April 2013: Hintergrund des Projektes NSU-watch
Das NSU-Watchblog wird herausgegeben und redaktionell betreut vom apabiz e.V. Ziel ist es, die unabhängige Aufklärung rund um die Terrorzelle des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) und ihrer rassistischen Morde voranzutreiben.
Die Rolle der Geheimdienste und anderer staatlicher Behörden betrachten wir in diesem Komplex äußerst kritisch. Die inzwischen eingerichteten Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Landesebene dienen dem Ziel, die „Versäumnisse“ der Behörden aufzudecken, jedoch haben sie systematisch über Jahrzehnte den bundesdeutschen Rechtsterrorismus ignoriert und auch die „Zwickauer Terrorzelle“ trotz nachgewiesener umfangreicher Beobachtung in ihren Anfangsjahren und des Einsatzes von V-Leuten nicht stoppen können.
Gleichzeitig beruht die mediale Berichterstattung derzeit zu großen Teilen auf gezielt durchgereichten Informationen aus Kreisen der Ermittlungsbehörden, eine unabhängige Recherche findet zu wenig statt. Dennoch können und wollen wir die Deutungshoheit über den NSU nicht den Behörden überlassen und versuchen hier, eine außerparlamentarische Aufklärung und Analyse zu stärken. Den Erfahrungen und Sichtweisen der von Rassismus betroffenen Menschen muss auch in dem NSU-Komplex mehr Raum gegeben werden, denn schließlich war und ist es der gesellschaftliche Rassismus, der die Täter_innen angetrieben und die Arbeitsweise der Behörden beeinflusst hat.
Das apabiz ist in ein bundesweites und internationales Netzwerk von antifaschistischen Recherche- und Publikationsprojekten eingebunden. Auf dem NSU-Watchblog werden neben einer kritischen Presseschau zum Thema die Rechercheergebnisse und Analysen von uns und unseren Freund_innen veröffentlicht. Wir danken an dieser Stelle allen engagierten Gruppen, antirassistischen Projekten und Journalist_innen, auf deren jahrzehntelanger, meist ehrenamtlicher und unter teils gefährlichen Umständen entstandener Expertise auch unsere Arbeit beruht.
Die Unabhängige Beobachtungsstelle NSU-watch: Aufklären und Einmischen:
Die rassistische Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) markiert eine Zäsur in der bundesrepublikanischen Geschichte. Die unabhängige Beobachtungsstelle „NSU-watch: Aufklären und Einmischen” recherchiert Hintergründe und dokumentiert aktuelle Entwicklungen zum NSU. Diese stellt NSU-watch auf https://www.nsu-watch.info der Öffentlichkeit zur Verfügung. Die unabhängige Beobachtungsstelle wurde von antifaschistischen Projekten aus dem gesamten Bundesgebiet gegründet, die seit mehr als zwei Jahrzehnten die extreme Rechte beobachten. Seit der Selbstenttarnung des NSU am 4. November 2011 bündeln wir unsere Recherchen und unser über die Jahre zusammengetragenes Wissen.
Der erste NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier weitere mutmaßliche NSU-Mitglieder bzw. -Unterstützer beginnt am 6. Mai 2013 vor dem Oberlandesgericht in München. Schon heute ist absehbar, dass dieser Prozess zu einem Mammut-Verfahren mit drei Prozesstagen wöchentlich und mehreren hundert Zeug_innen werden wird. Wir wollen mit der Beobachtungsstelle die Arbeit fortsetzen und diesen NSU-Prozess begleiten, weil wir eine lückenlose und kontinuierliche Prozessbeobachtung für unerlässlich halten. Deswegen soll NSU-watch jeden Gerichtstag dokumentieren und Gerichtsprotokolle, Einschätzungen von Expert_innen sowie die Ergebnisse der begleitenden Recherchen für alle Interessierten aufbereiten und öffentlich zugänglich machen: Für die unabhängige Öffentlichkeit, Nebenkläger_innen und deren Vertreter_innen, Medien, antifaschistische, migrantische und zivilgesellschaftliche Initiativen, Parlamentarier_innen u.v.m. Ziel ist es auch, die Protokolle und wichtige Artikel in türkischer Übersetzung zur Verfügung zu stellen.
Es ist längst öffentlich geworden, dass die Behörden aller involvierten Bundesländer und des Bundes ihnen vorliegende Informationen so lange wie möglich unter Verschluss halten – wenn sie sie nicht ohnehin vernichtet haben. Auch deshalb ist die Arbeit des NSU-watch wichtig. Denn eine informierte und aufgeklärte Öffentlichkeit kann – parallel zu den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und den Recherchen von Journalist_innen – den Druck für wirksame Interventionen erzeugen.
Ein Netzwerk von zivilgesellschaftlichen Initiativen, Beratungsprojekten gegen Rechtsextremismus und Rassismus, migrantischen Selbstorganisationen, Bürgerrechtsorganisationen, Wissenschaftler_innen und Parteien unterstützt bereits NSU-watch. Auch sie erachten eine unabhängige, nicht-staatliche Prozessbeobachtung sowohl gesellschaftlich als auch für die weitere Aufklärungsarbeit als dringend notwendig.
Unsere unabhängige Beobachtungsstelle „NSU-watch: Aufklären und Einmischen“ ist beim Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum e.V. (apabiz) in Berlin und der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. (a.i.d.a.) angesiedelt. Mitarbeiter_innen von NSU-watch sind für den Prozess akkreditiert und werden ab dem Prozessauftakt am 6. Mai 2013 an jedem Verhandlungstag vor Ort sein.
NSU-watch hat sich folgende Ziele gesetzt:
- Kontinuierliche Protokollierung und unabhängige Beobachtung der Strafverfahren gegen die mutmaßlichen NSU-Mitglieder und ihres Netzwerks.
- Aufbereitung der Recherchen sowie der Protokolle und Berichte aus dem Prozess für alle Interessierten, verbunden mit einer eigenen Einschätzung.
- Übersetzung der Protokolle und Berichte auf Türkisch und Englisch
- Unabhängige und unterstützende Recherche in Bezug auf die unterschiedlichen Komplexe der NSU-Mordserie für Anwält_innen der Nebenklage und Journalist_innen.
- Öffentliche, leicht zugängliche Dokumentation für wissenschaftliche Forschung.
- Vernetzung der beteiligten Initiativen.
- Ansprechpartner_innen für alle zum NSU-Komplex arbeitenden Initiativen und die Nebenkläger_innen.
- Öffentlichkeitsarbeit während der Strafverfahren.
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Zur Gründung von „NSU-Watch: Aufklärung und Einmischen“ ist eine Pressemitteilung auf deutsch hier und hier auf türkisch erschienen.