Als Zeugen waren zwei Kriminalbeamte geladen – einer der Polizei Zwickau, einer vom BKA – , die im November 2011 mit Beate Zschäpe Gespräche (nicht Vernehmungen) geführt haben und einen Einblick in die ansonsten schweigende Angeklagte geben konnten. Einige Fragen betreffend der Befragungspraxis bzw. der Anwesenheit von anderen Behörden/Dienststellen beantwortete der erste Zeuge unter Berufung auf eine fehlende Aussagegenehmigung nicht, was von Seiten der Nebenklage kritisiert, von Seiten der GBA befürwortet wurde.
Zeugen:
- André P. (KHM, Gespräche mit Zschäpe)
- Frank Le. (KOK, BKA, Gespräche mit Zschäpe)
Die Sitzung beginnt um 9.45 Uhr. Die Verteidiger von André E. lassen sich heute vertreten, ebenso ein Verteidiger von Holger G.
Zunächst wird der Kriminalbeamte bei der Polizeidirektion Zwickau, André P., befragt. Er sollte Beate Zschäpe im November 2011 vernehmen. Götzl verliest P.s Aussagegenehmigung. Zunächst berichtet P. selbstständig. Zschäpe habe sich am Dienstag, den 8. November 2011 in Jena der Polizei gestellt, und sei dann von dort nach erkennungsdienstlicher Behandlung und Abgabe der Bekleidung zur Spurensicherung zuständigkeitshalber nach Zwickau überstellt worden. Er selbst sei dafür vorgesehen gewesen, die Beschuldigtenvernehmung mit ihr durchzuführen. Mit dabei seien eine Frau H. von der baden-württembergischen Polizei und eine Schreibkraft gewesen. Nach der Belehrung habe Zschäpe gesagt, sie werde keine Angaben zum Sachverhalt machen. Sie hätten dann die Personalien festgestellt und nach kurzer Zeit die Vernehmung beendet. Er sei erstaunt gewesen, dass Zschäpes Jenaer Anwalt Liebtrau nicht bei der Vernehmung anwesend war, aber es sei wohl so abgesprochen gewesen, dass der Anwalt am nächsten Morgen beim Ermittlungsrichter dabei sein sollte. Dann seien Zschäpe, die Beamtin H. und er in sein Dienstzimmer gegangen und hätten dort die Zeit verbracht bis Zschäpe abgeholt wurde. Über das dort geführte Gespräch habe er einen Vermerk geschrieben. In der folgenden Vernehmung geht es vor allem um dieses Gespräch.
Zunächst solle P., so der Vorsitzende Richter Manfred Götzl, weiter berichten. P. erzählt, Zschäpe habe sich wohl in dem Trainingsanzug der Polizei, den sie trug, unwohl gefühlt. Ansonsten sei sie aufmerksam gewesen und habe dem Gespräch folgen können. Er habe ihr zuvor mitgeteilt, dass er über das Gespräch einen Vermerk anfertigen werde, das sei für sie aber in Ordnung gewesen. Sie hätten respektiert, dass sie keine Angaben zur Sache machen wollte und keine Fragen zur ihr vorgeworfenen Brandstiftung gestellt. Es sei ein lockeres Gespräch gewesen. Zschäpe habe mit wenigen Sätzen erzählt, wie sie aufgewachsen sei, dass sie eher eine Beziehung zur Großmutter, weniger zur Mutter gehabt habe, wie das Leben in Zwickau war, und dass die beiden Uwes ihre Familie gewesen seien.
An eine Sache könne er sich noch erinnern, die er nicht schriftlich niedergelegt habe. Er habe die Frage gestellt, ob noch irgendwie eine Straftat zu verhindern oder in Planung sei und darauf habe Zschäpe mit Nein geantwortet. Allerdings habe man ihr angemerkt, dass sie ein paar Tage unterwegs und froh gewesen sei, „dass die Sache vorbei war“. Sie habe sagt, dass sie beim Unterschreiben des Protokolls der Vernehmung seit langem zum ersten Mal wieder mit ihrem Namen Beate Zschäpe unterschrieben habe.
