Am 81. Verhandlungstag ging es wieder um Heilbronn. Zunächst gab ein Ermittler des LKA Baden-Württemberg einen umfassen Überblick über die Maßnahmen am Tattag, Zeug_innen und die anschließenden Ermittlungen. Dabei thematisierte die Nebenklage rassistische Vermerke in den Akten, die der Zeuge damit rechtfertigte, sie nur 1:1 übernommen zu haben und sie anderen Dienststellen zuschrieb. Anschließend wurde die Vernehmung des BKAlers Gi. abgeschlossen. Rechtsanwalt Hoffmann erklärte zu seinem bereits gestellten Beweisantrag, dass ein Zeuge neben Ralf Wohlleben auch Enrico Th. bei einem Waffenhandel erkannte. Dieser war laut Anklage auch an der Beschaffung der Ceska beteiligt.
- Herbert Ti. (LKA Baden-Württemberg)
- Martin Gi., (BKA Meckenheim)
Erster Zeuge des Tages ist Herbert Ti., 64, Kriminalbeamter beim LKA Baden-Württemberg. Götzl bittet ihn einen groben Überblick über die Ermittlungen zum Mordanschlag auf Michèle Kiesewetter und Martin Arnold am 25.4.2007 zu geben. Das LKA habe mit dem Tattag noch nichts zu tun gehabt, gibt der Zeuge an. Zunächst sei die Soko Parkplatz mit dem Fall betraut gewesen. Er berichtet, dass der Zeuge Sch. vom Radweg aus das Polizeifahrzeug wahrgenommen habe, aus dem etwas raushing (siehe Protokoll vom 77. Verhandlungstag). Ein Stück weiter sei er umgedreht und habe gesehen, dass ein Polizeibeamter da aus dem Auto herausgehangen sei. Er habe kein Handy dabeigehabt und sei zu den Taxis am Bahnhof gefahren. Um exakt 14:12 Uhr habe der Taxifahrer Ka. bei der Polizei angerufen. Zwei weitere Taxifahrer seien zum Tatort gefahren, um das zu sehen, ebenso der Taxifahrer Ka. Kiesewetter sei teilweise aus dem Auto gehangen, ein Polizist habe keine Lebenszeichen mehr wahrgenommen und sich dem anderen Polizisten zugewandt. Eine Rettungssanitäterin habe den Tod Kiesewetters festgestellt. Es sei ein Hubschrauber aufgestiegen und die Stadt sei förmlich abgeriegelt worden. Auf der Theresienwiese hätten sich zu diesem Zeitpunkt 165 Angehörige von Schausteller-Familien aufgehalten. Es habe mehrere Zeugen gegeben, die blutverschmierte Männer gesehen hätten. Z.B. die Familie Kurth, die um 14:15 Uhr einen Mann gesehen habe, der sich umsah beim Auftauchen des Hubschraubers und sich in einer Hecke verborgen habe. Ein Zeuge, dem Vertraulichkeit zugestanden worden sei, habe um 14:30 Uhr in der Sontheimerstr. ein abgestelltes Auto mit Moosbacher Kennzeichen gesehen, in das ein Mann hineingesprungen sei, der Fahrer habe „Dawei, Dawei“ gerufen. Ebenfalls einen Audi mit Moosbacher Kennzeichen sei von einem weiteren Zeugen wahrgenommen worden. Am 12.5.2009 [sic]habe sich der Zeuge Mo. gemeldet, der auf dem Neckartalradweg auf Höhe der Otto-Konz-Brücke gewesen sei am Tattag. Er habe dort zwei Männer und eine Frau gesehen. Einer der Männer sei zum Neckar gegangen und habe seine blutverschmierten Hände im Neckar gewaschen. Auf vorgelegten Phantombildern habe er die Schwestern Vö. als die Frau identifiziert, die er gesehen habe. Mit Melanie Vö. habe es eine verdeckte Gegenüberstellung gegeben, der Zeuge habe sie nicht erkannt. Sie habe sich aber auch erheblich verändert, erheblich zugenommen und die Haare schwarz gefärbt gehabt.
