Befragt wurde ein Kriminalhauptkommissar vom BKA, der mit Zschäpe Gespräche vor allem über ihre Unzufriedenheit mit ihrem Verteidiger und ihre Erwägungen, auszusagen geführt hat. Die abgebrochene Befragung des Beamten Le. vom vorherigen Verhandlungstag wurde fortgesetzt. Die Verteidigung Zschäpes beantragte, die Berichte der Beamten nicht zur Verwertung zuzulassen. Am Ende des Tages wurde betreffend verschiedener Stellungnahmen der politische Gehalt des Prozesses und sein potenzieller Beitrag zur „maximalen Aufklärung“ des Komplexes NSU deutlich: Die Bundesanwaltschaft erklärte zu gestellten Anträgen, die „Aufklärung des rechtsextremistischen Umfelds des NSU“ gehöre „nicht in diese Hauptverhandlung“.
Zeugen:
- Rainer B. (EKHK, BKA, Gespräche mit Zschäpe)
- Frank Le. (KOK, BKA, Gespräche mit Zschäpe)
Die Sitzung beginnt um 9.40 Uhr. Erster Zeuge ist der Erste Kriminalhauptkommissar B. vom BKA. B. begleitete Zschäpe bei einem Transport von der JVA Köln-Ossendorf zur JVA Gera am 25. Juni 2012. Es habe einen BGH-Beschluss gegeben, dass Zschäpe in der JVA Gera von ihrer Oma, der es gesundheitlich schlecht ging, und ihrer Mutter besucht werden dürfe. Im Vorfeld habe es ein Schreiben des Verteidigers gegeben, das ungefähr, so B., besagt habe, dass der Verteidiger davon ausgehe, dass dort keine förmliche Vernehmung erfolge. Um acht Uhr sei Zschäpe abgeholt worden, gefesselt an Händen und Füßen. Neben ihm und Zschäpe hätten noch eine weitere Beamtin des BKA und eine Transportbegleiterin der Bundespolizei an dem Tisch im Fahrzeug Platz genommen. Zwischen ihm und Zschäpe sei der Tisch gewesen, auf dem nur Zigaretten und eine Zeitschrift von Zschäpe gelegen hätten, kein Laptop und kein Notizbuch. Er habe Zschäpe belehrt, dass sie keine Vernehmung durchführen würden, sie sich aber auch „über Gott und die Welt unterhalten“ oder gar nicht reden könnten. Außerdem habe er mitgeteilt, dass sie über alles was gesprochen werde, einen Vermerk schreiben müssten. Zschäpe habe gesagt, sie wisse das und sage sowieso nur, was aufgeschrieben werden könne. Die Fahrt habe vier Stunden gedauert; es habe auf Hin- und Rückweg jeweils einen Stopp für einen Toilettengang und eine Zigarette an einer Autobahnpolizeistation gegeben.
Kurz blättert B. in seinen Notizen. Rechtsanwalt Heer, Verteidiger von Zschäpe, wirft ein, er solle doch bitte vollständig aus seiner Erinnerung berichten. Götzl hält den Zeugen dazu an. Heer regt außerdem an, die Notizen des Zeugen zu kopieren und zur Verfügung zu stellen. B. möchte das jedoch nicht. Heer stellt einen Antrag darauf, den Götzl nicht sofort entscheiden möchte. Heer verlangt einen Beschluss des Gerichts. Nach Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft und des Nebenklagevertreters Kolloge wird die Sitzung bis 10.10 Uhr unterbrochen. Dann ergeht der Beschluss, dass die Verfügung Götzls bestätigt wird.
Götzl weist den Zeugen noch einmal darauf hin, dass er aus seiner Erinnerung berichten solle. B. erzählt, dass zunächst seine Kollegin mit Zschäpe gesprochen habe, die sie schon aus Besuchen in der JVA kannte. Zschäpe habe gesagt, sie freue sich darauf, ihre Oma und ihre Mutter wieder zu sehen. Sie sei etwas aufgeregt gewesen und habe Angst gehabt, dass die Presse Fotos machen könnte. Sie habe dann aber ein Polizeiauto gesehen, dass eine Straße absperrte und den Aufwand der Sicherung der Fahrt zur Kenntnis genommen.
