Protokoll 38. Verhandlungstag – 24. Sept 2013

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Bemerkenswert an der an diesem Tag fortgeführten Vernehmung des Brandermittlers waren u.a. Fotos von den im Brandschutt der aufgefundenen Zeitungsausschnitten über die Morde: Diese stammen teilweise aus lokalen Zeitungen der Tatorte und könnten auf lokale UnterstützerInnen des NSU hindeuten. Ansonsten begann die Beweisaufnahme zum Mord an Theodoros Boulgarides durch zwei Beamte und die Anhörung seines Geschäftspartner. Er hatte Boulgarides tot aufgefunden und berichtete von den zerstörerischen Folgen der Tat und der Ermittlungsarbeit für Familie und Freunde und sein Geschäft.

Zeug_innen:

  • Brandermittler Frank L. (zeigt Fotos vom Haus und Asservaten nach dem Brand in
  • Wolfgang Fe. (Geschäftspartner im Schlüsseldienst des ermordeten Theodoros Boulgarides)
  • Polizist Rainer Hi. (Kriminaldauerdienst München, erster Beamter am Tatort)
  • Polizist Hans-Peter Kr. (Eingrenzung der Tatzeit durch von ihm durchgeführte Zeugenbefragungen)

Die Verhandlung beginnt um 9.45. Als Nebenkläger_innen sind heute Angehörige des am 15. Juni 2005 in der Münchner Trappentreustraße ermordeten Theodoros Boulgarides.