Am 31.5.2007 sei am Fahrzeug eine Spur gemeldet worden, die zu einem Mordfall von 1993 gewiesen habe. Die SoKo Parkplatz habe sich darauf konzentriert und es seien Spuren zu einer ganzen Reihe weiterer Straftaten in Österreich, wie Laubeneinbrüchen etc., aufgetaucht, die das ganze Spektrum des Strafrechts abgedeckt hätten. Es habe sich dann herausgestellt, dass es eine verunreinigte Spur auf einer Verpackungen gewesen war, so dass sich die 3100 DNA-Erhebungen erübrigt hätten und die Ermittlungen eingestellt worden seien. Es seien weiter Funkzellen und 13 Videostellen ausgewertet worden: dabei waren 6 Tankstellen, ein Hubschrauber, die Trauerfeier für Michèle Kiesewetter, Langzeitaufnahmen vom Tatort. Die Personen und Pkws darauf seien erst später ausgewertet worden, 2010. Im Oktober 2009 seien Funkzellen ausgewertet worden, um eine Fluchtwegkonzeption zu erstellen. Es sei dabei um Anruf-, Rückruf- und Kettenverbindungen gegangen. Dabei habe es 394 Treffer oder Gebilde der Telefonkonstruktion gegeben, davon seien 24 ausgewertet, aber keine Erkenntnisse erzielt worden. Man habe dann den Zeitraum erweitert, weitere 600-1000 Treffer ausgewertet, es habe sich aber nichts ergeben. Bei Michèle Kiesewetter habe es eine Auswertung der Notizbücher gegeben. Zwei Notizbücher seien bei der Haussuchung bei Kiesewetter gefunden worden. In einem seien Fahndung bzw. Festnahme von einem Adolf He. vermerkt gewesen. Bei späteren Ermittlungen sei He. Befragt worden, der habe aber keine Ahnung gehabt, wie er in das Notizbuch gekommen sein könnte. Es habe auch keine anhängige Fahndung gegeben. Außerdem seien ihr dienstlicher und privater PC ausgewertet worden, was nichts ergeben habe. Beim Maildienst Yahoo in Amerika sei kein Antrag auf Einsicht in den Account gestellt worden. Es habe Telefonauswertungen bei Arnold und Kiesewetter gegeben, die bei beiden nichts ergeben hätten.
Götzl hält Anrufe vor, die der Zeuge erklärt: Am 25.4. habe Kiesewetter um 8:05 Uhr mit der Bereitschaftspolizei telefoniert, das sei bei der Anfahrt nach Heilbronn gewesen. Anhand der Aktenvermerke lässt Götzl den Zeugen den Weg der Streifenbesatzung Arnold/Kiesewetter durch Heilbronn nachvollziehen. Ein Anruf bei Kiesewetter um 15:26 Uhr, also nach ihrem Tod, sei vom Kollegen Ba. gekommen, der angerufen habe, um sich zu vergewissern, dass Kiesewetter zu Tode gekommen sei, sagt der Zeuge. Götzl fragt nach den dienstlichen Einsätze Kiesewetters. Es habe 99 Einsätze gegeben, so der Zeuge, 22 im Jahr 2005, 126 im Jahr 2006 und 51 in 2007, dabei sei Kiesewetter 9 Mal in Heilbronn gewesen und habe an 15 Einsätzen aus besonderem Anlass teilgenommen. Es hätte sich bei Ermittlungen ergeben, dass 5 oder 6 Einsätze in Heilbronn waren. Sie habe auch an verdeckten Ermittlungen mitgewirkt, so bei Heroinscheinkäufen, wo es 2006 zur Festnahme von 2 Personen gekommen sei, sowie Zivileinsätze in Diskotheken, wo Kiesewetter die Hintereingänge geöffnet habe, um Kollegen Zugang zu verschaffen. Einsätze aus besonderem Anlass waren u.a. 4 Mal in Pforzheim, bei denen sich nicht habe nachvollziehen lassen, weshalb Kiesewetter zum Einsatz gerufen worden sei. Götzl fragt, ob es im Kontext mit diesen Einsätzen zu Weiterungen oder Probleme für Kiesewetter gekommen sei. Der Zeuge sagt, dass von Kiesewetter keine Drohungen mitgeteilt worden seien, zumindest nie gegenüber Kollegen oder der Familie. Sie habe nur einmal einem Zeugen beschrieben, dass zwei Personen ihr Lichtzeichen gegeben und dann hinter ihr geparkt hätten. Kiesewetter habe seiner Meinung nach auch übertrieben: einer Freundin habe sie erzählt, ein Drogengeschäft im Kilobereich durchgeführt zu habe. Das sei sicher nicht richtig, es habe sich lediglich um zweimal 5 Gramm gehandelt. Auf die Frage Götzls nach Berührungspunkten mit Rechtsradikalen, erwidert der Zeuge, ihm seien keine bekannt. Ihm sei nur bekannt, dass nach seinem Ausscheiden, nach dem 4.11.2011, nur sechs Einsätze im Rechtsbereich eruiert worden seien, die aber ohne Probleme verlaufen seien. Ihm sei aber keine konkrete Zahl solcher Einsätze bekannt. Götzl will wissen, welche „besonderen Anlässen“ für Einsätze es gegeben habe. Der Zeuge sagt, dass die Bereitschaftspolizei darüber keine genaueren Auskünfte habe geben können. Wie es zum zum Einsatz mit Arnold und Kiesewetter gekommen sei, will Götzl wissen. Es sei, so der Zeuge, eigentlich eine Urlaubswoche der Einheit gewesen, Kiesewetter habe aber Stunden gesammelt. Eigentlich sei voll, habe der Geschäftszimmerbeamte Ho. ihr gesagt. Später habe Ho. jedoch angerufen und mitgeteilt, dass der Kollege De. einen Judo-Unfall gehabt habe und sie einspringen könne. Erst später habe sich ergeben, dass sie am Morgen des 25.4. einer Kollegin gesagt habe, dass sie mit Herrn Dr. getauscht habe. Arnold habe angegeben, sie habe ihn per SMS gefragt, ob er mit ihr fahren wolle.
