Eine Ex-Freundin des Angeklagten André E. erklärte als Zeugin, wie ihr damaliger Freund schon in die rechte Szene eingebunden war. Der damals 18-jährige Skinhead gehörte zu den Unterstützer_innen der drei Gesuchten und besuchte sie 1999 mehrmals in ihrer Unterkunft, gemeinsam mit der Zeugin. Später trennte sich die Zeugin von André E. und hatte keinen Konakt zur rechten Szene mehr. Die rechte Szene beschrieb die Zeugin als Normalität zu dieser Zeit im Erzgebirge.
Zeugin:
- Anja S. (Ex-Freundin des Angeklagten André E.)
Der Verhandlungstag beginnt um 9.48 Uhr. Einzige Zeugin ist heute Anja S., vormals Ha., Ex-Freundin des Angeklagten André E. Sie berichtet, sie habe „den André“ mit 15 Jahren 1997 in Breitenbrunn kennengelernt habe. Dort habe sie mit ihren Eltern gewohnt. Im Spätsommer oder Sommer sei eine Kirmes gewesen, wo sie als Jugendliche abends hingegangen seien. Sie hätten da ums Feuer gesessen, sie selbst habe E. vorher nicht gekannt, aber ein paar ihrer Freundinnen. Ihre eigenen Eltern hätten ihr Hotel in Breitenbrunn verkauft und seien zurück nach Chemnitz gegangen, sie habe aber das Schuljahr beenden sollen und sei bei den Eltern einer Freundin untergekommen. Es sei „witzigerweise“ der letzte Abend gewesen, den sie je in Breitenbrunn gewesen sei, als sie E. kennengelernt habe. Dann sei sie nach Chemnitz gezogen. Sie habe ihn angerufen und er habe sie besucht, sicherlich recht schnell. Und dann hätten sie sich gesehen und seien zusammen gewesen, „als Paar oder wie man das so bezeichnet“. Ihr Vater habe das nicht so toll gefunden und habe es ihr verboten. Deswegen hätten sie sich heimlich treffen müssen, meist am Wochenende. Sie selbst sei noch zur Schule gegangen und E. sei Maurerlehrling gewesen. Es seien schon relativ viele Wochenenden gewesen und sie habe sich was einfallen lassen müssen, was sie ihren Eltern aufgetischt habe. So sei das eine ganze Weile gelaufen, fast ein Jahr, meine sie. André sei am Anfang abends wieder nach Hause gefahren. Dann habe er angefangen, „bei der Mandy, bei der Frau St.“ zu schlafen. So sei das fast ein Jahr gelaufen und irgendwann sei es bei ihren Eltern mal heraus gekommen. Die hätten dann gesagt, sie sei jetzt 16 und hätten es ihr nicht mehr verboten. Dann habe sie angefangen mit Arbeiten, man habe sich noch weniger gesehen, sie habe eine Hotelfachausbildung gemacht und am Wochenende gearbeitet. Anfang 1999, im März, April, Mai habe man sich getrennt.
