel Zeit vergangen bis zum April 1997 zum Verfahren vor dem Amtsgericht, können Sie sich noch erinnern?“ St.: „Nein.“ Götzl: „Das Urteil des Landgerichts, das wäre ergangen am 16.10.97 [phon.], da sind nochmal einige Monate vergangen. Haben Sie an die Abläufe noch eine Erinnerung?“ St. erinnert sich auf Nachfrage daran, dass Böhnhardt wohl damals verurteilt worden sei zu einer Freiheitsstrafe, er wisse aber nicht mehr, ob diese auch wegen des Puppentorsos erfolgt sei.

Götzl hakt weiter nach und will wissen, ob er sich denn nach seiner Zeugenaussage mit den anderen getroffen hätte, um darüber zu sprechen, wie das vor Gericht abgelaufen ist. „Sicherlich“, bestätigt St. und fügt an, dass er nur noch wenig Kontakt mit Böhnhardt, Mundlos und Wohlleben gehabt habe. Götzl sagt, St. habe das letzte Mal in Bezug auf die Ereignisse gesagt, dass er noch relativ viel wisse, es sei zwar 1996 gewesen, aber er habe täglich daran gedacht, was er „für einen Blödsinn gemacht“ habe. St.: „Einfach nur das Aufhängen der Puppe. Ich hätte einfach Nein sagen können und gut ist. Das war einfach nur der Gedankengang.“ Götzl: „Das andere war die Frage des Alibis.“ St.: „Ich hätte sagen können: Nein, ich mache da nicht mit. Das war immer der Tenor gewesen. Aber was dann später kam, verblasst dann wieder. Man denkt immer wieder: Mensch, hätteste einfach Nein gesagt, es wäre alles gut gewesen für dich. Aber an irgendwelche Treffen, was da nun gesagt worden ist: Nein.“ Götzl unterbricht die Hauptverhandlung mit dem Hinweis auf die weit fortgeschrittene Zeit und kündigt an, dass St. erneut geladen werden wird. Der Verhandlungstag endet um 16:16 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“:

“Ob der Antrag nur gestellt wurde, um nach dem unwürdigen Schauspiel über den Entbindungsantrag Zschäpes wenigstens das noch verbleibende Ansehen von Heer, Stahl und Sturm zu retten, oder ob diese tatsächlich aus der Verteidigung entlassen werden wollen, ist unklar. Klar ist aber, dass alle drei alles getan haben, damit ihr Antrag keinen Erfolg haben kann (…) Nach dem zum Teil ins Kindische abgleitenden Geplänkel der Verteidigung Zschäpe machte ein Zitat dieses Zeugen [Kay St.], der 1996/1997 mit einer Falschaussage Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe und Wohlleben ein Alibi verschafft hatte, deutlich, um was es in diesem Prozess eigentlich gehen muss: „Ich habe das alles zugegeben, dass das nicht richtig war. Und im Endeffekt, es geht hier um feige Morde, es geht um brutale Banküberfälle.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/07/20/20-07-2015-2

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