An diesem Verhandlungstag wurden weiter Stellungnahmen zum Antrag auf ein forensisch-linguistisches Gutachten zum Zschäpe-Brief und dem NSU-Brief eingebracht. Die meiste Zeit des Tages verging mit der Anhörung von Zeug_innen aus der Zwickauer Polenzstraße, die vor allem Zschäpe, aber auch Mundlos und Böhnhardt als „freundliche“ NachbarInnen kannten, die gerne „Ballerspiele“ spielten.
Zeug_innen:
- Thomas J. (LKA Sachsen, ermittelte zur Versendung des sogenannten Bekenner-Videos des NSU)
- Susann Ei. (hat Zschäpe in Zwickau eine SIM-Karte gekauft)
- Uwe S., (ehemaliger Nachbar aus der Polenzstraße in Zwickau)
- Katrin F. (ehemalige Nachbarin aus der Polenzstraße in Zwickau)
- Martin F. (ehemaliger Nachbar aus der Polenzstraße in Zwickau)
Der Verhandlungstag beginnt um 11:13 Uhr. Als erster Zeuge war am heutigen 56. Prozesstag Thomas J., 49 Jahre, vom LKA Sachsen geladen, dessen Aussagegenehmigung verlesen wird. Er hat Ermittlungen beim Leipziger Briefzentrum 04 angestellt, dessen Stempel sich auf den Umschlägen von sechs der zwölf Bekennervideos befunden hat, die mutmaßlich von Beate Zschäpe am Samstag, 5.11.2011, in Halle eingeworfen worden sind. Der Poststempel datiert vom 6.11.
Seine Fragestellung lautete: war es der Angeklagten Beate Zschäpe möglich, sechs Bekennervideos selbst einzuwerfen? Das in Frage stehende Briefzentrum 04 der Deutschen Post AG liege in der Nähe des Flughafens Leipzig-Halle in Schkeuditz: er habe seine Anfrage mit 4 Fragen am 7.12.11 hingeschickt und am 16.12.11 nochmal nachgefragt.
Der Zeuge gibt an, dass zunächst der Fluchtweg von Zschäpe ermittelt worden sei, ihre Spur sei mit einem Mantrailer-Suchhund in Chemnitz verfolgt worden, wo in den Morgenstunden des 5.11. gewesen sein soll. Am Nachmittag des 5.11.2011 sei Zschäpe beim ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach gesehen worden und hat am 6.11. gegen 3.40 Uhr ein Wochenendticket in Bremen erworben. Die Zugverbindung hätte durchaus bis nach Leipzig führen können. Am 7.11. sei sie auf dem Hauptbahnhof in Halle von einem Zeugen zweifelsfrei wiedererkannt worden.
Im Zuge seiner Ermittlungen habe er, so J., sich zur Sicherheitsverantwortlichen des Briefzentrums (BZ) 04 Leipzig durchtelefoniert und sie als „beantwortungskompetent“ eingeschätzt.
Seine Fragen waren: Welches Einzugsgebiet hat das BZ 04? Welches Briefzentrum Z bearbeitet die Post des Flughafens Halle-Leipzig? Gibt es Mischbearbeitung durch zwei Briefzentren? Sei es theoretisch möglich, dass ein Brief in Halle eingeworfen und in Leipzig abgestempelt werde? Für den Zeugen habe sich die Erkenntnis ergeben, dass eine „überlappende Bearbeitung“ durchaus üblich sei. Deshalb sei der Einwurf in Halle entweder am Samstagnachmittag, 5.11., oder am Sonntag, 6.11.2011, geschehen und zwingend mit dem Stempel 04 des besonders großen Leipziger BZ (2,25 – 3 Millionen Sendungen/Tag) versehen worden, da der dortige Sonntagsdienst an jenem Wochenende für den Einzugsbereich der Briefzentren aus Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt (ohne Magdeburg) zuständig gewesen sei.
Es folgt ein Antrag der Nebenklagevertreter_innen Pinar und Hoffmann: Sie beantragen ein forensisch-linguistisches Gutachten der sog. NSU-CDR aus dem Brandschutt der Küche in der Frühlingsstraße. im Vergleich zu den Briefen der Angeklagten Zschäpe an Robin Sch., derzeit in der Haftanstalt Bielefeld, vom 2.8.2013 und der Briefe von Uwe Mundlos, die in der Garage gefunden wurden und die nicht Teil der Akte sind, aber sich im Original bei der BAW befänden. Sie sollen auf sprachliche Merkmale überprüft werden mit der Frage, ob die Autorenstile von Mundlos und Zschäpe Rückschlüsse auf die Erstellung erlauben. Die Beweiserhebung werde ergeben, so Pinar und Hoffmann, dass Zschäpe Mit-Autorin der NSU-Briefes ist. Ein Gutachten der Illustrierten „Stern“ liege vor. Das „Manifest des NSU“, das Bekennervideo und der Brief an Robin Sch. gäben mehr preis als nur ihren Inhalt: Zschäpe habe daran mitgewirkt und also die Mordserie ideologisch mitgetragen. Sie habe Bewusstsein von Sprache, spiele damit, ein Stil sei zu erkennen und schlage sich im NSU-Brief nieder.