Er solle einen Überblick über die Informationen aus dem familiären Umfeld geben, fordert Götzl den Zeugen auf. Er habe, so der Zeuge, keinerlei Auffälligkeiten feststellen können, sie habe allenthalben als braves, liebes Mädchen gegolten und sei im Kirmesverein Oberweißbach aktiv gewesen. Sie habe Sport getrieben und sei im Biathlon sehr erfolgreich gewesen. Ihre Freundinnen Kl. und Po. seien ihre besten Freundinnen gewesen, auch hier keine Auffälligkeiten. Auch von Kiesewetter aufgesuchte Lokale seien unauffällig gewesen. Sei sei unheimlich gern bei der Polizei gewesen, ihr Onkel Mike We., selber Polizist, habe ihr viel erzählt. Es habe Vernehmungen der Mutter, der Großeltern und We.s gegeben, die habe die Kollegin Ri. mit zwei Teams gemacht. Götzl fragt nach Folgen des Todes Kiesewetters für ihre Familie. Er wisse, dass der Opa mit Frau am Todestag zur Trauerfeier gefahren sei, die Mutter sei nicht in der Lage gewesen, an der Feier teilzunehmen. Der Opa habe immer wieder gefragt, warum „sein Mädchen“ habe sterben müssen, nicht wer sie umgebracht habe. Sie habe eine enge Bindung zum Opa gehabt, er habe sie als Tochter betrachtet, sie sei dort aufgewachsen, weil die Mutter habe arbeiten müssen. Götzl fragt zur Bäckerei Kamps und Tüten, die aufgefunden worden seien. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass sie gegen 11 Uhr (jedoch ging die Uhr der Kasse nicht) dort gewesen seien. Arnold habe angegeben, nicht drin gewesen zu sein. Es seien drei Backwaren gekauft worden. Das Einsteigen der beiden Beamten sei beobachtet worden, das Personal der Filiale vernommen worden. Ein Bewegungsprofil von Kiesewetter sei seit dem 16.4. erstellt worden, demnach sei sie am 19.4. in Oberweißbach gewesen und am Samstag, 21.4., zurück gekommen. Sie habe Manuel Ba. besucht und sie hätten den Abend gemeinsam verbracht. Tags darauf sei sie den Eltern Ba. Vorgestellt worden. Am 22.4. habe sie mit Romy St. gekocht und den Abend verbracht. Am 23./24. habe sie bei der Schwester von St. Malerarbeiten ausgeführt und dann den Herrn Ga. Getroffen.