Die Sitzung beginnt jedoch mit der am 25. Verhandlungstag unterbrochenen Vernehmung des Brandermittlers L. aus Zwickau. Dieser geht im Folgenden wieder die Lichtbildmappen zum Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 durch. Gezeigt werden Übersichts- und Detailaufnahmen von beim Brand gesicherten Gegenständen. Es werden Bilder von einer Vielzahl an Dokumenten, Videokassetten, DVDs, Textilien, Schuhen und zum Teil von technischen Geräten gezeigt. Häufig weisen die Gegenstände Brandspuren auf. L. beginnt mit dem Brandbereich H, dem so genannten Schlafzimmer. Hier werden Bilder gezeigt vom geöffneten Tresor, der demontiert und gesichert worden sei, sowie von einem Karton und einer Batterie, die unter dem Bett in diesem Raum gefunden wurde. Aus dem sogenannten Katzenzimmer werden unter anderem Bilder gezeigt von schwarzen Tüchern, Turnschuhen und Basecaps, die in einer Plastiktüte verpackt gewesen seien. L. führt Bilder von Dokumenten vor, die in einem Stapel unter dem Schrank gefunden worden und von Löschwasser durchtränkt gewesen seien. Diese seien einzeln getrocknet worden, um Fingerabdruck- und DNA-Spuren zu sichern. Weiter geht es mit dem Brandbereich L, dem Gang. Man sieht hier unter anderem Bilder von Geldscheinen, die auf dem Fußboden festgestellt worden seien, so L. Auf einer Detailaufnahme ist auf einem Geldschein ein Aufdruck „Sparkasse Chemnitz“ zu sehen. Dann folgen Aufnahmen von Euroschecks und später Fotos von einer großen Zahl Banderolen für Geldscheine von verschiedenen Geldinstituten, die im Gang aufgefunden worden seien. L. geht zu den gesicherten Gegenständen aus dem Bereich N über, dem Bereich der Nachsuche, wo der Bagger in die Wohnung hinein gegriffen habe. L. zeigt zunächst die dort gefundenen Waffen. Er beginnt mit einer Waffe mit Schalldämpfer, die die Nummer W04 trägt und Brandspuren aufweist. Die „Plasteanhaftungen“, die zu sehen sind, kämen von einem Plastikbeutel, so L. Kurz drauf sieht man in einer Detailaufnahme die Aufschrift „7.65mm Modell 83“. Dann zeigt er die weiteren in N gefundenen Waffen, darunter Revolver, eine Langwaffe und eine Maschinenpistole. Danach werden Bilder von in N gefundener Munition gezeigt. L. weist darauf hin, dass man sehe, dass bereits die Verpackung der Munition zum Teil „thermisch stark beaufschlagt“ sei und Munitionsteile bereits explodiert seien. Das Bild mit der Nummer 1002 zeigt einen orangefarbenen Bibliotheksausweis mit dem Bild Beate Zschäpes, ausgestellt auf eine Frau S. R. (siehe Protokoll zum 23. Verhandlungstag). Angegeben ist auf dem Ausweis als Adresse der Bibliothek eine Anschrift in Hannover sowie eine Hannoveraner Telefonnummer. Dann folgt ein Bild, auf dem schwarzes Pulver in einem Glasbehältnis, das auf einer Waage steht, und in transparenten Tüten zu sehen ist. L. sagt, es handele sich um ca. 2,5 kg Sprengstoff, der im Bereich N aufgefunden worden sei. Ein weiteres Glas sei kaputtgegangen. Dieses Material sei unmittelbar am Fundort dem LKA übergeben worden. Ein Bild zeigt neben anderen Textilien Masken und Tücher. Bild 1018 zeigt einen Mitgliedsausweis mit dem Bild Zschäpes, auf dem ein „Tennisclub Großgründlach e.V.“ genannt ist. Ausgestellt ist der Ausweis auf „„. Das nächste Bild zeigt eine BahnCard ausgestellt auf den Namen des Angeklagten André E. Es folgt ein Foto einer AOK-Karte, ausgestellt auf Silvia R. [selber Nachname wie beim Bibliotheksausweis]. Man sieht eine Aufnahme von Passfotos, [die vielleicht den Angeklagten Holger G. zeigen]. Die nächsten Aufnahme zeigt einen weiteren Bibliotheksausweis, ebenfalls mit der Hannoveraner Adresse und dem Bild Zschäpes. Diesmal ist die Farbe aber eher pink.
Nach Übersichtsaufnahmen von zum Trocknen ausgelegten Papieren, z.B. Zeitungsartikeln und Kartenmaterial, wird eine Karte der Barmer Ersatzkasse, ausgestellt auf Uwe , gezeigt. Es folgt ein Personalausweis, ausgestellt auf und ein Reisepass, so L., „einer gewissen Beate Zschäpe“. Dann kommen Bilder von einem Personalausweis und einem Führerschein von Uwe Mundlos. Es folgen zwei weitere Personalausweise, ausgestellt auf einen Ralf H. und einen Michael F. Bild 1050 zeigt eine längliche Holzkiste mit einem Griff und zwei Löchern in der Längsseite. Die nächsten Aufnahmen zeigen den Inhalt: eine Laserwasserwaage, so L., die fest in der Kiste verschraubt gewesen sei. Auf einer Fotografie sieht man eine größere Zahl Briefumschläge. In diesen befänden sich DVDs mit dem Aufdruck „NSU„. Die Briefe seien getrocknet und an das BKA übergeben worden, sagt L.
Das nächste Bild zeigt eine Spur, die laut dem Zeugen mit Ottokraftstoff kontaminiert gewesen sei. Es seien zusammen geheftete Folien, in denen sich Zeitungsartikel befunden hätten. Sie hätten sich entschieden, diese heraus zu schneiden und zu trocknen. Die nächsten Bilder zeigen Zeitungsausschnitte. L. sagt, es handele sich um Abfolge der Morde, die in der Presse veröffentlicht worden seien. Die Nummerierung sei nicht von den Ermittlern vorgenommen worden, sondern die Zettel hätten sich mit in den Folien befunden. Gezeigt werden Bilder von verschiedenen Zeitungsartikeln aus verschiedenen, auch regionalen, Zeitungen wie der Abendzeitung aus München. Überschriften, die zu lesen sind, sind zum Beispiel: „Bub findet Sterbenden“, „Händler mit Kopfschuss hingerichtet“, „Sprengsatz verletzte 19-Jährige“, „Auftragskiller richtet das neunte Opfer hin“ und „Zeugin beschreibt den Nagelbomber“. Dazwischen wird auch ein Dokument gezeigt mit der Aufschrift „Aufnahmeantrag und Mietbedingungen“ und einem Logo mit den Buchstaben „DVR“, ausgestellt auf Susann Eminger. Nach dem Zeigen von insgesamt fast 1090 Bildern sagt L.: „Ausführung beendet.“

