Protokoll 28. Verhandlungstag – 25. Juli 2013

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Ein Rechtsmediziner, der die Obduktion von Abdurrahim Özüdoğru durchgeführt hatte, und ein Sachverständiger des bayrischen LKA schilderten, wie nach ihren Erkenntnissen Özüdoğru zwei Mal in den Kopf geschossen und wohl nach wenigen Minuten verstorben sein muss. Das Ehepaar H., direkte Nachbar_innen des NSU-Kernes in , berichteten von ihren Begegnungen mit zum Zeitpunkt des Brandes auf der Straße, dem Beginn ihrer Flucht.

Zeug_innen und Sachverständige:

  • Dr. Peter Betz (Sachverständiger, Obduktion des Leichnams von Abdurrahim Özüdoğru)
  • Martin Welter (Sachverständiger, LKA Bayern, Gutachten Mordfall Özüdoğru)
  • Antje H. (Zeugin Brand in der in Zwickau)
  • Uwe H. (Zeuge Brand in der Frühlingsstraße in Zwickau)

Die Sitzung beginnt um 9.44 Uhr. Heute sitzt wieder der thüringische Neonazi , der schon zweimal beim Prozess war, auf der Besucherempore. R. wird von einer anderen Person begleitet.

Nach der Präsenzfeststellung geht der Vorsitzende Richter Götzl zum ersten Sachverständigen über. Es ist der Rechtsmediziner Prof. Dr. Betz von der Universität Erlangen, der am 14. Juni 2001 in Nürnberg die Obduktion des Mordopfers Abdurrahim Özüdoğru vorgenommen hat. Betz schildert, dass bei Özüdoğru ein Schädelsteckschuss rechts an der Schläfe und ein Schädeldurchschuss unter dem rechten Nasenloch gefunden worden seien. Betz erläutert diverse Verletzungen im Schädel. Außerdem schildert er, dass im Mundraum des Leichnams flüssiges und zum Teil geronnenes Blut gefunden worden sei. Als Todesursache führt der Sachverständige eine zentrale Lähmung durch den Schädelschuss in Verbindung mit der Blutaspiration an. Götzl fragt, ob Özüdoğru noch gelebt habe nach den Schüssen. Betz antwortet, es habe noch Atembewegungen gegeben, dann sei Blut in den Nasen-Rachen-Raum gelaufen, d.h. es habe weitere Atmungsaktivität über wenige Minuten gegeben. Götzl fragt danach, ob Betz Hautstücke entnommen habe. Betz bejaht das, es seien Organe entnommen und eine Einblutung im Rumpfbereich. Bei dieser Einblutung sei festgestellt worden, dass sie länger als fünf Tage zurück gelegen habe, weil sich schon Fresszellen gebildet hätten. Götzl fragt, ob Betz auch etwas zu Untersuchungen am Tatort sagen könne, die ein anderer Mitarbeiter der Rechtsmedizin durchgeführt habe. Betz sagt, dabei sei es um die Situation der Auffindung Özüdoğrus und den Todeszeitpunkt gegangen. Es sei eine Messung der Körpertemperatur vorgenommen worden und die elektrische Erregbarkeit getestet worden. Dabei habe sich noch ein deutliches Zucken im Oberlid gezeigt. Die Leichenstarre sei ausgeprägt gewesen, die Leichenflecke hätten sich weg drücken lassen. Weitere Maßnahmen seien wegen der anstehenden Obduktion unterlassen worden.