Sie habe anders aus als auf Fotos ausgesehen, habe blonde Strähnen im Haar gehabt. Sie habe dann erzählt, dass es eine Friseurmeisterin in JVA gebe, die ausbilde, dort könne man sich die Haare machen lassen. Das Gespräch sei dann auf das Wetter gekommen, weil es durch die abgetönten Scheiben des Wagens so ausgesehen habe, als ob es regnet. Er habe dann gesagt, dass es im Norden besser sein soll. Er kenne die Insel Fehmarn aus Urlauben. Auf Fehmarn sei wahrscheinlich schönes Wetter, dort sei häufig gutes Wetter, auch wenn auf dem Festland schlechtes Wetter sei. Er habe sie dann gefragt, ob sie das auch so wahrgenommen habe. Sie habe gesagt: „Wer sagt denn, dass ich jemals auf Fehmarn war?“ Er habe geantwortet, dass er gedacht habe, das sei geklärt. Es sei zu einem Gespräch über die JVA Köln-Ossendorf gekommen, bei dem Zschäpe gesagt habe, dass es dort es im Gegensatz zu Chemnitz in der Zelle immer kalt sei und es auch kein warmes Wasser gebe. Außerdem sei es um die Akten gegangen. Sie habe erzählt, das sie nur Zeugenvernehmungen gelesen habe von Personen, die sie kenne aus der Polenzstraße und aus der Frühlingsstraße. Sie habe wissen wollen, wie diese Personen über sie denken. Aktenlesen sei sehr belastend für sie. Er habe gesagt, dass es sinnvoll sei, den Bericht des Brandermittlers zu lesen, da stehe nämlich drin, was alles gesichert werden konnte, 1.800 Asservate, die alle auswertbar seien. An 23 Stellen sei Benzin ausgeschüttet worden und ein leerer Zehn-Liter-Reservekanister sei gefunden worden. B. sagt, er habe den Eindruck gehabt, dass Zschäpe das nicht wisse. Dann sei es um ihre Aussagebereitschaft gegangen, sie habe ja früher einmal gesagt, dass sie sich nicht gestellt habe, um nicht auszusagen. Ja, habe sie gesagt, sie habe aussagen wollen, insbesondere als es der Großmutter schlecht ging, um sich bei der Oma zu entschuldigen. Ihr Anwalt habe ihr aber abgeraten, habe Zschäpe weiter berichtet.
Nun geht es länger um die Unzufriedenheit mit ihrem Verteidiger, die Zschäpe laut B. mehrfach geäußert habe. Es sei um Aktenbestandteile gegangen, die in der Presse auftauchen. B. sagt, Zschäpe habe erzählt, dass sie die Süddeutsche Zeitung abonniert gehabt habe. Ihr Verteidiger habe hervorragende Beziehungen zu Leyendecker. Der, so B. über den Bericht von Zschäpe, habe ihr dann ein kostenloses Abo angeboten, was sie aber abgelehnt habe, weil sie keine Verpflichtungen eingehen wolle. B. habe auf Nachfrage von Zschäpe verneint, dass das BKA Aktenbestandteile weiter gegeben habe: „Sowas machen wir nicht.“ Ihr Anwalt, so habe Zschäpe weiter berichtet, habe gesagt, dass er keine Akten weiter gegeben habe, aber vielleicht Nebenkläger.
B. sagt, Zschäpe habe erzählt, ihr Anwalt sei ständig in der Presse, mache nicht viel und bekäme auch kaum Geld. Er, B., habe dann gesagt, dass der Anwalt erst anfängt zu verdienen, wenn der Prozess beginne. Er habe zum Thema Aussagebereitschaft, so B., gesagt, dass es auch Vorteile haben könne, auszusagen. Zschäpe habe gesagt, dass es einen Fall wie den ihren noch nie gegeben habe. Er habe dann, so B., auf die RAF verwiesen. Christian Klar zum Beispiel habe nicht ausgesagt und mehr als 20 Jahre bekommen. Susanne Albrecht habe ausgesagt und sei nach drei Jahren in den offenen Vollzug gekommen, nach sechs Jahren entlassen worden und lebe heute unter anderem Namen mit angesehenem Beruf.
