An diesem Verhandlungstag wurden zwei große und wichtige Komplexe begonnen: Zuerst hat die „neue“ Zeugin Veronika von A. ausgesagt, sie habe Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt und einen stämmigen „Skin“ (und kurz eine weitere Person) auf dem Nachbargrundstück gesehen, sie wurde tiefgehend befragt. Insgesamt hat sie ohne große Widersprüche, relativ plausibel und anschaulich, jedoch auch mit Selbstkritik, ihre Wahrnehmungen geschildert. Weitere Zeugenbefragungen zu diesem ersten Hinweis auf Zschäpes Anwesenheit zu einem Mord und nach lokalen Unterstützern werden in den nächsten Wochen durchgeführt. Es sagten anschließend noch zwei Kriminalbeamte aus Kassel zum Mord an Halit Yozgat aus. Der eine Beamte hatte auch erste Ermittlungen zum damaligen Tatverdächtigen und Zeugen Andreas T., Verfassungsschützer und V-Mann-Führer, durchgeführt.
Zeug_innen:
- Veronika von A. (gibt an, kurz vor dem Mord an Mehmet Kubaşık im April 2006 in Dortmund Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt auf dem Nachbargrundstück gesehen zu haben)
- KOK Werner I. (zeigt und erläutert Tatortfotos zum Mord an Halit Yozgat)
- KHK Cihan Bi. (berichtet von den Ermittlungen zum Mord an Yozgat, insbesondere zum damaligen Tatverdächtigen Andreas T.)
Der Verhandlungstag beginnt um 9.47 Uhr. RA Stahl, einer von Zschäpes Verteidiger_innen, ist wieder anwesend. Auf Seiten der Nebenkläger_innen sind heute mehrere Angehörige des am 6. April 2006 in Kassel ermordeten Halit Yozgat anwesend. Im Publikum sitzt außerdem ein junger Mann, der sich in der Mittagspause mit dem Angeklagten André E. treffen wird.
Bevor es mit der ersten Zeugin Veronika von A. (vgl. Beweisantrag am 36. Verhandlungstag) los geht, bittet RA Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben, um eine Unterbrechung von 30 Minuten, damit er sich die neu hinzu gekommenen Aktenbestandteile, die sich mit den Angaben der Zeugin beschäftigen, mit seinem Mandanten besprechen kann. RA Heer, Verteidiger von Zschäpe, beantragt, die Zeugin erst dann zu vernehmen, wenn die Fotos in den neuen Akten in erkennbarer Qualität zur Verfügung gestellt würden. Es wird sich darauf geeinigt, dass sich die Verfahrensbeteiligten die Bilder am Richtertisch anschauen werden. Dann folgt die Unterbrechung, zu deren Beginn sich Zschäpe mit ihren Verteidiger_innen die Bilder im Ordner anschaut. Erst um 10.52 Uhr geht es weiter. Götzl sagt, dass ein weiteres Foto der Zeugin De. [Frau aus dem Nachbarhaus der Zeugin A.] übersandt wird, das ebenfalls zu den Akten gereicht worden sei. Auch das könne in Augenschein genommen werden, ebenso wie weitere Lichtbildmappen, daher werde für weitere 20 Minuten unterbrochen. Um 11.19 Uhr wird mitgeteilt, dass es drei weitere Bilder gebe, die in Augenschein genommen werden könnten.
Um 11.35 Uhr kommt das Gericht wieder und die Vernehmung der Zeugin Veronika von A. beginnt. Götzl fragt nach Beobachtungen, die die Zeugin im Jahr 2006, in den Jahren davor und gegebenenfalls auch zu späteren Zeitpunkten in Dortmund an ihrem früheren Wohnort gemacht habe. A. berichtet, das sei in der Straße Westkamp in Dortmund-Brackel gewesen. Sie beginne mit dem 31. März 2006, weil das ein Erinnerungsanker sei, da habe ein wichtiges familiäres Ereignis stattgefunden. Sie habe „Sorge zu tragen“ gehabt, dass ein Möbelwagen eine Zufahrt findet zu der Einfahrt ihres Hauses. Sie habe schon in den Tagen zuvor bemerkt, dass dort ein großes weißes Wohnmobil vor dem Gartenzaun gestanden habe. Sie habe Flatterband besorgt und einen Zettel an dem Wohnmobil angebracht, mit der Bitte den Wagen zu versetzen. Am 31. März sei der Wagen nicht mehr da gewesen. Wann genau der Möbelwagen da gewesen sei, wisse sie nicht mehr, es müsse so mittags gewesen sein. Sie habe dem Fahrer eine Brotzeit gemacht, dann habe dieser die Stücke ausgeladen. Das sei alles in einer guten Stimmung gewesen. Sie habe dann die Dinge sortiert, die angeliefert worden seien, große Teile und zwei, drei Kartons mit Kleinteilen. A. führt aus, sie habe das so ausführlich geschildert, weil ihr „Herzstück“ ihrer Erinnerung an diesen Dingen hänge. Danach sei das Ereignis gekommen, das sie im Nachhinein besonders erschreckt habe, weil es zu der Stimmung an diesem Tag nicht gepasst habe. An einem der folgenden Tage – sie könne fast ausschließen, dass es am selben Tag war – sei sie ins Apartment im Dachgeschoss gegangen. Es sei später Nachmittag gewesen. Sie habe das Apartment betreten, wohl etwas abgelegt und sei dann ans Fenster getreten. Das Dachgeschoss habe zwei Gaubenfenster, es gebe noch ein großes „Velux-Fenster“ und zur linken ebenfalls ein Dachgaubenfenster. Die Dachgaubenfenster seien normalerweise mit Stoffbahnen verhängt. Besonders das, an das sei herangetreten sei, sei immer verhängt gewesen. Die Stoffbahnen seien an den Fensterflügeln extra befestigt gewesen. An einem der Tage vorher habe sie die rechte Stoffbahn abgenommen und das Gaubenfenster ein wenig aufgezogen, so dass Luft rein kam. An diesem späten Nachmittag sei sie an das Gaubenfenster herangetreten, um einen Blick hinauszuwerfen. Es seien noch keine Blätter an den Bäumen gewesen, sie habe eine freie Sicht gehabt. Nach dem ersten Blick sei sie „zurückgeprallt“, weil sie unten auf dem Nachbargrundstück am Brackeler Hellweg eine Gruppe wahrgenommen habe, die auf sie gewirkt habe wie eine Theaterszene. Es hätten dort drei schwarz gekleidete Menschen, zwei Männer und eine Frau, in einer Reihe gestanden. Von ihr aus gesehen links habe ein Mensch auf dem Grundstück gestanden, den sie schon einmal gesehen habe. Sie bezeichne ihn als Skin, habe ihn aber nicht gefragt, ob er einer ist. Dieser habe „wie ein kleiner Feldherr“ sein Grundstück gezeigt. Für einen kurzen Moment habe sie gesehen, dass noch ein zweiter Mann da gewesen sei, den sie auch bereits auf dem Grundstück gesehen habe, ein sehr viel jüngerer Mann. Dieser sei dann aber von der Gruppe weggegangen und nicht wieder aufgetaucht. Sie habe zuerst die Gruppe durch die Scheibe beobachtet. Um ihren Schreck zu besänftigen habe sie für sich gedacht, „oha, ein Skinhead und drei Punker“. Dann habe sie aber ein Fernglas genommen, das immer an dem Fenster stehe, und sei zu dem Schluss gekommen das es sich nicht um Punker handele. Die Männer hätten eine sehr gerade, militärische Haltung gehabt. Militärisch sei vielleicht der falsche Begriff, aber sie hätten keine Haltung gehabt, wie man sich vielleicht vorstelle, dass Punker sie haben. Die Frau, die sie später als Frau Zschäpe erkannt habe, habe rechts gestanden und links die Männer, die sie später als Mundlos und Böhnhardt erkannt, davon links der „Punker“ [meint vermutlich Skinhead]. Die Frau sei heraus getreten und habe eine Hand auf ein Schaukelgerüst gelegt. Dieses habe sehr nah an der Mauer zum Grundstück am Westkamp gestanden. Auf dem Nachbargrundstück gebe es auch einen sehr hohen „Baumarktzaun“, geflochten aus Span. Sie selbst habe dann das Gefühl gehabt, sie wolle nicht mehr aus dem Fenster schauen mit dem Fernglas, das sei nicht ihre Art. Sie habe ihr Gesicht zeigen und das Fenster öffnen wollen. In dem Moment habe die Frau, die sie als Frau Zschäpe erkannt habe, hoch geschaut: Sie hätten Blickkontakt gehabt. Die Frau habe den Blick gehalten und etwas zur Seite gesprochen. In dem Moment hätten alle hoch geblickt und „kehrtum gemacht in vorbildlicher Ordnung“. Sie habe gedacht, dass es seltsam sei, dass die so schnell verschwinden, wenn es neue Nachbarn seien. Sie habe die Beobachtung gespeichert, so wie sie ein Theaterstück anschaue oder etwas Seltsames, was völlig anders war, und sei dann wieder zu ihrer Tagesordnung übergegangen.
