Protokoll 19. Verhandlungstag – 4. Juli 2013

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Am 19. Verhandlungstag ging es zunächst um die Identifizierung der Ceska durch Carsten S. S. äußerte sich zum Ablauf der Identifizierung und woran er die Waffe erkannt hatte. Dann sagte ein Beamter des BKA aus und beschrieb die Waffenvorlage beim Angeklagten Holger G. Der Rest des Tages drehte sich um die ersten Vernehmungen von Holger G. im November 2011. Dabei beschrieb der Vernehmungsbeamte, wie G. die Todesnachricht von Uwe aufgefasst hatte und wie G. über die regelmäßigen Besuche der untergetauchten Drei bei G. sprach. Dabei wurde deutlich, dass G. nicht vollständig aussagte und nur nach und nach sein Wissen bekannt gab. Die Nebenklage thematisierte am Ende, wieso sich schon die ersten Vernehmung kurz nach dem Auffinden und der Identifizierung von Uwe Mundlos um die Beziehungen von Holger G. zur rechten Szene drehte.

Zeugen:

  • Andreas V. (Kriminalbeamter, BKA, Waffenvorlage Holger G.)
  • Michael L. (KOK, Polizei Eisenach, Vernehmungen Holger G.)

Der Verhandlungstag beginnt um 9.45 Uhr. Es geht bei den ersten beiden Vernehmungen um das Thema der Identifizierung von Waffen und die Rekonstruktion von Waffenvorlagen. Zunächst geht es um die Waffe, die der Angeklagte Carsten S. gekauft und an Böhnhardt und Mundlos übergeben habe. Dazu wird Carsten S. selbst befragt, wie ihm Waffen und Lichtbilder von Waffen vorgelegt wurden. Vorsitzender Richter hält S. an, genau zwischen eigener Erinnerung und Wissen aus Akten zu trennen.

Am 1. Februar 2012 habe er bei einer Vernehmung in Karlsruhe „das mit Waffe und Schalldämpfer“ gesagt, so S. Dann seien ihm Kopien vorgelegt worden und er habe einige der darauf zu sehenden Waffen ausgeschlossen, drei bis fünf seien dann übrig geblieben. In einer Polizeiinspektion in der Nähe von Köln-Ossendorf seien ihm dann am 6. Februar 2012 Waffen vorgelegt worden. Auf einem Tisch hätten viele Waffen gelegen. Er habe schon bei der Begrüßung zwei Waffen mit Schalldämpfer gesehen. Er habe erst überlegt, weil er aus den Medien in Erinnerung gehabt habe, dass „die so verschmort war“ und hier sei keine verschmorte dabei gewesen. Er habe sich dann für eine der beiden Waffen entschieden, weil er in Erinnerung gehabt habe, dass die Waffe einen längeren Schalldämpfer hatte. Er habe ja eingrenzen sollen, welche Waffe es gewesen sein könnte, die er damals übergeben habe. Die andere habe er auch wegen spitzer Kanten an der Waffe ausgeschlossen, die sich ihm vielleicht eingeprägt hätten. Aber entscheidend sei schon die Länge des Schalldämpfers gewesen. Ein Beamter habe gesagt, den kann man doch abschrauben. Und er habe sich erinnert, dass ein Gewinde vorne dran gewesen sei, an der Waffe und nicht am Schalldämpfer. Vor den Waffen hätten bei der Vorlage kleine Schildchen gestanden, die Waffen seien alle schwarz gewesen, wie auch die Waffe, die er übergeben habe. Götzl fragt, ob S. Medienberichten über die Waffe verfolgt habe vor dem Februar 2012. S. verweist wieder auf den schon in früheren Vernehmungen erwähnten Spiegel TV-Bericht vom Wochenende nach dem 8. November 2011. Er erinnere sich an eine Pressekonferenz des BGH. Ob er das Bild der Waffe bei diesen Anlässen gesehen habe, wisse er nicht mehr, er habe dieses Bild der verschmorten Waffe im Kopf. Da sei er sich nicht sicher gewesen, er habe ‚deutsche Waffe‘ im Kopf gehabt und dann sei irgendwann gekommen, dass damit was nicht gestimmt habe.