Es folgt der Sachverständige Welter vom Bayerischen LKA, der Hautstücke und ein Stück der Zimmertür, vor der der Leichnam Özüdoğru gefunden wurde, untersucht und weitere Untersuchungen vorgenommen hat. Die beiden Hautstücke stammten einmal von Oberlippe und Nase und einmal aus dem Schläfenbereich, so Welter. Er habe die Stücke von der Rechtsmedizin über die Polizeidirektion Nürnberg bekommen. Sie seien auf mögliche Bleianhaftungen, was das wesentliche Schmauchmaterial sei, untersucht worden. Es habe sich gezeigt, dass Nahschusszeichen nur bei dem Hautstück von der Schläfe zu finden gewesen seien. Beide Spuren seien von der Rechtsmedizin als Einschüsse bestimmt worden. Über die Schussentfernung ließen sich nur grobe Aussagen machen. Der Einschuss an der Schläfe sei aber aus geringerer Entfernung als 40 bis 80 cm vorgenommen worden. Zu dem Stück aus der Tür sagt Welter, die Abdruckspur sei passgenau mit einem Projektil Kaliber 7.65. Die Anknüpfungstatsache sei, dass es einen Schädeldurchschuss und einen Schädelsteckschuss gegeben habe. Die Spur an der Tür sei durch den Durchschuss verursacht worden. Das Projektil habe nach dem Schädel die Tür getroffen und die Spur verursacht. Im September sei dann eine Rekonstruktion mit Hilfe einer Schaufensterpuppe und Sonden durchgeführt worden. Dabei hätten die Fragen geklärt werden sollen, wo die Personen standen, wie die Schussreihenfolge gewesen sei und wie hoch die Schussdistanz. Die Befunde seien gewesen, dass Özüdoğru liegend an der Treppe vor der Tür gefunden worden sei. Es seien zwei Hülsen und ein Projektil am Tatort gefunden worden, ein zweites bei der Obduktion. Wenn man diese Tatsachen zugrunde lege, ergebe sich, dass die Anzahl der festgestellten Munitionsteile mit den Verletzungen korrespondiere. Der Durchschuss habe die Spur an der Tür hinterlassen. Daher lasse sich schließen, dass das Opfer beim Durchschuss noch gestanden habe und der Steckschuss bereits auf das liegende bzw. zu Boden gegangene Opfer abgegeben worden sei. Für die Verwendung eines Schalldämpfers habe es damals keine Hinweise gegeben, aber das sei nicht ausgeschlossen. Auf Frage von Götzl sagt Welter, ein Abstreifring entstehe, wenn ein Projektil nach Verlassen des Laufs das erste Mal auf Objekt auftrifft. Das sei beim Schläfenschuss festgestellt worden, beim Nasenschuss nicht. Das könne daran liegen, dass die Waffe beim ersten Schuss noch sauber war, es könne aber auch sein, dass zwischen der Waffe und dem Opfer ein anderes Objekt war. Für die Verwendung einer Tüte wie bei anderen Taten habe es jedoch keine Hinweise gegeben.

Dann geht Welter nach vorn. Es werden Bilder von der Rekonstruktion in Augenschein genommen. Man sieht Bilder von der Puppe und von Stäben, so genannten Sonden, die in der Puppe stecken und die Einschüsse markieren. Dann wird eine Übersichtsskizze zu den Fundorten der Hülsen und des Projektils gezeigt. Zuletzt wird ein Bild von der Spur in der Holztür gezeigt, das die Passgenauigkeit der Spur auf ein Projektil Kaliber 7.65 demonstrieren soll. Oberstaatsanwältin Greger fragt nach der Schussdistanz beim Nasenschuss. Welter sagt, es sei jede Position größer als 40 bis 80 cm denkbar. Dann fragt RA Pausch, Verteidiger von Carsten S., nach einer Untersuchung über die akustische Wahrnehmbarkeit der Schüsse und ob diese auch mit Schalldämpfer durchgeführt worden seien. Welter erläutert, er habe in der Änderungsschneiderei Probeschüsse durchgeführt, weil es eine Ohrenzeugin gegeben habe. Er habe damals keine Kenntnisse von einem Schalldämpfer gehabt. Die Schüsse seien außerhalb des Ladengeschäftes von Polizisten wahrgenommen worden, während der Versuche seien aber Passanten vorbei gelaufen, die völlig unberührt von diesen Ereignisse weiter gegangen sein. Durch das Schaufenster könnten, so Welter, die Schüsse ihren peitschenartigen Klang verlieren. Polizisten, die auf die Schüsse warteten, nähmen sie wahr, aber Passanten vielleicht nicht. Pausch will wissen, ob Welter noch ergänzende Untersuchungen über die Frage, ob ein Schalldämpfer verwendet worden sei, durchgeführt habe. Welter verneint das. Der Zeuge wird entlassen.

