An diesem Verhandlungstag wurden mehrere Zeug_innen zum Mord an İsmail Yaşar angehört. Vor allem die erste Zeugin konnte eine beachtlich detaillierte Beschreibung und Identifizierung der mutmaßlichen Täter Mundlos und Böhnhardt geben – und das nicht nur Ende 2011 sondern schon in polizeilichen Befragungen 2005. Sie sagte auch aus, dass es sich nicht um Südeuropäer gehandelt habe, sondern die beiden „blasse Haut“ gehabt hätten. Schon vor dem Auffliegen des NSU war ihr ein Überwachungsvideo zum Anschlag in der Kölner Keupstraße gezeigt worden, auf dem sie mindestens einen der beiden „ziemlich sicher“ wiedererkannt haben will.
Zeug_innen:
- Beate K. (sah am Tattag zweimal etwa zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes zwei Fahrradfahrer)
- Margaret S.-E. (sah Yaşar noch lebend am Vormittag des 9. Juni 2005)
- Dr. Lutz B. (war am 9. Juni 2005 vormittags am Dönerimbiss von Yaşar und hat dort zwei Räder stehen sehen)
- Herbert Ma. (Kriminalbeamter, der Wahllichtbildvorlagen u.a. mit dem Zeugen Z. durchgeführt hat)
Der Verhandlungstag beginnt um 9.50 Uhr. Zschäpes Verteidiger_innen Heer und Sturm sind zunächst nicht anwesend, RA Stahl vertritt Zschäpe bis zum Mittag alleine. Anwesend sind als Nebenkläger_innen die Mutter und ein Bruder von İsmail Yaşar. Neben einem schon im Prozess tätigen Dolmetscher ist ein weiterer für die kurdische Sprache anwesend.
Es beginnt die Zeugin K. aus Nürnberg. Beate K. hatte am 9. Juni 2005, dem Tag, an dem İsmail Yaşar ermordet worden, zweimal zu verschiedenen Zeitpunkten zwei Radfahrer in der Nähe des Tatortes in der Nürnberger Scharrerstraße gesehen. Sie berichtet, es sei ein Donnerstag gewesen und sie habe am Morgen einen Termin in der Schule ihres Sohnes gehabt. Sie sei mit dem Fahrrad zur Schule gefahren, von ihrer Straße in die Zerzabelshofstraße. Dort habe sie zwei Radfahrer mit einem Stadtplan gesehen. Das habe ausgeschaut, als ob sich die beiden nicht auskennen würden. Sie habe überlegt, stehen zu bleiben, habe aber zu ihrem Termin gemusst. Nach der kurzen Unterredung mit dem Lehrer sei sie die Scharrerstraße wieder rauf gefahren. Sie habe nicht schnell fahren können. Am Dönerimbiss von Yaşar habe sie die beiden Männer wieder gesehen, der eine habe dem anderen etwas in einer Plastiktüte in den Rucksack gesteckt. Sie habe sich gewundert, dass bei der Bude der winkende Dönermann, der sonst immer da gewesen sei, nicht draußen gestanden habe. Sie habe überlegt: „Nanu, muss er noch etwas besorgen.“ Was dann passiert ist, habe sie erst gehört als ihr Sohn nach Hause gekommen sei. Sie sei dann hin und habe dem erstbesten Beamten erzählt, was sie gesehen habe. Zum Zeitpunkt befragt, antwortet K., sie könne sich in der Stunde irren, ob es neun oder zehn Uhr war, aber es habe sich in einem Zeitraum von einer halben Stunde abgespielt. Wenn sie die Männer beschreiben müsse, würde sie das Wort „Spargeltarzan“ benutzen, so K. Sie seien groß und dünn gewesen, einer habe abstehende Ohren gehabt; sei seien schwarz gekleidet gewesen, mit Rucksack und Käppi auf. Götzl fragt, ob beide ein Käppi aufgehabt hätten. K. sagt, nur einer. Von der Hautfarbe seien sie eher nicht südländisch gewesen: Wenn sie sie einordnen müsse, würde sie sie in eine nördlich Region einordnen, weil sie ein wenig blass gewesen seien. Die Räder seien zwei Herrenräder gewesen. Zum ersten Mal habe sie die Männer in der Nähe einer Litfaßsäule in der Zerzabelshofstraße gesehen. Dort hätten die Männer auf dem Radweg gestanden. Sie habe langsam vorbei gemusst, weil die Männer den Radweg blockiert hätten. Das sei etwa 500m und vielleicht drei Minuten von der Dönerbude entfernt. Der Dönerstand sei schräg gegenüber von der Scharrerschule.