Nach einer Pause folgt die Befragung des Zeugen. Richter Götzl fragt nach dem Tresor. L. sagt, der Tresor sei mit einem Schlüssel zu öffnen gewesen, der aber nicht gefunden worden sei. Der Tresor sei geöffnet gewesen. Dann fragt Götzl zum baulichen Zustand des Hauses. Das Haus sein in beiden Hälften in relativ gutem Zustand gewesen, antwortet L. Die Dacheindeckung sei erst neu gemacht worden, die Holzkonstruktion der Geschossdecken sei in gutem Zustand gewesen, das sei beim Abriss nachvollziehbar gewesen. Auch die Holzkonstruktion in den beiden Treppenhäusern sei in relativ gutem Zustand gewesen, so L. Zwischen den beiden Gebäuden habe sich eine massive Wand befunden, nur der Dachstuhl sei komplett verbunden gewesen. Ein Brand, der sich auf den Dachstuhl ausbreite, ziehe den gesamten Dachstuhl in Mitleidenschaft. Das Haus sei an die öffentlichen Versorgungsnetze angeschlossen gewesen. Die Heizung sei eine Warmwasserheizung gewesen, die von einem Gaskessel befeuert worden sei. Dieser habe sich im Hausteil 26a im Keller befunden. Weitere Gasleitungen seien nicht vorhanden gewesen. Die Briefkästen hätten sie geöffnet, dort sei nichts Relevantes gefunden worden. Der gelbe öffentliche Postkasten vor dem Gebäude links sei durch die Feuerwehr beim Einsatz des Baggers entfernt und dem Polizeirevier übergeben worden. Dieses habe den an die Post übergeben, ohne ihn zu öffnen. Götzl fragt nach zur Brandzeit. L. antwortet, ein Informatiker habe den Computer aus dem Brandbereich E untersucht, dieser sei um 14.30 Uhr ausgeschaltet worden. Um 15.08 sei der Notruf bei der Feuerwehr eingegangen, gegen 15.12 Uhr oder 15.15 Uhr sei das erste Löschfahrzeug am Ort gewesen und um 15.30 Uhr sei das Feuer unter Kontrolle gewesen. Von 14.30 Uhr bis 15.08 Uhr hätten 38 Minuten zur Verfügung gestanden, in denen sich der Brand habe entwickeln können, was kurz vor 15.08 Uhr zur Explosion geführt habe, so dass um 15.12 schon ein Flächenbrand zu erkennen gewesen sei. Auf Frage von Oberstaatsanwältin Greger sagt L., es sei ihm nicht möglich gewesen, die Zimmer bestimmten Personen zuzuordnen, er habe die Bezeichnungen der Zimmer nach den aufgefundenen Gegenständen vorgenommen. Dann fragt Nebenklagevertreter RA Scharmer. Er sagt, L. habe Teelichter gefunden und Ausführungen darüber gemacht, ob diese als Zündquelle in Frage kommen. L. sagt, die Teelichter in Brandbereich E seinen nicht „beaufschlagt“ gewesen, die Teelichter aus der Küche und dem Gang aber schon. Eine offene Flamme sei durchaus in der Lage, ein Gasgemisch zu zünden, aber die Aussage, dass diese Flammen das Gemisch gezündet haben, könne er nicht treffen. Auf Frage Scharmers sagt L., im Brandbereich G und in der Küche sei Ottokraftstoff festgestellt worden, an den Teelichtern selbst sei kein Ottokraftstoff nachzuweisen gewesen. Scharmer zitiert L., der geschrieben habe, zur Zeit der Brandentstehung hätten evtl. Teelichter gebrannt, es sei nicht auszuschließen, dass diese die brandverursachende Zündquelle gewesen seien. L. sagt, die Einschätzung sei richtig. Wenn sich eine Person in der Wohnung befinde und offenes Feuer zünde, dann könne diese Person die Wohnung nicht mehr unverletzt verlassen. Scharmer erwidert, es gebe aber doch einen Zeitverzug zwischen der Entstehung des Gas-Luft-Gemisch und dem Zeitpunkt der Zündung. L. sagt, das Problem sei, dass ein Gas-Luft-Gemisch unkontrollierbar sei. Man könne nicht entscheiden, wann das Gemisch entstehe und wann das Gemisch zur Zündung komme. Scharmer fragt, ob L. andere Zündmechanismen gefunden habe, was L. verneint. RA Kolloge fragt, ob L. Spielzeug gefunden habe, was L. bestätigt. Das müsse man in den Listen des BKA nachschauen, das alle gefundenen Gegenstände dokumentiert habe. Im Keller sei auch ein Kinderfahrrad gefunden worden. RA Reinecke fragt wieder zu den Teelichtern, ob diese auf dem Boden gestanden hätten. L. sagt, in Bereich G hätten sie auf dem Boden gelegen, wo sie ursprünglich gestanden hätten, könne er nicht sagen. Im Brandbereich E hätten die Teelichter auf dem Fußboden gestanden und in der Küche auch. Reinecke fragt, ob dort die Teelichter mit dem Docht nach oben gestanden hätten, was L. bestätigt. Dann fragt Reinecke nach der Kraftstoffspur im Erdgeschoss. L. sagt, wie die Spuren von Kraftstoff dahin kamen, könne er nicht sagen. Dann will Reinecke wissen, ob es auch eine Durchbrennung an der Wohnungseingangstür rechts gegeben habe, was L. verneint. Die nächste „thermische Beaufschlagung“ sei unmittelbar dahinter festzustellen gewesen.
RAin Schneiders, Verteidigerin von , fragt zum Baggereinsatz. L. berichtet, zunächst übernehme die Berufsfeuerwehr die Leitung. Da es Informationen gegeben habe, dass möglicherweise noch zwei männliche Personen in der Wohnung sein könnten, seien zunächst diese beiden Vermissten gesucht worden. Durch den Einsatzleiter sei ein Statiker von der Stadt Zwickau beauftragt und der Einsatz des Baggers beordert worden, um die Kontrolle des Wohnhauses durchzuführen. Durch den Bagger habe das Dach angehoben werden sollen, um das Gebäude gefahrlos betreten zu können. Das sei der Einsatz des Baggers gegen 22 Uhr bis 2 Uhr, wo er, L., das Objekt übernommen habe. Schneiders hält vor, in den Akten stehe, L. habe gegen 22 Uhr das weitere Abreißen des Gebäudes untersagt. L. sagt, das müsse 2 Uhr heißen, da habe er das Objekt für alle gesperrt. Schneiders fragt nach dem Grund dafür. L. sagt, das sei das normale Vorgehen, um Spuren zu sichern, angesichts des Ausmaßes des Brandes und der Verwendung von Ottokraftstoff, den er schon selbst habe riechen können. Es sei darum gegangen, was heraus geräumt und was abgestützt werden muss und was betreten werden könne. Die Vorgabe für den Bagger sei gewesen, die Dachlast zu minimieren, damit den Leuten, die hinein gehen, nichts passiere. Schneiders hält vor, L. habe geschrieben, was der Bagger heraus geholt habe sei nachvollziehbar durch die Ablagerungen. L. sagt, der Bagger habe das, was er heraus geholt habe, nicht von A nach B transportiert oder gedreht, sondern nur aus dem Objekt herausgezogen und abgelegt. Schneiders sagt, angesichts der ausführlichen Fotodokumentation frage sie sich, wieso diese bei der Nachsuche im Bereich N ende. L. erwidert, dort sei festgelegt worden, dass die relevanten Spuren direkt in Kisten oder Beutel gepackt und zur Polizeidirektion Zwickau verbracht werden ohne eine Dokumentation vor Ort. Der Bereich sei einsehbar gewesen und die Presse habe permanent rein geschaut. Die Anweisung des Vorgesetzten sei gewesen, dass diese Teile von der eingesetzten Bereitschaftspolizei in Kisten verpackt werden. Schneiders sagt, in seiner Auflistung der eingesetzten Beamten verweise L. auf eine Auflistung des BKA, diese sei dem Gutachten aber nicht beigefügt. L. sagt, das BKA habe sie ihm nicht zur Verfügung gestellt. RA Klemke, ebenfalls Verteidiger von Wohlleben, fragt, welcher Vorgesetzte die Anweisung gegeben habe. L. sagt, es gebe im Lagezentrum eine Person, die sei ihm aber jetzt namentlich nicht erinnerlich. Klemke will wissen, ob L. bei der Nachsuche in Bereich N anwesend war. L. sagt, er sei nicht die ganze Zeit da gewesen, insgesamt habe das einen Monat gedauert. Auf Nachfrage sagt er, er sei aber bis zu den Waffen und den DVDs dabei gewesen.