S. gibt an, sich auch im Internet umgeschaut zu haben. Was genau er nachgeschaut habe, kann er nicht sagen: „Die Waffe war ja bei vielen Berichten dabei, ich habe da nicht speziell geguckt.“ Götzl fragt nach dem Ergebnis der Lichtbildvorlage am 1. Februar. S. sagt, eine der abgebildeten Waffen sei zu groß gewesen, eine ein Maschinengewehr, Schalldämpfer habe keine gehabt. Am Ende habe er nach der Größe „zwei, drei, vier“ der ungefähr acht gezeigten Waffen eingegrenzt. Bei der Vernehmung am 6. Februar hätten auf dem Tisch acht bis zehn Waffen gelegen, da hätten zwei mit Schalldämpfer gelegen, als er rein gekommen sei. Er habe sich auf diese Waffen konzentriert. Er habe sich dann für diejenige entschieden mit dem längeren Schalldämpfer, die keine Kanten gehabt habe, gerade auch mit dem Gewinde. Götzl fragt, ob das so eine Waffe gewesen sei, wie er sie damals gesehen habe und wie sicher er sich sei. S.: „Die müsste so ausgesehen haben. Hätten da 15 ähnliche Pistolen mit Schalldämpfer und Gewinde gelegen, da wäre es schwieriger geworden.“
Nebenklagevertreter Scharmer sagt, S. habe doch damals gesehen, wie der Schalldämpfer aufgeschraubt worden sei, wo denn das Gewinde gewesen, an das er sich von damals erinnere. S.: „An der Waffe, das hat sich eingeprägt.“ RA Hoffmann fragt nach den Česká-Blaupausen auf S.‘ Computer. S. sagt, er könne sich das nicht erklären, er wisse überhaupt nicht, wie das da drauf gekommen sei. Dann stellt Zschäpes Verteidiger RA mehrere Fragen zum Aussehen der Waffe und des Schalldämpfers. S. antwortet, er könne sich nicht an Kratzer oder ähnliches erinnern. Die Farbe sei eher glänzend gewesen. Die Waffe sei komplett schwarz gewesen, an Holz, etwa an der Griffschale, könne er sich nicht erinnern. Auch bei der Frage, ob die Waffe einen Abzugshahn gehabt habe, sagt S., er wisse nicht mehr, wie das ausgesehen habe. Zum Schalldämpfer sagt er, er habe zuvor noch nie einen Schalldämpfer gesehen: „Dass der so lang war und schwer, wusste ich nicht.“ Der Dämpfer sei mindestens so lang wie die Waffe gewesen, eher länger. Er denke, dass der Schalldämpfer glatt gewesen sei und keine Löcher gehabt habe, sicher sei er sich aber nicht. RAin , Verteidigerin von Wohlleben fragt, ob S. auch weiterhin keine Fragen der Verteidigung von Wohlleben beantwortet. RA Pausch, Verteidiger von Carsten S., sagt, dass sich nichts geändert habe. Dann fragt er seinen Mandanten nach den Zetteln, von denen S. berichtet hatte. S. sagt, es seien weiße Zettelchen gewesen, er gehe davon aus, dass Nummern drauf gestanden habe, er habe die ja auch benannt. Pausch sagt, das sei eine Schlussfolgerung. Darauf sagt S., er habe irgendwo „83“ gelesen, wisse aber nicht mehr, ob auf der Waffe oder davor. Der Beamte K. habe gesagt, er solle sich die Waffen in Ruhe angucken, „und ich habe gesagt, dass ich die ganze Zeit während der Begrüßung schon auf die beiden geguckt habe.“ Noch einmal fragt RA Stahl: Ob auf zwei von etwa acht vorgelegten Waffen Schalldämpfer gewesen seien, will er wissen. S. sagt, bei zweien sei er aufgeschraubt gewesen, beim Maschinengewehr habe vielleicht einer dabei gelegen. Der eine Schalldämpfer sei länger, der andere mindestens zwei Drittel kürzer gewesen. Er sei vor der Vorlage der Waffen nicht nach einer Beschreibung der Waffe befragt worden. Nebenklagevertreter RA Tikbas fragt, ob S. die Waffen bei der Vorlage auch mal in die Hand genommen habe. S. sagt, er meine, dass er die mit dem längeren Dämpfer in die Hand genommen habe. Er sei sich nicht sicher, ob er beide in die Hand genommen habe. Dass er den Schalldämpfer abgeschraubt und wieder aufgeschraubt habe, glaube er nicht. Es sei insgesamt komisch gewesen, denn er habe angenommen, dass das die Tatwaffe sei. Er habe gedacht, dass das die Waffen gewesen seien, die gefunden wurden und erst später vernommen, dass bei der Vorlage baugleiche Waffen waren.