Auf die Frage von Götzl, ob sie gesagt habe, wo sie unterwegs war, sagt P., dass er denke, dass sie Braunschweig gesagt hat: „Da muss es irgendeinen Zwischenfall gegeben haben und sie nahm an, dass dies der Polizei bereits bekannt ist.“ Sie habe Freunde aufsuchen wollen, aber wohl keinen Unterschlupf gefunden. P.: „Ich schrieb, dass sie mit der Bahn unterwegs war und eine Bahncard genutzt hat und das hat sie dann auch so gesagt.“ Sie habe wohl gesagt, dass sie sechs Tage unterwegs gewesen sei, aber zwischen Freitag, dem 4., und Dienstag, dem 8. November, seien es ja bloß fünf Tage. Außerdem habe sie gesagt, dass sie die beiden Mütter der Uwes angerufen und informiert habe, dass ihre beiden Söhne nicht mehr am Leben sind. Woher sie die Information über den Tod der Uwes gehabt habe, habe sie jedoch nicht gesagt. P. gibt an nicht genau sagen zu können, woran er es festgemacht habe, dass sie lange unterwegs gewesen sei. Das sei eben sein Eindruck gewesen, sie habe gestresst und ruhelos gewirkt.
Götzl hält P. nun verstärkt den Vermerk zum Gespräch vor. In den Antworten von P. häufen sich nun Formulierungen wie „Dann wird sie das auch so gesagt haben.“
Auf Vorhalt von Götzl sagt P., dass sich Zschäpe als „Omakind“ bezeichnet habe. Er könne sich aber heute zum Verhältnis zu Mutter und Großmutter nicht sicher äußern, weil er auch Zschäpes Mutter und Großmutter vernommen habe und das daher nicht trennen könne. Zu den Eltern von Mundlos und Böhnhardt habe sie gesagt, „dass beide Uwes ein behütetes Elternhaus gehabt haben und dass es ihr eigentlich unklar ist, wie und warum sich beide Uwes so entwickelt haben.“ Die Katzen habe sie sehr gern gehabt und sich erkundigt, was aus ihren Katzen geworden ist. Er habe ihr sagen können, dass die beiden Katzen am Leben und im Tierheim untergebracht sind.
Er habe sie gefragt, ob sie die Absicht habe, sich das Leben zu nehmen und „da brachte sie zum Ausdruck, dass sie drüber nachgedacht hat, aber nicht in Zusammenhang mit der Inbrandsetzung der Wohnung sondern in den Tagen unterwegs: Sie hatte nicht die Absicht, sich damit selbst wegzuräumen sondern erst später.“ Götzl hält dann einen Passus vor, der besagt, sie habe die Katzen vor dem Brand nach unten gebracht. P.: „Wenn ich das so geschrieben habe, dann hat Frau Zschäpe ganz sicher das auch so gesagt, ich habe die Katzen nach dem Inbrandsetzen bei jemand abgegeben, oder so in der Art.“
RA Heer, Verteidiger von Zschäpe, beschwert sich kurz drauf, der Zeuge solle klarer formulieren, was seine eigene Erinnerung ist. P. sagt, er habe den Vermerk im Vorfeld gelesen, könne ihn aber nicht „auswendig herbeten“. P. weiter: „Und wenn sie das mir vorhalten, dann ist das genauso gewesen, wie das in dem schriftlichen Vermerk festgehalten ist.“ Auf Nachfrage von Götzl zum Verhältnis zu den Uwes sagt P., Zschäpe habe erklärt, dass sie zu nichts gezwungen worden sei.
Auf Vorhalt der Formulierung im Vermerk, nach der sie angab, nie zu etwas gezwungen worden zu sein und sich dazu nach Rücksprache mit ihrem Anwalt äußern werde, sagt P.: „Dann wird Frau Zschäpe, ohne dass ich aus meiner Erinnerung heraus die genaue Formulierung noch wüsste, dann wird sie das so gesagt haben, wie ich das formuliert habe.“ Es beginnt eine Auseinandersetzung zwischen Götzl und RA Heer, der die Antworten des Zeugen moniert und anregt, „im Interesse aller Verfahrensbeteiligten“, klarzustellen, was die Erinnerung des Zeugen ist. Götzl verbittet sich, unterbrochen zu werden. Heer sagt, er wolle einen Verfahrensantrag stellen. Bundesanwalt Diemer fordert, RA Heer das Wort zu entziehen. Nachdem sich auch noch RAin Sturm, Verteidigerin von Zschäpe, einschaltet, macht Götzl um 10.44 Uhr eine Pause und setzt gegen 11 Uhr fort. Nach der Pause will er mit der Vernehmung fortfahren, aber Heer fällt ihm ins Wort: Götzl gehe über seinen Antrag hinweg, so Heer. Götzl sagt, er werde so verfahren, wie Heer es sich vorstellt und kommt zurück zum Thema.