A. berichtet weiter, sie habe den Skinhead und den jüngeren Mann auch schon früher gesehen. Etwa im Jahr 2003/2004, sei der „Baumarktzaun“ aus sehr hohen Elementen rund um das Grundstück angebracht worden, so dass man von der Straße und aus ihrem Garten das Grundstück nicht mehr habe einsehen können, sondern nur noch von dem einen Fenster. Der Zaun habe sie geärgert, weil er „wüst“ ausgesehen habe. Einen Austausch habe es aber mit den Nachbarn nicht gegeben, es habe überhaupt keinerlei Kontakt gegeben. Im Frühjahr 2005 sei auf dem Grundstück mit Grabungen begonnen worden. Und diese Grabungen hätten sie beunruhigt, so A.. Sie hätten zu ungewöhnlichen Zeiten stattgefunden, abends oder auch mal nachts. Sie habe einmal das Fenster aufgemacht. Der Skin habe dann seinen Spaten aufgestellt und sich ihr gegenüber in einer sehr aggressiven Position gezeigt. Es habe auch da keinen Kontakt gegeben. Die Grabungen hätten mit Unterbrechungen vier bis sechs Wochen gedauert. Auf einem Feld links von ihr aus gesehen, sei sehr tief gegraben worden. Dann habe man da Erde gesehen und eine Folie. Irgendwann habe sie den Skin beobachtet, wie er schwere Betonkübel aus der Einfahrt zur Garage gewuchtet habe. Um diesen “Sandkasten” habe er dicht an dicht diese Kübel gestellt und darin Blumen angepflanzt. Es sei weiter hinten eine Rutsche und eine Schaukel aufgestellt worden. Die Schaukel sei vielleicht als Gerät funktionstüchtig gewesen, aber nicht in der Position. Sie sei so nahe zu der Mauer aufgestellt worden, dass sie gedacht habe: „Da kann doch kein Kind drauf schaukeln.“ Auch der „so genannte Sandkasten“ sei durch die Kübel so bestückt, dass man vielleicht Kinder habe hineinsetzen können, aber sich kein Erwachsener habe auf den Rand setzen können. In den Jahren zwischen 2004 und 2006 seien im Westkamp immer wieder anhaltend lang Wohnmobile geparkt worden. An einem Wohnmobil sei ihr ein sehr ungewöhnliches Kennzeichen in Erinnerung, ein Buchstabe sei ein Z gewesen und es habe auch die Buchstabenkombination C und A gegeben. Das zweite Wohnmobil habe, wie schon beschrieben, in den Tagen vor dem 31. März 2006 in der Straße gestanden. Dieses Wohnmobil sei sehr lang und hoch gewesen, so A. Sie habe dieses Wohnmobil auch in den Tagen danach noch auf einem Parkplatz an ihrer Joggingstrecke gesehen. Wann sie das kleinere Wohnmobil gesehen habe, könne sie nicht genauer zeitlich eingrenzen.
Götzl fragt ob sie mit jemandem über ihre Beobachtungen gesprochen habe. A. sagt, sie habe mit ihrem Mann, mit dem sie damals noch nicht verheiratet gewesen sei, darüber gesprochen. Dieser habe auch eigene Beobachtungen gemacht. Sie habe ihm auch von der Bedrohlichkeit berichtet. „Diese schwarze Front hatte keine schöne Ausstrahlung.“ Sonst habe sie niemandem genauer berichtet. Danach habe sie keine weiteren einschneidenden Beobachtungen gemacht, so A. auf Frage von Götzl. Sie glaube, dass alles so geblieben sei bis zum Frühjahr 2013. In dem Haus habe sie bis zum Juli 2008 gewohnt, sagt A. Einmal habe sie an einem hohen Fenster an dem Haus Brackeler Hellweg, das ab und zu erleuchtet gewesen sei, jemanden gesehen, aber die Person habe gleich die Gardine zugezogen. Sie habe den Eindruck gehabt, da wolle niemand Kontakt haben und es auf sich beruhen lassen. Mit den sonstigen Nachbarn habe sie Kontakt gehabt, aber nicht über den Brackeler Hellweg gesprochen. Die Kontakte seien sehr alltagsbezogen gewesen. Eine Nachbarin hätten sie ihre „Alarmanlage“ genannt, weil sie immer aus dem Fenster geschaut habe. Auf der linken Seite hätten ein Lehrer und seine Frau gewohnt. Auf Frage von Götzl nennt A. den Namen der „Alarmanlage“ und sagt, die Frau sei mittlerweile verstorben. Dann fragt Götzl zur weiteren Entwicklung. A. antwortet, im November 2011 seien Fahndungsfotos von Mundlos und Böhnhardt veröffentlicht worden. Ihre spontane Reaktion sei gewesen, dass sie zu ihrem Mann gesagt habe: „Das sind die Männer, die ich auf dem Grundstück gesehen habe.“ In diesem Kontext habe sie auch die Verbindung zu der Wahrnehmung von Wohnwagen hergestellt und gesagt, Wohnwagen seien ja auch oft da gewesen. Als dann danach Fotos von Zschäpe veröffentlicht worden seien, und sich der „Kontext NSU“ erschlossen habe, habe sie gesagt, dass das die Frau gewesen sei. Sie habe dann mit bekommen, dass sehr viel Material durch Polizei und Behörden sichergestellt worden sei. Durch eine Meldung aus dem Untersuchungsausschuss habe es Hinweise gegeben, dass es Listen von Kontaktpersonen gibt und Frau Zschäpe Videos verschickt habe. Diesen Informationen habe sie entnommen, dass eine breite Aufarbeitung stattfinde, es gebe 150 Personen oder 300 Personen auf Listen. Sie habe dann für sich gesagt, Dortmund sei ein solches Zentrum der neonazistischen Gruppen, dass bei diesen Sympathisanten auf den Listen auch Dortmunder stehen würden. Sie werde ihre Beobachtungen einbringen, wenn es nötig sei, an einem Punkt, wo vielleicht die Frage stehe, wer war da. Sie habe beschlossen, das Wissen für sich zu bewahren, rein zu halten, nicht als „Party-Smalltalk“, sondern als „ernstes Wissen“. Sie sei davon ausgegangen, dass im Zuge der Ermittlungen bis zur Anklage auch das Dortmunder Umfeld erkundet wird, dass sicher auch andere solche Beobachtungen gemacht hätten und das Ermittlungswissen sicher größer sei als ihres.
Als klar gewesen sei, dass bei den direkten Unterstützern des NSU niemand aus Dortmund dabei war, sei sie sehr erstaunt gewesen, so A. Die Dortmunder Szene sei eine sehr gewaltbereite Szene, so sei ihre Wahrnehmung, und es habe ja auch dem Mord an Mehmet Kubasik gegeben. Als sie bemerkt habe, dass es keine Ermittlungen zu Spuren in Dortmund gibt, habe sie gedacht, sie sollte eine Spur geben, dass sie etwas gesehen habe. Sie habe mit sich gerungen und sich dagegen entschieden, zur Polizei zu gehen, obwohl sie den Aufruf der Bundesanwaltschaft und des BKA gesehen habe. Die Bundesanwaltschaft sei ihr „eine Spur zu hoch“ gewesen. Sei habe dann einem Journalisten des Portals „Der Westen“, der ihr als „intensiver Rechercheur“ bekannt sei und der über den NSU berichtet habe, eine E-Mail geschrieben. Die E-Mail liege bei den Akten, sie habe darin einen technischen Fehler bei der Adressierung gemacht. Das sei Mitte Februar gewesen und sie habe bis Ende März keine Reaktion erhalten und gedacht, ihre Beobachtung sei nicht wichtig. Der Journalist habe sich dann doch gemeldet. Sie habe ihn dann angerufen und ihm allgemein von der Gruppe berichtet. Sie habe ihm nicht gesagt, dass sie Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe erkannt habe. Vielleicht tauche ja das Haus auf oder der Hausmeister, der Herr De. Der Journalist habe gesagt: „Schauen wir mal.“ Und damit sei der Kontakt beendet gewesen; sie frage aus Prinzip nicht neugierig nach.