Es folgt eine Vorlage von Lichtbildern aus den Akten. S. geht nach vorne an den Richterpult. Ein Bild vom Vorlagentisch wird auf die Leinwände übertragen. Die Bilder, die gezeigt werden, sind farbig. S. sagt, die Bilder damals seien schwarz-weiße Kopien gewesen. Er zeigt auf Bilder von Waffen und sortiert einige aus. Er zeigt auf das Bild einer Waffe und sagt: „Das Gewinde, das hatte ich damals gar nicht so richtig im Kopf. Erst bei der Vorlage, da sagte ich, ich erinnere mich da dran.“ Damals sei das auch nicht so genau zu erkennen gewesen, wie jetzt auf den Farbfotos. Götzl fragt, ob er die Farbbilder zum ersten Mal sehe. S. sagt, am 1. Februar habe er „hundertprozentig“ nur Schwarz-Weiß-Bilder gesehen. Götzl: „Dann hat es wohl wenig Sinn an der Stelle weiterzumachen.“ RAin Sturm, Verteidigerin von : „Sie sagten, dass Sie das damals mit dem Gewinde noch nicht so im Kopf hatten und dass das damals noch nicht so genau zu erkennen war. Hatten Sie wirklich von damals noch das Gewinde im Kopf oder war das ein Rückschluss?“ S. sagt, er habe eine Erinnerung von damals, dass da ein Gewinde vorne dran war.
Nebenklagevertreter Sfatkidis weist auf Kopien in einem Sachaktenordner hin und fragt S., der mittlerweile wieder an seinem Platz sitzt und auf dem Rechner von Pausch Einblick in die Akten nehmen kann, ob das ähnliche Kopien seien wie die, die S. vorgelegt worden seien. S. sagt, dass könne gut sein. RA Kolloge sagt, es gebe mehrere Serien von Kopien, ob man die nicht vorlegen könne, um zu schauen, ob es eine dieser Serien sei. RA , Verteidiger von S., sagt, ihm sei ein Aktenauszug vorgelegt worden, da seien diese Kopien dabei, den könne er mitbringen.

Götzl unterbricht die Sitzung bis 11 Uhr. Danach geht S. noch einmal nach vorne. Nun werden ihm schwarz-weiße Bilder vorgelegt. S. sagt, das seien nicht die Kopien gewesen, die seien ganz schwierig zu erkennen gewesen. Nebenklagevertreterin RAin Wierig weist auf schlechte Kopien in der Haftakte hin. RAin Schneiders, Verteidigerin von Wohlleben, fragt, ob man die vielleicht vorlegen könne. Götzl sagt, das seien die jetzt vorgelegten Bilder. Es entsteht eine allgemeine Verwirrung, in deren Anschluss RA Stahl noch einige Fragen stellt, unter anderem zur Situation, in der S. Wohlleben die Waffe gezeigt habe. Ob er sich auch das Magazin mal angeschaut wurde. S.: „Ich denke nicht, ich weiß bloß, dass sie auf der Erde lag mit dem weißen Tuch und was ich gesagt habe, dass er das aufgeschraubt hat und auf mich gerichtet hat. Die drei Bilder habe ich.“ Durchgeladen worden sei die Waffe relativ sicher nicht. Stahl fragt danach, ob die Waffe, die S. übergeben habe, einen Knopf gehabt habe, um das Magazin der Waffe heraus nehmen zu können. S. sagt, er habe keine Erinnerung dazu.

