Vor der 6. Strafkammer des Oberlandesgerichtes (OLG) München hat der erste Prozess gegen Beschuldigte aus dem “Nationalsozialistischen Untergrund” (NSU) begonnen.
Zum detailierten Protokoll des Verhandlungstages.
Der Prozessauftakt wurde von großem Medieninteresse begleitet. Vor dem Gerichtsgebäude in der Nymphenburger Straße warteten seit den frühen Morgenstunden hunderte Journalist_innen aus aller Welt. Die Zahl der wartenden Prozess-Besucher_innen war jedoch bei weitem nicht so groß, wie im Vorfeld erwartet wurde.
Neonazis besuchen Prozess
Vor dem Eingang des OLG forderten Demonstrant_innen die bedingungslose Aufklärung der NSU-Mordserie und kritisierten die Verstrickungen der Geheimdienste und Polizeibehörden mit der Neonazi-Szene.
In ihrer Pressekonferenz behauptete die Bundesanwaltschaft dagegen: „Unsere Ermittlungen haben keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass staatliche Stellen in die Straftaten des ‚NSU‚ verstrickt gewesen sein könnten“.
Ein Altenburger Neonazi hatte die Szene in den letzten Tagen dazu aufgerufen, den Münchener Prozess zu besuchen. Dem folgten jedoch nur vereinzelte Anhänger, darunter der als Rechtsterrorist verurteilte Karl-Heinz Statzberger (Kameradschaft München) und Maik E., der Bruder des angeklagten André E. Schon zu Prozessbeginn stellten sich die beiden Neonazis in die Warteschlange und gelangten am frühen Nachmittag auch in den Saal. Das Auftreten auf der Besuchertribüne sorgte bei Beobachter_innen und Prozessbeteiligten für Erstaunen. Kann für die Zukunft des Verfahrens ausgeschlossen werden, dass Maik E. als Zeuge in Betracht kommt?
Die lange Liste von Skandalen und Nicht-Handeln der Behörden bei der Aufdeckung der NSU-Mordserie wird zunehmend auch von der verschwörungstheoretischen Szene aufgegriffen. Einzelne Vertreter_innen versuchten vor dem Gerichtsgebäude zu provozieren und Medienaufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Verteidiger_innen verzögern Beginn
Der Prozess begann mit einer halbstündigen Verspätung. Zu einer Verlesung der Anklageschrift kam es am ersten Prozesstag nicht. Die Anwält_innen von Beate Zschäpe stellten gleich zu Beginn der Hauptverhandlung einen Befangenheitsantrag gegen die Richter_innen. Auch die Vertretung von Ralf Wohlleben beantragte, den Senat auszutauschen. Das Gericht hätte verweigert, den Berliner Szene-Anwalt Wolfram Narath für die Verteidigung von Wohlleben beizuordnen. Einen weiteren Grund für die Befangenheit des Gerichts sah die Verteidigung in der Beschlagnahme von Briefen. Darin hatte Wohlleben Buchstaben zu Hakenkreuzen verändert. Wohllebens Anwalt Olaf Klemke hatte dies als „Kalligraphie“ verharmlost. Bei der Begründung seines Befangenheitsantrags setzte der Strafverteidiger auf eine Ermüdungstaktik und zitierte zwei Stunden lang frühere Stellungnahmen und Gerichtsentscheidungen.
Das Gericht vertagte den Prozess auf nächste Woche, bis über die Befangenheitsanträge entschieden ist. Mehrere Vertreter_innen der Nebenklage bezeichneten die erneute Verzögerung des Prozesses als eine Katastrophe für ihre Mandant_innen. Diese müssen nun erneut aus München abreisen, bevor der Prozess richtig begonnen hat. Andere Anwält_innen der Nebenklage halten die Verschiebung für nicht nachvollziehbar und juristisch unüblich. Die Verteidigung Beate Zschäpes kündigte vor Verlesung der Anklageschrift noch weitere Anträge an.
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