Die Bundesanwaltschaft fordert, einen Beweisantrag der Nebenklage Yozgat u.a. (namentlich der RA_innen Rabe, Lucas, Basay und Kienzle), welcher die Ladung etlicher Zeug_innen aus dem Ermittlungskontext Andreas Te. [V-Mann-Führer Kassel] vorsieht sowie die Verlesung der Sperrerklärung des Ministeriums und die Vernehmung von Te.s vorgesetzter V-Mann-Führerin abzulehnen. Sämtliche unter Beweis gestellte Angaben wie die Angaben des Zeugen Te. gegenüber seiner Vorgesetzten, der Ablauf einer Besprechung im Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, das abgehörte Gespräch des Zeugen Te. mit dem „Geheimschutzbeauftragten des LfV Hessen“ sowie Inhalte des kognitiven Interviews mit Te., seien aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Sie trügen – auch wenn Tatsachen erwiesen würden – nichts zur Entscheidung über die Schuld der Angeklagten bei. Te. habe bisher keine be- oder entlastenden Aussagen getätigt. Die Beweiskraft dieses Zeugen zu erschüttern, spiele also für den Ausgang dieses Verfahrens keine Rolle; die behauptete Einflussnahme des LfV Hessen und Steuerung des Aussageverhaltens von Te. sei ohne Relevanz, selbst wenn ein Beweis darüber erbracht würde. Das Ansinnen den Aktenbestand Te. beizuziehen sei erneut abzulehnen. Man beziehe sich auf den Senatsbeschluss vom 7.11.2013. Auch sei es nicht die Aufgabe des hiesigen Strafverfahrens, Anhaltspunkte für weitere NSU-Unterstützer zu ermitteln. Diesbezügliche Ermittlungen läge bei gesonderten Ermittlungen des Staatsanwalts beim Bundesgerichtshofes. Oberstes Gebot sei das Beschleunigungsgebot, welches die Konzentration auf den Verfahrensgegenstand gebiete.
Einem forensisch-linguistischen Gutachten (s. oben und Protokoll zum 55. Verhandlungstag) werde seitens der BAW nicht entgegengetreten.;
Der Antrag stellende RA Kienzle bemerkt, dass der fortwährende Verweis auf das Beschleunigungsgebot „fast schon lustig“ sei; denn wenn die Akten nur endlich beigezogen würden, „müssten wir uns nicht mit den Stellungnahmen aufhalten“.
Nach der Mittagspause erwidert RA Kienzle, die GBA habe gesagt, dass selbst bei Erwiesensein einer Steuerung durch das LfV Hessen dies ohne Bedeutung sei, die Frage nach Unterstützer_innen sei nicht mit Blick auf die angeklagten Taten zu klären. Eine Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Aussagen Te.s lasse die BAW vermissen, so habe Te. gesagt, er sei nicht am Tatort gewesen; er sei doch da gewesen, aber an einem anderen Tag; er sei da gewesen, am selben Tag, habe aber nichts gehört. Die Vertreter des Generalbundesanwaltes verkennten, dass die konkrete Vorbereitung der Tat und der Ablauf im Internetcafé aufzuklären seien, auch wer die Auswahl des Tatorts und die Ausspähung vorgenommen habe. Eine Nicht-Aufklärung dieses Sachzusammenhangs könne dazu führen, dass das Urteil in der Revision aufgehoben werde. Daran könnten die Verfahrensbeteiligten kein ernsthaftes Interesse habe. Der Rückgriff auf den Senatsbeschluss vom 30.10.2013 sei vollkommen „unbehelflich“, da damals behauptet worden sei, im Antrag zur Beiziehung des Aktenbestrandes in der Ermittlungssache gegen den damals Beschuldigten Te. sei der zu ermittelnde Sachverhalt nicht deutlich geworden. Der GBA umgehe also bewusst eine Befassung mit dem Inhalt des genannten Senatsbeschlusses. Auch der Senat habe den Zeugen zwei Stunden intensiv befragt und ihn nochmal geladen. Für die Nebenklage Yozgat sei die Aufklärung in dieser Frage von immenser Bedeutung; der Sachzusammenhang werde hier zu restriktiv ausgelegt; das Urteil des Senats könnte in einer Revision der Aufhebung mangels Sachaufklärung unterliegen. Deshalb seien zwingend die Vernehmungsprotokolle Te.s und das kognitives Interview beizuziehen. Der Hinweis auf das Beschleunigungsgebot treffe insoweit außerdem den Vorsitzenden Götzl ebenfalls.