Es folgt der Zeuge V., Kriminalbeamter beim BKA. Bei seiner Vernehmung geht es um die Rekonstruktion einer Waffenvorlage, bei der es um die Waffe ging, die der Angeklagte Holger G. übergeben haben will. G. hatte in einer Vernehmung gesagt, die Waffe sei klein, schwarz und metallisch gewesen. V. berichtet, G. seien neun Waffen vorgelegt worden, er habe aber keine der Waffen sicher zuordnen können, die Waffen mit den Nummer 8 und 9 habe er ausschließen können, weil sie zu groß gewesen seien, die Nummern 4 und 6 habe er für möglich gehalten.
Es wird eine blaue Kiste hereingebracht, aus der neun Waffen heraus geholt und auf den Tisch des Gerichts gelegt werden, darunter zwei Maschinenpistolen. Im Zuge der Vernehmung wird klar, dass es sich bei den jetzt vorliegenden Waffen um Waffen aus der Vergleichswaffensammlung des BKA handelt. Auch bei der damaligen Vernehmung seien Vergleichswaffen vorgelegt worden. Der Zeuge kann wegen unterschiedlicher Nummerierungen anhand dieser Waffen nicht mehr feststellen, welche Waffen G. bei der Vorlage eingegrenzt bzw. ausgeschlossen hatte.
Es entsteht auch Verwirrung um Asservaten- und Spurennummern zu den Waffen. Oberstaatsanwalt Weingarten sagt, man müsse zwischen den Nummern der Original- und den Nummern der Vergleichswaffen differenzieren. Erst bei Vorlage der damals vom Zeugen gefertigten Lichtbilder von den Waffen und den dort zu sehenden Nummern kann der Zeuge die beiden ausgeschlossenen, nämlich die Maschinenpistolen, und die beiden eingegrenzten, eine Česká 70 (Nummer 4) und eine Walther PP (Nummer 6), benennen. Er geht auch auf Foto Nummer 3 ein, das eine weitere Česká zeige, die hier heute mit Schalldämpfer liege, damals aber ohne Schalldämpfer vorgelegt worden sei, weil G. ausgesagt habe, er habe keine Waffe mit Schalldämpfer überbracht. Dann werden drei Bilder von zwei Pumpguns gezeigt, die G. vorgelegt worden seien. G. habe ausgesagt, Böhnhardt habe ihm einmal eine Pumpgun gezeigt. Auf den Bildern seien, wenn er sich recht erinnere, die Originalwaffen zu sehen, die im Wohnmobil sichergestellt worden seien. Damals habe G. zu der durchgängig schwarzen Waffe tendiert. Im Zuge der Vernehmung stellt sich heraus, dass G. baugleiche Exemplare von Waffen vorgelegt wurden, die sicher gestellt wurden.
RA Stahl möchte wissen, wozu die erste Waffenvorlage gedient habe. V. sagt, sie hätten sich davon versprochen, dass G. sich vielleicht erinnert, ob die dabei ist, die er transportiert habe. Ob eine möglicherweise erkannte Waffe also zwingend eine der aufgefundenen Waffen gewesen sei, fragt Stahl. V. bejaht auch dies. Die Maschinenpistolen seien der Vollständigkeit halber vorgelegt worden. G. habe keine der Waffen sicher wieder erkannt.
Auf Nachfrage von RA , Anwalt von Wohlleben, sagt er: „Wir haben uns beschränkt, weil das Waffen waren, die einen Verfahrenszusammenhang hatten.“ RA Stahl sagt, ihm falle auf, wenn man die Waffe auf Foto 3 mit der hier vorliegenden vergleiche, sei offenkundig der Lauf beim Patronenauswurffenster auf dem Bild silbrig und hier schwarz. V. sagt, er wisse nicht, welche Waffe der Kollege für heute zusammen gepackt habe, die Waffen seien losgelöst von ihm gekommen. Für die Mittagspause trägt Götzl ihm auf, herauszufinden, ob im Saal dieselben Vergleichswaffen seien wie bei der Vorlage für G.

Um 13.10 Uhr geht es weiter. V. berichtet, der Kollege O. aus der Vergleichswaffensammlung habe gesagt, es gebe sieben Vergleichsmodelle der Česká. Es werde baugleich geliefert. Es könne sein, dass Vergleichswaffen eingepackt wurden, die nicht bei der Vorlage in Köln gewesen sind. Götzl beschwert sich, dass es schon empfehlenswert sei, das vorher abzuklären. Nach weiteren Nachfragen fragt OStA Weingarten, welche Vorgaben es damals an die Kriminaltechnik gegeben habe hinsichtlich der Waffenvorlage bei G. V.:  „Dass auch baugleich geliefert wird.“ Weingarten: „Baugleich mit?“ V. sagt, baugleich mit den Waffen am Tatort. Der Zeuge wird entlassen.