B. berichtet, er und seine Kollegin hätten in Gera ein Buch über den NSU, „Die Zelle“, gekauft, und gefragt, ob Zschäpe es lesen will. Sie habe dann über die Flucht gelesen, wie die Kollegin gesehen habe. Da sei mal eine halbe Stunde nicht gesprochen worden, sonst sei die Fahrt „angefüllt“ gewesen mit dem Gespräch. Zschäpe habe wissen wollen, ob das Buch abschließend sei. Sie hätten gesagt, die Ermittlungen seien weiter gegangen. Es sei bei der Fahrt an Köln vorbei um den Kölner Dom gegangen, den Zschäpe, so B., gerne besichtigen wolle, um Rheinspaziergänge und Biergärten. Es habe Gespräche über Gummibärchen und Drogen in der JVA, mit denen sie nichts zu tun haben wolle, gegeben. Zwischendrin seien sie an Jena, dem Ort wo sie aufgewachsen ist, vorbei gekommen. Man habe die Plattenbauten sehen können. Er habe dann gesagt, dass er doch da, vor einiger Zeit, die Eltern von Böhnhardt vernommen habe, das seien nette Leute, die Zschäpe gemocht hätten. Er habe wissen wollen, wie sie reagiert. Sie habe auf die Plattenbauten geschaut und habe den Eindruck gemacht, emotional berührt zu sein: „Ich meine, dass sie da so ein klein bisschen feuchte Augen hatte.“ Später sei ihm noch eingefallen, dass es um „Moped bauen“ im Gefängnis gegangen sei, das heißt um selbst gebaute Tauchsieder aus Gabeln, die zu Kurzschlüssen führten. Das stehe aber nicht im Vermerk.
Richter Götzl hält B. dann Angaben aus dem Vermerk vor. Er fragt nach Matthias D. B. sagt, irgendwann habe Zschäpe gefragt, wer das denn sei, der aus der JVA Chemnitz oder Dresden entlassen worden sei. Als sie den Namen Matthias D. gehört habe, habe sie gesagt, es sei ihm gegönnt und das nochmal wiederholt. Sie habe gesagt, bei anderen sehe sie das nicht so. Dann geht es um einen Brief von Anders Breivik an Zschäpe. Im Gespräch sei es darum gegangen, ob ihr dieser Brief ausgehändigt worden sei, was wohl nicht passiert sei. Sie habe angegeben, dass ihr Englisch wohl für den Brief ausreiche, wenn sie ein Wörterbuch hätte. Sie habe zu verstehen gegeben, dass sie Breivik nicht kennt. Dann geht es um einen Gesprächsteil darüber, was Zschäpe in der JVA lernen könne. Sie könne dort nur lernen, habe Zschäpe gesagt, was sie als „Hausmädchen“ bezeichnet. Das wolle sie aber nicht. Kurz geht es um den nächstgrößeren Bruder Uwe Böhnhardts, der 1988 unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen ist, wahrscheinlich bei einem Absturz aus großer Höhe. Er hab diese Geschichte gekannt, wer sie im Gespräch aufgebracht habe, wisse er nicht mehr. Der Vermerk umreiße die Themen grob, in siebeneinhalb Stunden könne man sehr viel erzählen. Es sei sehr schwierig, das alles in einen chronologischen Ablauf zu bringen. Notizen hätten sie er erst im Hotel in Gera gemacht, unabhängig voneinander, dann nach der Fahrt noch einmal und dann habe die Kollegin den zwölfseitigen Vermerk verfasst.
Nach einer Pause geht es um 11.25 Uhr weiter. Zwei Dinge seien ihm noch eingefallen, so B. Zschäpe sei damals sehr unzufrieden gewesen und habe gesagt, sie könne bis zu drei Verteidiger haben. Sie werde ihren Verteidiger nicht mehr los, habe sie laut B. gesagt. Sie hätten dann besprochen, dass ein Weg, einen weiteren Verteidiger zu suchen, sei, dass ihre Mutter, mit der Zschäpe telefonieren könne, einen aussucht und der sich schriftlich an die BAW wenden kann.
Außerdem habe ihr Verteidiger gesagt, ihre Mutter solle ein Interview mit „einem Goetz oder Götze“ von Panorama machen, das sei ein Bekannter von ihm. Zschäpe habe zum Ausdruck gebracht, wie sehr sie das missbillige, über die Sendung Panorama habe sie sich mehrfach geärgert. Götzl fragt nach dem Namen des Verteidigers. B. sagt, sie habe immer von Herrn Heer gesprochen, habe dann aber auch gesagt, der andere Verteidiger, Stahl aus Koblenz, habe immer die gleiche Meinung wie Heer. Sie habe gesagt, die Bediensteten der JVA Köln hätten sie vor ihrem Verteidiger gewarnt. Kurz geht es um einen Gesprächsteil über das Misstrauen, das Zschäpe den meisten Menschen gegenüber hege, dann um den Brandermittlerbericht. In diesem Zusammenhang erwähnt B., dass man aus dem Gutachten ersehen könne, dass an Zschäpes Socken Benzin gefunden wurde, nicht aber in ihren Schuhen. Das sei damals nicht bekannt gewesen, aber heute deute einiges darauf hin, dass sie die Schuhe von der Beschuldigten Susann E. bekommen habe. Zschäpes sei bei B.s Bericht über den Brand „nicht aus allen Wolken gefallen“. Götzl: „Worauf gründet der Eindruck, dass die Beschuldigte das nicht gewusst habe?“ B.: „Mir war eigentlich klar, dass sie das nicht gewusst haben kann, es sei denn aus der Presse.“ Auf Frage von Götzl berichtet B., in irgendeinem Zusammenhang habe Zschäpe die Kollegin nach ihrem Namen gefragt. Dann habe Zschäpe gesagt, dass die Kollegin einen Vermerk geschrieben habe, in dem sie, Zschäpe, als bauernschlau bezeichnet wurde, was für sie eine Beleidigung sei. Die Kollegin habe gesagt, der Vermerk sei nicht von ihr, sondern vom Sicherheitsbeauftragten der JVA Köln.