P. sagt, er habe den Eindruck gewonnen, dass Zschäpe vor dem Ermittlungsrichter zur Brandstiftung eine Erklärung abgeben wird. Dies sei dann nicht geschehen. An den genauen Wortlaut könne er sich nicht erinnern. Den Vermerk habe er am nächsten Tag nach der Vorführung Zschäpes beim Ermittlungsrichter zusammen mit der Kollegin H. geschrieben, er habe sich beim Gespräch keine Notizen gemacht. Der Vorwurf, der Zschäpe bei der Vernehmung gemacht worden sei, sei die schwere Brandstiftung in der Frühlingsstraße 26 durch Ausbringen von Brandbeschleuniger gewesen. Das Gespräch habe sich wohl an die Vernehmung angeschlossen und etwa eine halbe Stunde gedauert hat, eher ein paar Minuten länger. Während des Gesprächs sei ein Kollege gekommen und habe Zschäpe um die Einwilligung zur Abgabe einer Speichelprobe gebeten. Zschäpe habe die Einwilligung erteilt und die Speichelprobe abgegeben. Zur Atmosphäre beim Gespräch befragt, sagt er: „Und ich möchte nicht sagen, es war eine lockere Gesprächsatmosphäre, aber es war kein Frage-Antwort-Ablauf, so war es nicht. Das zeigt ja auch, dass Frau Zschäpe selbst gefragt hat, nach dem Wohlergehen ihrer Katzen, eine Unterhaltung, kein Verhör.“ Das Gespräch sei aber sicherlich von den Kriminalbeamten initiiert worden. An die Reihenfolge der Themen könne er sich nicht erinnern, auch nicht an Gestik und Mimik von Zschäpe, es sei aber geraucht und gegessen worden. Götzl hält P. aus dem Vermerk vor, dass Zschäpe Bedenken gehabt habe, dass das Gespräch aufgezeichnet wird. P. sagt, er habe ihr erklärt, dass hier keinerlei Aufnahm von Ton oder Bild erfolgten, aber dass er das Gespräch schriftlich niederlegen werde. Das habe sie offensichtlich nicht gestört.
Es folgen die Fragen der Nebenklage. Zunächst fragt RAin Pinar. Es geht darum, wie P. erfahren hat, dass Zschäpe nun kommt, und welche Informationen ihm vorgelegen haben. P. sagt, er habe das wohl vom Polizeiführer erfahren. Außerdem habe ein Haftbefehl vom Amtsgericht Zwickau vorgelegen. Auch über die Uwes habe er Informationen gehabt, wisse aber nicht mehr welche. Er sei wie jeder Beamte in der Ermittlungsgruppe über den Sachverhalt informiert gewesen, es würden ja auch Besprechungen stattfinden. Auf Nachfrage sagt er, er könne keine Namen der Beteiligten an Besprechungen nennen oder Angaben über die Größe der Gruppe machen. Das sei nicht von seiner Aussagegenehmigung gedeckt. Diese Fragen müssten, so P., ggf. an den Leiter der Ermittlungsgruppe gestellt werden. Pinar will wissen, ob die Informationen, die in diesen Besprechungen weitergegeben worden sind, schriftlich niedergelegt worden seien. P. sagt, der übliche Ablauf sei, dass der Sachstand festgestellt werde und sich jeder Notizen mache und dann Aufgaben verteilt würden. Den Ablauf solcher Besprechungen werde man niemals in einer polizeilichen Ermittlungsakte finden. Er selbst benutze ein Notizbuch, er müsse prüfen, ob das noch vorliegt. Pinar fragt, ob er das in der nächsten Pause machen könne, was P. jedoch verneint. Pinar: „Ich könnte auch einen Beschlagnahmeantrag stellen.“ Götzl sagt, es ginge jetzt erst einmal darum, Fragen zu stellen. Dann geht es darum, welche Kenntnis P. wann von weiteren Tatvorwürfen gegen Zschäpe hatte. P. sagt, in dem ausgebrannten Wohnmobil seien die Waffen der „getöteten Polizeibeamten“ gefunden worden seien. Aus diesem Grund habe Frau H. an der Vernehmung teilgenommen. Diese sei bei der „Soko Parkplatz“ an der Aufklärung des Polizistenmordes beteiligt. Sie hätte, – wenn es dazu gekommen wäre, dass Zschäpe Angaben zu diesem Sachverhalt macht, – dann einen Vorhalt dazu machen können, dass die Waffen der Polizeibeamten in dem Wohnmobil gefunden worden seien. Pinar sagt, er widerspreche sich, er hab eben noch gesagt, er könne sich nicht erinnern, welche Informationen er über die beiden Uwes gehabt habe. P.: „Mir lagen Informationen vor bezüglich diesen Wohnmobils, aber verstehen sie mich, im Detail jetzt alle Infos hier vorzutragen, das ist mir nicht möglich. Ich kann mich an Detailinformationen nicht erinnern.“ Pinar fragt, wann P. bekannt geworden sei, dass gegen Zschäpe wegen weiterer Vorwürfe ermittelt wird, etwa wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. P. sagt, er können keinen konkreten Tag nennen, aber er sei sich sicher, dass dieser Vorwurf nach Übernahme durch das BKA (am Sonnabend nach der Vernehmung Zschäpes) auch so formuliert wurde. Auch der Vorwurf der Beteiligung an der Tötung der zehn Personen sei in der Folge aufgekommen.
