Zusammenfassung der Prozesstag 40, 41 und 42 – 30. September bis 2. Oktober 2013

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Lange verlief der NSU-Prozess in München sehr schleppend. Diese Woche überschlugen sich die Ereignisse aber. Zunächst sagte die kürzlich aufgetauchte Dortmunder Zeugin aus, die das Trio in Dortmund gesehen haben will. Außerdem war der Mord in Kassel zentrales Thema. Dazu wurde auch der Verfassungsschützer Andreas T. vernommen.

Die bewegendsten und traurigsten Momente der Woche waren die Aussagen der Eltern von Halit Yozgat. In einem eindringlichen Appell richtete Frau Yozgat am Mittwoch persönliche Worte an die Angeklagte : „Ich bitte sie, dass sie all diese Vorfälle aufklären. […] Seit 7 Jahren schlafe ich jeweils nur 2 Stunden, ich konnte nie richtig schlafen. […] Denken sie bitte immer an mich, wenn sie sich ins Bett legen, denken sie daran, dass ich nicht schlafen kann.“ Bereits am Vortag war ihr Ehemann vom Gericht vernommen worden. Ismail Yozgat schilderte den dramatischen Moment, wie er vom Einkauf in das Internetcafé seines Sohnes kam um ihn abzulösen, da dieser in die Abendschule gehen wollte. Dort fand er seinen Sohn erschossen vor. „Vermiyor“ rief er mehrmals von Emotionen überwältigt in den Gerichtssaal, „Vermiyor“ – er gab keine Antwort. Yozgat erzählte, wie er nach der Beerdigung seines Sohnes zurück nach Kassel kam und er nur noch 4 seiner 5 Kinder hatte. Das Zimmer von Halit war von der Polizei versiegelt, er konnte nicht einmal wegen eines Andenkens den Raum betreten, in Kassel kursierten Gerüchte über die Familie. Die Aussage lässt erahnen, was die Familie durchmachen musste. Fünf Jahre, bis 2011, habe sich die Familie nicht getraut rauszugehen. Ismail Yozgat erlitt zwei Herzinfarkte und ist heute Frührentner. Yozgat war wichtig, deutlich zum machen, dass die Familie keine Entschädigungszahlungen des deutschen Staates angenommen hat und appellierte am Ende seiner Vernehmung noch einmal an alle, die Holländische Straße in Kassel in Halit-Straße umzubenennen – die Straße, in der Halit Yozgat 1985 geboren und am 6. April 2006 erschossen wurde.

Verfassungsschützer am Tatort

Am Nachmittag des Tages begann dann die mit Spannung erwartete Vernehmung von Andreas T., dem früheren Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes. T. war im Internetcafé in der Holländischen Straße während Halit Yozgat erschossen wurde und chattete auf einem Flirtportal. Den Mord will er nicht mitbekommen haben und meldete sich, auch nachdem er davon erfahren haben will, nicht bei der Polizei – denn er als er Sonntags vom Mord erfahren habe, will er gedacht haben, dass er im Internetcafé Mittwochs zu Besuch war und nicht an dem Donnerstag, an dem der Mord verübt wurde. Auch den Toten Halit Yozgat will er nicht bemerkt haben, obwohl schon am Montag ein Polizeibeamter geschildert hatte, dass dieser kaum übersehbar hinter dem Schreibtisch lag. Deutlich wie bei keinem anderen Zeugen zuvor machte der Vorsitzende Richter Götz deutlich, dass die geschilderte Version kaum stimmen kann und sich die Frage stellt, ob sich T. hier aus etwas raushalten wollte, „egal aus welchem Grund“. T. versuchte sich selbst als Opfer zu stilisieren, schluchzte zwischendurch auf, allerdings eher vor Selbstmitleid als vor dem Leid der Opfer der Mordserie und ihrer Angehörigen. T. wird sicherlich noch einige Stunden auf der Zeugenbank verbringen, denn nach zwei Stunden unterbrach Richter Götzl die Vernehmung, um sie zu einem späteren, noch unbestimmten, Zeitpunkt fortzusetzen.

Besuch in Dortmund?

Das dritte zentrale Thema der Woche war die Frage, ob das Zwickauer Trio Anfang April 2006 in Dortmund war. Vor zwei Wochen hatte die Nebenklage-Anwältin Dierbach in einem Beweisantrag eine Zeugin benannt, die Zschäpe, und auf ihrem Nachbargrundstück in Dortmund-Brackel gesehen haben will. Sie schilderte am Montag vor Gericht, dass sie sich einhundertprozentig sei, Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe wiedererkannt zu haben. Durch das Dachfenster ihres Hauses habe sie mehrere Minuten lang vier dunkel gekleidete Personen beobachtet. Da ihr diese merkwürdig vorgekommen seien, habe sie dazu ein Fernglas benutzt und so die Gesichter der drei Männer und der Frau erkennen können. Außerdem berichtete sie, dass in diesem Zeitraum und auch schon im Jahr davor Wohnmobile auf der Straße geparkt hätten. Die Aussage der Zeugin klang für Beobachter_innen schlüssig und war frei von Widersprüchen. Ihr Ehemann bestätigte am Mittwoch die Angaben seiner Frau und berichtete ebenfalls von einem auffälligen Wohnmobil und Kastenwagen vor dem Grundstück, konnte sich aber an keine Gesichter der Personen vom Nachbargrundstück mehr erinnern. Nebenklage-Vertreter Alexander Hoffmann sagte nach der Verhandlung, dass die Aussage der Zeugin erst dann endgültig zu bewerten sei, wenn die anderen Personen ausgesagt hätten. „Auf jeden Fall werden nach dieser Zeugenaussage weitere Ermittlungen, insbesondere in die Dortmunder Naziszene, durchgeführt werden müssen.“, so Hoffmann.

Darüber hinaus wurden noch mehrere Polizei-Beamte vernommen, die sich mit den Ermittlungen in Kassel und der Ceska-Mordserie im Allgemeinen beschäftigt hatten. Dabei wurde deutlich, wie akribisch die Mörder ihre Taten geplant hatten. So wurde im Brandschutt der Zwickauer Wohnung ein Notizzettel gefunden, der zugeordnet wird, auf dem eine Skizze des Kasseler Internetcafés aufgezeichnet ist. Auf der Rückseite sind Zahlenfolgen notiert, die teilweise als Funkkanäle der Kasseler Polizei und Feuerwehr identifiziert werden konnten.

Ausblick

In der nächsten Woche werden dann die Nachbar_innen aus Dortmund befragt, außerdem soll erneut Carsten S. aussagen. Nachdem er sich bislang geweigert hatte, Fragen der Verteidigung von zu beantworten, will er dies nun tun.

Die ausführlichen Protokolle der Verhandlungstage folgen in den nächsten Tagen.