Nebenklagevertreter RA Matt verliest eine Erklärung zur Aussage des Zeugen Bo. vom gestrigen Verhandlungstag [Protokoll 27]. Dabei geht es darum, dass festzuhalten sei, dass aus dem Internetverlauf und den Formulardaten hervor gehe, dass sich die unter dem Benutzernamen „Liese“ auf dem Rechner angemeldete Person für Campingplätze, Wohnwagenverleihe, Bahnfahrten und Sparkassen in Zwickau interessiert habe. Wichtig sei auch, dass man daraus, wann dieses Profil nicht benutzt worden sei, Abwesenheiten feststellen könne. RAin Sturm beanstandet, das gesamte Protokoll sei durch die Zeugenaussage noch nicht eingeführt. Nach kurzer Debatte sagt RA Matt, er sei ohnehin schon fertig. Dann fragt Götzl den Angeklagten Holger G., ob es von seiner Seite vielleicht noch Einlassungen gebe. RA Hachmeister, Anwalt von G., antwortet: „Wir haben uns vorbehalten, dass sich G. nochmal einlässt, aber das wird heute nicht passieren und, für die Verfahrensbeteiligten, auch nicht vor der Sommerpause.“ Es folgt eine kurze Pause, in der Götzl versucht, die Zeug_innen für den Nachmittag zu erreichen, um zu fragen, ob sie auch früher Zeit hätten. Nach zehn Minuten geht es weiter. Götzl verkündet, dass er die Zeug_innen nicht erreicht habe. Um 10.34 Uhr folgt die Mittagspause.