Martin A. habe sich nur erinnert, dass er im Einsatz gewesen sei, habe aber gedacht in einem VW-Bus. Seine Mutter habe ihm gesagt, seine Verletzungen stammten von einem Motorradunfall, habe er zu Protokoll gegeben. Er habe aber weder Führerschein noch Motorrad besessen. Später habe er sich noch an die Kontrolle an der Fontäne in Heilbronn erinnern und dass sie zwei Mal an der Theresienwiese gewesen seien. Er habe von geschlossenen Türen und offenen Fenstern am Dienstfahrzeug gesprochen. Unter forensischer Hypnose habe er sich genau erinnert, dass er sich mit Kiesewetter unterhalten habe über die Zukunft. Dann habe er im Außenspiegel eine Person von hinten kommen sehen, Kiesewetter habe gesagt: „Nicht mal hier hat man seine Ruhe“. Er habe sich zu ihr hingewandt, einen anderen Mann gesehen, dessen Kleidung weiß rot mit schwarzem Streifen gewesen sei, grau-weiße Armbehaarung. Es sei ein älterer Mann gewesen, der dunklere Haut gehabt habe. Wegen eines Geräusches habe er sich wieder seiner Seite zugewandt, ab da sei die Erinnerung weg. Er könne sich nur noch an sein Gesicht auf Kies erinnern, dann an nichts mehr. Und dass er sich Sorgen um seine neue Sonnenbrille und dass sie Kratzer bekommen könnte, gemacht habe. Seine Erinnerung habe sich sehr langsam entwickelt: es sei ein Phantombilder erstellt worden und eine Lichtbildvorlage vorgenommen worden: er habe unter 400 Lichtbildern zwei Personen erkannt, die seiner Erinnerung geähnelt hätten. Eine Veröffentlichung des Phantombildes habe die Staatsanwaltschaft untersagt. Welche Folgen für Arnold er festgestellt habe, fragt Götzl. Er habe ihn behandelt wie ein rohes Ei, aber A. sei von Anfang an sicher aufgetreten und habe einen unheimlich guten Eindruck gemacht. Er habe ihn nicht unter Druck gesetzt und im einen Raum zur Lichtbildvorlage zur Verfügung gestellt. Er sei im August 2007 wieder im Dienst und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen. Nur bei Wetterwechsel habe er Probleme wegen der im Kopf verbliebenen Geschossteile. Ermittlungen zu Telefonanschlüsse im Speicher der Handys von Kiesewetter und Arnold hätten keine Ermittlungsansätze geliefert, es seien nur Nummer von Freunden und Kollegen gewesen. Zur Rekonstruktion der Sichtverhältnisse aus dem Fahrzeug verweist der Zeuge auf einige Bilder aus den Akten: Ausgehend von den Rückspiegeln seien Sichtpositionen im 3D-Verfahren vermessen worden. An einem baugleichen Dienstfahrzeug sei mit Kameras über den Rückspiegel die Distanz gemessen worden: auf 5 Meter Wegstrecke sei eine Person im Rückspiegel deutlich zu erkennen gewesen. Ebenso sei mit dem Blick durch den Innenspiegel verfahren worden, denn Arnold habe gesagt, dass er die Angewohnheit gehabt habe, in den Rückspiegel zu schauen, um auch Verkehr hinten im Blick zu haben. Dann wird mit einer Begutachtung der Lichtbilder im Gerichtssaal die rekonstruierte Annäherung einer Person von hinten nachvollzogen.
Götzl fragt noch nach der zeitlichen Einordnung der Ermittlungen. Am 16.2.2009 habe das LKA übernommen, sagt der Zeuge, am 11.11. die Generalbundesanwaltschaft und das BKA. Das LKA sei noch für den Ermittlungsabschnitt Baden-Württemberg zuständig gewesen, gemeinsam mit dem BKA. Ob es Täterermittlungen gegeben habe, fragt Götzl. Konkrete Täterermittlungen seien nicht durchgeführt worden. Bei 3 Russen habe es DNA-Überprüfungen gegeben, er wisse nicht mehr, ob in Heilbronn oder durch das LKA. Für die BAW fragt Greger nach Zeugen, die Schüsse gehört haben. Solche habe es zahlreiche gegeben, erwidert der Zeuge. Ein Herr Ko. etwa habe zwei Schüsse innerhalb einer Sekunde gehört, um genau 13:58 Uhr, was er auch auf einem Funkwürfel auf Theresienwiese gesehen habe. Er sei der sicherste Zeuge gewesen, weshalb man von dieser Zeit als Tatzeit ausgehe. Es habe weitere fünf Zeugen gegeben, drei vom Wasserwirtschaftsamt am Neckarufer und zwei Bahnmitarbeiter. Die hätten den Geschossknall gehört als ein Zug vorbeigefahren sei. Das Stellwerk habe gesagt, dass das um 14 Uhr plus-minus fünf Minuten gewesen sein muss. Die Bahnmitarbeiter hätten zwei Radfahrer auf der Böckinger Brücke gesehen, sie hätten dort genau Blick auf das Verteiler-Haus gehabt. BAW Greger fragt weiter, ob Zeugen die Schüsse gehört hätten und weitere Wahrnehmungen gemacht hätten. Die fünf Zeugen nicht, sagt der Zeuge. Nur die Zeugin Fi. habe Beobachtungen direkt nach dem Schussknall gemacht. Sie sei aber absolute Alkoholikerin. Sie habe sich nach der Ausnüchterung gemeldet und berichtet, sie habe den Schussknall gehört, sie habe einen Schmerz wegen einer Ohrvorschädigung gespürt. Es seien 3 Männer weggelaufen, habe sie gesagt. Es sei rekonstruiert worden, dass sie 124 Meter vom Fahrzeug entfernt gewesen sein muss und mithin diese Beobachtungen nicht gemacht haben kann. Es habe eine weitere Vernehmung gegeben, doch da habe sie schon fünf Bier und drei Joints intus gehabt: es sei eine schwere Vernehmung gewesen.