Dann im Juni, wohl am 24. Juni 2013, habe sie einen Bericht über einen Verhandlungstag gelesen. Vorher habe es Presseberichte über einen Briefkontakt Zschäpes mit einem Dortmunder Inhaftierten gegeben. Am 24. Juni habe sie aus der Berichterstattung über die Verhandlung entnommen, dass Anwalt Bliwier den Antrag gestellt hat, den Briefpartner als Zeugen zu vernehmen. Der Kontext sei gewesen, dass es keine Spuren nach Dortmund gebe. Und da habe sie bei sich gedacht, jetzt müsse sie ihr Wissen teilen, das sei ihre Verantwortung. Das Gericht müsse das dann bewerten. Sie habe überlegt, wie sie das machen solle. Sie habe das Vertrauen, dass eine Kanzlei, die Nebenkläger vertritt, das sehr ernsthaft prüfen werde, ob das eine Information ist, die eingebracht werden kann. Eigentlich habe sie sich an Rechtsanwalt Scharmer wenden wollen, habe aber festgestellt dass es in die Kanzlei familiäre Verbindungen gebe und habe keine Vermischung von Interessen gewollt. Sie habe Herrn Bliwier eine E-Mail geschickt. Daraufhin habe Bliwier eine Mail geschickt, dass sich sein Kollege Kienzle melden würde. Bliwier habe sie am Telefon kurz geschildert, worum es geht. Sie habe Bliwier das schon präzise geschildert, weil sie einem Anwalt mehr traue als einem Journalisten. Sie habe keinen weiteren Kontakt mehr zu Bliwier gehabt. Erst am 28. August habe Anwalt Kienzle sich bei ihr gemeldet und gefragt, ob sie zur Verfügung stünde für ein Gespräch und eine Ortsbesichtigung. Diese sei am 29. August durchgeführt worden und daraus sei wohl der Beweisantrag entstanden, sie zu laden.
Es folgt die Mittagspause. Um 13.57 Uhr geht es weiter mit der Frage von Götzl, welches wichtige Ereignis am 31. März 2006 stattgefunden habe. A. sagt, das sei der Umzug ihrer Tochter vom Studien- zum ersten Arbeitsplatz gewesen. Götzl will wissen, warum A. beim Anblick der Gruppe zurückgeprallt sei. Das sei wegen der Ausrichtung in einer Reihe, der schwarzen Kleidung der drei Personen und einer sehr starren Haltung gewesen. Nur der Skinhead habe überhaupt etwas getan, er habe mit seinem Arm auf Punkte gezeigt, besonders auf der linke Seite, die sie immer als Sandkasten wahrgenommen habe. Die anderen seien mit Blicken gefolgt. Am stärksten eingeprägt habe sich ihr die Silhouette der Gruppe. Links habe der Skinhead gestanden, der etwas kleiner gewesen sei, dann sei der größere von den beiden Schwarzgekleideten gekommen, dann der etwas kleinere und dann die Frau, die sie als Zschäpe erkannt habe. Zur Kleidung befragt, nennt sie neben der vollständig schwarzen Kleidung der beiden Männer und der Frau die Camouflagehose des Skinheads. Dieser habe eine Glatze gehabt, der linke größere Mann ihrer Erinnerung nach auch. Bei dem Folgenden sei sie sich nicht ganz sicher, dass er eine volle Glatze gehabt habe. Die Frau habe zurückgeworfenes Haar gehabt, ob zusammen gebunden oder zurückgestreift könne sie nicht sagen. Götzl fragt nach den Sichtbedingungen. A. antwortet, sie habe es als diesig in Erinnerung, nicht als Nebel, aber verhangen. Den Skinhead habe sie auch früher schon gesehen bei den Grabungen. Sie habe ihn für den Hausmeister, den Herrn De., gehalten. Am Haus im Brackeler Hellweg habe ein entsprechendes Schild gehangen mit dem Namen. Sie habe das aber nur geschlossen. Der Mann sei stiernackig und muskulös gewesen. Die weitere Person, die sie „Lehrling“ genannt habe, sei deutlich jünger gewesen und habe einen Overall getragen. Götzl möchte wissen, was für Vorstellungen sich von den Grabungsarbeiten gemacht habe. A. sagt, das sei der schwierige Punkt für sie. Sie habe immer auf eine einfache Erklärung gehofft, aber es habe sich bei ihr festgesetzt, dass etwas verborgen werden solle. Wegen des Zeitpunktes der Grabungen und dem blickdichten Zaun habe sie den Eindruck gehabt, dass Zeugen unerwünscht gewesen seien, und wegen des Mannes, der sich hingestellt und sie angeguckt habe. Ihre Vermutung sei, dass es auch nachts oder in der Früh Grabungen gegeben habe, denn manchmal habe sie Erdhaufen gesehen, die sie am Abend noch nicht gesehen habe. Die Beobachtungen habe sie im Frühjahr, im April oder Mai und dann nochmal im Herbst gemacht. Von der Tageszeit her sei es abends, nach Dämmerung gewesen, nie zu normaler Tageszeit. Es könne Zufall sein, aber bei ihr habe sich dieser Eindruck eingestellt. A. sagt, eine Frau habe sie sonst nicht gesehen, Kinder nur einmal, sie wisse aber nicht mehr, ob 2006 oder davor. Götzl möchte wissen, ob A. weitere Überlegungen angestellt habe, was A. verneint. Sie habe aber Befürchtungen gehabt. Das liege an der aufgeheizten Stimmung und einer gewalttätigen Atmosphäre in Dortmund. 2005 sei ein junger Mann an einem U-Bahnhof von einem Neonazi erstochen worden und es habe viele gewalttätige Aktionen gegeben im Stadtteil Dorstfeld. Einige Straßen weg von dem Brackeler Hellweg sei ein Polizistenmord geschehen. Das habe bei ihr eine große Wachheit hervorgerufen. Sie habe angenommen, dass möglicherweise belastende Dinge vergraben würden. Das sei eine Fantasie gewesen, das sage sie deutlich. Sie habe nie gesehen, dass etwas vergraben wird, aber es sei eine Befürchtung gewesen. Götzl sagt, A. habe einerseits Befürchtungen gehegt und gleichzeitig sei sie zur Tagesordnung übergegangen, er habe Schwierigkeiten das nachzuvollziehen. A. erwidert, das verstehe sie. Sie habe mehrfach den Telefonhörer in der Hand gehabt, um die Polizei anzurufen. Sie habe sich nur vorgestellt, was ein Polizist auf der Wache macht, wenn eine 50- bis 60jährige Frau anruft und Grabungen auf dem Nachbargrundstück meldet. Sie habe befürchtet, dass das unter Nachbarschaftsstreit abgehandelt werde und dann möglicherweise der Skinhead bei ihr vor der Tür stehe. Sie habe auch nicht mit den Nachbarn gesprochen. Sie tue das nicht, sie beobachte weiter, ob sich die Gefahr konkretisiert, sie wolle keine „Nachbarschaftsratschereien“. Wenn ihr eine Gefahr konkret erschienen wäre, dann hätte sie drauf reagiert, so A. Zu einer Frau Sch. im Kiosk habe sie hin und wieder Kontakt gehabt, so A. auf Frage von Götzl, die habe aber nicht die Zeitungen gehabt, die sie lese. Einmal habe sie Frau Sch. gefragt, ob der Wohnwagen von ihr sei, der dort stehe, was Sch. verneint habe. Mit ihrem Mann habe sie darüber gesprochen. Sie beide hätten die Aufmerksamkeit auf das Umfeld sehr wach gehabt. Schräg gegenüber sei eine Gaststätte, das „Farbkästchen“, gewesen. Als sie 1996 dort eingezogen seien, habe sich eine „sehr laute Gästeklientel“ heraus gebildet, die draußen geknobelt habe und öfter „Sieg heil“ gerufen habe. Sie habe sich bei der Wirtin beschwert, sie rufe die Polizei, wenn das nochmal passiere. Da habe die Wirtin gesagt, sie solle doch abends kommen, da säßen die Leute aus der Wache hier.