RA Heer, Verteidiger von Zschäpe, bittet um eine kurze Unterbrechung zur internen Beratung. Nach der Unterbrechung sagt Heer, L. habe gesagt, die Bausubstanz sei insgesamt gut gewesen, was L. bestätigt. Heer fragt, ob L. sich auch mit den Decken befasst habe, was L. ebenfalls bestätigt. Heer fragt L. nach Hohlräumen. L. sagt, es habe nur die Hohlräume in den Zwischenwänden, in denen die Versorgungsleitungen liegen, gegeben. Als nächstes fragt der Brandsachverständige Dr. Setzensack vom LKA Bayern, er fragt zunächst nach dem gefundenen Zehn-Liter-Benzinkanister. L. sagt, es sei nur noch ein kleiner Rest Benzin in dem Kanister gewesen. Die ebenfalls gefundene Ausgusstülle könne möglicherweise zum Kanister passen, das habe er aber nicht ausprobiert. Setzensack sagt, das LKA habe bei den verschiedenen Benzinproben in der Wohnung unterschiedliche Kraftstoffzusätze gefunden, das passe nicht mit dem einen gefundenen Kanister zusammen. L. sagt, es seien keine weiteren Kanister gefunden worden. Dann fragt Setzensack nach den Elektrogeräten, die als Zündquellen in Frage kämen. L. antwortet, einige seien angeschlossen gewesen, er habe aber nicht sicher feststellen können, ob sie eingeschaltet gewesen seien. Zum Zustand der Trennwand zur Nachbarwohnung befragt, sagt L., die Wand sei verschoben worden, dadurch seien Risse entstanden und durch diese Risse hätten Rauchgase eindringen können. Dann will Setzensack wissen, ob sich unter den Schusswaffen auch durchgeladene Waffen befunden hätten. L. sagt, dass bei den Schusswaffen aus der Wohnung ein Auswurf dokumentiert sei. RA Klemke fragt, was L. mit „Auswurf“ meine. L. antwortet, dort klemme die Patrone drin, im Schlitten. Das Geschoss fliege normalerweise raus, die Hülse klemme dann oben. Er sei aber kein Experte für Waffen. Dann will Klemke wissen, wie die Suche im Brandbereich N konkret abgelaufen ist. L. sagt, es seien einige Tonnen gewesen, das könne nicht von nur zwei Personen durchsucht werden. Ab Montag sei daher Bereitschaftspolizei eingesetzt worden. Die Liste der eingesetzten Beamten liege vor. Die Beamten seien eingewiesen worden, wie sie den Brandschutt aufnehmen und transportieren müssten. Der Schutt sei an zwei Plattformen sortiert worden. Er habe noch fünf Brandermittler der Polizeidirektion Zwickau und „Kollegen USBV“ [= Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen] am Tatort zum Einsatz gebracht. Die hätten den Brandschutt untersucht. Manches, z.B. Waffen, sei gleich dort verpackt worden, wo es gefunden wurde. Es stehe ja in der Liste, wer was gefunden habe. Das ganze sei „von uns“ überwacht worden. Klemke, fragt wer mit „wir“ gemeint sei. L. sagt, er habe die Ursachenermittlung geleitet, die anderen Ermittler, die er zum Einsatz gebracht habe, hätten selbstständig gearbeitet.
Die Bereitschaftspolizei sei fünf Meter entfernt gewesen. Klemke will wissen, ob die Fläche in Sektoren eingeteilt worden sei. L. verneint das, sie hätten vorne angefangen und sich nach hinten, zur Rückwand des Gebäudes, vorgearbeitet. L. sagt, es sei ihnen durch die Bereitschaftspolizei zur Kenntnis gebracht worden, dass Waffen gefunden worden seien. Dann seien sie dort hin und hätten die Waffen in Kartons gepackt und in die PD Zwickau gebracht. Das sei dokumentiert, aber nicht fotografiert worden, es gebe ein Protokoll dazu. Klemke sagt, das habe er in den Akten nicht gefunden. L. erwidert, es sei bekannt, wer welche Waffe gefunden habe. Auf Frage von Klemke sagt L. es stehe in den Akten, wann er selbst vor Ort gewesen sei, er sei jedenfalls in der ersten Woche ständig vor Ort gewesen. Nicht nur im Bereich N, sondern im gesamten Gebäude. Das Objekt sei abgesperrt und bewacht gewesen. Klemke fragt nach der Liste, welcher Beamte was gefunden hat. L. sagt, er wisse nicht, was damit passiert sei, dazu müsse man sich ans BKA wenden. Die Vernehmung endet um 11.47 Uhr.