RA Scharmer will wissen, ob auch die Sichtverhältnisse rekonstruiert worden seien für den Fall, wenn die Wagentür offen gewesen wäre. Nein, sagt der Zeuge, weil Arnold gesagt habe, die Türen seien zu gewesen, beide Fenster offen. Ob er das für plausibel halte, fragt Scharmer, der Zeuge bejaht. Scharmer hält aus den Akten vor, der Zeuge habe zur Regionalität festgestellt: die Täter hätten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Bezug zu Heilbronn, sie seien keine Ortsfremden und hätten sich bereits schon des öfteren auf der Theresienwiese aufgehalten. Diese Einschätzung habe nicht er abgegeben, sondern nur von den Kollegen der Gruppe, die die operative Fallanalyse (OFA) gemacht hätten, übernommen. RA Kienzle fragt nach den sechs Einsätzen zu Rechts und fragt nach dem Zeitraum. Das habe er von Frau Ri. erfahren, als er wegen seines Ruhestands mit ihr telefonierte, zeitlich könne er das nicht eingrenzen. Ob es bei der Bereitschaftspolizei Böblingen keine Infos zu den Einsätzen gebe, fragt Kienzle weiter. Ri. habe mit ihren Teams eruiert, sagt der Zeuge, wo Kiesewetter im Einsatz gewesen sei. Sie hätten dazu die dortige Dienstelle aufgesucht, dass habe Ri. verantwortlich geführt. Ob ihm eine Dienststelle in Göttingen etwas sage, verneint der Zeuge, das habe er nie gehört. Kienzle hält ihm aus den Dienstplänen Kiesewetters einige Daten vo rechten Demonstrationen und fragt, ob dazu Ermittlungen durchgeführt worden seien. Das könne er nicht sagen, antwortet der Zeuge. Laut den Dienstplänen ergebe sich, insistiert Kienzle, dass es 2006 zehn Einsätze Kiesewetters im Zusammenhang mit der rechten Szene gegeben habe in Stuttgart, Ulm, Pforzheim, Waiblingen, Friedrichshafen. Ob der Zeuge eine Erinnerung an diese Liste habe. Die Ermittlungen, antwortet dieser, seien erst nach dem 4.11.2011 vom BKA geführt worden. Durchgeführt habe sie Frau Ri., er könne nichts weiter hinzufügen. Er habe berichtet, so Kienzle weiter, dass Kiesewetter im verdeckten Bereich an Razzien, Disko-Hintertüren und Scheineinkäufen beteiligt gewesen sei. Ob es das auch bei Demos gegeben habe, will er wissen. Das verneint der Zeuge, dazu sei ihm nichts bekannt.
RA Martinek fragt, wie es zur Übernahme 2009 durch das LKA gekommen sei. Vermutlich seien die Kollegen überlastet gewesen, mutmaßt der Zeuge. Eine Sonderkommission sei für eine Polizeidirektion nicht über so lange Zeit zu halten. Ob eine solche Polizeidienststelle überhaupt solche Ermittlungen führen könne, hakt Martinek nach. Das sei schwierig, meint der Zeuge, irgendwann komme dann immer der Hilferuf. Martinek fragt weiter: Nach zwei Jahren? Nach zwei Jahren, das sei schon spät, so der Zeuge. Er habe gesagt, konfrontiert ihn Martinek, dass die Ermittlungen mit dem Rückspiegel in einer Garage vonstatten gegangen seien und dass das ja nicht gehen konnte. Ja, sagt der Zeuge, die Rekonstruktion habe bei trübem Wetter stattgefunden. Das sei anders als am 25.4.2007, da sei es hell und sonnig gewesen. Das Dienstfahrzeug habe aber auch im Schatten des Trafo-Häuschens gestanden. So habe das Bild nichts gebracht. Ob andere Auswertungen, etwa von Funkzellen und Pkws, nicht durchgeführt worden seien vor der Übernahme durch das LKA, will Martinek wissen. Nein, sagt der Zeuge, sie hätten dann später ein Spurencontrolling durchgeführt, um festzustellen, ob Nachermittlungen möglich seien, was so war. Hätte man diese Ermittlungen schon vorher machen können, will Martinek wissen. Das könne er nicht sagen, so der Zeuge. Er könne den Kollegen aber keinen Vorwurf machen., das stehe ihm nicht zu.