Auf Frage von Götzl berichtet A. sie sei als freie Journalistin tätig, aber nicht im Tagesjournalismus, sondern arbeite unter anderem für Ministerien in NRW zum Thema Demografischer Wandel. Ihr Mann habe ihr eine ergänzende Beobachtung mitgeteilt, so A. Einmal sei er an das Dachfenster gegangen und habe eine Grabung beobachtet, genau auf der rechten Seite des Grundstücks, nicht links, wo der Sandkasten gewesen sei. Dort sei, so habe ihr Mann berichtet, etwas mit einer Folie abgedeckt worden. Bei der Einordnung sei ihr Mann „rigoroser“ gewesen als sie selbst. Er habe gesagt: „Das sind Neonazis, die hier was vergraben.“ Götzl möchte wissen, ob denn, wenn auch der Mann das als Bedrohung wahrgenommen habe, Thema gewesen sei, dass man etwas unternimmt. A. erwidert, dass das Wort Bedrohung nicht glücklich gewählt sei. Es sei eher das Gefühl eines bedrohlichen Umfelds, keiner persönlichen Bedrohung gewesen. Überlegungen, mit den Bewohnern des Hauses Kontakt aufzunehmen, habe es nicht gegeben. Götzl möchte wissen, wozu das Fernglas am Dachfenster gestanden habe. Das sei das Fernglas ihrer Mutter, das diese genutzt habe, um in die Bäume zu schauen. Sie selbst habe das für Naturbeobachtungen genutzt und auch mal um rüber zu gucken. Das Wohnmobil sei mindestens 8 bis 9 Meter lang gewesen, die Höhe könne sie nicht schätzen, aber sie habe aus dem Parterre nicht mehr auf die gegenüberliegende Fensterfront schauen können. Götzl möchte wissen, wie häufig sie nach dem 31. März 2006 das Nachbargrundstück noch beobachtet habe.A. sagt, sie glaube, dass sie das eigentlich abgeschlossen habe. Sie habe natürlich mal aus dem Fenster geschaut, aber da sich dort nichts geändert habe, habe sie keinen Anlass mehr gehabt, es besonders zu beobachten. Götzl möchte wissen, ob es am 31. März 2006 an den Personen besondere Auffälligkeiten gegeben habe. A. sagt, sie habe nicht gesagt, dass die Beobachtung am 31. März stattgefunden habe, sondern da sei der Umzug gewesen. Den Zeitraum könne sie nicht näher eingrenzen. An den Personen habe sie keine weiteren Beobachtungen gemacht. Auf Frage von Götzl sagt A., sie habe die Männer 2011 an den Gesichtern wieder erkannt. Götzl fragt danach, wie sicher sie sich sei. A. antwortet, spontan sei es eine große Sicherheit. Danach habe sie sich hinterfragt, aber damals sei sie sich sicher gewesen. Sie habe gesagt, das sind die Männer und das ist die Frau, die ich auf dem Grundstück gesehen habe. Götzl fragt, ob sie mal überlegt habe, woran sie es festmache. A. sagt, ihr Eindruck sei aus der Gruppe entstanden. Wenn es eine sich bewegende Gruppe gewesen wäre, dann hätte sich diese Sicherheit nie entwickelt, so A. Es sei diese in Reihe stehende Gruppe, diese Silhouette gewesen, das habe sich eingeprägt. Sie glaube, so A., der ganzen Vorgang habe insgesamt 3 bis 5 Minuten gedauert, als Radiojournalistin wisse sie, wie lange 1:60 Minute sei. Die Gesichter der Gruppe habe sie 3 bis 5 Minuten gesehen, abzüglich der 10 Sekunden, wo die Gruppe weg gegangen sei. Götzl möchte wissen, ob sich etwas an ihrer Erinnerung geändert habe, als sie Zschäpe hier im Saal gesehen habe. A. antwortet, man müsse in Rechnung stellen, dass sie Zschäpe schon häufiger auf Fotos gesehen habe, daher würde sie sich jetzt „nochmal prüfen und nochmal prüfen“. Dann sagt sie: „Also wenn sie kein perfektes Double haben, Frau Zschäpe, glaube ich schon , dass ich das wiederholen kann.“
Sie habe dem Journalisten nicht gesagt, dass sie Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gesehen habe, weil sie nicht gewollt habe, dass daraus eine Pressestory entsteht, sondern es eine Aufmerksamkeit dafür gibt, dass jemand etwas gesehen hat. Sie habe sich erwartet, dass der Journalist der Mensch sein könnte, der die Sympathisanten- oder Unterstützerlisten kennt und nachschauen könne, ob da jemand aus Dortmund oder dem Haus dabei ist. Warum sie sich nicht an die Bundesanwaltschaft oder die Polizei gewandt habe, will Götzl wissen. Über die Rolle der Polizei sei sie sehr verunsichert gewesen. Die BAW habe keinen Button auf der Homepage gehabt, aber das sei ihr auch zu hoch angesiedelt gewesen. Sie habe einen Fokus auf Dortmund gehabt und sich nicht als „die“ Zeugin gesehen. Sie habe etwas beobachtet und nur in ihrem Kopf sei das verankert. Ob sich die BAW in einer Zeit, wo tausend Zeugen auftreten, für sie interessiere, sei für sie zweifelhaft gewesen. Götzl sagt, A. habe hier ausgesagt, sie habe ihr Wissen rein gehalten und es so bewertet, dass sie die Information einbringen werde, wenn es erforderlich wäre. Sie habe es also hoch bewertet und heute auch als ernstes Wissen beschrieben, so Götzl weiter. Das bestätigt A., sagt aber, sie habe das so bewertet, dass es nur dann etwas wert sei, wenn es an etwas anschließe, zum Beispiel wenn es ein Wissen darüber gebe, dass es in Dortmund einen Unterstützerkreis gibt. Götzl sagt, A. sei dann erstaunt gewesen, dass aus dem Bereich Dortmund kein Unterstützer angeklagt ist. A.: „Das ist nichts, was für einen Juristen beeindruckend wäre.“ Sie lebe aber in einer Stadt, die sich mit aggressivem Neonazis auseinandersetzen müsse. Zum Weihnachtsfest, als der Oberbürgermeister aufgerufen habe, die Bürger sollten gegen diese Terroristen aufstehen, da sei sie seit langem mal wieder auf eine Demo gegangen. Und an Weihnachten habe eine aggressive Gruppe von Neonazis vor dem Privathaus des Oberbürgermeisters gestanden, „so nach dem Motto: Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht.“ A. fragt, ob Götzl sich vorstellen könne, was das für eine Bürgerin dieser Stadt bedeute. Götzl sagt, er schließe daran an, dass sie ihr Wissen für ernst gehalten habe. Sie könne doch nicht davon ausgehen, dass diese Information alle möglichen haben. Er verstehe nicht, warum sie sage, sie informiere erst dann, wenn die Information sowieso schon offenbar ist. Das sei ein Missverständnis, so A., sie meine, wenn sie erkenne, dass es eine breite Aufdeckung des Umfelds gibt. Sie habe die Ermutigung erst verspürt, als sie vom Antrag von Bliwier erfahren habe. Götzl möchte wissen, warum sie sage, dass sie die Thematik Briefkontakt veranlasst habe, nach außen zu treten, aber nicht, dass sie Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gesehen habe. Als sie gehört habe, dass Zschäpe keinen Kontakt nach Dortmund gehabt habe, habe sie gedacht: „Jetzt muss ich diese einfache Wahrheit sagen“, so A.
