Rezension: Bücher über den NSU, Verfassungsschutz und rechten Terror

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Erschienen im monitor – Der Rundbrief des apabiz e.v. Nr. 56

Mit der Entdeckung des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) wurde eine neue Qualität von rechtem Terror in Deutschland deutlich. In den folgenden Monaten wurden ständig neue Einzelheiten über die Aktivitäten des »Zwickauer Trio« und ihres UnterstützerInnen-Kreises sowie die Rolle des Verfassungsschutzes, welche mindestens von Unfähigkeit bis indirekter Förderung reichte, bekannt. Die notwendige Auflösung dieser Unübersichtlichkeit der Fakten und Taten sowie die Annäherung an die Unfassbarkeit der Morde haben unter anderem vier neue Bücher zum Ziel.

Schnellschuss

Bereits im März erschien mit »Das braune Netz« des Journalisten Markus Bernhardt die erste Veröffentlichung zum NSU. Doch der eigentliche Augenmerk des Autors liegt nicht beim NSU, sondern auf der Rolle des Verfassungsschutzes und der »Extremismustheorie« als ideologischem Hintergrund des Wirkens der Behörden. Den Abschluss bildet ein Rundumschlag zum Antifaschismus und dessen Wirken gegen aktuelle rechte Erscheinungen wie antimuslimischen Gruppierungen. Insgesamt sind bestimmt einige interessante Ansätze zur Diskussion um den NSU im Buch zu finden, aber gehen diese im kaum strukturierten und überfrachteten Buch unter. Belege für seine Analysen und Einschätzungen bleibt der Autor schuldig, was wohl der größte Mangel am Buch ist.

Expert_innen analysieren

Die thematische Breite ist die Stärke des Sammelbandes »Made in Thüringen? Nazi-Terror und Verfassungsschutz-Skandal«. Herausgeben von Bodo Ramelow, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Thüringer Landtag, vereinigt das Buch verschiedene Teilaspekte des Nazi-Terrors um den NSU. Neben einer umfassenden Kritik an der Arbeitsweise des (thüringischen) Verfassungsschutzes, der Beschreibung der Thematisierung von neonazistischen Strukturen in Thüringen und der Bewertung der (bisherigen) parlamentarischen Aufklärung stehen v.a. die regionalen Nazi-Strukturen in Thüringen und Sachsen im Mittelpunkt des Buches. Ergänzend werden in diesem Themenkomplex auch die verschiedenen ideologischen Vorbilder des Rechtsterrorismus beschrieben. Die Autor_innen arbeiten seit Jahren zum Thema und haben die unterschiedlichsten Zugänge, sei es beispielsweise als thüringische LokalpolitikerInnen für DIE LINKE oder als Antifaprojekt in Sachsen. Der Sammelband ist ein informatives Einstiegs- und Überblickswerk zum NSU.

Journalistische Beschreibungen

Einen tieferen Einblick in die Aktivitäten und Strukturen des NSU bieten zwei journalistische Buchveröffentlichungen. In »Die Zelle« beschreiben John Goetz und Christian Fuchs reportagenhaft die Biographien des Trios und deren Jahre im Untergrund im Zusammenspiel mit seinen UnterstützerInnen. Grundlage für die flüssig geschriebenen Seiten waren neben umfangreichem Aktenmaterial auch eine Vielzahl von Interviews. Diese führten die beiden Journalisten mit Akteuren des Umfeldes der drei Nazis, aber auch mit Ermittlungsbehörden und Expert_innen. Leider stört bei dem trotz seiner Faktendichte gut lesbaren Buch gelegentlich die stark emotionalisierte und wohl spekulative Darstellung des Innenlebens des NSU.

Ähnlich wie »Die Zelle« bezieht sich das Buch »Das Zwickauer Terror Trio« der Autoren Maik Baumgärtner und Marcus Böttcher ebenfalls auf umfassende Ermittlungsakten und zahlreiche Interviews. Doch die beiden Autoren halten sich im Vergleich zu Goetz/Fuchs strikter an die chronologische Wiedergabe der Ereignisse, auch wenn dies manchmal zu Lasten der Lesbarkeit geht. Dass sich beide Autorenpaare teilweise seit Jahren mit dem Thema Neonazismus beschäftigen, spiegelt sich in der Detailliertheit des Faktenwissens und in den umfangreichen Ausführungen wieder.

Rückblick und Aussicht

Die letztgenannten drei Bücher halten sich mit schwerwiegenden Thesen – vor allem über die Rolle der geheimdienstlichen Behörden – weitestgehend zurück. Im Gegensatz zum Buch von Bernhardt. Gerade das Fehlen der klar formulierten Auseinandersetzung mit den Versäumnissen der deutschen Sicherheitsbehörden, lässt die journalistischen Veröffentlichungen in ihrer Analyse etwas eindimensional wirken. Obwohl diese bestimmt eine größere Leserschaft finden als die beiden anderen Veröffentlichungen. Aber auch wenn diese Bücher nur einige und nicht alle Antworten liefern können, bieten sie genügend Stoff zur Vertiefung. Sie leisten einen sinnvollen Beitrag zur chronologischen Nachbetrachtung der Ereignisse und tragen die immense Fülle an Informationen nach dem Bekanntwerden der Mordserie des NSU zusammen.

Patrick Schwarz

  • Bernhardt, Markus: Das braune Netz. Naziterror – Hintergründe Verharmloser Förderer, PapyRossa, Köln 2012.
  • Ramelow, Bodo (Hrsg.): Made in Thüringen? – Nazi-Terror und Verfassungsschutz-Skandal, VSA, Hamburg 2012.
  • Goetz, John & Fuchs, Christian: Die Zelle. Rechter Terror in Deutschland, Rowohlt, Reinbek 2012.
  • Baumgärtner, Maik & Böttcher, Marcus: Die Zwickauer Terror-Trio. Ereignisse, Szene, Hintergründe, Das Neue Berlin, Berlin 2012.