Von „Piatos“ Fahrdienstleister zum Behördenleiter – Die Vernehmung des Gordian Meyer-Plath

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Bericht von der 64. Sitzung des Bundestagsuntersuchungsausschuss zum NSU am 15. April 2013
Zeuge: , Präsident des LfV Sachsen

Dass Gordian Meyer-Plath derzeitig Präsident des LfV Sachsen ist – bzw. „Verwaltungsangestellter« in der Funktion des „kommissarischen Leiters«, wie er es selbst bezeichnete – war allenfalls einen Vermerk im Protokoll wert. Der Grund für die Ladung als Zeuge vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss liegt etwa 15 bis 20 Jahre zurück und bezog sich vor allem auf sein berufliches Verhältnis zum neonazistischen V-Mann Carsten Szczepanski alias „Piato“. In der Zeit von April 1994 bis bis Oktober 1998 war Meyer-Plath als junger Historiker beim LfV Brandenburg im Referat „Politischer Extremismus – Rechtsextremismus« beschäftigt. Sowohl als Referent im Bereich Auswertung bis September 1996, als auch in den folgenden zwei Jahre als Referent im Bereich Beschaffung war Meyer-Plath mit „« betraut. In den letzten beiden Jahren war er mit seinem Kollegen G. V-Mann-Führer von .

Schon 1998: Hinweise aufs Trio ignoriert – Festnahme verpatzt

Insgesamt 37mal in etwa eineinhalb Jahren hatte sich Meyer-Plath dienstlich mit Szczepanski getroffen, anfangs zusammen mit seinem Kollegen G., später auch allein. Dabei hatte sich ein fragwürdiges Verhältnis entwickelt: Ohne Umschweife ließ Meyer-Plath verlauten, dass er und Szczepanski sich geduzt hatten. Eines dieser »Dienstgespräche« im August 1998 beschäftigte den Ausschuss ganz besonders. Denn bereits zu jenem Zeitpunkt hatte Szczepanski dem LfV einen Hinweis auf die untergetauchten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gegeben. Szczepanski hatte von die Information erhalten, dass »drei sächsische Skinheads (zwei Männer und eine Frau) zur Zeit wegen verschiedener Straftaten auf der Flucht vor der Polizei« und wollten sich »mit ›geliehenen Pässen‹ nach Südafrika absetzen«. Einer der drei habe außerdem »anonym Artikel für die Publikation ›White Supremacy‹ geschrieben«. Bei weiteren Treffen waren die Informationen noch konkreter und brisanter geworden. So hatte Szczepanski am 9. September 1998 berichtet, dass er von erfahren habe, dass dieser für das Trio Waffen beschaffen solle. Das Geld dafür sei aus der Struktur von Sachsen gekommen. Zudem hatte Szczepanski erfahren, dass Antje Probst  ihren Pass Beate Zschäpe zur Verfügung stellen wollte.

Warum diese wichtigen Informationen trotz ihrer Brisanz nicht zeitnah beim LKA Thüringen bzw. beim LKA Sachsen ankamen, ließ sich auch von Meyer-Plath nicht in Erfahrung bringen. Wie zu erwarten war, übernahm er – wie unzählige Behördenmitarbeiter in den anderen Sitzungen zuvor – jedoch keinerlei persönliche Verantwortung. Seiner Meinung nach seien die Informationen vorschriftsmäßig an das LfV Thüringen und das LfV Sachsen weitergegeben worden. Once Again: Er und seine Kollegen haben damals angeblich alles richtig gemacht und sich nichts zu schulden kommen lassen.