Es werden Bilder aus dem Dachgeschoss des ehemaligen Hauses von A. mit Blick auf das Nachbargrundstück gezeigt. Die Zeugin geht nach vorn, um sie zu erläutern. A. schildert, wo der „Sandkasten“ gewesen sei, wo die Schaukel gestanden habe, und dass das Grundstück verändert worden sei. Sie sagt, in einer schrägen Einfahrt habe auch eines der Wohnmobile geparkt. Später sieht man ein Bild des Gaubenfensters, aufgenommen von der Straße. Götzl fragt, ob A. Lichtbildmappen vorgelegt wurden. Das bestätigt A., sie habe aber nur Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe erkannt. Dann wird ihr ein Bild von einer Frau gezeigt. A. sagt, sie habe diese Frau noch nie gesehen. Als nächstes fragt Richter Kuchenbauer. Er will wissen, was A. mit dem Fernglas beobachtet habe. A. antwortet, sie habe die Gruppe beobachtet, Gesicht für Gesicht. Es sei ein handelsübliches Fernglas, die Vergrößerung wisse sie nicht. Sie habe das Fernglas zwischen 3 und 5 Minuten genutzt. An den Personen habe sie auch mit dem Fernglas keine besonderen Merkmale festmachen können so A. auf Frage von Kuchenbauer.
Es folgen die Fragen der Bundesanwaltschaft. Bundesanwalt Diemer fragt, wie sie die Eigenschaften eines Skinheads damit in Verbindung bringe, dass der Skinhead Blumen in die Betonkübel gepflanzt habe. A. sagt, sie könne nicht bestätigen, dass der Skinhead die Blumen gepflanzt habe. A. sagt auf Frage von Oberstaatsanwalt Weingarten, sie wisse nicht ,was der „Sandkasten“wirklich gewesen sei. Sie habe das Areal so genannt, aber sie habe nie ein Kind darin graben gesehen. Weingarten erwidert, gleichwohl habe es sie überrascht, dass die Anordnung der Blumenkübel so gewesen sei, dass sich Eltern nicht zu ihren Kindern setzen konnten. A.: „Dass er nicht funktional war, ergibt sich genau daraus.“ Sie finde alles auffällig, was nicht funktional ist, und wenn sie da Kinder gesehen hätte, die da buddeln, hätte sie es auch als Sandkasten anerkannt, so A. Sie wisse nicht mehr, ob die Erde in der Mitte hell oder dunkel gewesen sei. Dann fragt Weingarten, warum das Fernglas am Fenster gestanden habe. A. sagt, sie sage gern noch einmal, dass es um Naturbeobachtungen gegangen sei und um hinauszuschauen, als es das „Farbkästchen“ noch gegeben habe. Weingarten fragt nach den Stoffbahnen, mit denen das Fenster abgehängt worden sei. A. erläutert, wie sie die Stoffbahnen angebracht habe. Weingarten sagt, ein Fenster, das für Beobachtungen genutzt werde, würde er nicht mit Stoffbahnen verhängen. A. sagt: „Ein Mann wird selten auf so praktische Ideen kommen.“ Im Saal gibt es Gelächter. Bei so unformatigen Fenstern sei es ratsam, das selbst zuzuschneiden, so A. Weingarten fragt, wie oft A. das Fernglas benutzt habe, als sie da gewohnt habe. A. antwortet, das sei sehr unterschiedlich gewesen. Bis zu ihrem Auszug habe ihre Tochter da oben gewohnt. Sie selbst sei oft oben gewesen und hab auch mit der Tochter aus dem Fenster geschaut. Später habe sie es seltener benutzt, auf keinen Fall täglich. Nach dem auffälligen Ereignis sei sie öfter in dem Raum gewesen, habe viele Bücher einsortiert, und da sie die Gruppe gesehen habe, habe sie öfter aus dem Fenster geschaut. Das sei noch im April gewesen. Weingarten sagt, die Grabungsarbeiten hätten bis in den Herbst gedauert. A. erwidert, es handele sich um ein anderes Jahr, sie habe das auf 2005 datiert. Da habe sie noch nicht so oft aus dem Fenster geschaut, als sie die Grabungsaktivitäten wahrgenommen habe allerdings öfter als sonst. Weingarten erläutert, er frage, weil er feststellen müsse, ob A. habe nachvollziehen können, dass Arbeiten nachts vorgenommen worden sind. A. sagt, es habe Phasen gegeben, in denen sie öfter hintereinander raus geschaut und festgestellt habe, dass da was passiert sei. Dann habe sie es wieder aus dem Auge verloren, dann habe sie es erneut beunruhigt und sie habe es im Auge behalten. Beunruhigt habe sie, dass es nicht zu den üblichen Tageszeiten passiert sei. Weingarten fragt, woher A. das wisse. A. antwortet, es könne auch zu den üblichen Zeitpunkten gewesen sein, aber auch nachts. Weingarten erwidert, sie habe Arbeiten nicht gesehen. A. widerspricht und sagt, sie habe geschildert wie der Skinhead schwerste Betonkübel hochgezogen habe. Weingarten möchte wissen, ob A. einen VW Passat gesehen habe. A. sagt, sie könne sich nicht erinnern und habe dem Kollegen bei der BAW auch schon gesagt, dass sie nicht einmal wisse, wie ein VW Passat aussehe. Weingarten fragt nach dem Unterschied zwischen Wohnwagen und Wohnmobilen. A. sagt, das eine sei ein Anhänger, sie benutze das manchmal synonym, sie meine aber ausdrücklich Wohnmobile.
Aus der Nebenklage wird gefragt, ob A. im Zusammenhang mit den Wohnmobilen Personen beobachtet habe. A. sagt, ihr Mann habe mal jemandem bei den Wohnmobil in der Einfahrt gesehen, das habe sie selbst erst sehr spät erfahren, vor der Vernehmung ihres Mannes.
RA Heer bittet um eine Beratungspause. Danach geht es um 15.24 Uhr weiter mit den Fragen der Verteidigung, nachdem auf Bitte der Zeugin der Monitor verschoben wird, der im Sichtfeld zwischen Zeugin und RAin Sturm steht. Die Verteidigerin von Zschäpe. will wissen, ob A. im November 2011 unmittelbar nachdem sie Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe wiedererkannt haben will, darüber gesprochen oder was sie gedacht habe. Außer der Bemerkung gegenüber ihrem Mann habe sie nicht gesprochen und sich nur gefragt, was sich jetzt weiter entwickeln werde. Auf die Frage Sturms, ob sie regelmäßig daran gedacht habe, antwortet A. mit der Gegenfrage, was für Sturm regelmäßig sei. Schließlich sagt sie, sie habe oft daran gedacht, und das bedeute für sie, dass es nicht ihre Arbeit stört, dass sie nicht beginne sich hysterisieren zu lassen. Sie habe bestimmt nicht täglich daran gedacht. A. sagt, sie sei Leserin der Süddeutschen Zeitung, „wie offensichtlich Frau Zschäpe auch“, und wenn sie wieder eine Meldung gelesen habe, dass alles nur sehr oberflächlich ermittelt ist, habe sie daran gedacht, dass sie sie gesehen habe. Sturm will wissen, ob A. davon ausgegangen sei, dass ihr alle Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden bekannt werden würden, was A. verneint. Sturm sagt, es habe doch unter Umständen weitergehende Erkenntnisse geben können, wo A.s Informationen hätten fehlen können. A. antwortet, sie sei schon davon ausgegangen, dass es ein größeres Wissen geben müsse. Sie sei davon ausgegangen, dass irgendwann in der Zeitung stehen werde, es habe eine Durchsuchung im Brackeler Hellweg gegeben. So sei ihre Fantasie gewesen. Sturm fragt nach den Listen, die im Untersuchungsausschuss zur Sprache gekommen seien, bei denen A. davon ausgegangen sei, dass spätestens dann eine Spur nach Dortmund deutlich werden würde. Sie will wissen, wann das gewesen sei. A. sagt, das sei früher als 2013 gewesen, es habe einen Bericht über den Thüringer Untersuchungsausschuss gegeben. Sie lege aber kein Archiv an, man verliere auch den Überblick über die geschredderten Akten. Sie habe registriert, dass es diese Listen gibt, aber sei sich bis heute nicht bewusst gewesen, dass sie die einzige sein solle, die Zschäpe in der Nähe eines Tatortes gesehen habe. Sturm fragt, ob ihr Mann, Herr H.-von A., eine Schwester mit dem Namen Eva habe, was A. verneint. RA Stahl fragt, ob sich A. in den letzten Tagen nochmal mit ihrem Mann unterhalten habe. A. sagt, ihr Mann habe ihr von seiner Vernehmung berichtet. Die Beamten hätten ihm gesagt, dass in dem Haus türkische Bewohner wohnen würden, in den Garten dürften aber nur die Kinder des Hausmeisters. Alles, was da angelegt worden sei zum Zeitpunkt der Grabungen, so habe ihr Mann es ihr gesagt, seien Spielgeräte für die Kinder des Hausmeisters gewesen und das Feld rechts sei ein Teich gewesen. Da habe sie lachen müssen, denn das müsse ein „begnadeter Hausmeister“ sein, der unter Platanen einen Teich anlegt, so dass dieser Teich spätestens nach dem ersten Blätterfall übervoll sei mit Blättern, die nicht verrotten. Stahl fragt, ob sie immer noch an Neonazis, die etwas vergraben, denke, wo sie jetzt diese Information habe. A.: „Ich denke höchstens, es sind Neonazis, die nicht wissen, wie man Teiche anlegt.