RA Thiel fragt unter anderem zur Aussage von P., Zschäpe habe sich gewundert, dass die Uwes sich so entwickelt hätten. Thiel: „Das ist wahnsinnig wichtig und ich wundere mich, dass wir das nicht früher erfahren haben.“ P.: „Der Sachzusammenhang ist, dass sich die beiden Uwes zu Kriminellen entwickelt haben.“ Thiel: „Waren das Worte von Frau Zschäpe?“ P.: „Ich kann mich nicht erinnern, ob sie gesagt hat, Kriminelle oder nicht. Es ist so gewesen, dass Frau Zschäpe formuliert hat, dass sie sich nicht erklären könne, dass die sich trotz behütetem Elternhaus so entwickelt haben.“ P. kann sich nicht erinnern, dass Zschäpe gesagt hätte, dass es ein Versprechen gewesen sei, die Eltern der Uwes zu informieren. In Bezug auf die Katzen, die Zschäpe gerettet habe, will Thiel wissen, ob P. darauf hingewiesen habe, dass auch noch Menschen im Haus waren. P. verneint, Zschäpe habe sich nicht äußern wollen und das sei respektiert worden.
Es folgt die Mittagspause bis 13.05 Uhr. RA Kolloge fragt, ob bei Teambesprechungen vor der Vernehmung von Zschäpe oder an späteren Besprechungen andere Behörden beteiligt waren: P. verneint, es seien ausschließlich Polizeibeamte beteiligt gewesen. Nach RA Lucas fragt RA Narin: Wann P. erstmals vom Wohnwagenbrand in Eisenach erfahren habe, will er wissen: „Als ich am Montagmorgen eingewiesen wurde, als ich hinzugerufen wurde, wurde ich darüber in Kenntnis gesetzt“, sagt P. Die Identität der Personen sei ihm wohl auch zu diesem Zeitpunkt im Rahmen der Besprechung mitgeteilt worden. Die Frage, ob weitere Polizeibehörden beteiligt waren, beantwortet P. nicht und verweist auf seine Aussagegenehmigung. Auf Frage von RAin Lunnebach sagt P., dass er beim Dezernat 1, Lebens- und Gesundheitsdelikte, beschäftigt sei. Es gebe ein politisches Dezernat, aber da arbeite er nicht. Die Entscheidung, dass die Vernehmung durch ihn und Frau H. durchgeführt werden solle, sei sicher durch Führung der Ermittlungsgruppe getroffen worden. Warum er ausgerechnet die Frage nach weiteren Straftaten und die Antwort Zschäpes nicht im Vermerk niedergeschrieben habe, will Lunnebach wissen. P.: „Weil ich aus dem Gedächtnis zusammen mit Frau H. am Mittwoch das geschrieben hab und ich mich bei der Vorbereitung auf diese Verhandlung damit beschäftigt habe.“ Den Vermerk habe er aus eigenem Antrieb geschrieben. Er habe ihn zwar am Mittwoch nach der Vernehmung beim Haftrichter geschrieben, aber nicht weil Zschäpe dort nicht ausgesagt hat. Ob sie generell ein Zweierteam gewesen seien, Frau H. und P., will Lunnebach wissen. P.: „Im Detail gebe ich dazu keine Auskunft, weil das sind polizeitaktische Sachen, aber ich denke, ich kann sagen, das ich auch weitere Ermittlungen zusammen mit Frau H. durchgeführt habe. “
Es folgt ein heftiger Ausbruch des Bundesanwalts Diemer, es sollten doch Fragen zur Sache gestellt werden, es gehe um die fünf Angeklagten und die ihnen vorgeworfenen Taten. Götzl sagt zu Lunnebach, sie entferne sich vom Thema. Lunnebach sagt dann, P. habe hier gesagt, Zschäpe habe gesagt, sie sei „nicht“ gezwungen worden, im Vermerk stehe aber „nie“. P. sagt, was im Vermerk stehe, sei korrekt. RA Erdal fragt, ob sich der Verfassungsschutz bei P. gemeldet habe, was dieser verneint. RA Behnke fragt, ob P. zum Zeitpunkt der ersten Vernehmung von Zschäpe gewusst habe , dass am 1. November 2011 in Döbeln ein irakischer Staatsbürger mit vier Schüssen hingerichtet worden ist, und ob seine Dienststelle da ermittelt habe.P. sagt, er könne das nicht beantworten, da er sich daran nicht erinnere.