Fragwürdiger Umgang mit „Piato“

Sehr umfassend wurde Meyer-Plath zum mehr als fraglichen Umgang des LfV Brandenburg mit Carsten Szczepanski befragt. Bereits in seinem Eingangsstatement hatte Meyer-Plath betont, dass Szczepanskis V-Mann-Tätigkeit ein »Quantensprung« bzw. »Meilenstein« für das LfV Brandenburg gewesen sei. Denn in den frühen 1990er Jahren habe sich das Amt schließlich noch in der Aufbauphase befunden und gerade der Bereich Beschaffung sei »notleidend« gewesen. Durch »Piato« sei das LfV Brandenburg erstmals an umfassende und verwertbare Insider-Informationen über die Brandenburger Neonaziszene gelangt. Dass der Neonazi Szczepanski 1992 einen rassistischen Mordversuch an einem Nigerianer begangen hatte und dafür 1995 zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, wurde vom LfV billigend in Kauf genommen. Als wäre dies nicht skandalös genug, waren die Beamt_innen zudem nicht stutzig geworden, dass sich Szczepanski als »Selbstanbieter« während seiner Haftzeit an das LfV gewandt hatte und somit Strafmilderung oder Hafterleichterung die Motivation gewesen sein könnten. Diese hatte es tatsächlich gegeben. Meyer-Plath beschrieb, dass aus taktischen Gründen von Amtsseite alles dafür getan worden war, Szczepanski auch während seiner Haftzeit möglichst nahen Kontakt zur Neonazi-Szene zu ermöglichen – damit er weiterhin »wertvoll« bleibe. Es wurden Lockerungen bezüglich der Personen-, Post- und Telefonkontrolle in Absprache mit der JVA Brandenburg eingeräumt. Man ließ Szczepanski soweit gewähren, dass es ihm möglich war, aus der JVA Brandenburg heraus das neonazistische Fanzine »« zu veröffentlichen. Es wurde sogar akzeptiert, dass Szczepanski im Rahmen einer Anpassungsqualifizierung ab April 1998 ein Praktikum bei Firma Probst von Antje und machte und dort später auch eine Anstellung annahm. Darüber hinaus gab es noch etliche andere Sonderbehandlungen, die für empörte Nachfragen und Fassungslosigkeit bei den Ausschussmitgliedern wie auch den Pressevertreter_innen und Besucher_innen sorgten. So wurde eine Art »Fahrdienst« seitens des LfV für Szczepanski eingerichtet, damit dieser die Zeit seiner Freigänge möglichst effektiv nutzen konnte. So habe Meyer-Plath zum Teil selbst Szczepanski zu Treffen mit anderen Neonazis gefahren, von denen sich neue Erkenntnisse erhofft wurden. Darüber hinaus habe er aber auch manchmal »kleinere Erledigungen« für den Neonazi gemacht, die dieser sonst nicht persönlich geschafft hätte. Der skandalöste Part dieser ohnehin schon ungeheuerlichen Beschreibungen erfolgte dann in Bezug auf vom LfV zur Verfügung gestellte Handys. Denn Meyer-Plath konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, wie viele »Diensthandys« Szczepanski erhalten hatte – an zwei konnte er sich immerhin erinnern. Offene Münder und ungläubige Gesichter hinterließ außerdem Meyer-Plaths konfuse Beschreibung der Handy-Nutzung, aus der das Fazit gezogen werden muss: Das LfV wusste zum Teil nicht, wo sich das Handy genau befand und wer es benutzte. Meyer-Plath konnte nicht auszuschließen, dass Szczepanski ein auf das LfV Brandenburg registriertes Handy mit in die JVA Brandenburg nehmen konnte oder er es einfach einem »Kameraden« überlassen hatte. Auch der myteriöse Umstand um eine SMS konnte nicht geklärt werden. Am 25. August 1998 hatte Jan Werner an Szczepanskis »Diensthandy« eine brisante SMS geschickt: »Hallo, was ist mit den Bums«. Das Handy befand sich zu jener Zeit in Chemnitz, wo sich auch das Trio zu der Zeit befand, doch unklar ist bei wem. Denn Szczepanski war laut Unterlagen zwar bis zum Vortag in Chemnitz, am 25. August aber wieder in Brandenburg. Außerdem hatte er just an diesem Tage ein neues Handy bekommen. Ob und wenn ja wer die Nachricht gelesen hat, lässt sich also nicht nachvollziehen.

Empörung und Kritik

Sebastian Edathy (SPD) reagierte auf diese Schilderungen vor allem im Hinblick auf Szczepanskis brutale, menschenverachtende Tat, für die er inhaftiert war, mit entsetztem Unverständnis. Meyer-Plath versuchte zu beschwichtigen, dass er die Empörung durchaus nachvollziehen könne und die Handlungen des LfV für einige sicher ein »Geschmäckle« hätte. Allerdings sei es im Hinblick auf die angeblich so wertvollen Informationen für ihn auch heute noch »aus Sicht des Beschaffers« positiv zu bewerten – er habe zu jener Zeit »die Früchte gern geerntet« und sich darüber gefreut, dass Szczepanski während seiner V-Mann-Tätigkeit zu einer noch wichtigeren Szenegröße geworden war. Seiner Meinung nach sei es gerechtfertigt gewesen, dass Szczepanski pro Treffen 300,-DM und somit über zwei Jahre insgesamt etwa 50.000,-DM vom LfV erhalten habe. Schließlich habe er wichtige Hinweise geliefert, die es u.a. ermöglicht hätten, Konzerte zu unterbinden oder im Verfahren gegen die Nazi-Band »Landser« zu wichtigen Erkenntnissen führten. Szczepanski habe also der Szene deutlichen Schaden zugefügt. Es sei zudem ein deutliches Zeichen gewesen, dass sich Szczepanski ideologisch von der Neonaziszene entfernt habe. Diese Äußerungen sorgten abermals für Unverständnis bei den Ausschussmitgliedern. Wolfgang Wieland (Die GRÜNEN) widersprach zu späterem Zeitpunkt, dass seiner Meinung nach das LfV Brandenburg Szczepanski viel mehr in die Neonaziszene gedrängt hätte als ihn von dieser abzubringen. Als Edathy den Zeugen mit grausamen Details aus dem Urteil gegen Szczepanski konfrontierte und erwähnte, dass das Opfer noch im Jahr 2000 sein Schmerzensgeld von 50.000,-DM nicht erhalten hatte, reagierte dieser mit betretendem Schweigen. Im Sitzungssaal war eine schockierte Stille wahrnehmbar. Warum er überhaupt akzeptiert habe, dass ein solcher Gewalttäter V-Mann wurde, sei »nur schwer vermittelbar«, wie Meyer-Plath es bezeichnete. Er versuchte es damit zu erklären, dass Szczepanski damals die einzige Möglichkeit gewesen sei, um an Informationen zu gelangen. Zudem sei Meyer-Plath selbst »Frischling« beim LfV gewesen, und es habe für ihn außer Frage gestanden, die Entscheidungen seines Vorgesetzten zu hinterfragen. Die »Vermittelbarkeit« war für Gordian Meyer-Plath auch das zentrale Kriterium bezüglich der Frage: Welch schwere Gewalttaten kann ein Neonazi begehen und trotzdem V-Person werden? »Verantwortbarkeit« und »Vertretbarkeit« oder auch »Skrupel« und »Moral« schloss Meyer-Plath hingegen auf Nachfrage für sich als Bewertungskategorien aus. Sebastian Edathy kommentierte dies mit dem Statement, dass er diese Äußerung von einem Historiker und deutschen Beamten als ungeheuerlich empfände.

In der Tat lassen sich die Schilderung als »ungeheuerlich« zusammenfassen. Und warum ausgerechnet Gordian Meyer-Plath zum Interimspräsidenten des LfV Sachsen aufsteigen konnte ist wirklich nur schwer »vermittelbar«.