Ein Nebenklagevertreter fragt, ob im Stellwerk Ermittlungen nach Zeugen stattgefunden hätten. Er gehe davon aus, sagt der Zeuge. Es habe von dort Langzeitvideoaufnahmen gegeben, er könne sich aber nicht erinnern, Namen habe er nicht. RA Raabe fragt, ob Frau Ri. den engsten Kontakt zur Familie Kiesewetter gehabt habe, was der Zeuge bejaht. Er gehe davon aus, dass sie heute noch Kontakt zur Familie habe. Ob er etwas zu einer Tatwaffe aus Wien wissen, fragt Raabe noch. Dazu falle ihm nichts ein, so der Zeuge. RAin Lex hält dem Zeugen drei Aktenvermerke vor: da sei von einem „Hinweis auf eine verurteilte Zigeunerin in Mannheim“, einem „Hinweis auf einen joggenden Neger“ die Rede. Der „Neger habe einen Gegenstand in einen Pkw Smart mit vier Negern hinein gereicht“, heiße es da. Und zu einem Lügendetektor-Test an einem Zeugen St., der als „Angehöriger einer Roma-Sippe“ bezeichnet werde und über den der ausführende Psychologe gesagt habe, er sei ein „typischer Vertreter seiner Ethnie, wo Lügen zur üblichen Sozialisation gehört“. Lex will wissen, ob das der übliche Sprachgebrauch in den Behörden sei. Dazu könne er generell nichts sagen, so der Zeuge. Er sei aber in Belgrad dabei gewesen und habe den Psychologen wiedergegeben, das habe er 1:1 übernommen. Es gehe ihr um die Diktion, sagt Lex. Das sei sicher nicht seine, behauptet der Zeuge. Er spreche von „reisenden Familien“. Das könnten jüngere Spuren sein, vielleicht benutze man das bei der Dienststelle Heilbronn so, er benutze das nicht.
RA Narin fragt nach einer bestimmten Telefonnummer, von der am Tattag Anrufe bei Kiesewetter erfolgt seien und will wissen, wer das gewesen sei und ob derjenige vernommen worden sei. Das müsse ein Kollege von ihr gewesen sein, meint der Zeuge, das könne er nicht sagen. Es sei möglicherweise in den Akten zu finden. Zu einer Zeugin habe ihn ja die BAW sehr suggestiv befragt, setzt Narin an, worauf die BAW verärgert interveniert und Götzl nachfragt, was er meine. Narin hält aus der Altakte Kiesewetter vor: „Es erscheint sehr wahrscheinlich, dass die Aussagen der Zeugen Mo., Ku. und Anonym sich gegenseitig ergänzen oder stützen.“ Da gebe es die Beobachtungen über Männer, z.B. vom Ehepaar Ku. Ein vor dem Hubschrauber fliehender Mann, der sich in einer Hecke versteckt. Oder von einer Person mit Flecken an Hose, Grasflecken. Ob er das für plausibel halte, fragt Narin. Der Zeuge sagt, dass unabhängig voneinander verschiedene Personen verschiedene Beobachtungen gemacht hätten. Es sei ihm kein einziger Fall bekannt, wo so viele Zeugen blutverschmierte Leute gesehen haben wollten. Was ihm die Zeugin Liselotte Wa. sagt, fragt Narin weiter, und ob sich ihre Aussage ins Bild gefügt habe. Am Anfang nicht, da habe sie am Kiosk nach dem Geschossknall einen dunklen PKW beschrieben, in den ein ebenfalls blutverschmierter Mann, also mit der linken Körperseite blutverschmiert, eingestiegen sei. Später habe sie dann von einem hellen Fahrzeug gesprochen, das decke sich nicht ganz mit den anderen Aussagen. Der vertrauliche Zeuge habe den rechten Arm blutverschmiert gesehen, die Frau Wa. den linken Arm.