Götzl fragt zum Grund der Trennung und S. sagt, sie habe im August oder September 1998 die Lehre begonnen und sich dann als Mensch entwickelt, habe andere Menschen kennengelernt, die seien entspannter gewesen. Einige Lebensweisen hätten ihr nicht mehr gefallen und sie habe nicht mehr mit E. zusammen sein wollen, sie habe keine Zukunft mit E. gesehen. Die Kollegen seien weg gegangen, zum Tanzen, auf Konzerte, in Diskos, da habe sie mit gewollt und sei mitgegangen. Sie habe in dem Umkreis viel mehr Spaß gehabt. Götzl bitte S. André zu beschreiben. S.: „Er ist unheimlich lieb und nett, er hat alles für mich getan, es gab nichts was er nicht für mich getan hätte.“ E. sei unheimlich loyal gewesen, sie hätten sich fast nie gestritten. Allerdings habe sie sich nicht vorstellen können, mit E. eine Familie gründen zu können. Das sei alles recht extrem gewesen, auch von den Ansichten her, was man durfte und nicht durfte. Da habe sie keine Lust mehr zu gehabt. Götzl fragt zu den Ansichten nach. S. sagt, das sei schwer in Worte zu fassen, er sei natürlich im rechten Spektrum gewesen, wie viele seiner Freunde. S.: „Um ehrlich zu sein, oben im Erzgebirge, finden sie mal jemand, der das nicht ist.“ Es sei immer viel geschimpft worden, negativ, viel Ausländerfeindlichkeit, viel Politik: „Da wurde in der Vergangenheit herumgekramt, was da nicht alles besser und viel toller war.“ Sie sie davon ausgegangen, dass die da rauswachsen, wie das bei den meisten auch sei. S.: „Ich habe mir gedacht, wenn ich in die Disko gehe und tanzen will, dann mach ich das.“ Sie wolle sich ihre Freunde nicht nach Nachname oder Hautfarbe aussuchen. Götzl fragt, ob das ein Problem gewesen sei, in die Disko zu gehen. S.: „Nicht unbedingt.“ Aber sie hätten so Dinge nicht gemacht: „Was haben wir denn gemacht? Viel tolle Sachen haben wir nicht gemacht.“ Im Prinzip habe E. zu allem eine Meinung gehabt, ohne sich das anzugucken: „Es war halt alles festgefahren.“ Im Prinzip sei alles schlecht gewesen, was nicht „total deutsch“ war. S. sagt: „Und ich kann da einfach nicht mit leben.“ An ganz bestimmte Sachen, die er gesagt hat, könne sie sich nicht mehr erinnern, aber vom Thema sei das alles rechtsextrem gewesen: die Kleidung, der Lebensstil, die Musik, was geäußert wurde mitunter, Bücher habe er nicht gelesen, glaube sie. Es sei auch mal um normale Sachen gegangen in den Unterhaltungen, aber es sei schon immer Thema gewesen, „was denn aus dem armen Deutschland wird.“ Das seien jetzt nicht E.s Worte gewesen, so S., aber es sei schon so in dem Kontext gewesen. S.: „Da war sehr viel Negativität.“ Wie die sich alle anziehen und auftreten würden, das sei ja schon relativ furchterregend, aber in ihrer Gegenwart habe sich André nicht gewalttätig verhalten. Sie selbst würde ja „Freunde“ sagen, aber das seien halt alles „Kameraden“ gewesen: „Und so ein Zeug halt.“ Götzl fragt zu Kleidung und Benehmen. Zur Kleidung sagt S., das sei Springerstiefel, Jeans, Bomberjacke gewesen. Da wo sie herkommt, sei das die „Standarduniform“ gewesen, außer vielleicht bei Mädchen. Die hätten sich schon als Skinheads identifiziert. Da habe es aber „10, 12, 15“ verschiedene Sorten gegeben, die einen seien nicht politisch interessiert gewesen, die anderen seien politisch gewesen, und „dann gab es welche, die haben Brot gebacken“. Sie müsse sagen, dass sie im Nachhinein nicht wissen, was André war. Dann sei viel von germanischen Göttern gesprochen worden. Von der Kleidung her sei alles relativ einheitlich gewesen.