Nebenklagevertreterin Clemm hält dem Zeugen aus dem Vermerk vor, Zschäpe habe gesagt, ihre Aussage würde umfangreich und vollständig werden, weil sie niemand sei, der nicht zu ihren Taten stehe. B. bestätigt das, er habe das wegen der fehlenden Notizen vergessen. RA Scharmer hält B. vor, im Vermerk stehe zum Beweggrund für mögliche Aussagen, Zschäpe wolle ihrer Oma gerne erklären wie es so gekommen sei und sich entschuldigen. B. sagt, der Hintergrund sei ihm nicht klar gewesen. B. bestätigt auf Nachfrage von RAin Wierig, dass Zschäpe gesagt habe, dass Vorurteile über Menschen aus bestimmten Regionen, etwa dass Norddeutsche grimmig, Rheinländer freundlich seien, stimmten. Über Kontakte von Zschäpe in den Norden habe er nichts gehört. RAin Wolf fragt, ob sich Zschäpe nach dem Treffen mit Mutter und Großmutter anders verhalten habe. B. sagt, er könne sich nicht erinnern. Es habe ein Gespräch über Thüringer Bratwürste gegeben, sonst falle ihm nichts ein. Andere Orte als Fehmarn oder der Kölner Dom seien im Zusammenhang mit Renovierungen in verschiedenen Städten gefallen, sagt B. auf Frage von RA Kolloge. Es sei um Halle und Zwickau gegangen. Beim Thema Zwickau sei eine Blockade festzustellen gewesen wie beim Thema Fehmarn. RA Behnke fragt nach der Reaktion auf den Brief von Breivik. Es sei keine Freude erkennbar gewesen, sondern eher Unverständnis, wie Breivik dazu komme.
Dann fragt die Verteidigung. RA Stahl möchte wissen, ob B. im Vorfeld mit irgendwem darüber gesprochen wurde, warum er diese Fahrt begleiten sollte. Er habe sich sicher nicht selbst eingeteilt, aber sonst beträfe das dienstliche Interna, die nicht von seiner Aussagegenehmigung gedeckt seien, so B. Ob er denn Kontakt zu Oberstaatsanwalt Kilmer oder zu Oberstaatsanwältin Greger gehabt habe, fragt Stahl. B. verneint. Ob ihm das Schreiben des Rechtsanwaltes Heer an den Generalbundesanwalt vom 5. Juni bekannt sei. B. fragt, ob das das Schreiben sei, dass er erwähnt habe. Stahl hält B. das Schreiben vor, das besagt, dass bei der Ausantwortung [Überstellung von Zschäpe nach Gera] keine förmliche Vernehmung und auch kein informatorisches Gespräch stattfinden solle, und dass dies gegenüber den begleitenden Beamten kenntlich zu machen sei. B. sagt, er könne sich daran erinnern, dass keine Vernehmung gewünscht ist, das habe er vom Vorgesetzten erfahren, das Schreiben habe er nicht gesehen. Stahl hält B. einen Vermerk Heers über ein Telefonat mit Kilmer vor, demzufolge dieser das Schreiben Heers als einleuchtend bezeichnet habe, es ans BKA weiter geleitet und nochmal mündlich aufgetragen habe, dass keine Vernehmungsversuche unternommen werden. B.: „Das ist sicherlich gesagt worden, aber das haben wir ja auch nicht gemacht.“ Stahl fragt nach B.s Dienstrang und ob es üblich sei, dass Beamte dieses Rangs solche Fahrten begleiten. Wieder sagt B., er dürfe dazu nicht aussagen. Stahl fragt B., ob es dabei ein bestimmtes Ziel gegeben habe. B. sagt, Ziel sei gewesen, herauszufinden, ob sie nochmal was sagt. Sie hätten aber keine Vernehmung durchgeführt, bei Vernehmungen stünden Laptops da oder es werde handschriftlich notiert. Der Tisch sei aber leer gewesen. Mehrfach habe Zschäpe gesagt, dass sie froh sei über andere Meinungen und sich über ihren Anwalt beschwert. Stahl fragt danach, ob das Gespräch über Fehmarn zufällig gewesen sei. B.: „Na, klar. Das war so.