Es folgt eine Erklärung nach § 257 StPO von OStA Weingarten, nach der die Vorlage durch die Lichtbilder hinreichend dokumentiert gewesen sei. Es komme bei einer Waffenvorlage auf Typen, nicht auf Besonderheiten an. RA Stahl erwidert, die Vorlage dürfe nicht zum Ziel haben, aus feststehenden Tatwaffen auszuwählen, es gehe um die Identifizierung und dann erst darum, ob die Waffe bei den Tatwaffen dabei war. Die Vorlage habe einen Beweiswert der nicht gegen null tendiere, sondern der bei null sei.
Nebenklagevertreter Hoffmann sagt, es könne sein, dass die Art und Weise wie auch bei S. die Vergleichswaffenvorlage stattgefunden habe, den Beweiswert der Vorlage einschränke. Starken Beweiswert habe aber die originäre Erinnerung von S. an das Gewinde der Waffe bei der Vorlage. Dies sei ein originäres Kriterium, das passt mit der Waffe, die gefunden wurde, und die er damals übergeben habe. Diese Waffe habe ein Erkennen ausgelöst. Das sei nicht durch die Waffenvorlage betroffen. RA Stahl erwidert, natürlich könne ein Gewinde Erinnerungen auslösen. üblicherweise würden Waffen aber nicht mit Gewinde ausgeliefert, sondern erst später damit versehen. RA Klemke sagt, diese Arte der Vorlage sei vom Grundsatz her äußerst kritisch. S. habe vorher niemals ein Gewinde erwähnt und es gebe eine Vielzahl Waffen der gleichen Bauart mit Schalldämpfer und Gewinde.

Es folgt der Zeuge L., Kriminaloberkommissar bei der Polizei in Eisenach. Er war mit den Ermittlungen zum Banküberfall am 4. November 2011 in Eisenach betraut und war dabei als das Wohnmobil gefunden wurde. L. hat mit Holger G. am 5 und 6. November 2011 drei Vernehmungen in einer Polizeidienststelle im niedersächsischen Bad Nenndorf durchgeführt.
L. berichtet zunächst kurz selbst und wird dann von Götzl befragt. L. gibt an, mit einer Kriminaltechnikerin im Hubschrauber nach Bad Nenndorf geflogen zu sein, wo G. bereits in Gewahrsam saß. Hintergrund sei gewesen, dass G. Anmieter des Wohnmobils gewesen sei. G. sei daher vorgeworfen worden, Mittäter oder Beihelfer des Banküberfalls gewesen zu sein. Bei der dritten Vernehmung seien auch die Beamten F. und B. von der ‚Soko Parkplatz‘ anwesend gewesen, weil im Wohnmobil die Waffen der ermordeten Polizistin Kiesewetter und des angeschossenen Beamten gefunden wurden. Es sei zuerst eine „Abtastvernehmung“ gewesen.
G. habe angegeben, kein Wohnmobil angemietet zu haben. Er sei nach seinen Alibis für den 14. und 25. Oktober 2011, den Zeitraum der Anmietung, und den 4. November gefragt worden. G. habe angegeben, dass er am 14. Oktober arbeiten gewesen und am 15. Oktober mit seiner Lebensgefährtin und deren Kindern nach Holland in den Urlaub gefahren sei. Bei einer Durchsuchung bei G. seien entsprechende Dokumente gefunden worden, so L. Am 25. Oktober habe er noch frei gehabt und sei mit Bekannten nach Hannover zu einem Prozess am Amtsgericht gefahren, bei dem es um Linke gegangen sei, am Abend habe er wieder gearbeitet. Am 4. November habe er morgens gearbeitet, dann geschlafen und sei ab 17 Uhr bei Bekannten gewesen. Dies sei durch den irrtümlich mit G. festgenommen Zeugen Manuel B. bestätigt worden. L. sagt, er habe G. die Unterschrift auf dem Mietvertrag des Wohnmobils vorgelegt, bei der zuerst der Nachname und dann der Vorname gekommen sei. G. habe angegeben, dass er zwar so unterschreibe, seine Schrift sei aber nicht so „krakelig“. Er könne sich vorstellen, dass es jemand gewesen sein könne, der ihn kennt. Er nennt die Namen Wohlleben, Mundlos und Böhnhardt und aus Hannover W. und M. Die Vernehmung sei auf Reisepass und Führerschein gekommen und ins Stocken geraten: „Er war sich offensichtlich nicht sicher, was wussten wir, was nicht.“ Nach einer Pause habe er erzählt, er habe den Reisepass auf Nachfrage Böhnhardt ausgehändigt. Seit 2006/2007 habe er jährlich Besuch von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bekommen, nur 2011 sei Zschäpe nicht dabei gewesen. G. habe gesagt, sie seien Freunde gewesen und er habe nicht als Verräter dastehen wollen, Böhnhardt und Mundlos hätten gesagt, G.s Führerschein hätten sie ja auch schon. L. sagt, er habe gefragt, was das für eine Freundschaft sei, was denn der Verrat wäre, wenn G. den Reisepass nicht gegeben hätte. „Und da kam dann was über Jena und politische Richtung, das hatte mich damals nicht so vordergründig interessiert. Das hätte ich mal machen sollen.“ Dann sei der Name Wohlleben gefallen. G. habe gesagt, er sei in einer Phase, wo er wieder Kontakt mit den Nationalen, den Freien Kräften aufnehmen würde, er sei aber politisch inaktiv. Auch bei Wohlleben sei das so, der sei inaktiv, habe Kinder.