Sie geht nach vorn an den Richtertisch, um ihren Weg anhand des Kartenausschnitts, der auch gestern schon der Zeugin N. gezeigt worden war, zu erläutern. Der Bereich des ersten Zusammentreffens sei nicht auf der Karte, so K. Sie bestätigt aber, dass das zwischen der Schloss- und der Scharrerstraße gewesen sei. Sie habe die beiden, als sie sie das erste Mal gesehen habe, von der Seite angeschaut, wisse aber nicht, ob die Männer sie angesehen hätten. Gesehen habe sie die Männer vielleicht so eine Minute. Als sie die Tüte in den Rucksack gesteckt hätten, habe sie gedacht, dass sie vielleicht einen Döner wollten, aber die Bude habe noch nicht auf. Der Termin mit dem Lehrer sei wohl um 9.45 Uhr gewesen, so K. Bei der zweiten Situation habe der eine am Fahrrad mit dem Rücken zu ihr gestanden, der andere habe in ihre Richtung geschaut, weil er angekommen sei und dem anderen den Gegenstand in den Rucksack gepackt habe. Den Gegenstand habe sie sich so erklärt, dass sie in ihrer Tasche auch immer einen Regenschirm in einer Tüte dabei habe, so habe das für sie ausgesehen. Die Räder hätten genau bei dem Dönerimbiss gestanden, seitlich neben dem Eingang der Bude an einem Gartenzaun. K.: „Und wenn sie mich fragen, warum ich das gesehen habe, wir hatten auch da eine Baustelle, auf beiden Seiten Absperrgitter, da musste man sehr langsam fahren.“
Der Mann, der den Gegenstand in den Rucksack gepackt habe, habe sich für einen kurzen Moment mit dem Gesicht zu ihr gedreht. Sie sei dann nach Hause gefahren. Die Unterredung mit dem Lehrer habe nicht länger als eine Viertelstunde gedauert. Sie habe sich an der Schuluhr orientiert, zu dem Zeitpunkt sei sie ohne Armbanduhr unterwegs gewesen. Sie habe sich immer instinktiv an Uhren an Schulen oder Kirchen orientiert. Die Differenz zwischen den beiden Malen, als sie die zwei Männer gesehen habe, sei 25, 30 Minuten gewesen. Auf Nachfrage konkretisiert K., dass sie sich an der Schuluhr der Scharrerschule orientiert habe, nicht an der Schule, wo sie den Termin hatte. Sie habe den Zeitpunkt deswegen damals so genau gewusst, heute wisse sie das aber nicht mehr genau. Auf die Größe der beiden Männer angesprochen, sagt N. sie schätze sie auf 1,80m bis 1,85m. Sie wisse nicht mehr, ob beide Rucksäcke gehabt hätten, einer habe auf jeden Fall einen gehabt. Götzl fragt nach Besonderheiten im Aussehen. N: antwortet, einer habe ein bisschen ein abstehendes Ohr gehabt. An eine Sonnenbrille kann sie sich auf Nachfrage erinnern.
Götzl fragt nach Lichtbildvorlagen. K. antwortet, sie habe bei einem der „Besuche“ bei der Polizei – „Zeugenvernehmung“ oder „Verhör“ klinge so schrecklich – bei der Videosequenz vom Nagelbombenanschlag gesagt, sei sei sich sehr sicher, dass sie „den gesehen habe“. Götzl fragt, welchen Mann sie gesehen habe. K. antwortet, sie habe das festgemacht an der Statur, dem Käppi und dem Ohr. Sie sei sich da sehr sicher gewesen, aber wenn man sich nicht „hundertfünfzigprozentig“ sicher sei, müsse man vorsichtig sein. Sie könne nicht sagen, „das war der Herr soundso und das der Herr soundso.“ In der Videosequenz sei nicht ein und dieselbe Person zweimal zu sehen, das seien zwei verschiedene Personen und die schauten so aus, wie die die sie in Nürnberg gesehen habe. Sie habe sich das auch vergrößern lassen. Das Gesicht sei sehr markant, und auch das Ohr. Veröffentlichungen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe habe sie „nach der Verhaftung“ gesehen. Am Abend, „wo dieses Haus explodiert ist“, seien Fotos gekommen und da habe sie zu ihrem Sohn gesagt, das seien doch die auf den Fahndungsfotos. Sie habe sich dann gefragt, wann sich wohl die Polizei bei ihr melden würde. Götzl fragt, um welche Fahndungsfotos es gehe. K. sagt, die hätten so ausgeschaut wie auf den Phantombildern. Sie habe nach 2005 auch immer mal wieder bei der Polizei nachgefragt, ob da was passiert, aber irgendwann schließe man ab. Nach der Verhaftung habe sie auf vorgelegten Fotos die zwei Männer erkannt, deren Namen sie sich nicht merken könne. Nach einer Pause nennt sie die Namen Böhnhardt und Mundlos. Anhand der Fotos, die auch „über die Bildschirme flatterten“, habe sie gesagt, das seien die beiden, die sie gesehen habe.