RA Bliwier fragt, wie lange die Beamtin H. schon in der Dienststelle war vor der Vernehmung. Nun interveniert Oberstaatsanwältin Greger von der Bundesanwaltschaft, die Frage sei nicht zur Sache gehörig. Götzl sagt, es gehe aber um die Vernehmungssituation. Greger erwidert, der Gesprächsverlauf sei vollständig vorgestellt, es gehe hier um die Straftaten. Bliwier: „Ich halte die Frage absolut zum Kernbereich zugehörig, insbesondere weil eine Vernehmungsperson gar nicht zur Dienststelle gehört. Ich kann auch fragen, wann haben Sie Frau H. zum ersten Mal gesehen. Da kommt eine zur Dienststelle, die kennen Sie gar nicht.“ P.: „Ich denke, ich kann die Frage beantworten, dass wir im Vorfeld die Möglichkeit hatten, uns zu unterhalten.“ Bliwier hakt nach, wann Frau H. in der Dienststelle erschienen sei, ob sich Zschäpe da schon gestellt hatte oder sie erst danach verständigt wurde. P.: „Ich werde keine Aussage hier treffen, wann jetzt genau an diesem Wochenende die Frau H. oder andere Einheiten hinzugezogen wurde. Dazu habe ich die Genehmigung nicht.“ Bliwier: „War da aus Ihrer Einschätzung Frau H. schon bekannt, dass sich Zschäpe der Polizei gestellt hatte oder haben Sie das der Frau H. mitgeteilt.“ P.: „Die Frau H. ist, unschwer zu erkennen, Mitglied dieser Ermittlungsgruppe gewesen und so wird sie auch gewusst haben, dass Frau Zschäpe sich gestellt hat.“ Bliwier sagt, in den Akten finde sich das nicht. Inhalt der Vorbesprechung mit Frau H. sei die Frage gewesen, wie die Vernehmung geführt werden solle, so P. Die Frage, was genau besprochen wurde, unterbindet Götzl mit dem Hinweis, das sei polizeitaktischer Bereich. Darauf Bliwier: „Das ist doch Standardbereich Schwurgericht. Ich frage einfach nur danach, ist das beabsichtigt gewesen, dass man das beschränkt auf den Brandvorwurf, ist das besprochen worden?“
P. gibt an, nichts dazu sagen zu können. Noch einmal fragt Bliwier, ob es eine bewusste Entscheidung zwischen P. und H. gewesen sei, dass der Vorwurf Kiesewetter nicht erhoben wird oder ein Versehen. Bundesanwalt Diemer beanstandet die Frage. Wieder sagt P., er habe keine Aussagegenehmigung. Bliwier wertet das als Aussageverweigerung und bittet Götzl, den Zeugen anzuhalten, dass er diese Frage beantworten muss. Es gehe um den Kernsituation der Vernehmung. Diemer: „Vielleicht bitten Sie den Nebenkläger mal, zu sagen, wo das Aufklärungsinteresse liegt. Mir ist überhaupt nicht klar, wohin er will.“ Er beanstandet die Frage. Bliwier fordert, dass ins Protokoll aufgenommen werden müsse, dass der Zeuge unter Berufung auf fehlende Aussagegenehmigung sich weigert, diese Frage zu beantworten.
Dann folgen die Fragen der Verteidigung. Zunächst fragt RA Heer. Er will wissen, ob sich P. erinnern könne, dass Zschäpe Frau H. gefragt habe, woher sie komme, weil sie anders spreche. P. kann sich nicht erinnern. P. sagt, er und H. hätten sich vorgestellt als ermittelnde Beamte, aber ihre Funktion wohl nicht genannt. An einen Körpergeruch bei Zschäpe kann sich P. nicht erinnern, sie habe aber wohl einmal davon gesprochen, dass es ihr unangenehm sei, dass sie nach Schweiß rieche. Wenn es gewünscht gewesen wäre, hätte sie aber sicherlich duschen können. Es geht dann um die Vernehmungsfähigkeit von Zschäpe. P. sagt, er sei davon ausgegangen, dass Zschäpe der Vernehmung folgen kann. Dann fragt Heer, was P. in seiner Ausbildung über die Rechte von Beschuldigten vermittelt worden sei. Oberstaatsanwalt Weingarten beanstandet die Frage, es gehe nicht um eine Examinierung des Zeugen. Götzl legt eine Pause ein.