Nebenklagevertreter RA Reinicke nimmt Stellung bezüglich der Einholung eines linguistischen Gutachtens, wogegen er Bedenken habe. Ein Gutachten liege in den Akten vor; mögliche Schlüsse seien nicht zu erwarten; es gehe nicht, einfach nur einen „Stern“-Artikel einzuführen; Außerdem bestehe ein Unterschied zwischen einem privaten Brief und einem politischen Manifest; zumal unklar sei, wie viele Beteiligte es beim Verfassen des Manifests gegeben habe. Es laufe auf Beliebigkeit hinaus; etwa wenn vom „verräterischen Apostroph“ die Rede sei. Es sei ein Running Gag des Satire-Magazins Titanic, solche falsche Apostrophnutzung bloßzustellen. Es müsse verhindert werden, dass ein völlig falscher Eindruck zum Stand des Verfahrens entstehe: Die bisherigen Beweismittel würden völlig ausreichen, um Frau Zschäpe zu überführen; es entstehe der Eindruck, der „Stern“ springe dem Gericht hilfreich beiseite, aber es fehle „kein entscheidendes Mosaiksteinchen“.
Nebenklagevertreter RA Scharmer schließt sich den Ausführungen Kienzles an: der nahezu gebetsmühlenartige Hinweis auf die gesonderten Ermittlungen der BAW gegen mutmaßliche NSU-Unterstützer sei doch nur relevant, wenn dazu überhaupt was gehört würde vor Gericht.
Weitere Nebenklage-Vertreter, u.a. RA Daimagüler, schließen sich dem Antrag von Pinar und Hoffmann an.
Verteidigerin RAin Sturm erwidert, der 23-seitiger Brief Zschäpes an Robin Sch. sei nicht beschlagnahmefähig und damit nicht verwertbar. Ob das „Stern“-Gutachten wirklich individuell zuzuordnende Beiträge und Eigenheiten ermittele sei unerheblich und generell sei Sachaufklärung in dieser Form nicht hilfreich. Bezüglich der anderen Anträge und der Stellungnahme der BAW äußert RAin Sturm, dass „das Ganze“ bedeutungslos sei. Die BAW-Stellungnahme lasse sich auf den Satz reduzieren, dass es völlig irrelevant sei, ob man Andreas Te. glaube oder nicht, weil er eh nichts Be- oder Entlastendes gesagt habe. Man frage sich, warum habe die BAW ihn dann geladen und in der Anklage benannt, und auch das Gericht habe ihn geladen.
Als nächstes ist die Zeugin Susann Ei.,Hotelfachfrau aus Zwickau, geladen. Der Vorsitzende Richter Götzl befragt sie zu einer Handy-Karty und einem Handykauf für Beate Zschäpe. Die Zeugin schildert, wie sie vor ca. 9 Jahren in Zwickau in der Fußgängerzone angesprochen wurde von einer Frau; diese habe ihr Geld gegeben, mit dem sie ein Handy mit Prepaid-Karte habe kaufen sollen. Sie habe ihr 20 Euro Belohnung angeboten, die sie aber nicht genommen habe. Sie habe sich gedacht: „Kann ich schon machen, ist ja nix dabei“; sie habe das Gewünschte also gekauft. Die Frau habe das Handy an sich genommen, „das war’s“. Das habe sich im Telekom-Laden in der Fußgängerzone in Zwickau abgespielt, sagt die Zeugin auf Nachfrage aus.
Die Zeugin bestätigt ihre Unterschrift auf dem Auftrag vom 28.4.2004.