Dann geht es wieder um den Zeitpunkt. Götzl hält K. vor, sie habe angegeben, das Haus um 9.40 Uhr verlassen zu haben. Sie habe angegeben, die Männer etwa 20 Minuten nach dem ersten mal erneut gesehen zu haben, so Götzl. K.: „Ja, so circa.“ Dann geht es um die Lage der Räder. Götzl hält vor, sie habe einmal davon gesprochen, die Räder hätten im Grünstreifen links neben der Dönerbude gestanden und die Räder hätten hinten raus geschaut, sich bei der nächsten Vernehmung aber korrigiert, nachdem sie sich die Örtlichkeit nochmal angeschaut habe. Sie habe angegeben, die Räder seien nicht am Zaun, sondern am Steinhaufen links gewesen. K. bestätigt das, an den Steinhaufen erinnere sie sich, weil dort der Gehweg gemacht worden sei. In einer Pause bis 10.50 Uhr wird ein Bild von der Dönerbude heraus gesucht. Bei der folgenden Inaugenscheinnahme des Fotos deutet K. auf einen Steinhaufen und sagt, dort hätten die Räder gestanden. In ihrer Vernehmung vom 10. Juni 2005 habe sie von längeren bis zu den Backen reichenden Koteletten bei einem der Männer gesprochen, so Götzl. Er will wissen, ob sie noch in Erinnerung habe, bei wem das war. K. sagt, sie wisse das nicht mehr. Götzl sagt, sie habe angegeben, dass es der Mann gewesen sei, der die Tüte in den Rucksack gesteckt habe. Auch das wisse sie jetzt nicht mehr, so K. Sie bestätigt aber die Angabe, dass sich beide von Statur und Frisur ziemlich ähnlich gewesen seien, wie Zwillinge.
Weiter hält Götzl vor, sie habe ausgesagt, es seien keine Türken oder „Südländer“ gewesen, sondern beide hätten helle Haut gehabt, was K. ebenfalls bestätigt. Götzl hält vor, sie habe in Bezug auf das Überwachungsvideo aus Köln, das ihr vorgelegt worden ist, gesagt, dass sich die beiden Männer im Video sehr ähnlich seien; es könne sich um ein und dieselbe Person oder um ein Brüderpaar handeln. Weiter habe sie ausgesagt, dass sie sich, wenn sie die im Video gezeigten Personen mit denen vergleiche, die sie in Nürnberg gesehen habe, ziemlich sicher sei, dass jeweils eine Person aus dem Kölner Video mit einem von ihr gesehenen Radfahrer identisch sei.