“ Ob es konkrete Angebote unter welchen äußeren Umständen eventuelle Aussagen gemacht werden könnten, gegeben habe,etwa in einem Biergarten, will Stahl wissen. B. sagt, er könne sich nicht erinnern. Auch an Bild- oder Tonaufnahmen kann er sich zunächst nicht erinnern: „Ich weiß nicht, wie sie darauf kommen. Ich kann ihnen sagen, dass wir die Regeln einhalten.“ Dann fällt ihm ein, dass die Bundespolizei aus einem anderen Fahrzeug heraus Aufnahmen gemacht habe, wie Zschäpe an der Polizeistation aus dem Auto steigt und ins Haus geht. Das sei nicht mit dem BKA abgestimmt gewesen und habe der Einsatzdokumentation der Bundespolizei gedient. Auf eine Frage zum Gespräch über Zschäpes Verteidiger sagt B., dass er irgendwann mal den Satz gesagt habe, ein Verteidiger sei dazu da, dass er das beste für seinen Mandanten raus holt. Stahl fragt, ob B. das Gespräch über Zschäpes Verteidigung aus kriminalistischer Sicht als Teilerfolg gewertet habe. Dieser antwortet, er habe das rein sachlich betrachtet und werte nicht. Stahl fragt, ob B. sich einen anderen Verteidiger gewünscht habe. Im Saal rumort es. Stahl sagt, dass es hier um das Eindringen in das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandant gehe. B. antwortet: „Ein Vertrauensverhältnis hat zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden, hat sie mehrfach so ausgesagt. Irgendwann habe ich mal gesagt: Es gibt auch Anwälte die in ihrer Situation sagen würden, sagen Sie aus. Es ist besser für Sie.“
RAin Sturm, Verteidigerin von Zschäpe, fragt nach dem Namen des Vorgesetzten von B. Die Antwort verweigert B. mit Verweis auf seine Aussagegenehmigung. Götzl sagt, üblicherweise kläre so etwas der Zeuge in Zweifelsfällen selbst. Dann geht es nochmal um Fehmarn. Ob er daran festhalte, dass die Frage zufällig gewesen sei und kein dienstliches Interesse bestanden habe. B. sagt, er habe natürlich gewusst, dass es entsprechende Ermittlungsergebnisse gab, deswegen habe er das Stichwort Fehmarn fallen lassen. Aber zum Thema sei es zufällig gekommen: „Wenn man jemanden nicht kennt, worüber redet man? Das Wetter.“ Auch das Buch „Die Zelle“ sei zufällig besorgt worden. Woher der Anstoß kam, wisse er nicht mehr, er habe das Buch bis heute nicht gelesen. Zschäpe habe es lesen wollen. Ob sie den Wunsch selber geäußert habe oder es ihr gezeigt wurde, wisse er nicht mehr. Eine Gesprächsleitung habe es nicht gegeben. Zunächst habe die Kollegin begonnen, weil sie Zschäpe gekannt habe. Er oder seine Kollegin hätten einen Punkt angesprochen oder etwas von Zschäpe aufgegriffen. Wenn ein Punkt beendet gewesen sei, dann habe der andere etwas gesagt. Die Bundespolizistin habe sich nicht beteiligt. Zschäpe habe viel geredet. Wer den Tod des Bruders angesprochen habe, wisse er nicht mehr, aber: „Sie können sich ja nicht beschweren, Sie wollten ja keine Vernehmung, dann wäre alles chronologisch aufgezeichnet worden.“
Götzl stellt dann noch Fragen, unter anderem dazu, ob in B.s. Notizen mehr stehe als jetzt gesagt wurde. B. sagt, die Notizen seien nur am Vermerk verfasst worden als Leitfaden für seine jetzige Vernehmung vor Gericht. Die Frage nach dem Vorgesetzten könne er in der Pause abklären. RAin Sturm nimmt ihren Antrag auf Beiziehung der Notizen zurück.
Es folgt die Mittagspause bis 14.05 Uhr.