“ Dann fragt Wohllebens Verteidiger RA Klemke, der zunächst wartet, bis der Monitor von RAin Sturm wieder verschoben ist, die Zeugin sei da ja „empfindlich“. Er fragt, was A. denn so an Zeitungen lese. A. antwortet, sie lese die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, die FAZ, die FAZ am Sonntag. Klemke fragt nach von A. veröffentlichten Büchern. A. nennt ein von ihr unter dem Namen Vera von A. veröffentlichtes Buch. Klemke will wissen, ob sie auch unter Vera A. veröffentlicht habe. A. bestätigt das, sie habe in den siebziger Jahren das Buch “Grundwissen für junge Sozialisten” mit herausgegeben, „das wollten sie doch wissen“. Klemke will wissen, ob auch der Bundesvorstand der SDAJ (= Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend, Jugendorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei, DKP] Mitherausgeber dieses Buches gewesen sei. Das sei möglich, so A. Dann sagt sie, sie wolle Klemke weitere Fragen ersparen und berichtet, sie sei stellvertretende Bundesvorsitzende der SDAJ und bis 1988 im Bundesvorstand der DKP gewesen. Sie sei in einer Gruppe gewesen, die sich für Perestroika und Erneuerung eingesetzt habe und 1988 aus Partei und Vorstand ausgeschlossen worden. Klemke sagt, ihr Mann habe sich ja rigoroser ausgedrückt und von Neonazis, die etwas vergraben, gesprochen. Er will wissen, ob A.s Mann ein ausgewiesener Spezialist für den „Neo-Nationalsozialismus“ sei. A. sagt, ihr Mann sei Zeithistoriker und beschäftige sich nicht nur mit einem eng begrenzten Zeitabschnitt. Als Direktor des Stadtarchivs in Dortmund habe er sich sicher auch mit Neonazismus beschäftigt. Klemke stellt dann die Frage, inwieweit sich ihr Ehegatte Kenntnisse angeeignet habe zum Neonazismus. Die Frage wird beanstandet und es beginnt eine Debatte darum, ob diese Frage zulässig ist. Götzl bittet Klemke darum, die Frage zu konkretisieren. Der sagt, er wolle dies tun, aber dafür müsse die Zeugin den Saal verlassen. Als A. den Saal verlassen hat, sagt Klemke die Frage betreffe die Glaubwürdigkeit der Zeugin, sie habe selber kundgetan, „dass sie politisch nicht gerade im Lager derjenigen steht, die sie als Neonazis bezeichnet hat“. Nebenklagevertreterin RAin Lunnebach sagt, sie wolle die Frage als nicht zur Sache gehörig beanstanden. Es gehe um ein Wissen, was die Zeugin vermute, über ihren Mann zu haben. Die ideologische Einstellung könne unter keinem Gesichtspunkt zur Klärung beitragen. Notfalls beantrage sie einen Gerichtsbeschluss dazu. Götzl sagt, er halte die Frage für zulässig, wenn es um die Kommunikation der beiden gehe, wenn es getrennt davon um die Beschäftigung des Ehemanns gehe, dann sei die Frage nicht zulässig. Klemke sagt, es gehe bei der Frage um die Äußerung des Mannes, das seien Neonazis, die dort etwas vergraben und ob er erzählt habe, ob er spezielle Kenntnisse hat über Neonazis. Die Zeugin kommt wieder rein. Götzl fragt, ob die Zeugin die Frage noch im Ohr habe. A. sagt, es gehe darum, ob sich ihr Mann Kenntnisse angeeignet habe. Nebenklagevertreter RA Stefan Lucas sagt, er halte die Frage für zulässig. Lucas führt, er wolle auch mal „für die Öffentlichkeit“ sagen, dass „das Raunen“ aus der Nebenklage nicht von allen geteilt werde. RA Behnke sagt, er finde auch, dass das „Gezicke“ aufhören solle. Daraufhin klopft der Angeklagte Ralf Wohlleben auf seinen Tisch. Erbost weist Götzl Wohlleben zurecht, er verbitte sich das, Wohlleben habe sich solcher Äußerungen zu enthalten. Die Sitzung wird unterbrochen, um 16.10 Uhr verkündet Götzl, dass seine Verfügung, die Frage zuzulassen, durch Gerichtsbeschluss bestätigt sei. A. sagt, ihr Mann sei im Stadtarchiv Dortmund tätig gewesen und habe in den achtziger und neunziger Jahren eine Mahn- und Gedenkstätte “Steinwache” aufgebaut. Sie sei sicher, ihr Mann habe sich regelmäßig weitergebildet zum Neofaschismus, wenn er auch keine Spezialkenntnisse habe. Klemke sagt, A. bevorzuge offenbar den Begriff „Neofaschismus“. A. sagt, das seien unterschiedliche Begriffe, ihr Mann habe sich zum Thema Neofaschismus weitergebildet, er werde dabei wohl auch mit dem Thema Neonazismus in Berührung gekommen sein. Klemke fragt, wie A. zur NPD stehe. Das sei eine zugelassene Partei, sie habe mit großer Sorge gesehen, dass 2005 in Brackel die NPD intensiv plakatiert habe, aber das sei ihr Recht. „Also, ich würde sie nicht wählen.“ Klemke sagt, in Dortmund habe sich ja auch die Partei „Die Rechte“ gegründet, ob A. denn darüber etwas wisse. A. sagt, sie wisse nur, dass die sich gegründet habe.
A. bestätigt auf Nachfrage, dass sie die Frau, die sie gesehen habe, frontal angeschaut habe. Um zu sagen, wie weit das Fenster von der Person entfernt sei, müsse sie einen Dreisatz ausrechnen, sie könne sagen, wie hoch das Haus war, aber es sei auf jeden Fall auf Sichtweite gewesen. Klemke will wissen, ob A. ohne Fernglas habe Einzelheiten erkennen können. A. sagt, sie habe erkennen können, dass die Frau sie angeschaut habe. Sie habe sie gut gesehen, aber nicht jede Pore erkennen können. Klemke will wissen, warum sie dann ein Fernglas benutzt habe. RA Bliwier beanstandet diese Frage, aber Götzl lässt sie zu. A. sagt, das habe sie gemacht, um ihr erstes Erschrecken zu bewältigen, als sie zuerst gedacht habe, es seien ein Skinhead und drei Punker. Dann habe sie erst das Fernglas genommen und sich gesagt, dass es keine drei Punker seien. Und dann habe sie sich natürlich auch die Gesichter angeguckt in den vier Minuten. Klemke erwidert, dann habe sie ja jedes Gesicht eindringlich studiert. A. sagt, sie habe sich jedes Gesicht angesehen. Klemke sagt, das erschließe sich nicht, und fragt, ob sie denn gewusst habe, dass es einmal auf eine Identifizierung ankommt. A. widerspricht, es sei so gewesen, dass die Gruppe so starr gestanden habe und sie habe feststellen wollen, wie die Personen dastehen und wie sie aussehen. Auf Frage von Klemke, ob A. viel mit Punkern zu tun habe, antwortet die Zeugin, sie gebe Punkern öfters Geld. Ob ihr denn auffällige Haartrachten wie Irokesenschnitte bei den Personen, die sie gesehen habe, aufgefallen seien, will Klemke wissen. A. sagt, das sei eher eine Übersprungshandlung auf den Schrecken hin gewesen, eine Selbstberuhigung. Dann sagt sie: „Wollen Sie weiter fragen?“Richter Götzl sagt in Richtung der Zeugin, er habe das Gefühl, sie wolle das „an sich ziehen“, es sei nicht ihr Befinden, ob hier Fragen gestellt würden oder nicht. Er wolle das Ganze sachlich halten. Weil es in der Nebenklage laut wird, droht Götzl damit, erneut zu unterbrechen. Klemke fragt dann, ob die Personen A. bemerkt hätten, als diese vor Schreck zurückgeprallt sei. A. verneint das. Dann fragt Klemke, warum A. den Personen dann ihr Gesicht habe zeigen wollen. Das sei ihre normale Reaktion, so A., weil sei nicht Personen hinter der Glasscheibe beobachte. Das habe sie aber doch bei der Gaststätte „Farbkästchen“ getan, so Klemke. Da habe sie keine Person angeschaut, jeder habe sehen können, dass sie schaut. Nebenklagevertreterin RAin Pinar fragt nach den Farben der Wohnmobile. Das große sei weiß gewesen und das zweite eher cremefarben und kein neues Modell. Pinar möchte wissen, ob sie die Buchstaben der Kennzeichen zuordnen könne. A. sagt, sie ordne das dem kleineren und älteren zu, der früher dagestanden habe. Wobei sie nicht mehr genau wisse, ob es immer die selben Wohnwagen gewesen seien, aber solange sie draußen eines gesehen habe, habe sei dieses Kennzeichen mit Z und CA gesehen. Pinar fragt, ob das auf einem Kennzeichen oder unterschiedlichen gewesen sei. A. antwortet, es sei eines gewesen. Nebenklagevertreter RA Erdal beantragt, dass die Zeugin vereidigt wird, was Götzl zunächst per Verfügung zurückweist. Erdal möchte einen Gerichtsbeschuss dazu. Um 16.43 Uhr verkündet Götzl, dass seine Verfügung bestätigt wird. Damit endet die Vernehmung der Zeugin Veronika von A.