Von der Gestalt und der Gesichtsform her stimmten die „Kölner“ mit den von ihr in Nürnberg gesehenen überein. K. bestätigt das. Weiter hält Götzl vor, sie habe angegeben, die Männer in Nürnberg zunächst von der Seite und später von hinten gesehen zu haben; sie sei sich aber sicher, dass deren Bewegungsablauf mit dem der auf den Kölner Videos gezeigten Männern identisch sei. Auch das bestätigt K. Sie habe dieses Bauchgefühl, so K. Für sie sei eigentlich klar gewesen, nachdem sie die Sequenz drei- oder viermal gesehen habe, dass es die Personen seien, die sie gesehen habe. Sie habe sich den Kopf „herzoomen“ lassen und auch an der Kopfform und dem Ohr habe sie es festgemacht. Götzl hält vor, sie habe 2006 ausgesagt, sie könne nicht mit Sicherheit sagen, ob es dieselbe Personen seien. K.: „Ja, das stimmt, des steht auch so im Protokoll.“ Im Protokoll stehe, so Götzl, dass sie die Personen, die sie gesehen habe, auf 25 bis 35 Jahre schätze. K. bestätigt das. Dann geht es um die Tüte. Es sei eine gelbe Tüte mit bunter Aufschrift gewesen, so K. Die Aufschrift habe sie nicht erkennen können, sie glaube aber „Olymp and Hayes“ [phonetisch]oder „Olymp and Hades“, einem Bekleidungsgeschäft. Eine solche Tüte habe sie später einmal gesehen. In der ersten Vernehmung habe sie von einer gelben, zusammen gedrehten Plastiktüte gesprochen, so Götzl. K. sagt, man tue den Regenschirm in die Tüte und drehe die Tüte dann darum herum. Götzl hält weiter vor, sie habe von einem 20 bis 25 cm langen Gegenstand gesprochen und gesagt, wenn sie ihren Regenschirm einstecke, sehe das genauso aus. Es folgt eine Inaugenscheinnahme mehrerer Wahllichtbildvorlagen und eines Zeitungsausschnittes der „AZ“, die K. 2011 vorgelegt worden waren. K. sagt, sie wisse nicht sicher, ob das die Lichtbilder gewesen seien, die sie gesehen habe. Auf einen der Blätter deutet sie auf den abgebildeten Mundlos mit der dortigen Nummer 2. Auf einem anderen Blatt deutet sie auf Böhnhardt mit der Nummer 7. Götzl hält vor, sie habe bei der Vernehmung auf diesem Blatt aber die Person mit der Nummer 2 [unbekannte Person]als vom Typ her ähnlich, aber nicht die Person, die sie gesehen habe, bezeichnet. Auf der Kopie des Zeitungsausschnittes sind die bekannten Bilder von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zu sehen. K. sagt, das seien die Fotos gewesen, die sie zuerst gesehen habe. Sie habe dort die mittlere Person [Böhnhardt] wieder erkannt. Zuletzt wird ein Foto eines wohl zur Reise gepackten Autos gezeigt, auf dessen Dach sich Räder befinden. K. sagt, sie könne die Räder auf dem Bild nicht vergleichen mit den Rädern, die sie gesehen habe. Götzl geht auf Differenzen in den verschiedenen Aussagen K.s zu den Lichtbildern ein. Es geht darum, welche Person es sei, die den Gegenstand in den Rucksack gepackt habe. Am 25. November 2011 habe sie diesbezüglich von der Person 2 gesprochen und am 29. November 2011 von der mittleren Person auf dem Zeitungsausschnitt. K. sagt, ihr seien sehr viele Bilder vorgelegt worden, sie sich sicher den zweiten erkannt zu haben. Götzl fährt fort, sie sei auch damals damit konfrontiert worden und habe damals gesagt, wenn sie sich die Männer anschaue, dann könnten es beide gewesen sein, sie hätten wie Zwillinge ausgeschaut.
Dann geht es um die Videosequenzen aus der Kölner Keupstraße, die ihr im Dezember 2011 noch einmal vorgespielt wurden. Sie habe angegeben, die Personen hätten von Bewegungsablauf, Statur und Größe her Ähnlichkeit mit denen, die sie gesehen habe, so Götzl. Auf die Frage, ob sie sich sicher sei, habe sie gesagt, sie habe die Gesichter nicht gesehen. K. antwortet, das hätten sie auch schon im Untersuchungsausschuss [K. hatte im bayerischen UA ausgesagt] gehabt, dass Aussagen, die sie gemacht habe, so nicht ganz protokolliert worden seien und auch abgeschwächt wurden. Sie wisse nicht, ob sie das so nicht gesagt habe, aber sie hätten „ziemlich sicher“ und „nicht ganz sicher“ gehabt, da sei von der Polizei gesagt worden, wenn sie sich nicht „hundertfünfzigprozentig“ sicher sei, könne man das so nicht sagen. Es sei schon abgeschwächt worden. Sie habe dem Mann in Nürnberg ins Gesicht geschaut. Wenn sie von „direkt ins Gesicht“ schauen spreche, meine sie nicht nur fünf Sekunden, sondern dass man vielleicht noch drei Worte wechselt.