Um 13.05 Uhr geht es weiter. Zeugin ist dann Frau H., eine direkte Nachbarin der Frühlingsstraße 26. Sie schildert, wie sie am 4. November 2011 gegen 15 Uhr mit ihrer Tochter im Auto in die Frühlingsstraße gefahren sei und dann gesehen habe, dass das Nachbarhaus gebrannt habe. Sie habe ihr Fahrzeug in der Einfahrt ihrer Eltern, die nebenan wohnen, geparkt. Dann habe sie die Bewohnerin des Hauses getroffen und gefragt, was denn hier passiert sei. Die Frau habe sich umgedreht, sei sehr erschrocken gewesen, habe zwei Katzenkörbe abgestellt und gefragt, ob sie, H.,  mal kurz aufpassen könne. Dann sei die Frau zurück in Richtung des Hauses, Richtung Veilchenweg, gegangen. Dann habe sie, H., gedacht, es müsse ein Notruf abgesetzt werden und habe das wohl auch selbst gemacht. Auf Nachfrage Götzls sagt sie, an das Gespräch könne sie sich nicht genau erinnern, sie habe wohl gesagt, was ist denn hier los. Die Frau habe einen erschrockenen Eindruck gemacht, und sie, H., habe in dem Moment gedacht, dass die Frau vielleicht den Herd angelassen habe. Sie habe dann gesagt, die Frau könne die Körbe abstellen, sie werde drauf aufpassen. H. gibt an, mit dem Auto aus Richtung der niedrigen Hausnummern gekommen zu sein. Eigentlich hätte sie noch um die Hausnummer 26 herumfahren müssen, um in ihre Garage zu kommen, weil der Veilchenweg eine Einbahnstraße sei. Zwischen der Einfahrt ihres Elternhauses und dem Fußweg an der Ecke sei sie auf die Frau getroffen. Götzl will wissen, woran H. den Schreck der Frau erkannt habe, ob am Gesichtsausdruck oder an Äußerungen. H antwortet, an beidem, die Frau habe etwas gesagt wie „Ach, du Schreck“. H. gibt an, sie könne die Bekleidung der Frau nicht beschreiben. Die Frau habe auch nicht gesagt, was sie jetzt macht. Auf Frage sagt H., sie habe die Frau nur vom Sehen gekannt. Sie habe die Frau dem Haus Nummer 26 zugeordnet und sei davon ausgegangen, dass sie im ersten Obergeschoss wohne. Sie habe nicht gewusst, aber „gedeutet“, dass dort zwei weitere männliche Personen gewohnt hätten, „weil man doch Leute ein- und ausgehen sieht“. Zu diesem Personen könne sie eigentlich gar nichts sagen. Die Frau habe sie gegrüßt, die Männer nicht. Zu einem Wortwechsel sei es nie gekommen. Götzl fragt, ob sie eine Tasche oder Gegenstände an der Frau gesehen habe. H. verneint das, sie habe auch kein Handy gesehen. Dann fragt Götzl, ob ihr Ehemann Beobachtungen gemacht habe, von denen er berichtet habe. Ihr Mann habe erzählt, dass er auch einen kurzen Wortwechsel mit der Frau gehabt habe, ob sie schon einen Notruf abgesetzt habe. Ihr Mann sei etwas eher am Grundstück gewesen. Sie habe ihr Kind aus dem Hort geholt und sei dann noch zusammen mit ihrem Mann und ihrem Kind auf dem Friedhof gewesen. Die beiden Männer könne sie nicht näher beschreiben. Die Männer hätten einen kurzen Haarschnitt gehabt und seien zwischen 1,70 und 1,80 m groß gewesen. Der eine sei eher Anfang, der andere eher Mitte bis Ende 30 gewesen. An die Geschwindigkeit, mit der sich die Frau entfernt habe, könne sie sich nicht erinnern, so H. Das weitere Brandgeschehen habe sie versucht, nicht zu verfolgen, eine Explosion habe sie nicht wahrgenommen. Dann hält Götzl aus Vernehmungsprotokollen vor. Götzl sagt, H. habe ausgesagt, dass die Frau links und rechts jeweils einen Korb getragen habe, dass H. auf die Frau zugegangen sei und sie sinngemäß gefragt habe, was denn hier los sei, weil sie gewusst habe, dass sie in dem Haus wohne; die Frau habe sich umgedreht und überrascht gezeigt und habe gesagt, ach, du Scheiße. H bestätigt das. Dann hält Götzl vor, dass sie ausgesagt habe, dass ihr Mann ihr später erzählt habe, auch er habe einen Wortwechsel mit der Frau gehabt, die Frau habe ein Handy in der Hand gehabt. RA Heer, Verteidiger von Zschäpe, beanstandet die Frage. Die Zeugin habe eine lebendige Erinnerung. Die Verteidigung Zschäpe halte es allgemein nicht für zulässig, wenn Götzl, so wie das hier zur Regel werde, durch Vorhalte alles aus den Vernehmungen in die Verhandlung einzuführen. Der Vorhalt diene der Erinnerungsauffrischung, zum Handy sei noch nicht gefragt worden. Götzl sagt, er habe dazu gefragt, der Vorhalt sei ein Vernehmungsbehelf, es komme auf die Antwort an. Götzl fragt H., ob ihr Mann von einem Handy erzählt habe. H. sagt, er habe erzählt, dass er mit der Frau kommuniziert habe wegen des Absetzens eines Notrufs. Wenn sie sich richtig erinnere, habe er gesagt, dass die Frau mit einem Handy dort gewesen sei. Ihr Mann habe erzählt, so H., dass die Frau den Veilchenweg nach unten gegangen sei. Götzl fragt, was eigentlich aus den Katzen geworden sei. H.: „Die hat dann das Ordnungsamt übernommen.“ Wie die Männer und die Frau zueinander gestanden hätte, könne sie nicht sagen. Götzl sagt, sie habe angegeben, dass sie einen der Männer als den Freund der Frau bezeichnen würde. Sie habe immer interpretiert, dass einer der Freund und der andere der Bruder oder ein anderer Freund seien, so H.