Danach sagt B., er habe mit seinem Vorgesetzten gesprochen. Die Entscheidung, dass er eingeteilt werde bei der Fahrt sei in der BAO ganz oben getroffen worden, es stehe nicht mehr fest, wer das gesagt habe. Er sei ausgewählt worden, weil er zur Verfahrensführung gehöre und ein erfahrener Beamte mit Hintergrundwissen sei. Auf Nachfrage sagt er, sein Vorgesetzter sei Kriminaloberrat H. Nach den Fragen des Gutachters Saß fragt Götzl noch zu einem Asservatenfund, einer Visitenkarte der Firma Aemedig, zu dem B. einen Vermerk geschrieben habe. Götzl sagt, Inhaber der Firma sei laut Flyer André E. [Angeklagter].Im Vermerk stehe, die Internetseite sei seit 2009 nicht mehr aufzurufen. Das sei gewesen als er noch in Zwickau war, sagt B. Er habe das dann wohl weiter geleitet. Auf Nachfrage aus der Nebenklage sagt er, er sei erst seit dem 12. November 2011 mit der Sache befasst. Dann geht es kurz darum, welche Ermittlungen B. im Komplex durchgeführt habe, und ob Fragen dazu jetzt gestellt werden sollten. Götzl möchte den Zeugen entlassen, gegebenenfalls müsse ein Antrag gestellt werden, ihn neu zu laden.
Nach der Entlassung des Zeugen verliest RAin Sturm einen Widerspruch gegen die Verwertung der Aussage wegen falscher Belehrung und verbotenen Vernehmungsmethoden. Zschäpe habe sich eine Verteidigung gewählt und mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Aussagen machen will. Darüber hätten sich B. und seine Kollegin deutlich hinweggesetzt, Zschäpe sei getäuscht worden.
Nach Stellungnahmen zum Verwertungswiderspruch geht es weiter mit der unterbrochenen Vernehmung des Kriminalbeamten Le. vom 17. Verhandlungstag. Zunächst fragt RA Schön. Dieser beginnt aus dem Brief von Zschäpe an Robin Sch. zu zitieren, der auch einen Flug nach Karlsruhe thematisiert. RA Stahl fällt Schön ins Wort, eine Einführung des Briefes in die Hauptverhandlung halte er nicht für möglich und deswegen könne der Kollege keine Vorhalte daraus machen. Schön fragt dann offener, unter anderem, ob Le. den Eindruck gehabt habe, dass Zschäpe unter einem Haftschock gelitten habe. Le. verneint, der Flug sei völlig unproblematisch verlaufen.
Dann folgen die Fragen der Verteidigung, zunächst von RA Heer. Es geht zunächst darum, welche Tatvorwürfe Zschäpe eröffnet wurden. Le. nennt die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und zehn Mordstraftaten, die dem NSU zu diesem Zeitpunkt zugerechnet worden seien. Ob er die Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts kenne, will Heer von Le. wissen, da stehe ja mehr drin. Le. sagt, er denke, dass er sie am 13. November noch nicht gelesen habe. Frau Zschäpe habe ihm gegenüber nicht darum gebeten, ihren damaligen Verteidiger sprechen zu können. Im Anschluss an den Transport mit dem Hubschrauber habe die richterliche Vernehmung stattfinden sollen, warum Le. dann auf dem Transport noch ein Gespräch geführt habe, fragt Heer. In Karlsruhe habe es, so Le., zum ersten Mal Ruhe gegeben und da sei es zu diesem Smalltalk gekommen. Für ihn als Polizeibeamten sei es, so Le., nicht unüblich, zu versuchen, zu schauen, inwieweit Aussagebereitschaft da sei. Warum der Besuch in der JVA an einem Samstag stattgefunden habe, will Heer wissen. Le. sagt, er sei erst am Freitag wieder aus Zwickau zurück gekommen, bei Sonderlagen arbeite er auch mal samstags und sonntags. Der Samstag habe wohl in seine Planung gepasst, wird er später sagen. Ebenso, dass er keine Probleme gehabt habe, einen Termin in der JVA zu bekommen: „Bei Frau Zschäpe kann keiner nein sagen.“ Auf Frage von Heer antwortet Le., er habe Zschäpe mitgeteilt, dass er ihre Brille dabei habe und dann sei das Gespräch zu den Katzen übergegangen. Er denke nicht, dass er gesagt habe, die Übergabe der Brille sei der einzige Zweck seines Besuchs. Er habe ihr gegenüber gesessen, durch eine Scheibe getrennt. Um Unterschriften sei es seiner Erinnerung nach bei dem Treffen nicht gegangen, dass es um ein Adoptionspapier für die Katzen gegangen sei, könne er ausschließen. RA Stahl fragt, ob es darum gegangen sei, weitere Informationen von Zschäpe zu erhalten. Es sei um die Brille, die Katzen und die Wertgegenstände gegangen, das Gespräch habe Smalltalkqualität gehabt, so Le. Warum diese Dinge nicht per Post geschickt worden sein, will Stahl wissen. Le.: „Darüber habe ich nicht zu entscheiden gehabt.“ RAin Sturm sagt, Le. habe gestern im Zusammenhang mit der Schilderung des Gesprächs beim Warten am BGH gesagt, man versuche durch Smalltalk einzuleiten und dann zu Themen von polizeilichem Interesse zu kommen. Jetzt verwende er den Begriff wieder. Ob auch dieser Besuch diesem Ziel gedient habe, will sie wissen. Le.: „Es ging um die Punkte, wenn sich da ein Gespräch entwickelt, bin ich nicht abgeneigt.“