Es folgt der Zeuge Werner I., Kriminalbeamter aus Kassel. Bevor der Zeuge vernommen wird, verlassen die Angehörigen von Halit Yozgat den Saal. Der Zeuge I. war 2006 im Erkennungsdienst des Polizeipräsidiums Kassel tätig. Er berichtet, sie seien mit der Spurensicherung und der fotografischen Dokumentation des Tatorts des Mordes an Halit Yozgat am 6. April 2006 betraut gewesen. Es werden Lichtbilder, die I. angefertigt hat, in Augenschein genommen. Zunächst werden Außenansichten vom Haus Holländische Straße 82 gezeigt. Dann folgen Bilder von den Räumlichkeiten des Internetcafés. Auf einem ist ein Kinderwagen zu sehen. I. zeigt Bilder vom Tresen des Internetcafés und dann auch Bilder des Leichnams von Yozgat. Dazu sagt I, das sei die Position des Opfers gewesen als sie an den Tatort gekommen seien. Die Lage sei verändert worden durch die Rettungskräfte, man sehe am Leichnam noch einen Spuren der ärztlichen Versorgung wie zum Beispiel einen Zugang. Auf einem Foto ist ein Monitor auf dem Verkaufstresen zu sehen. Linksseitig seien mehrere Telefonzellen gewesen, in einer Zelle sei eine Aktentasche gefunden worden, die Yozgat habe zugeordnet werden können. Dann sieht man ein Foto von einem Durchgang zu weiteren Räumen: einem Telefonraum und dahinter dem so genannten „Internetraum“. Dahinter seien dann die Toiletten gekommen. Die Plätze im Internetraum seien genau markiert worden für spätere Ermittlungen. Es folgen Bilder der einzelnen Internetplätze. Auf den dann folgenden Bildern sieht man Spuren, vor allem Spuren einer rötliche Substanz – „aller Voraussicht nach Blut“, so A. Gezeigt werden unter anderem mehrere Blutspuren auf dem Verkaufstresen und auf Papierstücken, dann auch die Blutspuren hinter dem Tresen. Weiter berichtet I. anhand der Bilder, dass weitere Spuren gefunden worden seien, ein Taschentuch in einer Telefonzelle, Zigarettenkippen aus dem Mülleimer, ein Handy und eine Jacke im Außenbereich des Cafeś sowie eine Tasche. Aus dem Senat wird der Zeuge gefragt, ob Patronenhülsen aufgefunden worden seien, was dieser verneint. Auf Nachfrage des Verteidigers RA Klemke sagt I., er habe die Fotos mit einer Nikon gemacht, er meine sich zu erinnern, dass er die Fotos freihändig gemacht habe, er sei 1,89 cm groß. Nebenklagevertreterin RAin Basay fragt, ob es eine Tür oder Absperrung zum hinteren Raum gegeben habe. I. sagt, auf den Fotos sei zu erkennen, dass sich dort keine Tür befunden habe. Vor dem Café habe es Parkplätze gegeben, seiner Erinnerung nach seien diese Parkplätze parallel zur Straße ausgerichtet gewesen. Die Vernehmung endet um 17.09 Uhr, die Angehörigen von Halit Yozgat kommen wieder in den Saal.
Es folgt die Vernehmung des Zeugen Bi., Kriminalbeamter aus Kassel. Bi. solle zu Ermittlungen berichten in Bezug auf den Mord an Halit Yozgat und auf Andreas T., so Götzl. Bi. sagt, er habe die Berichte geschrieben, aber die Ermittlungen nicht alle selbst gemacht. Er berichtet, dass sechs Zeugen während der Tat im Internetcafé gewesen seien, zwei hätten im Internetbereich gesurft, zwei im Telefonbereich telefoniert und einige Tage danach habe sich herausgestellt, dass Andreas T. ebenfalls im Internetbereich gesurft habe. Die Tatzeit sei einigermaßen einzuschränken gewesen, ein irakischer Zeuge habe von 16.54 bis 17.03 Uhr telefoniert, also sei vor 16.54 Uhr noch alles in Ordnung gewesen. Als der Zeuge um 17.03 Uhr seine Telefonzelle verlassen habe, sei die Tat schon begangen gewesen. T. habe von 16.51 Uhr bis 17.01 Uhr gesurft. Der Zeuge Ta., der ihm gegenüber gesessen habe, habe ausgesagt, dass Andreas T. das Internetcafé verlassen habe, dann habe Ta. ein Plumpsen gehört und dann sei ein weiterer Kunde herein gekommen und habe gefragt, ob noch jemand da sei. Das würde bedeuten, dass die Tat stattgefunden hat nachdem T. das Café verlassen hat, so Bi. Aber T. habe ausgesagt, er habe Yozgat nicht auffinden können, deswegen habe er draußen geguckt, sei dann zurück in den Internetbereich gegangen und habe dann am Schreibtisch 50 Cent hinterlegt. Das, so referiert Bi. Andreas T.s Angaben, habe eine Minute gedauert, es seien also nur noch 40 Sekunden, bis der Zeuge Sh. seine Telefonzelle verlassen habe. Das, so Bi., sei sehr knapp. Ermittelt hätten sie Andreas T. weil sich der Zeuge Ta. drei Tage nach der Tat erinnerte habe, dass ihm gegenüber eine weitere Person im Café gewesen sei, ein großer, kräftiger Mann mit gelbem Hemd und Plastiktüte, der das Café verlassen habe vor dem Geräusch. Sie hätten dann die Rechner ausgewertet und hätten über die ausgewertete Seite „ilove.de“ und eine hinterlegte Telefonnummer T. ermittelt. Sie hätten eine Telefonüberwachung gemacht und ihn nach einigen Tagen festgenommen. Sie hätten noch nicht gewusst, was T. von Beruf ist. T. sei ausgiebig vernommen worden und T. habe erzählt, er habe sich nicht gemeldet, weil er sich als Verfassungsschützer dort nicht aufhalten dürfe. Dort befinde sich eine Moschee, die der Verfassungsschutz überwache, und seine Frau habe nicht wissen dürfen, dass er diese Bekanntschaftsplattform genutzt habe. Freitag, so habe T. angegeben, habe er frei gehabt, dann sei samstags eine Familienfeier gewesen und am Sonntag habe er erst aus der Zeitung von dem Mord erfahren. Weiter habe T. angegeben, dass er montags auf seine Stempelkarte geguckt habe und sich so spät ausgestempelt habe, dass er gemeint habe, er sei am Tag zuvor im Internetcafé gewesen. T. habe gesagt, dass er auch keine Tüte gehabt habe. Dabei sei er bei beiden Vernehmungen geblieben. Sie hätten ihn dann wieder entlassen, weil sie den dringenden Tatverdacht nicht hätten aufrecht erhalten können. Es seien in diesem Zusammenhang zwei Wohnungen durchsucht worden, eine in Trendelburg und eine in Hofgeismar. Es seien mehrere Schusswaffen gefunden worden. T. habe eine Waffenbesitzkarte gehabt. Außerdem seien Schriftstücke gefunden worden, wo T. mit einer mechanischen Schreibmaschine mit, wie T. später erklärt habe, 13 oder 14 Jahren Bücher aus dem Nationalsozialismus abgeschrieben und die Unterschrift Hitlers imitiert habe. Götzl fragt nach Alibis. Bi. antwortet, für die erste Tat habe T. ein Alibi, er habe im Raum Kassel Geld mit seiner Karte abgehoben, bei der sechsten Tat sei er bei einer Fortbildungsveranstaltung beim Verfassungsschutz in Köln gewesen. Ansonsten sei T. auf der Arbeit gewesen, da habe es aber kein Ein- und Ausstempeln gegeben, so dass da keine ganz sicheren Alibis hätten ermitteln werden können. Sie seien mit T. zum Tatort gegangen, er habe gezeigt, was er gemacht habe nachdem er seinen Platz verlassen habe. Zunächst sei er in den Telefonraum gegangen, habe Yozgat dort nicht sitzen gesehen, dann sei er nach draußen gegangen habe ihn auch da nicht gesehen, deswegen sei er wieder rein gegangen in den Internetraum, habe Yozgat auch dort nicht gesehen, deswegen habe er 50 Cent auf den Tresen gelegt. Götzl fragt, wie viel Zeit T. benötigt habe bis zum Einsteigen in seinen PKW. Bi. sagt, das sei 1 Minute und 5 Sekunden gewesen. Der Zeuge Sh. habe zwei Knallgeräusche gehört, während er telefoniert habe bzw. schon als er seine PIN eingegeben habe.