L. sagt, er habe G. auf eine Differenz zwischen den Nummern seines Führerscheins und des Führerscheins auf dem Mietvertrag hingewiesen. Da sei G. mit der Sprache heraus gerückt, dass er sich einen neuen Führerschein habe geben lassen und den anderen an Böhnhardt übergeben habe. Anfangs habe G. auch behauptet, er könne den Reisepass nicht mehr finden.
Über den Kontakt zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zu G. habe dieser berichtet, Mundlos habe ihn, als er mit seiner Mutter nach Hannover gezogen sei, begleitet, habe also die Anschrift gewusst. 2006/2007 seien Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe dann an der Adresse seiner Mutter aufgetaucht. Er habe ihnen seine Handynummer gegeben, sie hätten ihm aber keine Nummer gegeben und gesagt, wenn sie was bräuchten, würden sie sich melden. Das habe G. offenbar so hingenommen, sagt L. Die Treffen seien immer telefonisch abgesprochen worden. Die ersten Treffen hätten im öffentlichen Raum stattgefunden. Die Treffen 2010 und 2011 dann in Lauenau, wo G. wohnte. G. habe gesagt, er habe die Besuche so organisiert, dass seine Lebensgefährtin nichts bemerkt. L.: „Der hat offensichtlich die eine und die andere Welt gehabt.“ G. habe berichtet, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gesagt hätten, sie seien im Urlaub. Es sei von der Ostsee geredet worden, einmal von der Region Lübeck und von Campingplätzen. Mehrfach in seiner Aussage sagt L., er habe mit G. darüber gesprochen, dass Hannover nicht auf dem Weg an die Ostsee liege. G. habe den Dreien das aber abgenommen und habe erzählt, sie seien gebräunt gewesen. G. habe ausgesagt, die Drei seien mit Autos gekommen mit einem Kennzeichen mit einem Buchstaben wie „C“ für Chemnitz, es müsse jedenfalls Sachsen gewesen sein, ein Wohnmobil habe er nicht gesehen. Es seien hochwertige Fahrzeuge gewesen, die Drei seien aber einfach gekleidet gewesen, das habe nicht gepasst. G. habe gesagt, er habe nach dem Lebensstandard der Drei gefragt und sie hätten gesagt, Mundlos betreibe einen Computerladen in Chemnitz, Zschäpe arbeite dort und Böhnhardt mache Gelegenheitsjobs. G. habe gesagt, er habe das Gefühl gehabt, man wolle ihm nicht mehr erzählen. G. habe wohl, so L., den Eindruck gehabt, dass die Zschäpe mit keinem der beiden liiert ist. L. sagt, er habe gefragt, ob es denn einen anderen Freund gibt und ob sie Kinder hat, denn bei der Anmietung des Wohnmobils seien ein Mann, eine Frau und ein Kind aufgetreten. G. habe angegeben, ein Kind sei nie dabei gewesen. G. habe ausgesagt, mit dem Namen des Angeklagten E. könne er nichts anfangen. Über die Fahndung nach den Dreien ab 1998 sei G. von seiner Schwester, die noch in Thüringen lebte, berichtet worden. Auch von Wohlleben habe G. davon erfahren. G. habe ausgesagt, er habe bis 2002 regelmäßig Kontakt zu Wohlleben gehabt, der letzte Kontakt sei 2006/2007 gewesen, er wisse, dass Wohlleben Frau und Kinder gehabt habe. In dem Zusammenhang sei auch die Äußerung gekommen, Wohlleben habe „abgeschworen“ und sei nicht mehr aktiv.