Danach geht Heer die einzelnen Rechte und Pflichten des Beschuldigten durch und fragt, ob sie P. bekannt seien, was zweimal von der Bundesanwaltschaft beanstandet wird. Schließlich fragt er P., ob der Beschuldigte verpflichtet ist, Angaben zu machen, wenn es nicht um den konkreten Tatvorwurf geht. P. sagt, der Beschuldigte habe das Recht, nichts zu sagen. außer zu seinen Personalien. Heer erwidert, warum P. dann noch ein Gespräch mit Zschäpe durchgeführt habe. Es habe sich so ergeben, sie hätten geraucht und etwas gegessen und dabei geredet. Warum er ein Gespräch initiiert habe, will Heer von P. wissen. P.: „Die Fragen richteten sich nicht auf die Brandstiftung, das Wohnmobil oder die aufgefundenen Waffen, sondern Allgemeinschauplätze, ihre familiäre Situation, das Zusammenleben mit den beiden Uwes.“ Dann geht es unter anderem um die Abgabe der Speichelprobe. P. sagt, der Kollege habe Zschäpe sicher belehrt, eine konkrete Erinnerung daran habe er aber nicht. Auf die Frage von RA Stahl, Verteidiger von Zschäpe, nach dem möglichen Vorhalt der Waffenfunde im Wohnmobil und in welcher Funktion Zschäpe dann befragt worden wäre, sagt P., dass es vorgehalten worden wäre, wenn es sich ergeben hätte, dass Zschäpe Angaben dazu macht. In diesem Fall hätten dann er oder H. auch Fragen gestellt, die die im Wohnmobil aufgefundenen Waffen betreffen, so P. Es sei ja klar gewesen, dass diese drei Personen eine gemeinsame Wohnung bewohnt hätten. Anderer Straftaten sei Zschäpe nicht beschuldigt gewesen. Polizeilicherseits habe sie nur im Verdacht gestanden, die Brandstiftung in der Frühlingsstraße begangen zu haben. P.: „Ich hätte ihr nicht den Vorhalt gemacht, sie werden beschuldigt, an der Tötung Kiesewetter beteiligt zu sein. Aber es hätte sein können, wieso wurden im Wohnmobil ihrer toten Freunde Waffen gefunden wurden, die den Polizeibeamten zuzuordnen sind.“ Nach Fragen von RAin Sturm fragt RA Stahl, ob das Gespräch tatsächlich zufällig zustande gekommen sei oder ein so genannte informatorisches Gespräch gewesen sei, in dem sich zusätzliche Anknüpfungspunkte ergeben. Das Gespräch und sein Verlauf sei zufällig gewesen, Anknüpfungspunkte z.B. zu den Uwes hätte sich erst im Gespräch ergeben, so P.
Schließlich fragt Prof. Saß, Zschäpes psychiatrischer Gutachter. P. antwortet, dass Zschäpe nicht deutlich schläfrig gewesen sei, gut konzentriert, vielleicht etwas „hibbelig“. Er habe keine Ausfallerscheinungen feststellen können und auch keine Wortfindungsprobleme oder Versprecher.
Er sehe sich nicht in der Lage, jeden Gemütszustand wiederzugeben. Eine Differenzierung zwischen den beiden Uwes habe nicht stattgefunden. Deren Tod sei nicht thematisiert worden, außer beim Gespräch über die Information an die Mütter der beiden.
Götzl fragt RA Bliwier, ob sich dessen Frage erledigt habe. Bliwier: „Ja, mein Anliegen war ja zu klären, ob es polizeiliche List gewesen wäre, den polizeilichen Verdacht nicht erwähnt zu haben. Meine Frage ist damit erledigt.“
Kurz geht es noch um RAin Pinars Anregung, dass P. seinen Notizblock zur Verfügung zu stellen, sofern er ihn findet. Das solle doch noch vor der Entlassung des Zeugen passieren. Bundesanwalt Diemer darauf: „Das ist eine ungeheure Unterstellung, also dass der Zeuge hier den Saal verlässt, damit es zu Unerfüllbarkeiten kommt. Stellen Sie einen Antrag!“ Götzl unterbricht die Vernehmung von P., der zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren noch zu einem anderen Thema aussagen wird. RA Heer widerspricht der Verwertung der Aussage von P. wegen angeblicher Verstöße gegen die Strafprozessordnung.
Nach einer Pause verliest RAin Pinar ihren Antrag, den Notizblock des Zeugen P. zur Akte zu reichen. In einem Verfahrenskomplex, wo so viel Akten verschwunden seien, seien alle zur Verfügung stehenden Beweismittel heranzuziehen, zumal die Angeklagte von ihrem Schweigerecht Gebrauch mache. RA Stahl sagt, der Antrag gehe ins Leere, denn der Zeuge habe bekundet, dass er gerade keine Notizen gemacht habe zu dem Gespräch.