Dann wir der Zeuge Uwe S. aus Zwickau befragt. Auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Götzl zum Komplex der NSU-Wohnung in der Polenzstr. 2 in Zwickau berichtet der Zeuge, er sei vor 6 ½ Jahren dort ausgezogen; vorher habe er 3 Jahre dort gewohnt. Frau Zschäpe hätten sie nicht unter diesem Namen gekannt, den haben sie erst aus Medien erfahren; sonst könne er nicht viel sagen, so der Zeuge S. : „Guten Tag“ habe man sich bisweilen gegrüßt und mehr nicht; Zschäpe habe im Nachbarhaus, drei Eingänge weiter unter uns rechts im Parterre, gewohnt; er selbst habe auch Parterre gewohnt. Er und seine Familie hätten sie gekannt unter dem Namen Susann, der Familienname sei nicht bekannt gewesen. Ansonsten hätten sie niemand dort gesehen. Kontakt habe es sehr, sehr wenig gegeben, so der Zeuge. Man habe sich mal auf der Straße gesehen und gegrüßt. Wenn sein Enkel mal da im Hinterhof gespielt habe, kam sie zum „Guten Tag“-Sagen; sie habe auch mal mit dem Enkel gespielt. Zschäpe habe gesagt, so Uwe S., dass sie von zu Hause aus studiere. Sie sei mal im Urlaub gewesen, da habe man sie oft längere Zeit nicht gesehen. Einmal sei er in ihrer Wohnung gewesen, da er mal eine Zeit Hausmeister in dem Objekt gewesen sei. Da sei das Bad unter Wasser gestanden, weil in der Wohnung darüber was ausgelaufen sei; er habe nur Bad und Küche betreten, so S. Der Vermieter habe Handwerkern Bescheid gesagt; danach sei er nicht mehr dort gewesen. Zschäpe habe noch Kontakt zu seiner Tochter Cindy P. gehabt, die auch hier geladen sei. Zschäpe sei zwischendurch mal ein Vierteljahr weg gewesen, sie hätten sie gefragt und sie habe gesagt, sie sei im Urlaub gewesen. Sie habe jedoch nichts Privates preisgegeben, sagt S.
Ein Wohnmobil habe mal vor der Tür gestanden, so S., Zschäpe habe gesagt, sie fahre in den Urlaub, aber nicht mit wem. S. sagt, Zschäpe habe eine Katze gehabt, die mal weg gewesen sei, sie habe sie gesucht, wollte sie dringend wieder haben, deswegen habe sie Zettel aufgehängt mit der Adresse. Aber sie habe keine Telefonnummer herausgegeben, auch an seine Tochter nicht, die sie um die Nummer gebeten habe. Besuch habe er nur einmal bei Zschäpe gesehen, es sei bloß Einer gewesen. Das sei der gewesen, so S., der in dem Auto saß, die sich dann umgebracht hätten. Den Namen habe er aus den Medien. Das sei der Mundlos gewesen, aber S. habe ihn nur kurz im Vorbeigehen gesehen, einmal ganz kurz. Später – nach dem Umzug von Zschäpe. nach Weißenborn – habe Zschäpe ihn und seine Frau mal in der Stadt angesprochen; seine Frau sitze im Rollstuhl, das falle auf. Im Hof habe er mal Bilder gemacht, auf denen Zschäpe aber nie mit draufgewesen sei; das habe sie nicht gewollt, sagt S.
Nebenklagevertreter RA Reinicke fragt, ob Zschäpe sich tatsächlich Susann genannt habe. Der Zeuge sagt, sie hätte sich Susann und Lisa genannt, die Kinder hätten immer Susann gesagt, die waren noch klein. Verteidiger Heer fragt, ob der Zeuge mal eine Freundin mit Kind [Susann E.] gesehen habe, was S. nicht bejahen kann. Er habe Zschäpe nicht ausgefragt, das sei Privatsache, da „hänge ich mich nicht rein“. Auf Frage des Sachverständigen Sass sagt der Zeuge, dass Zschäpe immer freundlich zu ihnen gewesen sei. Sie hätten nie den Eindruck gehabt, „dass irgendwas ist“, sie sei ihnen gegenüber immer fröhlich gewesen.
Dem Zeugen werden Lichbilder von Susann E. vorgelegt, er erkennt sie nicht. Auch den im Saal anwesenden Angeklagten André E. erkennt er nicht.
Es folgt die Befragung der Zeugin Katrin F. aus Zwickau. Auf die Fragen des Vorsitzender Richter Götzl zum Komplex Polenzstr. 2 antwortete die Zeugin im Wesentlichen folgendes: Sie, ihr Mann und ihre zwei Kinder (3 und 13/14 Jahre alt) hätten 2005 oder 2006 dort direkt über Frau Zschäpe, in der 1. Etage, rechts, gewohnt. Sie hätten Beate Zschäpe kennengelernt, sie sei eine sehr freundliche, nette Frau, auch mit den Kindern sei sie nett gewesen und sie habe auch mal ausgeholfen, wenn jemand kein Geld gehabt habe, da habe sie was eingekauft. Die Zeugin „kann nichts schlechtes über die Frau sagen.“
Zschäpe habe dort mit zwei Männern gewohnt. Mit denen habe man nicht ohne Weiteres reden können, die seien viel weg gewesen, sie habe sie kaum gesehen; der eine sei groß und schlank, der andere nicht dick, etwas stämmiger gewesen: „ so 1,80 Meter werden sie schon gewesen sein“
Sie selbst habe mit Zschäpe immer mal Wäsche „aufgehangen“ und sich unterhalten.