Dann geht es um vorgelegte Lichtbilder. H. geht nach vorn zum Richtertisch. Sie habe nirgendwo hundertprozentig sagen können, das sei der- oder diejenige, so H. Es wird ein Bild, vermutlich ein Urlaubsfoto, gezeigt, auf dem Zschäpe im Profil zu sehen ist. Hier habe H. bei der Vernehmung angegeben, dass es sich um die Person aus dem Anwesen 26 handeln könne, so Götzl. Bei einem weiteren Bild, das Mundlos zeigt, habe sie angegeben, dass es sich um die Bezugsperson der Frau handeln könne. Götzl sagt, H. habe in ihrer Vernehmung ausgesagt, sie habe den Mann schon mit der Frau gesehen. Dazu könne sie jetzt keine näheren Angaben mehr mache, so H. In einer weiteren Vernehmung habe sie in Bezug auf die Frau mit den Katzenkörben von „Frau Zschäpe“ gesprochen, so Götzl. Wie sie darauf gekommen sei, will er wissen. H.: „Sicherlich weil es zu dem Zeitpunkt um diesen Namen ging.“ Sie sei wohl unbewusst davon ausgegangen, weil der Name veröffentlicht worden sei. Dann geht es kurz um den Brand. Danach fragt Götzl, ob im Gespräch mit der Frau noch die Rede von weiteren Personen im Haus gewesen sei. Das verneint H. Eine Richterin fragt, ob noch eine weitere Frau auf dem Bürgersteig gewesen sei. H. bejaht das, die Frau habe auch dort geparkt.
Nach Nebenklagevertreter RA Langer, der noch einmal zur Zuordnung der Wohnung fragt, fragt RA Schön, ob H. noch weitere Bewohner des Hauses 26 und 26a kenne. H. berichtet von zwei Männern und einer älteren Frau. Einen Herrn B. [Zeuge vom 27. Verhandlungstag] kenne sie nicht persönlich. Ob man da so isoliert voneinander lebe, will Schön wissen. Das könne man so nicht sagen, antwortet H., aber aber man sei berufstätig und habe eine eigene Freizeitgestaltung. Über Versammlungen bei B. wisse sie nichts. RA Stolle fragt zum so genannten Siedlerfest. Das gebe es schon sicher zehn Jahre, sie wolle sich aber nicht festlegen, antwortet H. Es werde wohl vom Siedlerverein der Weißenborner Siedlung veranstaltet. RA Kaniuka fragt, ob Frau H. bauliche Veränderungen am Haus aufgefallen seien, etwa Blumenkästen, was H. verneint. Es folgt RA Heer, der zunächst zur zweiten Frau fragt. Die könne sie nicht näher beschreiben, so H. An weitere anwesende Personen könne sie sich nicht erinnern. Nach Vorhalt aus ihrer Zeugenvernehmung sagt H., es könne gut sein, dass noch andere Personen da waren, mit jemandem am Dachfenster habe sie noch kommuniziert, ob sie noch ein Notruf absetzen solle. Heer fragt zur Distanz zwischen H. und der Frau mit den Katzenkörben. H. sagt, es seien vielleicht ein bis zwei Meter gewesen. Dann werden H. Skizzen vorgelegt, auf denen sie bei der Polizei die Standorte der Personen und Fahrzeuge eingezeichnet hat. Die zweite Skizze zeige, in welche Richtung die Frau weg gegangen sei, so H. Das Gespräch sei sehr kurz gewesen, sagt H., es habe keine 30 Sekunden gedauert. Dann fragt Heer zu Straftaten in der Wohngegend. H. berichtet von Einbrüchen, bei einem sei ein Mann gefesselt worden und in der Folge ums Leben gekommen. Sie könne sich an zwei Einbrüche erinnern, es habe sicherlich mehrere gegeben.
RAin Sturm, Verteidigerin von Zschäpe, fragt, ob H. einschätzen könne, wie oft sie der Frau begegnet sei. Eher einmal im Monat, so H. Ob sie sich sicher sei, dass die beiden Männer dort gewohnt hätten, will Sturm wissen. Sie frage deshalb, weil H. in einer älteren Vernehmung ausgesagt habe, sie habe einen der Männer für den Freund gehalten. Götzl beschwert sich, das sei schon gefragt worden. Nach kurzem Hin und Her hält Sturm H. vor, sie habe ausgesagt, sie habe die Frau auch schon mit zwei Männern gesehen, als sie mit Fahrrädern gekommen seien. Da sei nicht die Rede davon, dass die Männer da gewohnt hätten. Ob sie schon damals die Männer der Wohnung zu geordnet habe, fragt Sturm. H.: „Ja, nach meinem Empfinden.“ Dann fragt noch einmal Götzl. Er will wissen, ob H. wahrgenommen habe, dass Personen im brennenden Anwesen gewesen seien. H. sagt, sie habe davon nichts gewusst, nur von anderen Anwohnern habe sie erfahren, dass noch eine ältere Frau drin gewesen sei, die von Verwandten herausgeholt worden sei.