Nebenklagevertreter Narin fragt, ob sie „ziemlich sicher“ wörtlich benutzt habe, was K. bestätigt. Sie meine damit, so K., dass sie sich sehr sicher gewesen sein. Narin bittet darum, der Zeugin das Video vorzuhalten. RA Kolloge bittet darum, Bilder von „Google Street View“ zu zeigen. Mittlerweile sind auch RA Heer und RAin Sturm da.
Nach einer Unterbrechung wird zunächst das Video abgespielt. Das seien die Sequenzen, die ihr vorgespielt worden seien, bestätigt K. auf Frage Narins, weitere seien ihr nicht vorgelegt worden. Narin fragt, ob der Bildfluss anders gewesen sei. K. sagt, ihr sei die Geschwindigkeit jetzt langsamer vorgekommen. Erkannt habe sie in den Sequenzen den Mann, der nur ein Rad schiebt. Da habe sie gewollt, dass gezoomt wird und gesagt, sie sei sich ziemlich sicher. RA Daimagüler möchte wissen, ob K. der Zusammenhang genannt wurde, weswegen ihr die Sequenzen gezeigt wurden. K. sagt, es sei gesagt worden, dass es um einen Nagelbombenanschlag gehe und dass die Bombe mit den Rädern transportiert worden sei.
Dann werden die „Street View“-Aufnahmen von der Zerzabelshofstraße gezeigt. K. erläutert, wo die Männer bei der ersten Situation gestanden hätten. RA Kolloge fragt, ob sich K. zutraue, zu sagen, ob die Männer etwas gesucht hätten, wo sie schon mal gewesen seien. Götzl beschwert sich, hier werde auf Spekulationen abgezielt. K. sagt, in dem Moment sei sie davon ausgegangen, die Männer kennen sich nicht richtig aus.
RA Reinecke fragt erneut nach den Lichtbildvorlagen. Es seien K. ja auch Bilder türkischstämmiger Personen vorgelegt worden, ob die Polizei erklärt habe, warum, will er wissen. K. sagt, sie sei gefragt worden, ob sie sich vorstellen könne, dass die „türkische Mafia“ dahinter stecke. Der Nebenklagevertreter will wissen, ob die Beamten etwas dazu gesagt hätten, dass K. von blasser Haut gesprochen habe. K. sagt, es seien ihr nicht nur Bilder von Personen türkischer Herkunft vorgelegt worden, bei vielen habe sie gesagt, dass die Personen nicht in Frage kommen, es seien viele dabei gewesen mit dunklerer Haut, die sie für Griechen, Italiener oder Spanier gehalten habe. Die Beamten hätten gesagt, diese Bilder hätten sie in der Datei, es sei Usus, dass man viele Bilder anschaue.
Dann fragt RA Stahl. Er will wissen, ob der Mann ein oder zwei abstehende Ohren gehabt habe. K. sagt, sie erinnere ein abstehendes Ohr. Dann will Stahl wissen, wann sie das das erste Mal geschildert habe. Es werden die beiden Phantombilder, die K. mit der Polizei gefertigt hat, gezeigt, auf denen keine abstehenden Ohren zu sehen sind. K. sagt, sie müsse das ziemlich am Anfang geschildert haben. In der ersten Vernehmung habe sie nicht von abstehenden Ohren gesprochen, so Stahl. Sie könne sich das nicht erklären, so K., sie wisse nur, dass es so in ihrer Erinnerung sei. Sie könne nicht wörtlich erinnern, was sie in der Befragung angegeben habe. Dann fragt Stahl, ob es in der Scharrerstraße still gewesen sei, es sei ja eine Baustelle da gewesen. K. sagt, es seien an dem Tag nur Absperrungen da gewesen, es habe keinen Baulärm gegeben.
RA Klemke, Verteidiger von Wohlleben, fragt, ob er es richtig verstanden habe, dass K. bei der ersten Vernehmung im Jahr 2011 zunächst der Zeitungsausschnitt mit den Bildern von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gezeigt worden sei und dann die Wahllichtbildvorlagen. K. bestätigt das. Nebenklagevertreter Reinecke fragt, ob K. die Bilder auf dem Zeitungsausschnitt vorher schon mal im Fernsehen gesehen habe, was K. bejaht. Sie schaue selten Nachrichten und lese keine Tageszeitung, aber die Bilder habe sie im Fernsehen gesehen und sich gedacht, das eine Gesicht komme ihr bekannt vor. Die Vernehmung endet um 12.28 Uhr.