Die Männer seien immer viel mit Rädern unterwegs gewesen; ein, zwei Mal im Jahr seien sie zu dritt mit Wohnmobil 6 – 7 Wochen „an die See“ gefahren, so F.. Zschäpe habe gesagt, der Freund verdiene gut in der Computerfirma des Vaters, weshalb sie selber nicht habe arbeiten müssen; beide Männer sollen in der Computerfirma gearbeitet haben; sie seien immer mal mit dem Fahrrad weggefahren, zur Talsperre Leuben; sie seien normal miteinander umgegangen; sie habe sich Lisa genannt; der Nachname sei Dietes gewesen, oder so. Zschäpe habe sich so mal vorgestellt. Die Namen der Männer habe sie nicht gekann, sagt die Zeugin F., sie hätten sich nicht vorgestellt. „Man kann nichts Schlechtes von ihr sagen.“
Götzl fragt nach zu den erwähnten Geschenken und der „Unterstützung“. Für Familie K. und deren Kinder habe Zschäpe mal Lebensmittel gekauft, da habe sie immer mal was „hochgeschafft“. Zschäpe sei nett mit Kindern gewesen, auch mit ihrem kleinen Sohn, so F., eigentlich zu allen Kindern, die da gewohnt hätten, auch zu denen von den Familien J. und D. und „so ne ausländische Familie, die dann in die Polenzstr. 8 gezogen ist“. Warum die ausländische Familie weggezogen sei, wisse sie nicht, ob die sich hätten vergrößern oder verkleinern wollen. Zschäpe habe mit denen auch geredet; da habe es keine Probleme gegeben, so F.
Sie und ihr Mann seien mal in Zschäpes Küche gewesen, nach einem Wasserschaden. Die Männer seien nicht zugegen gewesen; andere Räume habe sie nicht gesehen, die Türen seien verschlossen gewesen, danach sei sie dann nicht nochmal dort gewesen. Besuch bei Zschäpe habe sie eigentlich nicht gesehen; da sei mal eine Nichte oder ein Neffe, ein kleines Kind gewesen, das sei immer mal zu Besuch gewesen, es sei so ca. 5 Jahre alt gewesen. Zschäpe habe ab und zu auf das Kind aufgepasst, vielleicht so einmal im Monat. Zum Aussehen befragt, sagt F. Zschäpe habe so ausgesehen, wie sie jetzt aussehe, ab und zu habe sie eine Brille getragen. Über Politik hätten sie „garnüscht“ geredet. Zwischen Zschäpe und den zwei Männern habe es mit den sonstigen Bewohnern keine Konflikte gegeben, da habe sie nichts mitgekriegt, so F. Auf eine Vorhalt von Götzl bestätigt die Zeugin, dass die beiden Männer, die sie bei der Lichtbildvorlage bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 17.12.2011 erkannt habe, „immer mit ihren PC-Ballerspielen beschäftigt“ gewesen seien. Sie hätten ein Zimmer „ausgedämmt“, weil sie da immer Computerspiele mit Schlägereien und Schießereien gemacht hätten. Einmal habe sie sie im Keller getroffen, da hätten sie sich über Waffen unterhalten. Sie habe nicht gewusst, wovon sie geredet hätten, ja, von Waffen, das hätte auch wegen der Computerspiele gewesen sein können. Sie hätten ihre Fahrräder aus dem Keller geholt und hätten sie nicht gesehen, so F., sie sei gleich raus. Das hätte sie nicht so interessiert.
Die Sprache bzw. den Akzent von Zschäpe und den Männer beschreibt die Zeugin auf Nachfrage als „so normal, nicht so sächsisch, halt Deutsch, so hochdeutschmäßig“.
Auf eine Vorhalt des Vorsitzenden Richter Götzl bestätigt die Zeugin, dass die „immer teure Dinge eingekauft“ hätten, was wisse sie aber nicht mehr. Aber die Zimmerdämmung habe 2000 Euro gekostet. Das Rumsen sei danach weg gewesen.Götzl hält vor, sie habe in ihrer damaligen Vernehmung ausgesagt, „dass sie Waffen in der Wohnung hätten und auf Leute schießen?“ Die Zeugin sagt, das habe sie so nicht gesagt. Nur, dass die Computerspiele machten und da rumschössen. Sie hätten über Waffe gesprochen, nicht, dass die auf Leute schießen würden, sagt F. Götzl hält vor, sie habe angegeben, dass sie mal zu ihrem Mann gesagt habe „Nicht dass die mal auf uns schießen’“ Die Zeugin sagt, das wisse sie nicht mehr, es könne sein. Götzl hält vor, dass sie angegeben habe, „Lisa“ nach Waffen und dem Schießen gefragt zu haben und „Lisa“ das mit Computerspielen begründet habe. Die Zeugin sagt, sie habe nach Computerspielen gefragt.Götzl hält vor, sie hätte ausgesagt, sie habe „Lisa“ nach Waffen in der Wohnung gefragt und sie hätte „ja“ gesagt. Die Zeugin antwortet, das habe sie so nicht gesagt. Auch dass „Lisa“ auf ihre Frage, ob die Männer Waffenscheine gehabt hätten, geantwortet habe, dass die beiden in einem Schützenverein seien, kann die Zeugin nicht bestätigen, das habe sie so nicht gesagt. Sie habe gedacht, dass das Waffen für PC-Spiele seien. Sie habe keine (echten) Waffen gesehen, dafür interessiere sie sich nicht.