Es folgt der Zeuge Le., Kriminalbeamter beim Bundeskriminalamt. Götzl verliest Le.s Aussagegenehmigung.
Le. gibt an, am 13. November 2011 den Auftrag erhalten zu haben, Zschäpe von der JVA Chemnitz-Reichenhain zum Ermittlungsrichter beim BGH in Karlsruhe zu begleiten, zusammen mit der Polizeiobermeisterin S. aus Sachsen. Gegen 15.50 sei ihnen Zschäpe an der JVA Chemnitz übergeben worden. Er habe Zschäpe belehrt, dann seien sie von der JVA zum Flugplatz gefahren, wo ein Hubschrauber eintreffen sollte. Auf dem Weg zum Flugplatz habe es eine Unterhaltung mit ihr gegeben. Sie habe auf der Fahrt ruhig gewirkt. Er habe sie darauf angesprochen ob sei weiterhin Siuizidabsichten hege. Zschäpe habe das verneint. Er habe ihr auch erklärt, dass alles was sie besprechen würden, von ihm protokolliert werden müsse. Dann seien sie nach Karlsruhe geflogen, sie hätten wegen schlechten Wetters gegen 18.20 Uhr in Baden-Baden landen müssen. Unterwegs sei keine Unterhaltung möglich gewesen.
In Karlsruhe seien sie gegen 19.00 Uhr eingetroffen und hätten noch auf die Vorführung warten müssen. S., Zschäpe und er hätten in einem Vorraum gesessen und es habe sich Gespräch ergeben. Und nach Ende der Anhörung bis zur Eröffnung des Beschlusses habe es eine Viertel- bis halbe Stunde Gelegenheit gegeben, sich zu unterhalten. Zschäpe habe gesagt, dass sie sich nicht gestellt habe, um nicht auszusagen. Und sie habe von Rechtsanwalt Liebtrau aus Jena gesprochen, den sie sich mehr oder weniger zufällig ausgesucht habe. Das sei kein Szeneverteidiger, von so einem Szeneverteidiger würde sie sich auch nicht vertreten lassen. Le. berichtet, Zschäpe habe über das Verhalten der Drei gesprochen, dass sie sich in Zwickau überwiegend mit dem Fahrrad fortbewegt hätten. Im weiteren Verlauf des Gesprächs habe sie davon gesprochen, dass es ihr, als auch Mundlos und Böhnhardt schon klar gewesen sei, dass man eines Tages auffliegen würde. Sie habe betont, dass sie Katzenliebhaberin sei, dass man auch gern einen Hund gehabt hätte aber Angst gehabt hätte, dass man bei der Anmeldung auffallen hätte können. Da habe man sich also schon fortgeschrittene Gedanken gemacht, wie man sich im Untergrund legendiert, so Le.s Einschätzung. Dann habe sie davon gesprochen, dass sie Böhnhardt und Mundlos etwas versprochen habe, falls diese nicht mehr nach Hause kommen würden. Le.: „Ich hab darunter verstanden, wenn sie sterben.“ Sie habe erzählt, dass sie dann die Eltern der beiden anrufen würde. Und am Ende sei die Aussage gekommen, dass es ihr im Untergrund schwer gefallen sei, wahre Freundschaften zu schließen: „richtige, echte Freunde“. Es sei offen geblieben was sie damit genau meint.
Nach der Viertelstunde, sei es dann zur richterlichen Vorführung gekommen vor dem Bundesrichter. Zschäpe habe erwähnt, dass sie ein „Faktenmensch“ sei, sie benötige Fakten, um sich eine Meinung zu bilden, sie lege auch Wert auf verschiedene Meinungen an. Sie habe sich auch seine Meinung angehört, sie zu motivieren, hier eine Aussage zu machen. Sie habe dann wiederholt, dass sie keine Aussage machen würde. Er habe sie beobachten können und es habe ihn gewundert, dass Zschäpe das alles emotionslos über sich ergehen lassen habe. Auch als die Rede darauf gekommen sei, dass Böhnhardt und Mundlos tot seien, habe sie das sehr emotionslos hingenommen. Im Anschluss habe er sie mit dem Auto in die JVA Köln-Ossendorf gebracht.