Nach der Mittagspause geht es um 13.05 Uhr weiter mit dem Zeugen Wolfgang Fe., dem Geschäftspartner des am 15. Juni 2005 in München ermordeten Theodoros Boulgarides. Fe. sagt, er sei 43 Jahre alt und betreibe einen Schlüsseldienst. Er berichtet, er habe „den Theo“ angerufen und der sei nicht ans Telefon gegangen: Daraufhin sei er hin gefahren und habe Boulgarides gefunden. Boulgarides habe hinter der Theke gelegen, das Telefon neben ihm. Er, Fe., habe geschaut ob Boulgarides noch lebt und dann die Polizei angerufen. Götzl fragt nach der Lage von Boulgarides. Fe. sagt, er habe gerade auf dem Rücken gelegen, das Telefon habe rechts neben ihm gelegen. Boulgarides sei nicht mehr am Leben gewesen. Götzl will wissen, wie Fe. zu Boulgarides gestanden habe. Fe. berichtet, er habe einen Geschäftspartner gesucht, weil er noch die Firma Karstadt bewache, und habe durch einen Freund Boulgarides kennengelernt. Dann hätten sie gesagt, machen wir einen Landen auf.und zwei Wochen später [nach der Eröffnung]sei das [der Mord]passiert. Es habe noch keine konkreten Absprachen gegeben, wann er arbeiten solle und wann Boulgarides, wie es in den 14 Tagen gewesen sei, könne er nicht mehr sagen, das habe sich ergeben. Es sei eigentlich nicht geplant gewesen, dass Boulgarides da gewesen sei. Boulgarides habe auch dort gewohnt. Einen Abend vorher sei zum Beispiel er selbst da gewesen. Auf Frage von Götzl sagt Fe., er habe im Vorfeld Werbung gemacht, „den Theo“ habe er zur Unterstützung geholt. Die Firma habe den Namen „Schlüsselwerk“ getragen. Fe. sagt, er könne sich nicht erinnern, ob am Laden die Namen der Inhaber gestanden hätten. Fe. gibt an, er habe Boulgarides gegen 19 Uhr gefunden. Warum er ihn angerufen habe, könne er nicht mehr sagen. Weiter sagt Fe., es seien ihm vor Ort keine Personen aufgefallen. Zur Lage des Geschäftes befragt, sagt Fe., er betreibe das Geschäft heute nicht mehr, es liege unterhalb der Donnersbergerbrücke. Davor liege eine Bushaltestelle. Es sei eine kleine Straße, die runter führe zum Mittleren Ring in den Trappentreutunnel. Götzl bittet Fe. Boulgarides zu beschreiben. Fe.: „Eine gelassene Person, immer auf Frieden ausgerichtet.“ Die Familie habe er eigentlich nicht gekannt, nur den Bruder ein bisschen. Boulgarides habe zwei Töchter, so Fe. Fe. sagt, er habe Boulgarides ein halbes Jahr, vielleicht acht Monate gekannt. Sie hätten vor der Eröffnung drei Monate lang gemeinsam den Laden hergerichtet. Götzl fragt nach den Folgen der Tat für die Familie. Fe.: „Die totale Zerstörung, würde ich sagen. Nicht nur für die Angehörigen.“ Die Mutter und der Bruder seien nach Griechenland zurück gegangen, der Bruder sei aber wieder hier, so Fe. weiter. Der Rest der Familie sei ein „bisschen zersprengt“ worden dadurch.
Die Mutter habe immer Angst gehabt, der habe er ein Schloss eingebaut. Götzl fragt nach den Folgen für ihn selbst. Fe. sagt, eine Beziehung sei daran zerbrochen und er habe eine ganze Menge Geld verloren, „weil mich die Polizei schikaniert hat“. Er sei monatelang immer wieder vorgeladen worden, auch Mitarbeiter seien vorgeladen worden, der eine sei sogar weg gezogen. Götzl fragt, um welche Themen es bei den Vernehmungen gegangen sei. Fe. sagt, es sei immer um dasselbe gegangen. Ob sein Kollege sexsüchtig gewesen sei oder spielsüchtig. „Die wollten uns in den Dreck ziehen und das haben sie auch geschafft.“ Er habe auch Kunden dadurch verloren, so Fe. Dann macht Götzl Vorhalte aus früheren Vernehmungen. Er sagt, Fe. habe angegeben, an dem Tag im Karstadt gearbeitet zu haben und Boulgarides sei im Laden gewesen. Fe. bestätigt das, Boulgarides habe Berufserfahrung im Schlüsseldienst gehabt. Weiter habe Fe. angegeben, Boulgarides habe am Tattag Tagdienst gehabt. Fe. bestätigt auch das. Götzl will wissen, wann der Laden üblicherweise geöffnet gewesen sei. F. sagt, das sei von 9 bis 18 Uhr, vielleicht auch von 8 bis 18 Uhr gewesen. Götzl hält vor, Fe. habe ausgesagt, dass er annehme, dass Boulgarides um 8 Uhr aufgesperrt habe. Weiter hält Götzl vor, dass Fe. berichtet habe, dass er um 11 Uhr im Geschäft angerufen habe und später noch einmal aus Versehen um die Mittagszeit. Danach habe Fe. Boulgarides dann erst wieder um 18.25 Uhr angerufen. Fe. sagt, das sei das Nottelefon gewesen, das 24 Stunden besetzt sein müsse, und Boulgarides sei nicht dran gegangen. Normalerweise sei Boulgarides zuverlässig gewesen. Er, Fe., habe auch nicht nur einmal angerufen. Götzl fragt nach der Fahrtzeit vom Karstadt zum Tatort. Fe. sagt, die sei zwölf Minuten. Götzl liest vor, Fe. habe angegeben, gegen 19.05 Uhr in der Trappentreustraße angekommen zu sein. Plötzlich sagt Fe.: „Herr Richter, ich bin 46 und nicht 43, ist mir gerade eingefallen.“ Später sagt er, Götzl müsse wissen, er wiederhole das hier zum 50. Mal, deswegen habe er Zeit über andere Dinge nachzudenken. Götzl macht weiter Vorhalte und referiert Fe.s Aussage, dass er vor 19.03 Uhr am Tatort gewesen sein müsse, weil er um diese Zeit den Notruf betätigt habe. Fe. bestätigt das, er habe das Camping-Zelt von Karstadt abgesperrt. Dafür gebe es viele Zeugen, so dass er nicht verstanden habe, wieso ihn die Polizei nicht in Ruhe gelassen habe. Auf Frage von Götzl sagt Fe., dass er keine Fahrräder gesehen habe. Die Tür zum Laden sei zu, aber nicht versperrt gewesen, so Fe. Götzl hält vor, Fe. habe gesagt, im Büro habe Licht gebrannt, was Fe. bestätigt. Zur Lage gibt Götzl die Aussage wieder, Boulgarides habe auf dem Rücken gelegen, die Füße Richtung Tresen, der Kopf Richtung seitlicher Wand. Fe. bejaht das, er habe die Lage nicht verändert; er glaube auch, niemanden rein gelassen zu haben bis die Polizei und die Rettungskräfte gekommen seien. Gegenstände oder Geld hätten nicht gefehlt. Götzl fragt, ob Fe. von Streitigkeiten gehört habe. Fe.: „Nein, nein, sowas gab es bei ihm nicht.“ Götzl hält eine Aussage Fe.s vor, nach der Boulgarides nie Streit gehabt und sei der freundlichste Mensch gewesen, den man sich vorstellen kann. Fe.: „Genauso wars.“ Boulgarides sei in der Gegend des Ladens aufgewachsen sei, seine Mutter habe um die Ecke gewohnt, das seien alles Griechen und es sei sehr familiär dort. Freizeit hätten sie beide wenig gehabt, so Fe. Nebenklagevertreter RA Prosotowitz sagt, von der Beschriftung des Ladens habe man keinen Hinweis gehabt, dass dort ein ausländischer Mitbürger arbeitet. Darauf sagt Fe., das könne nicht geplant gewesen sein, manchmal habe auch er dort gearbeitet. Auf Nachfrage von Prosotowitz sagt Fe., Boulgarides sei 70 Prozent der Zeit im Laden gewesen. Dann will Prosotowitz wissen, ob man von Außen sehen könne, wer im Laden arbeite. Fe. sagt, das sei der Fall, außer wenn es draußen zu hell sei. Götzl bittet Fe. nach vorn. Es werden zwei Bilder vom Laden in der Trappentreustraße gezeigt. Fe. sagt, den Tresen habe er selber gebaut, Boulgarides habe aber hinter dem Tresen gelegen. RA Daimagüler fragt, ob Boulgarides Türkisch gesprochen habe. Fe. sagt, das wisse er nicht, Boulgarides sei aber oft als Türke angesprochen worden, die Leute hätten „oğlum“ gesagt und solche Sachen. Nebenklagevertreter RA Kaplan will wissen, ob vorher in dem Laden eine Dönerbude gewesen sei. Fe. antwortet, das wisse er nicht, aber er wisse, dass Boulgarides den Laden jemandem weggeschnappt habe, der dort eine Dönerbude habe machen wollen. Dann will Kaplan wissen, warum die Polizei Fragen wie die nach der Sexsucht gestellt habe, ob ihm das erklärt worden sei. Richter Götzl beschwert sich heftig über die Frage und behauptet, das könne der Zeug nicht beantworten. Kaplan sagt, dass er gefragt habe, ob dem Zeugen das von der Polizei erklärt worden sei. Zwischendrin sagt Fe., er habe das Gefühl gehabt, dass „sie uns gegeneinander ausspielen wollten“. Nach kurzem Hin und Her über die Zulässigkeit der Frage, sagt Kaplan die Frage sei beantwortet. Die Vernehmung endet um 13.39 Uhr.