„Lisa“ habe gesagte, sie habe eine Unterleibs-OP gehabt; deswegen sie keine Kinder bekomme, stattdessen habe sie ja die Katzen. An den Mann, der ab und zu mit dem Kind zu Besuch gekommen sei, könne sie sich nicht erinnern, so F.. Lisa habe öfter auf das Kind aufgepasst. Die (drei) Männer seien dann woanders hin gefahren, wohin wisse sie nicht.
Der Zeugin werden Wahllichtbildkarten vorgelegt, sie erkennt „Lisa“ [Beate Zschäpe] und Mundlos und Böhnhardt. Andere wie z.B. die Frau des Angeklagten E., Susann E., erkennt sie nicht.
BAW Weingarten hakt nach: Im Vernehmungsprotokoll vom 17.12.11 gebe es anderthalb Seiten über das Thema Kellergespräch und Waffen. Sie sage nun, dass sie das so nicht gesagt habe. Ob sie das Vernehmungsprotokoll durchgelesen und unterschrieben schrieben habe, will Weingarten wissen. Die Zeugin sagt, sie habe das „bloß so schnell gemacht“. BAW Weingarten will wissen, ob die Polizei was Falsches aufgeschrieben habe. Das habe sie nicht gesagt, erwidert die Zeugin. BAW Weingarten bohrt nach, ob die Polizei da anderthalb Seiten was aufgeschrieben habe, was sie nicht gesagt habe. F. sagt, sie habe das nicht richtig geschnallt. BAW Weingarten insistiert, es stehe da, sie habe gefragt, „ob da Waffen in der Wohnung seien. Lisa sagt: Ja. Da hab ich gefragt, ob die Männer dafür einen Waffenschein haben…“. Er fragt, ob die Zeugin nicht gern etwas Schlechtes über die Frau Zschäpe sage. F. sagt, Zschäpe sei immer nett zu ihnen gewesen, sie könne nichts Schlechtes über sie sagen.
Nebenklagevertreter RA Scharmer will von der Zeugin wissen, ob sie mal mit anderen über die Geschichte geredet habe, z.B. mit Medien. Sie antwortet, das Fernsehen sei mal da gewesen. Sie habe da gesagt, was sie hier gesagt habe und dass Zschäpe freundlich gewesen sei. Nebenklagevertreter RA Reinicke will noch mehr über den Fernsehbeitrag wissen, wie er zustande gekommen sei und ob der Journalistin ihre polizeiliche Aussage vorgelegen hätte, was die Zeugin verneint.
Es wird ein Ausschnitt aus der NDR-Sendung „Die Nazi-Morde“ vom 8.4.2013 in der Reihe „45 Minuten“ vorgespielt:
Darin sagt die Zeugin: Da seien die unten im Keller gewesen und hätte ihre Räder geholt; sie habe mitgehört, sie müssten halt noch die Waffen holen und dann würden sie so richtig loslegen.
Nach den Nebenklagevertretern Reinicke, Schön und Narin erhält Verteidigerin RAin Sturm das Fragerecht und will wissen, wann sie genau von den Vorwürfen erfahren habe, die Zschäpe und den beiden Männern zur Last gelegt würden. F. antwortet, ihre Nachbarin Frau S. habe sie vor der Vernehmung bei der Polizei auf entsprechende Zeitungsartikel aufmerksam gemacht. Ihr Mann sei zur Vernehmung abgeholt worden und habe ihr später ausgerichtet, dass sie am Samstag zur Vernehmung erscheinen solle. Ihr Mann habe nur gesagt, dass es um Frau Zschäpe und die zwei Männer ginge. Sie habe bis dahin eigentlich noch nichts mitbekommen, sie habe gedacht, die sei das nicht gewesen, die sei immer freundlich gewesen. RAin Sturm fragt, wie es dazu gekommen sei, dass das Zimmer gedämmt worden sei. Das wisse sie nicht mehr, antwortet F. Zschäpe sei selber gekommen und habe erzählte, dass sie das Zimmer dämmten, damit ihre Familie nicht gestört werde, wegen der Kinder. RAin Sturm insistiert, ob ihr gesagt worden sei, dass Waffe gefunden worden seien, was die Zeugin verneint. RAin Sturm will wissen, wie sie auf das Thema Waffenschein gekommen sei. Sie habe ja in der Befragung durch den Vorsitzenden Richter Götzl gerade eben gesagt, das nicht so gesagt zu haben: „Wo taucht das Wort Waffenschein auf?“ Sie habe das der Polizei gesagt, dass die einen Waffenschein hätten, weil sie in einem Schützenverein seien. Das habe Zschäpe gesagt. Von scharfen Waffen habe sie nichts gewusst.