Bei der Vernehmung am 6. November sei es auch um Tätowierungen gegangen. Mundlos sei durch Fingerabdruck identifiziert worden, die zweite Leiche sei nicht so leicht zu identifizieren gewesen. Er habe Bilder von Tätowierungen bekommen und habe G. gefragt, ob er Hinweise geben könne, wer die zweite Person ist. G. habe berichtet, dass Böhnhardt mal eine Freundin gehabt habe, Angelika D., deren Initiale er sich im Gefängnis habe tätowieren lassen. Letztlich hab G. die zweite Person aber an den Tätowierungen nicht identifizieren können. Weil die Verbindung zum Mord an Michèle Kiesewetter durch die Waffen da gewesen sei, habe L. dann versucht, herauszufinden, ob G. eine Beziehung zu diesem Bereich hat. Er habe dann unverdächtig zuerst zu Verbindungen nach Norddeutschland gefragt, die G. verneint habe, und dann zu Bezügen nach Süddeutschland. G. habe erzählt, dass er in München bei Demonstrationen und mit Sebastian W. bei einem Konzert im Süden war. Götzl hält L. vor, es habe sich bei dem Konzert laut Mitschrift um ein Punk- und Hardcore-Festival in Leonberg gehandelt. L. bestätigt das. Noch einmal wird nach den Treffen mit den Drei und zur Freundschaft gefragt. In diesem Zusammenhang sagt L., es sei darum gegangen, wie die Gruppe strukturiert war. L.: „Und da hat er mir geschildert, dass der Böhnhardt und der Mundlos gleichberechtigt an der Spitze standen, dann die Frau Zschäpe, danach hätte sich der eingeordnet und ganz unten war er eben, in dieser Reihenfolge oder Hierarchie.“ Im Zusammenhang mit dem Besuch bei Gericht geht es auch noch einmal um die politischen Ansichten G.s. Diese habe er, L., nicht abgefragt und sie seien auch nicht von G. dargelegt worden. Es sei aber darum gegangen, dass G. viel Zeit in die Politik investiert und nichts erreicht habe. L.: „Auf deutsch gesagt, es sei alles scheiße gewesen.“
L. bestätigt die Vorhalte, die Götzl aus dem Vernehmungsprotokoll macht, nach denen sich G. „ein Stück weit“ bzw. „komplett distanziert“, zu Herrn M. aber weiter ein gutes Verhältnis gepflegt haben will. Der Besuch bei Gericht sei, habe G. ausgesagt, ein Freundschaftsdienst gewesen. Bei den Treffen mit den Drei habe laut G.s Aussage Politik keine Rolle gespielt, so L. Götzl hält L. aus dem Protokoll vor, G. habe ausgesagt, dass ihm von den Dreien gesagt, „dass sie sich jetzt mit der Situation gut arrangiert hatten”. Näher habe G. das nicht beschrieben, sagt L., aber „das bezog sich wohl auf ihr Auftreten zu dritt“. G.s Spitzname sei laut G. selbst „Buck“ oder „Buckel“ gewesen. Es geht kurz um Drogen und um G.s Spielsucht, dann äußert sich L. noch einmal zu G.s Verhalten: „Ich habe bewusst versucht, das Verhalten von ihm zu beobachten. Und er war unsicher, wo er da aber so ein bisschen mitgekriegt hat, die wissen, dass mein Reisepass angewendet wurde, die wissen, dass mein Führerschein verwendet worden ist, da hat er sich, auch von der Körpersprache her, richtig gewunden. Da war ein Prozess.“ Auf Fakten, die ihm vorgelegt worden seien, habe er sich bemüht zu antworten. L.: „Wo er sich einigermaßen sicher war, dass wir da als Blinde im Nebel rumstochern, hat er keine großen Ausführungen gemacht. Doch das, was er gesagt hat, habe ich als wahr empfunden, da hat auch seine Körpersprache dem nicht widersprochen.“