Es folgt der Zeuge Hi. Hi. war 2005 beim Kriminaldauerdienst in München, einer „Zwischendienststelle zwischen Schutzpolizei und Kriminalpolizei“. Den Tatort hätten sie gegen 19.30 Uhr von der Schutzpolizei übernommen bis die Mordkommission gekommen sei. Sie hätten festgestellt, dass Boulgarides tot war, „offenbar durch Einwirkung von außen“. Damit sei seine Arbeit eigentlich beendet gewesen, er habe aber noch Fotos gemacht. Götzl fragt nach weiteren anwesenden Personen. Hi. nennt Rettungsassistenten und Polizisten. Götzl fragt nach dem Zeugen Fe.. Hi. sagt, er denke schon, dass der anwesend gewesen sei, aber was im Detail besprochen worden sei, wisse er nicht. Es sei, so Hi. auf Nachfrage, auch ein Bruder des Getöteten da gewesen. Götzl fragt nach weiteren Informationen. Hi. antwortet, dass er glaube, vom Bruder habe es Informationen um angebliche Geldforderungen gegeben; das sei aufgenommen worden. Dann werden die Fotos vom Tatort in Augenschein genommen. Götzl warnt die anwesenden Angehörigen, dass nun auch Bilder des Leichnams von Boulgarides zu sehen sein werden. Man sieht die Außenfassade des Ladens, dann ein Foto von der Türe in den Laden hinein und zuletzt Bilder des Leichnams von Theodoros Boulgarides. Hi. sagt, das sei, wie Boulgarides von ihnen vorgefunden worden sei, es sei nichts verändert worden. Nebenklagevertreterin Angelika Lex möchte wissen, ob Hi. noch einmal geladen werde, da er ja auch bei der BAO (=Besondere Aufbauorganisation) dabei gewesen sei. Götzl erwidert, dabei handele es sich um eine andere Person.