RAin Sturm hakt zum Thema Fernsehbeitrag nach, wie es zum Kontakt mit den Medienleuten gekommen sei. Die Zeugin führt aus, die seien eines Tags vor der Tür gestanden, hätten wohl rausbekommen, wo sie wohnten. Die Journalistin sei an die Tür gekommen, habe ihr ihre Karte gegeben und gefragt, ob sie über Zschäpe reden würden. Drei Tage später sei sie mit Kameramann wiedergekommen und von 14 – 18:30 Uhr geblieben. Ihnen seien 150 Euro für die Teilnahme bezahlt worden. Sie sei eine halbe bis dreiviertel Stunde interviewt worden und die Journalistin habe ihre polizeiliche Aussage nicht in der Hand gehabt, nur das Mikro. RAin Sturm fragt nach dem Geld. Die Zeugin berichtet, dass es sechs Wochen später überwiesen worden sei. Jeder teilnehmenden Person seien zunächst 250 Euro versprochen worden, dann aber nur 150 Euro überwiesen worden. RAin Sturm fragt, ob das viel Geld für die Zeugin sei, was diese bejaht. Ob sie Schulden habe, will RAin Sturm wissen, auch das bejaht die Zeugin.
Es folgt der Zeuge Martin F. aus Zwickau, der Ehemann von Katrin F. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Götzl nach dem Komplex Polenzstr. 2 windet sich der Zeuge: Er wisse das alles nicht mehr. Das sei viel zu lange her. Was solle er denn sagen, er habe mit der Frau [Zschäpe] in einem Haus gewohnt und „das war’s“. Außer ihm und seiner Frau habe noch Frau K. neben ihm und eine vietnamesische Familie darüber gewohnt, deren Name er nicht wisse. Es habe acht Wohnungen gegeben, im Erdgeschoss rechts Zschäpe, gegenüber eine Schuldnerberatung, neben „den Vietnamesen“ sei es leer gewesen und ganz oben habe eine Frau mit Kind gewohnt. Der Zeuge sagt, Zschäpe habe da nicht allein gewohnt, da seien andere gewesen, die ab und zu mal gekommen und dann wieder weg gewesen seien. Die könne er nicht beschreiben, weil er die nur einmal gesehen habe. Götzl konfrontiert den Zeugen, der behauptet, Zschäpe und insbesondere die Männer aus ihrem Haushalt nur selten bzw. nur einmal gesehen zu haben, mit seinen Aussagen bei zwei Vernehmungen am 14. und 19.12.2011. Dort habe er gesagt, dass er sie jeden Tag gesehen habe, wenn sie nicht in Urlaub waren. Über die Männer, die dort ein- und ausgegangen seien, könne er nicht viel sagen. Der eine sei Zschäpes Bruder gewesen, das habe sie zumindest mal seiner Frau erzählt. Eine könne möglicherweise der „Lebensgefährte“ von Zschäpe gewesen sein. Götzl hält weiter vor, er habe ausgesagt, auch den Mann auch jeden Tag gesehen zu haben. Der Zeuge sagt, nein, das könne nicht sein, das sei falsch aufgeschrieben worden. Das Verhalten von Zschäpe sei ganz normal, zuvorkommend und freundlich gewesen. Den Mann habe er nur einmal gesehen, er habe ihm einmal geholfen, seinen großen Bruder im Rollstuhl runter zutragen. Götzl hält ihm die Aussage vor, dass er Zschäpe angesprochen habe, weil es so laut geknallt habe in deren Wohnung. Sie habe erwidert, so der Zeuge, dass die Männer da ihre lauten Ballerspiele spielen würden. Ob ihm Zschäpe erzählt habe, ihr Lebensgefährte sei spielsüchtig und deshalb den ganzen Tag mit Ballerspielen beschäftigt, will Götzl wissen. Das könne sein, antwortet der Zeuge.