Er habe später, für den 26. November 2011 den Auftrag erhalten, bei Zschäpe vorbeizufahren. Es sei um die Unterbringung ihrer Katzen, die zu dem Zeitpunkt im Tierheim Zwickau lebten gegangen und darum, was mit Wertgegenstände aus dem Keller in Zwickau passieren solle. Außerdem habe er ihr ihre Brille mit gebracht. Sie habe sich über die Brille gefreut. Zu den Katzen habe sie gesagt, dass sie sich jetzt dazu nicht äußern wolle, denn wenn man eine Verbindung herstellen könnte von ihr zur Wohnung und den Katzen, dann könne das belastend sein. Bezüglich der Wertgegenstände habe sie sich verwundert gezeigt, denn sie sei der Meinung gewesen dass man Gegenstände, die aus Straftaten kommen kein Eigentum seien. Es sei, so Le., auch nochmal das Versprechen zur Sprache gekommen, die Eltern der beiden Uwes anzurufen. In diesem Zusammenhang habe er geschlossen, dass dieses Versprechen vor dem Banküberfall am 4. November abgegeben wurde.
Dann beginnt Götzl nachzufragen, unter anderem ob Zschäpe auch nachgefragt habe, wenn Le. gesprochen habe. Le. sagt, er habe Zschäpe versucht zu schildern, warum es gut sei, sich seiner Verantwortung zu stellen und eine Aussage zu machen „und im Prinzip reinen Tisch zu machen“. Er habe ihr die Situation dargestellt, dass auch in der Presse sehr negativ berichtet wird, dass ihr schwerste Straftaten vorgeworfen werden und die Beschuldigtenvernehmung die Möglichkeit eröffne, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Wie das Gespräch beim Warten auf die Vorführung beim Ermittlungsrichter eingeleitet worden sei, wisse er nicht mehr wirklich, nur dass sich Zschäpe mit der Kollegin Babymörchen geteilt habe, die die Kollegin dabei gehabt habe. In diesen Minuten habe er versucht, ein Gespräch anzufangen, um auszuloten ob sie nicht bereit ist für eine Vernehmung. Es sei auch darum gegangen, ob es Sinn machen würde, dass er an einer möglichen Vernehmung teilnimmt. Insbesondere habe er nachgefragt, wie es dazu kam, dass sie die Eltern Mundlos und Bönhardt angerufen hat. Bis heute sei ja nicht klar, wie Zschäpe vom Ableben von Mundlos und Böhnhardt erfahren hat. Götzl hält Le. den Vermerk vor, indem steht, Zschäpe habe „zuletzt auch zu Hause nicht mehr auf den Namen Beate Zschäpe“ gehört. Hier habe er aber „insbesondere in letzter Zeit“ gesagt. Le. sagt, er wisse nicht, ob das Wort „insbesondere“ gefallen sei. Aber sie habe ihm gegenüber keinen Aliasnamen genannt, mit dem sie angesprochen worden sei. Den genauen Wortlaut der Äußerung, dass sie irgendwann auffallen würden, könne er nicht mehr wiedergeben, so Le., es habe such aber darauf bezogen, dass sie als Gruppe, als drei Personen aufgefallen wären.
Zschäpe habe gesagt, dass sie seit 1998 keinerlei Kontakte mehr zu ihrer Familie gehabt habe, dass sie sich aber in öffentlich zugänglichen Medien informiert habe, wo Mutter und Großmutter wohnen. Wahrscheinlich im Telefonbuch, so Le. Dann geht es unter anderem darum, dass er ihr die Kronzeugenregelung nach § 46 StGB nahe gelegt habe. Zu Zschäpes Verhalten beim Gespräch in der JVA Köln-Ossendorf sagt Le., er könne sich erinnern, dass sie sehr kontaktfreudig gewesen sei, und dass es ihr nichts ausgemacht habe, wenn er Fragen gestellt habe. Sie habe reden wollen, wo es nicht um die Sache ging. Er habe das Gefühl gehabt, dass sie an einer Unterhaltung interessiert sei. Die Unterhaltung habe auch fast 40 Minuten gedauert, wie man im Vermerk nachlesen könne.
Götzl fragt Le., ob dieser auch morgen noch weiter befragt werden könne. Le. bejaht, er habe extra Socken eingepackt. Um 16.30 Uhr endet die Sitzung.
Nebenklage-Vertreter Rechtsanwalt Scharmer erklärt:
“Die Aussage des Vernehmungsbeamten belastet Frau Zschäpe. Zum einen wird durch die Schilderung der Rettung ihrer Katzen und der Erklärung, jedenfalls durch den Brand keinen Suizid begehen zu wollen, noch einmal klar, dass Frau Zschäpe den Brand gelegt hat. Sie berichtete von ihrem Untertauchen, von ihrer Selbständigkeit gegenüber den Uwes und ihrem Wissen von deren Tod. Das legt nahe, dass sie als selbständiges Mitglied der Gruppe nicht unwesentliche Tatbeiträge leistete, was wiederum den Anklagevorwurf der Mittäterschaft stärkt.“