Um 11.30 Uhr hatten sich noch Journalist_innen ihre Akkreditierungsunterlagen bei der Pressestelle des Oberlandesgerichts (OLG) München abgeholt. Nur eine halbe Stunde später verkündete das OLG in einer Pressemitteilung, dass der NSU-Prozess nicht wie geplant am kommenden Mittwoch beginnt, sondern erst in drei Wochen am 6. Mai.
Zur Begründung führt das OLG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Freitag an, nach dem eine angemessene Anzahl nichtdeutscher Medien mit Opferbezug Zugang zum Verfahren bekommen müsse. Obwohl die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durchaus auch eine Eröffnung des Verfahrens wie geplant ermöglicht hätte, hat sich der Senat um den Vorsitzenden Richter am OLG Manfred Götzl nun anders entschieden: Das Akkreditierungsverfahren für die Presse wird nun komplett wiederholt und der Beginn des Verfahrens um drei Wochen verschoben.
Die Anwält_innen der Nebenklage erfuhren teilweise nicht durch das Gericht, sondern erst aus der Presse von der Terminverschiebung. Kaum eine Stunden nach der ersten Pressemitteilung lud OLG-Pressesprecherin Margarete Nötzel zur Pressekonferenz ins Justizzentrum. Neben der schon bekannten Stellungnahme wurde inhaltlich jedoch nichts Neues vermeldet. Auf Nachfragen reagierte Nötzel meist mit abweisenden Kommentaren: „Dazu kann ich nichts sagen“ oder „Keine Ahnung“. Die Frage, wie das neue Akkreditierungsverfahren ablaufen werde und wie mit den bereits im ersten Verfahren akkreditierten Journalist_innen verfahren wird, beantwortete Nötzel so: „Es bedarf keiner großen hellseherischen Fähigkeiten, um sagen zu können, das entscheidet der Vorsitzende und nur der Vorsitzende.“
Die Nebenkläger_innen haben sich seit Wochen darauf eingestellt, am kommenden Mittwoch das erste Mal Beate Zschäpe und den anderen Angeklagten gegenüberzutreten. Sie erwarteten, dass nun endlich mit der Klärung der Taten des NSU begonnen würde. Was die Verschiebung für die Nebenkläger_innen im Prozess bedeutet, war der Pressestelle jedoch keine Überlegung wert. Als ein Journalist fragte, ob es nicht Zeit für ein Wort des Bedauerns von Seiten des Oberlandesgerichtspräsidenten Huber sei, antwortete Nötzel: „Denken Sie nicht, dass die Frage an die falsche Adresse gerichtet ist?“
Unabhängig davon, wie die Verschiebung juristisch zu bewerten ist, zeigen die Farce um das Akkreditierungsverfahren und ihr (vorläufiger) Höhepunkt am heutigen Montag, dass das OLG München die Bedeutung des Verfahrens, nicht zuletzt für die Angehörigen der Opfer, nicht begreift oder begreifen will. In die Reihe der Behörden, die während der NSU-Mordserie und im Rahmen der Ermittlungen so eklatant versagten, scheint sich nach Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaft nun auch die Justiz einreihen zu wollen.