Ein langer Block der Befragung des Zeugen dreht sich um die angebliche Ausländerfeindlichkeit Zschäpes. Der Zeuge sagt, Zschäpe habe zu der vietnamesischen Familie im Haus keinen Kontakt gehabt. Er aber auch nicht. „Was soll ich mich da unterhalten, es gab ja keinen Gesprächsstoff. (…) Mir ist das vollkommen Rille, ob das Vietnamesen, Türken oder Griechen sind, für mich sehen die alle gleich aus.“
Der Zeuge habe in seiner Vernehmung behauptet, hält Götzl ihm vor, dass „Lisa“ Ärger mit der vietnamesischen Familie gehabt habe. Sie seien ein rotes Tuch für „Lisa“ gewesen. Sie habe die Augen verdreht und „Ausländerpack“ gesagt. Weil sie so schlecht auf Ausländer zu sprechen gewesen sei, habe sich sein Bruder nicht getraut, zu Besuch zu kommen, weil seine Frau Vietnamesin sei. Wer das Gerücht aufgebracht habe, könne er sich nicht erinnern, sagt der Zeuge.
Götzl hält vor, F. solle laut seiner Aussage das Autokennzeichen eines Wohnanhängers erinnert haben, nämlich an SOM (= Sömerda/Thüringen), woran sich der Zeuge dann erinnerte.
Es wird versucht durch allgemeine Befragung vor allem das Aufkommen des „Gerüchts“ von Zschäpes „Ausländerfeindlichkeit“ zu klären, was den fragenden Richter_innen, der BAW und den Nebenklageanwält_innen sehr schwer fällt. Die BAW will von dem Zeugen wissen, ob er Frau Zschäpe mit seine Aussage schonen wolle, ob er Angst habe, was der Zeuge verneint. Ob er bei der Polizei vielleicht etwas auf den Putz gehauen habe, will BAW Baumgarten wissen. Der Zeuge antwortet: „Nein, ich sage bei der Polizei nichts Falsches aus, wenn ich dann verknackt werden“. Seine Frau, die Zeugin F. habe aber ausgesagt, hält BAW Baumgarten vor, es habe andere Gründe gegeben, warum die Frau seines Bruders nicht mehr gekommen sei. Der Zeuge sagt, er wisse nicht, was seine Frau für Gründe gemeint haben könnte. Auf spätere Nachfrage benennt er die Nachbarin Frau K. als eine der Quellen des Gerüchts. Die Frage der RAin Sturm, ob der Zeuge Zschäpe für rechtsradikal gehalten habe, verneint er. Trotzdem habe es dergleichen Gerüchte nur in Bezug auf Zschäpe gegeben.
Als sich auf Befragen herausstellt, dass der Zeuge 11 Geschwister und mehrere Brüder hat und dass der Bruder im Rollstuhl nicht derselbe sei, der mit einer Vietnamesin verheiratet gewesen sei, wird der Zeuge vor die Tür geschickt und seine Frau ein weiteres Mal hereingebeten: Sie verneint, dass es im Hause Allgemeingut gewesen sei, das Zschäpe „ausländerfeindlich“ gewesen sei. Ihr Schwager bzw. dessen Frau seien wegen einer Missbrauchsgeschichte nicht mehr gekommen. Es habe gegen einen Bruder den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs der Schwägerin gegeben; der Täter sei auch eingesessen deswegen; deshalb habe sich die betroffene Schwägerin zurückgezogen von der ganzen Familie. Im übrigen sei es die zweite vietnamesische Frau ihres Schwagers, die erste sei vor Jahren bei der Geburt von Zwillingen gestorben. Es habe, so wiederholt die Zeugin, keinerlei Gerüchte gegeben, dass Frau Zschäpe ausländerfeindlich sei
Der wieder herein gerufene Zeuge beharrt darauf, dass es das Gerücht gegeben habe und dass seine Frau das eigentlich wisse, weshalb er sich ihre anders lautende Aussage nicht erklären könne. Auf Nachfrage einer Nebenklageanwältin stellt sich schließlich heraus, dass er selbst seiner Frau das Gerücht kolportiert habe.
Der Prozesstag endet um 19:32 Uhr
Nebenklagevertreter RA Hoffmann zu den Aussagen der Nachbar_innen:
„Erschreckend war deren offen zur Schau gestellte Sympathie für Zschäpe, über die sie „nichts schlechtes sagen“ konnten oder wollten. Das Wissen um die Verstrickung von Zschäpe in die Mordserie erreichte diese Menschen offensichtlich nicht, oder es reicht jedenfalls nicht aus, um ihr Bild von ihrer ehemaligen Nachbarin zu beeinflussen.“