Nebenklagevertreter RA Bliwier fragt, wie Bi. in einem Vermerk zur Einschätzung gekommen sei, dass die in der Vergangenheit durchgeführten Ermittlungen zum Ergebnis geführt hätten, dass eine Organisation hinter der Mordserie stehen könnte oder ein kleiner Personenkreis mit rechtsradikalen Motiven. Bi. antwortet, es sei eine Mordserie gewesen, es sei nie ein Tatverdacht ermittelt worden und es habe auch keine Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern gegeben. Für sie habe es nur es nur eine Organisation sein können oder Einzeltäter bzw. eine kleine Gruppe mit vermutlich fremdenfeindlichem Hintergrund. Das sei nicht seine eigene Hypothese gewesen, das seien die beiden großen Theorien gewesen. Auf Frage von Bliwier sagt der Zeuge, zum Tatverdacht gegen Andreas T. habe er geschrieben, dass man ihn mit keiner der anderen Taten in Verbindung bringen könne, das bedeute aber nicht, dass er die Tat in Kassel nicht begangen habe. Bliwier sagt, Bi. habe geschrieben, dass letztlich nicht ausgeschlossen werden könne, dass T. über einen seiner VM [= Vertrauensmann] als Werkzeug einer Organisation benutzt worden sei, und fragt, ob Bi. diesbezüglich weiter gekommen sei. Bi. sagt, sie hätten gewusst, wieviele Vertrauenspersonen T. geführt habe und in welchem Bereich, aber Personalien hätten sie nicht bekommen. Das habe am Innenministerium gelegen, man habe die Quellen schützen wollen. Bliwier fragt ob es richtig sein, dass die Beamten sich bemüht hätten und das Ministerium nicht geholfen habe. Das bestätigt Bi., sie hätten aber einen Fragenkatalog stellen können. Bliwier sagt, das sei vom damaligen hessischen Innenminister Bouffier unterzeichnet worden. Auch das bestätigt Bi. Zu seiner Gefühlslage angesichts diese Bescheides befragt, sagt Bi., es sei lange her, aber er sei viele Jahre als Mordermittler tätig gewesen und dass das höchste Rechtsgut sei das Leben und von daher sei es schwierig, das abzuwägen. Es sei ihnen auch angeboten worden, mit den Quellen zu sprechen, aber dann nicht als Polizisten. Das hätten sie aber nicht getan, weil sie nicht mit Zeugen sprechen könnten, wenn sie sich nicht als Polizisten ausgeben.
Verteidiger Klemke fragt, wieviele Zeugen Geräusche gehört hätten. Der Zeuge Sh. habe zwei Geräusche gehört, eine Zeugin habe ein „Taktaktak“ gehört, das könne aber Sh. gewesen sein, der möglicherweise geklopft habe und zwei Zeugen im Internetbereich hätten das fallende Geräusch gehört. Andreas T. habe angegeben, nichts gehört zu haben. Sh. habe die Geräusche spätestens bei der zweiten PIN-Eingabe gehört, er, Bi., meine, das sei um 17.01 Uhr gewesen. Klemke fragt, ob T. Halit Yozgat hätte sehen müssen als T. nochmal zu dem Schreibtisch ging, wenn Yozgat dort bereits tot gewesen sein sollte. Bi. sagt, das sei schwierig. Es sei versucht worden, das zu rekonstruieren. T. sei ungefähr 1,90 m groß. Direkt am Tresen sei die Wahrscheinlichkeit schon da, aber aus einem Meter könne man auch nicht ganz ausschließen, dass er ihn nicht gesehen habe. Klemke hält einen Vermerk von Bi. vor, nachdem T. das Mordopfer habe bemerken müssen, als er die 50 Cent auf den Tresen gelegt habe. Bi. sagt, er relativiere das insofern, dass Andreas T. Yozgat seiner Meinung nach habe sehen müssen, aber es sei ja auch möglich, dass er die 50 Cent von weitem habe hinwerfen können oder mit geschlossenen Augen. Man könne das nicht hundertprozentig ausschließen. Klemke fragt, wie es bei einer normalen Verhaltensweise sei. Bi. sagt, der Zeuge Sh. habe Yozgat ja auch nicht gesehen. Bei T. sei er, Bi., der Meinung, dass er Yozgat gesehen haben müsse, er könne es aber nicht hundertprozentig sagen. RA Schön fragt, ob T. auch gefragt worden sei, ob er Blut auf dem Tresen gesehen hat. Bi. sagt, T. habe ausgesagt, kein Blut gesehen zu haben.
Dann fragt Nebenkläger İsmail Yozgat, der Vater von Halit Yozgat. Der Dolmetscher übersetzt. Yozgat sagt, er könne immer noch nicht verstehen, dass T., der 1,90 m groß sei, während er das Geld auf den von Tisch von 74 cm geworfen habe, seinen Sohn nicht gesehen haben will. Yozgat sagt, er könne das in einer Minute zeigen. Richter Götzl unterbricht Yozgat, er komme morgen sowieso zu Wort. Yozgat sagt, er wolle das im Beisein des Zeugen zeigen. Götzl sagt, er könne das auch T. fragen, der morgen Zeuge sei.
Der Verhandlungstag endet um 17.40 Uhr.
Nebenklage-Vertreter RA Alexander Hoffmann kommentiert die Aussage der Zeugin A.:
„Natürlich ist die Bewertung einer Zeugenaussage, sieben Jahre nach einer Beobachtung, zu einer Identifikation nach der Berichterstattung zu den Taten des NSU besonders schwierig. Alleine auf eine solche Identifikation könnte eine Verurteilung sicher nicht gestützt werden. Andererseits hat die Zeugin heute mit großer Konstanz ihre Aussage bei der Bundesanwaltschaft wiederholt. […] Eine solche Zeugin wäre – trotz der langen Zeit seit ihrer Wahrnehmung – in jedem Landgerichtsverfahren der Traum eines Vorsitzenden und der Albtraum eines Verteidigers. […] Auf jeden Fall werden nach dieser Zeugenaussage weitere Ermittlungen, insbesondere in die Dortmunder Naziszene, durchgeführt werden müssen.“