Es folgen die Fragen der Nebenklage. RA Scharmer fragt danach, ob L. bereits Erkenntnisse über Beziehungen von G. in die rechte Szene gehabt habe, als er nach Bad Nenndorf geflogen ist. L. sagt, er habe das vermutet, er kenne das Fahndungsplakat nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe von 1997/1998 noch aus seiner Zeit bei der Bereitschaftspolizei und er habe gewusst, dass diese Drei zur rechten Szene gehörten, von G. habe er das nicht sicher gewusst. Einen Vermerk eines Kollegen P., Leiter des Staatsschutzes, nach dem wegen möglicher Beziehungen unter anderem von G. zur rechten Szene Nachforschungen angestellt worden seien, habe er damals nicht gekannt. P. habe sicher die Frage gestellt bekommen, ob er G. kenne, den Anmieter des Wohnmobils. Er habe sich noch auf dem Flug Gedanken gemacht, was er G. fragen könne, und habe nicht gewusst, was Herr P. in der Zeit geschrieben habe. RAin von der Behrens möchte wissen, wie viel Zeit zwischen der Fingerabdrucknahme und der Identifizierung der Leiche Mundlos vergangen sei. L. sagt, es habe eine Diskussion gegeben, was prioritär sein, Spurensicherung oder Identifizierung der Leichen. Der Polizeiführer habe entschieden, dass zuerst identifiziert werden solle. Am darauf folgenden Tag habe er gegen fünf Uhr in der Früh einen Anruf bekomme, dass der eine als Uwe Mundlos identifiziert worden sei. Er sei gegen zehn Uhr am 5. November nach Bad Nenndorf geflogen. Mit der Identifizierung sei die Tatortgruppe befasst gewesen. Beim Vergleich der Abdrücke sei er nicht dabei gewesen. Die Namen derjenigen, die ihm das mitgeteilt habe, wisse er nicht mehr. Er wisse nur, dass er zwei Kollegen gesagt habe, sie sollten bei der Sektion dabei sein, damit er nicht warten müsse bis das Ergebnis in der Post ist. Götzl sagt, RAin von der Behrens solle doch im Sektionsprotokoll nachschauen. Von der Behrens erwidert, das habe sie, da stehe aber nicht, ob der Leiche da die Fingerabdrücke abgenommen worden sind. RAin Clemm will wissen, ob G. in der Vernehmung über die Leichen informiert wurde. L. sagt, er denke, dass er es nicht gleich gesagt habe. L.: „In der Vernehmung war er total geschockt, als es nicht mehr aufzuhalten war, zu sagen, dass der Mundlos tot ist.“ G.s Verteidiger RA fragt L., ob dieser G. auch davon berichtet habe, dass die beiden Aufgefundenen Mundlos und Böhnhardt seien. L. antwortet, er habe nur von Mundlos gesprochen. Er könne nicht mehr genau sagen, in welcher Vernehmung das gewesen sei, vielleicht in der Mitte der ersten. Hachmeister will wissen, wie G. reagierte, als L. ihm gesagt habe, dass mit seinen Dokumenten ein Wohnmobil angemietet wurde. G. sei nicht erfreut gewesen, sagt L. Ob G. überrascht gewirkt habe, will Hachmeister wissen. L.: „Einmal hat er so zwei Sätze gesagt, das war er nicht, das tut er nicht, in der ersten Vernehmung. Aber die große Gestik des Entsetzens und der Verwunderung hab ich nicht wahrgenommen.“ RA Stahl fragt, ob L. den Eindruck gehabt habe, dass G. seine Antworten anpasst, an das, was er vorlegen könne. L.: „Den Verdacht hab ich bei jedem.“ Aber G. habe auf ihn dann teilweise ehrlich gewirkt. Nach Fragen zu Vernehmungssituation und Fragetechnik fragt RAin Schneiders, Verteidigerin von Wohlleben, nach der Situation am Wohnmobil. L. sagt, er habe mit einem Kollegen die Tatortarbeit beim Banküberfall und und Fahndungsmaßnahmen durchgeführt. Kurz vor 12 Uhr sei die Mitteilung gekommen, dass ein Wohnmobil gesichtet worden und Schüsse gefallen seien. Sie seien dort hingefahren. Die Schutzpolizei sei früher da gewesen. Zehn bis 15 Minuten später seien sie da gewesen. Er habe zur Feuerwehr gesagt, sie solle vorsichtig löschen. Es seien Streifenbeamte da gewesen. Mit dem Leiter der Polizeidirektion, Herrn M., habe er das Wohnmobil erstmals betreten. Er habe Verstärkung aus Gotha bestellt, auch die Rechtsmedizin, die Tatortgruppe und im Gefolge von Herrn M. seien weitere Beamte gewesen. Richter Götzl sagt, er verstehe die Frage nicht, es gehe jetzt um den Komplex Vernehmung.

Die Verhandlung endet für heute um 16.53 Uhr.

Nebenklageanwalt erklärte nach dem Prozesstag zur Vernehmung von Carsten S.:
„Carsten S. hat Details der Waffe geschildert, die spezifisches Täterwissen sind. Eine Aufschraubvorrichtung an der Waffe, nicht am Schalldämpfer, ist typisch für die Tatwaffe. S. erinnerte noch genau, wie er Wohlleben beim Aufschrauben des Schalldämpfers beobachtet hatte. Damals habe er festgestellt, dass die Aufschraubvorrichtung an der Waffe und nicht am Schalldämpfer war. Das konnte er bei der Waffenvorlage noch bildlich erinnern. Damit belastet Carsten S. weiter Wohlleben und Zschäpe.“
Zu Holger G. führt er aus:
„Mehr und mehr wird deutlich, das Holger G. nur stückchenweise Angaben gemacht hat, sich eher taktisch verhielt. […]“

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