Nach einer Pause folgt der Zeuge Kr. Kr. hat Ermittlungen zur Tatzeit des Mordes an Boulgarides angestellt. Kr. berichtet, er habe sich einen Tag nach der Tat in die Trappentreustraße 4 begeben, um dort die Bewohner des Anwesens zu befragen. Er habe unter anderem einen Herrn Ka. befragt. Ka. habe ausgesagt, Boulgarides auch noch am vorigen Tag gesehen zu haben. Ka. fahre nachts Bus für den MVV [Münchner Verkehrsverbund] und kenne Boulgarides vom Lokal „Trappentreuhof“. Boulgarides sei damals Fahrkartenkontrolleur gewesen und Ka. vom Sprechen bekannt. Ka. sei am Abend zuvor kurz vor 18 Uhr aus der Wohnung gegangen, weil seine Nachtschicht um 19 Uhr beginne. Ka. habe dann angegeben im „Trappentreuhof“ gewesen zu sein. Gegen 18.25 habe er nach draußen geschaut, weil er auf seinen Abholer zum Dienst gewartet habe. Da habe Ka. bemerkt, dass Zeuge Pa. am Eingang zur Gaststätte stehe. Dieser habe gesagt, dass noch etwas mit dem Hausmeister bereden müsse. Pa. habe dann beim Hausmeister geklingelt. Während Pa. den Hausmeister mit dem Handy angerufen habe, habe Ka. Boulgarides im Türrahmen seines Geschäftes stehen gesehen mit einem schnurlosen Telefon oder Handy in der Hand. Kr. sagt, Ka. habe gesagt, dass es sich definitiv um Boulgarides gehandelt habe. Dann sei Ka. wieder ins Lokal gegangen und habe gezahlt, weil sein Abholer da gewesen sei und sei dann gleich rechts zu seinem Abholer gegangen. Er, Kr., habe die Angaben überprüft. Der Hausmeister habe die Angaben bestätigt. Der Anruf des Herrn Pa. beim Hausmeister habe laut Handy um 18.32 Uhr stattgefunden, die Uhr gehe aber um vier Minuten falsch, es sei also etwa 18.36Uhr gewesen. Auch der Zeuge Pa. habe das Zusammentreffen mit Ka. bestätigt, habe aber angegeben, Boulgarides nicht gesehen zu haben.