Es folgt der Zeuge H., Ehemann der letzten Zeugin. Er sagt, es sei schnell berichtet, was am 4. November vorgefallen sei. Er habe sein Auto in seiner Garage im Veilchenweg geparkt. Dann habe er einen lauten Knall gehört und eine riesige Staubwolke auf sich zukommen sehen. Als diese verzogen gewesen sei, habe er ein starkes Feuer in der Nummer 26, 1. Obergeschoss gesehen, da habe die Wand gefehlt. Auf der Straße habe er dann mit dem Handy die Feuerwehr gerufen. Dann sei ihm kurz darauf die Angeklagte zügigen Schrittes entgegen gekommen und über die Trümmer gestiegen. Darüber sei er erstaunt gewesen. Als sie auf seiner Höhe gewesen sei, habe er sie kurz gefragt, was los sei und ob sie die Feuerwehr verständigt hab. Sie habe mit Ja geantwortet und sei dann den Veilchenweg bergab gegangen. Er selbst sei dann zu seiner Familie gelaufen und dann sei die Feuerwehr gekommen. H. beschreibt den Weg zu seiner Garage, er habe zunächst am Haus Frühlingsstraße 26 vorbei fahren müssen, dabei habe er aber keine Anzeichen eines Brandes wahrgenommen. Auf Frage Götzls sagt H., er kenne die Angeklagte nur vom Sehen. Sie habe dort mit zwei jungen Männern gewohnt. Die beiden hätten kurze Haare gehabt, der eine sei etwas größere gewesen als der andere. Er habe nie mit den beiden gesprochen, auch nicht mit der Angeklagten, sie nicht einmal gegrüßt. Als er am Brandtag dann zu seiner Frau gegangen sei, seien da schon mehrere Personen gewesen, sagt H. Katzenkörbe habe er nicht gesehen, seine Frau habe ihm im Nachhinein aber davon berichtet, und dann sei eine Polizistin gekommen und habe die abgeholt. Zur Kleidung der Frau könne er nichts mehr sagen, er wisse aber, dass sie in der linken Hand ein farbiges Telefon gehabt habe. Er denke, sie habe gerade angesetzt zu telefonieren. Nachdem er den ersten Schock verdaut gehabt habe, habe er sie dann verfolgt bis zur Ecke Veilchenweg/ Fliederweg, um auszuschließen, dass sie zusammenbricht, es seien ja auch Bahnschienen in der Nähe. Zum Ablauf sagt er, er habe zunächst versucht, die Feuerwehr zu erreichen, das habe gedauert, er habe gehört, dass die Feuerwehr kommt, dann habe er ein wenig ausgeharrt und dann sei er hinterher, um zu schauen, wo die Angeklagte hin sei, dann sei er zu seiner Familie. Götzl möchte wissen, wann das Gespräch mit der Frau gewesen sei. H. sagt, das sei gewesen, nachdem er versucht habe, die Feuerwehr zu erreichen. Von den Lebensgewohnheiten der Bewohner habe er nicht viel mit bekommen. Die Frau habe Wäsche aufgehängt und sei zum Bäcker gegangen. Fahrzeuge habe er gesehen, es sei aber schwierig gewesen, diese zuzuordnen. Er habe ein Wohnmobil gesehen, das gleiche oder ein baugleiches, das in Eisenach gestanden habe. Es habe wohl eineinhalb Wochen da gestanden, es sei schwierig zu sagen wann, aber wohl im Sommer.