Wohlleben-Verteidiger RA Klemke fragt den Zeugen nach der Spur „Pink Panther“. Der Zeuge sagt, eine Zeugin, der Vertraulichkeit zugesichert worden sei, habe Beobachtung im Haus einer Ex-Jugoslawin gemeldet. Man habe dort geläutet und drei Männer hätten geöffnet, sie hätten sich nervös verhalten und man habe einen Zusammenhang mit dem Polizestenmord eruiert. Man habe im Juni 2007 den Zugangsbereich zu dem Anwesen videoüberwacht, das habe aber nichts ergeben. Ob er das richtig verstanden habe, dass die Veröffentlichung der Phantombild untersagt worden sei, fragt Klemke weiter. Ja, das sei richtig, antwortet der Zeuge. Das sei ihm gegenüber mündlich seitens des Ersten Staatsanwaltes Meier erfolgt und er habe das nicht hinterfragt, das stehe ihm nicht zu. Ob er denn nicht hätte Einwände erheben können, insistiert Klemke. Das habe er nicht gemacht und wolle dazu keine Angaben machen. Da gebe es anhand der Angaben eines Tatopfers ein Phantombild und er frage nicht nach, weshalb die Veröffentlichung untersagt werde, fragt Klemke weiter. Die Bilder seien zum Teil vier Jahre alt gewesen und hätten keine Aktualität mehr gehabt, erklärt der Zeuge. Was das Alter der Phantombilder mit deren Veröffentlichung zu tun habe, hakt Klemke nach. Ein Gutachten habe festgestellt, sagt der Zeuge, dass die Aussagen Arnolds nicht gerichtsverwertbar gewesen seien, deshalb habe der Staatsanwalt die Veröffentlichung abgelehnt, das sei für ihn bindend gewesen. Ob er sich an das Bild erinnere, fragt Klemke, was der Zeuge bejaht. Was für einen Menschentyp es denn darstelle, so Klemke weiter. Das könne er nicht sagen, erwidert der Zeuge. Es werden Bilder aus der Altakte Kiesewetter in Augenschein genommen. Es handelt sich um einen Dreiersatz schlechter SW-Kopien. Der Zeuge erkennt das Foto wieder. Klemke fragt weiter, wer bei einer Besprechung am 26.5.2011 mit Martin A. dabei gewesen sei. Der Zeuge sagt, Kriminaldirektor Hö. und Kriminaloberrat Mö., das seien seine Vorgesetzten gewesen. Das sei bei bei den Vorgesetztem im Büro gewesen, an Inhalte könne er sich nicht mehr erinnern, sie hätten jeden Tag Besprechung gehabt. Ob das Phantombild Thema gewesen sei, fragt Klemke weiter. Er wolle keine Mutmaßungen über das Gespräch anstellen, sagt der Zeuge. Das Thema Phantombild sei mal Inhalt einer Besprechung gewesen, müsse wohl diese gewesen sein. Es sei nochmal nachgefragt worden und es sei um die Veröffentlichung gegangen. Den Vorhalt Klemkes aus den Akten, Arnold habe Angst vor der Veröffentlichung gehabt, bestätigt der Zeuge.
Verteidiger RA Stahl fragt nach den Kriterien für Vertraulicheit bei Zeugen, wie sie zugesichert und eingehalten werde. Die Kriterien kenne er im Einzelnen nicht, sagt der Zeuge, der Staatsanwalt mache solche Zusicherung dann. Der Zeuge wird entlassen.
Nach der Mittagspause wird mit dem Zeugen Gi., BKA-Beamter aus Meckenheim, fortgesetzt, der bereits am 22.1.2014 (siehe 77. Verhandlungstag) vernommen worden war. RA Schön fragt nach Bilder von Böhnhardt in Stuttgart auf einer CD und ob dort noch mehr Bilder außer den drei erwähnten gebe. Er habe diese CD nicht selber ausgewertet, sagt der Zeuge, zu weiteren Bildern könne er nichts sagen. Er wisse nicht, ob es weitere Bilder gebe. RA Raabe will wissen, wer die Erkenntnisse zusammengetragen habe, ob er der Hauptermittler gewesen sei. Der Zeuge teilt mit, dass vom LKA Baden-Württemberg zu Umfeldermittlungen ein Bericht vom 20.3.2012 vorliege, angefertigt von KHKin Ri. Ein Bericht vom 7.2.2012 sei von den Sachbearbeitern Fi. und Sch. erstellt worden. RA Narin hält vor, dass Frau Ri. bei einer Zeugenvernehmung von Herr Ba., bei der er anwesend gewesen sei, gesagt habe: „nach der Vernehmung 2011 hast du mir gegenüber die Äußerung gemacht, dass es da noch eine Sache gebe, die mit dem Staatsschutz im