Nach einer kleinen Auseinandersetzung um die Formulierung der Frage fragt RA Stahl Le., ob es zutreffe, dass dieser nach der Befragung durch den Ermittlungsrichter beim BGH, wo Zschäpe sagte, sie mache keine Angaben zur Sache, weiterhin versucht habe, Angaben zu erhalten. Le. sagt, er habe sich weiter mit Zschäpe unterhalten und auch sein Interesse sei weiterhin vorhanden gewesen.
Nach einer kurzen Befragung durch Prof. Saß wird der Zeuge entlassen. Es folgt auch zu dieser Aussage ein Verwertungswiderspruch durch die Verteidigung Zschäpe. RA Heer sagt, es seien strafprozessuale Vorschriften bewusst umgangen worden, Le. habe das in entwaffnender Offenheit mitgeteilt. Die Bundesanwaltschaft nimmt Stellung. Es gebe kein generelles Kontaktaufnahmeverbot für Polizeibeamte und es sei umfassend belehrt worden.
Nach einer Pause folgen angekündigte Erklärungen. Zunächst äußert sich die BAW zum Beweisantrag von RA Bliwier vom 14. Verhandlungstag und zum Antrag der RAin Pinar auf Beiziehung des Notizbuchs des Zeugen P. vom 17. Verhandlungstag. Bundesanwalt Diemer sagt, die BAW müsse dem Antrag von Bliwier aus übergeordnetem Interesse entgegentreten. Er habe Verständnis für den Wunsch nach umfassender Aufklärung, der GBA ermittele gegen neun Beschuldigte und weitere Unterstützer. Gegenstand der Hauptverhandlung hier sei aber ein Ausschnitt aus den Ermittlungen, die angeklagten Personen und die vorgeworfenen Taten. Es gehe darum, dem Beschleunigungsgebot Genüge zu tun. Jede Beweisaufnahme, die nicht hart am Thema bleibe, befördere das Risiko, dass die beiden in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten freigelassen werden. Die Aufklärung des rechtsextremistischen Umfelds des NSU gehöre nicht in diese Hauptverhandlung. OStA Greger führt dann näher aus. Der Vernehmung Tino Brandts werde nicht entgegengetreten. Ein mögliches Versagen der Verfassungsschutzbehörden sei als Beweisziel nicht zulässig. Hinsichtlich der Verlesung eines Vermerks sei nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, um welchen Vermerk es sich handele. Sollte es sich um die Erkenntniszusammenstellung des VS handeln, habe die BAW deren Verfasser bereits als Zeuge benannt. Im Übrigen seien die Beweisanträge abzulehnen, weil sie für die Beurteilung der Schuld- und Rechtsfolgenfrage ohne Bedeutung seien, soweit es sich nicht schon um Behauptungen ins Blaue handele. Der Antrag solle lediglich Ausforschungszwecken dienen. Der behauptete postalische Kontakt Zschäpes während ihrer Inhaftierung und der Kontakt der Verstorbenen Böhnhardt und Mundlos in der rechten Szene seien für die Entscheidung selbst ohne Bedeutung und gerade kein Indiz für die Schuldfrage der Angeklagten. So spiele auch die Gesinnung eines Briefpartners der Angeklagten keinerlei Rolle. Dies gelte auch, soweit der Antragsteller Kennverhältnisse der rechten Szene an einzelnen Anschlagsorten behauptet. Daraus ließe sich nichts ableiten. Besonders deutlich werde dies auch im Zusammenhang mit dem Konzert am 18. März 2006 und der behaupteten möglichen Verflechtung der rechten Szene an den Anschlagsorten Kassel und Dortmund. Ein Bezug zur Anklage sei überhaupt nicht erkennbar. Entsprechendes gelte für Zeugen Benjamin G. Dass G. in engem Kontakt zu Sturm 18 und F. gestanden haben solle, Andreas T. über Aktivitäten berichtet haben soll und Informationen zum Konzert geliefert haben soll, sei für die Angeklagten von keinerlei Aussagekraft. Hier fehle jeglicher Bezug zur Angeklagten Zschäpe, zu weiteren Angeklagten und den angeklagten Straftaten. Der Anregung von RAin Pinar auf Beiziehung des Notizblocks von P. sei ebenfalls nicht nachzugehen. Warum Notizbücher des Zeugen zum Gegenstand der Beweiserhebung gemacht werden sollten, erschließe sich nicht.