Die Frau habe keinen panischen Eindruck gemacht, als er ihr begegnet sei, sie sei zügig gegangen. Er berichtet vom Brand, die fehlenden Mauerstücke hätten auf dem Veilchenweg gelegen. Sie seien etwa gegen 15 Uhr angekommen, wann der Knall gewesen sei, könne er nicht mehr genau sagen. Götzl hält ihm vor, er habe ausgesagt, dass er um 15.08 Uhr die Feuerwehr angerufen habe, weil er auf die Uhr geschaut habe. H. sagt, dann sei das wohl so gewesen. RA Heer sagt, der Zeuge differenziere nicht genau, was er erinnere. Götzl fragt noch einmal. H. sagt, wenn er das zu Protokoll gegeben habe, dann sei es so gewesen. Kurz danach sei er der Frau begegnet. Götzl hält H. vor, er habe zu den Bewohnern gesagt, es sei „sehr spartanisch“, was damit gemeint sei. H. sagt, es sei darum gegangen, dass die mal da gewesen seien und dann wieder sechs Wochen weg. Götzl hält H. vor, er habe gesagt: „Alles was Öffentlichkeitsarbeit war, hat alles die Frau gemacht.“ Das bedeute, dass die Frau zum Bäcker gegangen sei und Wäsche gemacht habe. Die Männer seien nicht draußen gewesen oder mal zum Gartenzaun gekommen. Götzl hält vor, H. habe bei einer Vernehmung angegeben, die Frau der Höflichkeit halber doch gegrüßt zu haben. H.:“Tja, dann wird es so gewesen sein.“ Auf die Frage, ob er die jungen Männer auch mal Fahrradfahren gesehen habe, sagt H., wenn dann seien die zu dritt mit dem Rad abends spät hofwärts gekommen, aber wegfahren habe er sich nicht gesehen. Eine Regelmäßigkeit habe er nicht festgestellt. Die Fahrräder seien weiß gewesen und keine „Baumarktfahrräder“. Götzl hält H. vor, er habe ausgesagt, das Wohnmobil in den Tagen vor dem Brand gesehen zu haben. H. bestätigt das. Er habe gesehen, wie die Männer das Wohnmobil beladen hätten, er habe gedacht, dass die jungen Leute wieder eine Reise machen. Er habe die Personen selten gesehen, manchmal mehrere Tage hintereinander und dann wieder wochenlang nicht. In der Wohnung seien die Rollos immer unten gewesen, es habe keine laute Musik gegeben, wo man sich als Nachbar beklagen könne. Dann geht s um T4/T5-Busse, von denen H. schon in früheren Vernehmungen berichtet habe. H. bestätigt das, da seien auch die Fahrräder drauf geladen worden. Es seien auch mal Freunde der Angeklagten gekommen, die habe er aber nicht genau zuordnen können. Zur Häufigkeit der Besuche könne er nichts sagen und er könne auch keine Personen beschreiben. Nach einer Pause geht es um 15.12 Uhr weiter. Götzl fragt, ob H. in Bezug auf die Frau eine Brille in Erinnerung habe. H. sagt, er habe keine Erinnerung mehr. Götzl hält ihm vor, er habe ausgesagt, sie habe eine Brille aufgehabt. Dann sei das so korrekt, er könne das jetzt nicht mehr erinnern, ebenso zur Kleidung. Götzl hält weiter vor, er habe von einem roten Handy gesprochen. H.: „Es war auf jeden Fall ein farbiges, das weiß ich noch.“