Nach der Mittagspause geht es um 13.40 Uhr weiter mit der Zeugin Margaret S.-E. Sie berichtet, sie habe İsmail Yaşar am Morgen des 9. Juni 2005 noch vor seinem Imbiss im Liegestuhl sitzen sehen. Es sei schönes Wetter gewesen. Sie habe einen Arzttermin gehabt und habe die Straßenbahn erreichen wollen. Sie habe ihn kurz gegrüßt. In der Dönerbude sei noch ein Mann in weißer Kleidung, möglicherweise Malerbekleidung, gewesen. Der Mann habe einen Gegenstand in der Hand gehalten. Weil er den Gegenstand in Mundhöhe gehalten habe, sei sie davon ausgegangen, dass er einen Döner esse. Das sei wohl so zwischen zehn und elf Uhr gewesen. Yaşar, den sie „Herrn İsmail“ nennt, habe sie gekannt, weil sie häufiger bei ihm eingekauft hätten. Sie habe ihn als „sehr guten Menschen, als kinderlieben Menschen“ kennen gelernt. In der Straße sei eine Schule, Yaşar habe immer Angebote für die Kinder gemacht. Götzl sagt, damals habe sie angegeben, sie habe die Straßenbahn um 9.53 Uhr erreichen wollen. S.-E. sagt, es sei gegen zehn gewesen, vielleicht sei ihr dann ihr Termin beim Arzt im Kopf gewesen. Die Vernehmung endet um 13.49 Uhr. Götzl verkündet, dass der ursprünglich heute eingeplante Zeuge Z. zu einem späteren Zeitpunkt vernommen werde.
Nach einer Pause folgt die Vernehmung des Zeugen Dr. Lutz B. B. ist Professor und arbeitet für die Bundesagentur für Arbeit. Er berichtet, er habe am Nachmittag des 9. Juni 2005 einen Vortrag gehalten zur Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen. Es gebe in diesem Bereich eine gute Beschäftigungsentwicklung, seine These sei gewesen, dass manches da auch erkauft werde auf der Basis von Selbstausbeutung. Er habe sich am Dönerstand von Yaşar hin und wieder einen Döner geholt, obwohl er eigentlich kein „Dönerfan“ sei. Er sei mit der S-Bahn angekommen und habe sich gedacht: „Schaust mal, ob der schon da ist.“ Seine These sei gewesen, der „Dönermann“ sei schon um 9.30 Uhr da und bereite vor. Damit habe er seinen Vortrag beginnen wollen. Er habe den Besitzer der Bude aber nicht angetroffen. Er sei dann zur Sparkasse und habe Geld geholt. Später habe er von dem Mord gehört. Götzl fragt nach dem Standort der Räder, die B. gesehen habe. B. sagt, die hätten etwas im Weg gelegen. Möglicherweise hätten die Räder auch gelehnt. Exakt sagen, wo die Räder gelegen hätten, könne er nicht mehr sagen, er habe das aber damals mit dem vernehmenden Beamten besprochen. Personen habe er keine gesehen. Die Straßen kann er nicht mehr exakt benennen. Götzl hält vor, B. habe angegeben, um 9.57 Uhr mit der S-Bahn in Nürnberg-Dürrenhof angekommen zu sein. B. sagt, es gebe noch einen anderen Weg zu seinem Arbeitsplatz, er sei aber bewusst dorthin gegangen. In Bezug auf die Räder sagt B. seine Beschreibung sei sehr gewagt, es könne aber sein, dass es graue oder schwarze Trekkingräder gewesen seien. Er habe ausgesagt, die Räder hätten links der Tür gestanden, die Tür zum Dönerstand sei frei gewesen, so Götzl. B. bestätigt das, es sei aber auch eine ganze Zeit her. Der Stand sei verglast und im oberen Bereich geschlossen, so dass man sich ducken könne, wenn jemand interessiert hinein guckt, sagt B. aus.