Dann nimmt RA Bliwier Stellung. Die BAW mache deutlich, warum die Nebenklage hier sitze, es gehe um die Kontroverse, wie weit die Aufklärungspflicht des Gerichts reicht und wie weit das Gericht gehalten werde, diesen Themen und Beweisen nachzugehen. Diese Kontroverse werde den Prozess begleiten. Der Prozess solle kein Untersuchungsausschuss werden, die Nebenkläger_innen wüssten schon, dass sie Anknüpfungspunkte brauchen. Zschäpe unterhalte Briefkontakte zu einem Gewalttäter aus der Dortmunder Neonaziszene, es gebe Verbindungen der Tatorte Dortmund und Kassel. Für prozessuale Maßnahmen sei es wichtig, von Kontakten in die Neonaziszene zu wissen. Sie hätten konkret unter Beweis gestellt, dass es Verbindungen über Herrn G. zu Herrn T. gebe. Herr T. werde hier vernommen. Sein Verfahren sei eingestellt worden, weil der hessische Innenminister keine Freigabe erteilt habe. Es sei erforderlich, diesen Dingen hier nachzugehen. Es sei vollkommen klar, dass die BAW ein anderes Interesse verfolge, die Nebenklage verfolge aber keine verfahrensfremden Interessen, deswegen seien sie der Auffassung, dass diesen Beweisanträgen nachzugehen sei. RA Behnke schließt sich Bliwier an.
Es folgt eine Erklärung von RA Schön nach § 257 StPO zur Vernehmung der Zeugin G. am 14. Verhandlungstag und der Vorführung des NSU-Videos. Der Zeugin G. habe viel daran gelegen, mehrfach zu betonen, welch freundlicher Mann Herr Özüdoğru gewesen sei. Das müsse man mit dem Video konfrontieren, mit der Verhöhnung der Opfer. Das Video und seine Anfangssequenz solle man ernst nehmen, dort sei die Rede von einem Netzwerk, von Taten statt Worten und dass die Aktivitäten weitergeführt würden. Das decke sich mit dem NSU-Brief von 2001. Wenn man das ernst nehme, dann sei das das Bekenntnis eines Netzwerkes. Nichts spreche dafür, dass es dieses Netzwerk nicht gegeben hätte oder es heute nicht mehr existiert. Die Vorhalte von Liedtexten durch den RA Hoffmann hätten ansatzweise klar gemacht, in welch aggressiver Brutalität diese Kreise lebten. Die Tatausübungen sprächen für ein Netzwerk. Ob man wirklich glauben könne, Böhnhardt und Mundlos seien alleine als größenwahnsinnige Sniper ohne Kontakt zu den Kameradschaften unterwegs gewesen, fragt Schön, und ob wirklich zwei Personen dieses Video konzipieren könnten. Das sei höchst unwahrscheinlich. Wenn man davon ausgehe, dass es dieses Netzwerk gab und gibt, dann sei schon nahezu zwingend, dass die Angeklagte Zschäpe von allem gewusst habe. Dass gerade sie nicht eingeweiht gewesen sein solle, sei absurd.
Götzl beschwert sich heftig über die Form der Erklärung. Um 15.55 Uhr endet die Sitzung für heute.
Rechtsanwalt Scharmer erklärt zu den Aussagen der Beamten über die Gespräche mit Zschäpe:
“Wenn Frau Zschäpe sagt, dass im Falle ihrer Aussage diese umfangreich und vollständig wäre, weil sie niemand sei, die nicht zu ihren Taten stehe, impliziert das, dass es Taten zu gestehen gibt. Die heutige Aussage des BKA Beamten war wiederum ein belastendes Indiz gegen Frau Zschäpe.“