Zusammenhang steht“. Das sei eine Frage von Ri. an Ba. gewesen, zum Sachverhalt sei er nicht aussagefähig, antwortet der Zeuge. Verteidiger Klemke fragt, ob es vom Zeugen He. [Bahnmitarbeiter], von dem er gesagt habe, er sei ein wichtiger Zeuge eine Personenbeschreibung der Beobachteten gebe. He. habe gesagt, dass er zwei Mountainbiker beobachtet habe, die ca. 1,80 Meter groß, schlank und sportlich gewesen seien, memoriert der Zeuge. Er habe sich nicht erinnern können, ob die Farbe der Fahrräder oder der Kleidung blau gewesen sei. Ob es optische Parallelen zu Böhnhardt und Mundlos gegeben habe, wisse er nicht, da die Vernehmung nach dem 4.11.11 stattgefunden habe. Ob He. die Personenbeschreibung zeitnah nach dem Kiesewetter-Mord abgegeben habe, fragt Klemke. Keine Ahnung, sagt der Zeuge, ihm sei nur eine Vernehmung bekannt. Ob er mal die Entstehung der Aussage nachgeprüft habe, die zur Personenbeschreibung geführt habe, fragt Klemke weiter. Das wisse er nicht, erwidert der Zeuge. Klemke weiter, es sei ein Herr Ha. vernommen worden, was der gesagt habe. Es seien zwei Araber erwähnt worden, gibt der Zeuge an, Ha. und Ci.: sie seien beide überprüft worden. Ha. habe angegeben, nicht in Heilbronn gewesen zu sein, sondern in Frankfurt. Klemke fragt weiter, ob es von Mevlüt Ka. keine Verbindung zu Ci. und wenn nicht, wie das festgestellt worden sei. Sie seien beide vernommen worden und es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass es eine Verbindung gebe, erklärt der Zeuge. Ob bei der Santander-Bank [in Heilbronn]am Tattag 2,3 Millionen Euro eingezahlt worden seien, will Klemke wissen. Die Bank habe gesagt, dass keine größere Summen über 1 Million Euro eingezahlt worden seien. Man habe bei der Bank eine entsprechende Anfrage gestellt. Das sei also mit „Sicherstellen“ gemeint, gibt sich Klemke ungläubig.
RA Hoffmann sagt er wolle keine Erklärung abgeben, sondern lediglich zum Beweisantrag von neulich (siehe Protokoll 73. Verhandlungstag) mitteilen, er habe vom Protokoll der Zeugenvernehmung des Zeugen Sz. jetzt die Übersetzung. Die BAW sage, es gebe keinen Bezug zum Strafverfahren, im Protokoll werde aber eine Lichtbildvorlage erwähnt, wo der Vernommene eine Person wiedererkannt habe, die in Wohllebens Begleitung gewesen sei, ein „Mischa“ oder „Sascha“: das sei Enrico Th. Und der sei in „unserer Akte“ als eine der Personen in der Kette der Ceska erwähnt. Er, Hoffmann, wisse, das sei 2004 gewesen, aber da habe es seines Wissens noch einen Banküberfall gegeben, bei dem eine Astra benützt worden sei, um die es hier auch gehe. Verteidiger RA Klemke fragt nach der Quelle der Vernehmung. Götzl weist darauf hin, dass das teilweise abgedeckt sei vom Gericht, das müsse man sich jetzt erstmal anschauen.
Götzl verkündet: Der Antrag auf Protokollierung der Aussage des Zeugen Li. wegen Verdachts auf eine Straftat der uneidlichen Falschaussage werde abgelehnt. Es sei wenn, dann nur eine allgemeine Protokollierung angezeigt, aber nicht die Aufzeichnung bei komplizierten Sachverhalten.
Ende des Prozesstages um 13:30 Uhr.
Die Nebeklage-Anwälte Scharmer erklärte zum Prozesstag: „Die Ergebnisse der sog. Hypnosebefragung von Martin A. waren schon damals offensichtlich nicht geeignet, eine Täteridentifizierung herbei zu führen. Trotzdem ist die Polizei dieser Aussage umfassend nachgegangen. […] Eine Person mit dunklem Teint passte aber offensichtlich so gut in das Denkschema der Ermittler, dass diese Spur weiter verfolgt wurde. Es war insoweit wahrscheinlich die einzig richtige Entscheidung der Staatsanwaltschaft, dass das Phantombild aus der Vernehmung von Martin A. nicht verwendet werden sollte.“
Sein Kollege Stolle ergänzt: „Die rassistischen Ressentiments von ermittelnden Beamten zeigen sich auch im Fall des Mordes und versuchten Mordes in Heilbronn.“