Letzter Zeuge für heute ist der Polizeibeamte Ma., dessen Vernehmung am 26. Verhandlungstag unterbrochen worden war. Bei seiner Aussage geht es zunächst um eine Wahllichtbildvorlage beim Zeugen Z., der heute nicht mehr vernommen wird. Z. habe 2005 ausgesagt, dass er zwei Radfahrer gesehen habe, die die Straße gekreuzt hätten. Er habe dann Lichtbilder von Mundlos und Böhnhardt gezeigt. Zuerst habe er die Lichtbildvorlage mit Mundlos gezeigt. Da habe Z. spontan auf Mundlos gezeigt und gesagt, den kenne er. Bei der Lichtbildvorlage mit Böhnhardt habe er sich Zeit gelassen, auch mal Personen abgedeckt, und dann auf eine Person gezeigt, die nicht Böhnhardt war. Z. habe in seiner Aussage angegeben, zuerst habe eine Frau am Fußgängerweg den Weg gekreuzt, dann zwei Radfahrer. Der erste sei rüber gefahren, habe dann nach hinten geschaut, dann sei der zweite Radfahrer rüber gefahren. Z. habe angegeben, dann weiter gefahren zu sein und an der Ampel dann Schüsse gehört zu haben. In der Vernehmung 2011 habe er anders als 2005 angegeben, der zweite Radfahrer sei stehend rüber gefahren, so Ma., es seien aber auch sechs Jahre zwischen den beiden Aussagen. Er habe Z. gefragt, ob er etwas in dem Medien gehört habe. Z. habe angegeben, er nutze keine deutschen Medien, was er, Ma., für glaubhaft halte. Es folgt die Inaugenscheinnahme der Wahllichtbildvorlagen sowie der Bögen, auf denen Ma. die Reaktionen Z.s dokumentiert hat.
Auf Frage Götzls sagt Ma., Z. habe beschrieben, dass der erste Fahrer sich umgedreht habe und auch der zweite. Diese Gesten habe Z. nachgemacht und er habe das notiert. Götzl hält Ma. vor, im Vermerk stehe, dass Z. total überrascht gewesen sei, dass die Personen, die er gesehen habe, ermittelt seien. Das sei ein Beleg, dass Z. die deutschen Medien nicht verfolge, so Ma.
Dann geht es um die Vorlage der Videosequenzen aus Köln bei der Zeugin K. Sie hätten bei K. im Wohnzimmer gesessen und er habe auf dem Laptop die Videos gezeigt, so Ma. Sie seien Frau K. wohl schon 2005 gezeigt worden. Sie habe gesagt, sie sei sich sicher, dass es die Personen seien, Mundlos und Böhnhardt. Götzl zitiert aus dem Protokoll, darin stehe, von der Statur her, sie müsse aber anfügen, dass sie nicht direkt in die Gesichter geschaut habe. Ma. sagt, er protokolliere normalerweise sehr wörtlich, also werde es wohl so gewesen sein. Diskussionen um das Protokoll habe es nicht gegeben. Aus der Nebenklage wird Ma. gefragt, ob auch Z. das Video vorgespielt worden sei. Ma. sagt, das wisse er nicht. man habe sich die alten Fälle angeschaut hat und geschaut, wo man Vorlagen machen müsse. Bei Z. sei nur eine Wahllichtbildvorlage im Gespräch gewesen, warum könne er nicht sagen, so Ma. RA Narin bittet um eine erneute Inaugenscheinnahme der Wahllichtbildvorlage mit Böhnhardt. Er will von Ma. wissen, ob ihm etwas auffalle. Ma. sagt, der Gesichtsausdruck von Böhnhardt sei anders als der der anderen. Er nehme an, dass es keine anderen Bilder von Böhnhardt gegeben habe. Die Bilder seien den ermittelnden Beamten in Nürnberg vom BKA zur Verfügung gestellt worden. RA Klemke will wissen, ob Z. vor der Vorlage um eine Beschreibung der Personen gebeten worden sei, was Ma. verneint. Z. habe 2005 die Personen beschrieben. Woran Z. Mundlos erkannt habe, will Klemke wissen. Ma. sagt, er meine, daran, dass die Ohren soweit abstanden, wie bei dem Mann, den Z. gesehen habe. Nebenklagevertreter Lucas fragt noch einmal nach den Wahllichtbildvorlagen. Er will wissen, ob es sich dabei um dieselben schwarz-weißen Blätter gehandelt habe wie sie jetzt im Verfahren in Augenschein genommen worden seien; in der zweiten Zeile unter dem Bild von Böhnhardt stehe „Uwe“. Vom Senat wird eine bunte Wahllichtbildvorlage mit denselben Personen, aber ohne Text, gereicht. Ma. sagt, diese sei vorgelegt worden. Lucas: „Das wollte ich wissen.“
Der Verhandlungstag endet um 14.36 Uhr. Weiter geht es am 17. September.