Nach der Vernehmung teilt Götzl mit, dass die Zeugin Mü. [Zeugin zum Fall Kılıç, die Radfahrer gesehen haben will] verstorben sei. Dann fragt er die Verfahrensbeteiligten, ob auf die Zeugin L. zum „Erstzugriff“ beim Mord an Süleyman Taşköprü und auf die Zeugin Ho., verzichtet werden kann. Auf die Zeugin L. wird allgemein verzichtet. RAin Schneiders sagt, sie verzichte ungern auf die Zeugin Ho. Nebenklagevertreterin RAin Pinar regt noch einmal an, den Zeugen Bl. zum Mord an Taşköprü zu laden.

Der Verhandlungstag endet um 14.47 Uhr.

Nebenklagevertreter RA Scharmer erklärt zu den Ausführungen des Brandermittlers:

“Es erscheint fern liegend, dass Uwe Mundlos, Uwe und ggf. auch Beate Zschäpe nach ihren Morden und Anschlägen noch länger an den jeweiligen Tatorten blieben, um Zeitungsartikel aus lokalen Medien zu sammeln. […] Es liegt nahe, dass Unterstützer des NSU vor Ort die Zeitungsartikel sammelten und an das Trio weitergaben. Es ist daher dringend erforderlich, konzentriert weitere Ermittlungen zu lokalen Unterstützern und dem Netzwerk des NSU anzustellen.“

Nebenklagevertreter RA Stolle erklärt zu den Ermittlungen zum Mord an Theodoros Boulgarides:

“Durch die Tat verloren die Familie und die Bekannten ihren Vater, Sohn, Ehemann, Kollegen und Freund, den alle als ruhig, ausgeglichen und freundlich beschrieben. Durch die Ermittlungen wurden sie erneut und langwierig traumatisiert. In den Vernehmungen wurde versucht, den Ermordeten „in den Dreck zu ziehen“ und die Zeugen gegeneinander auszuspielen. Trotzdem Theodoros Boulgarides schon das siebente Opfer der Mordserie war, suchte die Polizei wieder nach einem Motiv für eine Beziehungstat – als ob Serienmorde in diesem Bereich begangen werden würden.“

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