Dann geht es um Lichtbildvorlagen. Bei der Inaugenscheinnahme bestätigt H., dass es diese Bilder seien, die ihm vorgelegt worden seien. Zu einem Bild des Angeklagten André E. sagt er, dass er die Person nicht kenne. Bei zwei Bildern sagt er, die Personen kämen ihm bekannt vor, das seien die jungen Männer, die mit dort gewohnt hätten. Auf Bild 8, das Zschäpe zeigt, erkenne er die Angeklagte, so H. Der Rest sage ihm nichts. Götzl hält vor, er habe damals ausgesagt, auf Bild 4, das Mundlos zeigt, einen der beiden jungen Männer erkannt zu haben und auf Bild 8 die junge Frau, die ihm nach dem Brand aus Richtung des Hauses entgegen gekommen sei. Dann geht es um ein Bild aus einer Überwachungskamera der Sparkasse, das Zschäpe in roter Jacke zeigt. Dabei sei es um die Kleidung gegangen, so H. H. sagt, so in etwa sei die Kleidung am Tag des Brandes gewesen. Dann werden ihm Lichtbilder von Kleidungsstücken vorgelegt, zu denen er jedoch nichts mehr sagen kann. Die Bundesanwaltschaft fragt, ob H. die drei Bewohner mit Kindern gesehen habe. H. sagt, er könne sich nicht erinnern, Auseinandersetzungen zwischen den Personen habe er ebenfalls nicht wahrgenommen. Nebenklagevertreterin RAin Kaniuka fragt zu den Trümmern. H. sagt, die hätten mitten auf der Straße gelegen und er sei erstaunt gewesen, dass die junge Frau ihm so schnurgeradeaus entgegen gekommen sei, das sei schon sehr wagemutig gewesen: „Ich dachte, mein Gott, was macht die junge Frau denn hier.“ Er habe nicht gesehen, dass die Frau aus dem Haus gekommen sei, sie sei ihm in der Mitte des Veilchenwegs entgegen gegangen. Auf Frage von RA Stolle sagt H., dass der Knall gewesen sei, bevor er die Angeklagte gesehen habe. Eine Nebenklagevertreterin fragt, wie weit der Bahnhof vom Haus weg sei. H. sagt, etwa einen Kilometer, es gebe keinen Taxistand und der Bus fahre unregelmäßig. RA Matt fragt, ob H. noch andere Geräusche nach dem Knall wahrgenommen habe, was H. verneint. RA Erdal sagt, H. habe angegeben, die Frau sei nicht gerannt. H. bestätigt das. Erdal: „Heißt das, sie hat sich nicht beeilt, die Oma zu retten?“ Götzl beanstandet, von der Oma sei nicht die Rede gewesen. RA Heer, Verteidiger von Zschäpe, fragt, wie der Ablauf der Vernehmung gewesen sei. H. fragt, welcher Vernehmung. Heer antwortet, H. sei nur einmal vernommen worden, muss sich aber von Götzl korrigieren lassen. Er fragt dann zur Vernehmung vom 16. November 2011. H. sagt, eine junge Polizistin habe Protokoll geschrieben, die habe wörtlich protokolliert, es sei zwischen Frage und Antwort differenziert und nicht zusammen gefasst worden. Er habe hin und wieder absetzen müssen, damit die Beamtin mit kommt. Der Begriff Öffentlichkeitsarbeit stamme von ihm selbst. Heer fragt, was damit gemeint sei. Es gehe darum, dass immer wenn „Publikumsverkehr“ gewesen sei, Zschäpe das übernommen habe, so H. Götzl beschwert sich, diese Frage hab er so schon gestellt. Dann folgt RAin Sturm. Sie will wissen, ob die Frau noch auf H. zugelaufen oder schon vorbei gewesen sei, als sie das Gespräch hatten. H. sagt, das Gespräch habe quasi im Vorübergehen stattgefunden, er habe sie angesprochen, sie habe ihn angeschaut, habe geantwortet und sei dann, ohne sich zu drehen, weg gelaufen. Wie lange es gedauert habe, bis er ihr hinterher gelaufen sei, will Sturm wissen. H. sagt, einige Minuten. Er habe in der Zwischenzeit auf das brennende Haus geschaut. Der Abstand zur Frau sei an der Garage vielleicht ein Meter gewesen. H. sagt auf Frage von RAin , Verteidigerin Wohllebens, er habe den Brand noch etwa eine Stunde beobachtet. Ihr Kind hätten sie zu seinen Eltern gebracht, wo sie selbst übernachtet haben, wisse er nicht mehr. Er habe die Löscharbeiten und den Einsatz des Bagger von seinem Wohnhaus beobachtet. Es sei alles abgesperrt gewesen. ob er einen Bauzaun wahr genommen habe, will Schneiders wissen. Zunächst sei bei den Löscharbeiten abgesperrt worden, alles habe nach einem Katastropheneinsatz ausgesehen. Es sei recht weiträumig abgesperrt worden. Schneiders will wissen, ob Angehörige auf das Grundstück der H.s gelangen konnten. H. verneint das, es sei alles abgesperrt gewesen. Nach dem psychiatrischen Sachverständigen Saß fragt der Brandsachverständige Setzensack, wieviel Zeit zwischen dem Knall und dem Zusammentreffen mit Zschäpe vergangen sei. H. sagt, das sei schwierig, es könne eine Minute gewesen sein oder zwei Minuten. Götzl fragt noch einmal nach weiteren Geräuschen nach dem Knall. H. antwortet, ihm habe das Dachgeschoss nicht gefallen, er habe Angst um sein eigenes Haus gehabt. Da habe es eine dumpfe Detonation gegeben, es sei schwer zu sagen woher. Götzl sagt, H. habe früher von drei dumpfen Knallgeräuschen geredet. H. sagt, an die dumpfen Geräusche könne er sich erinnern. RAin Sturm sagt, H. habe von einem Schock gesprochen. Sie will wissen, aber wann er sich unter Schock gefühlt habe. H.: „Naja, Schock, eher erschrocken.“ Das sei als die Wolke auf ihn zugekommen sei, also bevor die Frau vorbei gekommen sei. RA Matt fragt nach dem räumlichen Abstand, als H. hinter der Frau her gegangen sei. H. sagt, er habe die Frau nicht mehr gesehen: „Ist das räumlich genug?“

Der Verhandlungstag endet um 16.01 Uhr.

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