Was er sonst so gemacht hat, etwa in Johanngeorgenstadt, könne sie nicht sagen, weil sei meistens in Chemnitz gewesen seien. Sie seien viel mit ihrem Hund spazieren gegangen. E. habe mehr und mehr Kontakt nach Chemnitz gehabt, weil er bei St. geschlafen habe. Sie seien auch zusammen viele Male zur Mandy nach Hause gefahren, man habe Filme geguckt, sei ins Kino gegangen. Sie könne sich nicht erinnern, dass E. mit ihr persönlich viele politische Unterhaltungen geführt habe. Vielleicht ein paar, davon sei auszugehen. Ihre Beziehung sei gewesen, was man so als 15-Jährige als normale Beziehung beschreiben könne. Götzl fragt zu Kontakten zu anderen Personen in Chemnitz. S. sagt, die einzigen, an die ich sie sich erinnern könne, seien St. und „Max Böhnhardt“. Mit denen hätten sie viel Zeit verbracht, viel bei St. zu Hause, sie hatten ja auch alle „chronische Geldnot“ gehabt, da bleibe man viel zu Hause. Götzl fragt, ob sie sich bei dem Nachnamen „Böhnhardt“ sicher sei. S. lacht und sagt den Namen Bu. Dann fragt Götzl was S. der Name Böhnhardt sage. Da sei ja viel in der Presse, so S., sie habe die Drei in Chemnitz kennengelernt, „die Frau Zschäpe und die beiden Herren“, den Böhnhardt und der andere Name falle ihr nicht ein. Sie könne sich nicht erinnern, wie das zustande gekommen ist. Sie seien in eine Wohnung gefahren, sie habe „den Kollegen“ in Chemnitz auch gezeigt, wo das ist. Wie sie ihr vorgestellt wurden, ob Zschäpe als Beate oder unter anderem Namen, wisse sie nicht mehr. Aber als ihre Mutter angerufen und gesagt habe, sie solle mal auf die BKA-Website gehen, da habe sie sie schon wiedererkannt. Auch die Umstände wisse sie nicht mehr, aber sie habe erfahren, dass sie sich für eine Weile verstecken und sie nichts erzählen solle. Sie wisse nicht, ob sie damals wusste, warum.
Sie könne ein paar Mal, drei oder sechs Mal, in der in der Wohnung gewesen sein. In der Wohnung seien Zschäpe und die zwei Herren, die relativ ähnlich ausgesehen hätten, gewesen. Das sei eine ganz kleine Wohnung gewesen, da seien ein Fernseher, ein Tisch und ein Sofa gewesen: „Wir haben geraucht wie die Stadtsoldaten. Und dann sind wir auch wieder gefahren.“ Das sei in der Nähe vom Südbahnhof gewesen, ein einzelnes Gebäude mit vier oder fünf Mieteinheiten, die Wohnung sei, so glaube sie, im zweiten, vielleicht auch im dritten Stock gewesen. Götzl möchte wissen, was als Grund angegeben worden sei, warum sie in die Wohnung fahren. S. antwortet, an die Unterhaltung könne sie sich überhaupt nicht mehr erinnern. Zum Zweck sagt sie, es sei darum gegangen mit denen ein bisschen Zeit zu verbringen: „Ich glaube manchmal hat er auch Einkauf vorbeigebracht aber da bin ich mir jetzt wirklich nicht mehr sicher.“ Auf Frage sagt S., sie könne nicht sagen, von wem sie erfahren habe, dass die sich verstecken, das könne von E., von St., von Bu. oder von einem der Drei gekommen sein. Sie wissen nicht, wessen Wohnung das war, aber die Drei hätten da gewohnt. Auf Frage, ob noch wer da gewohnt habe, sagt S., wenn sie da gewesen seien, seien es immer nur die Drei gewesen. Auf Frage sagt S., Zschäpe habe damals so ausgesehen, „nur siebzehn Jahre jünger“, mit blonden, mittellangen Haaren. Die Männer hatten gar keine oder wenig Haare gehabt. Die Kleidung sei ganz normal, nicht auffällig gewesen.
Zur zeitliche Einordnung befragt, sagt S., dass sie gearbeitet hat, als sie da zu Besuch war, ihre Lehre habe sie im September 1998 angefangen. Sie wisse nicht mehr, wann der Kontakt los ging, im Spätsommer oder erst im Herbst, aber er sei gegangen, bis sie sich von E. getrennt habe, maximal sechs Monate vielleicht. Über den Grund des Versteckens sei damals nicht gesprochen worden, und sie sei gerade mal so 16 gewesen, „gegen die war ich ein Kind“. Daher habe sie nicht gefragt. Auf Frage sagt sie, sie glaube, St. sei auch mal da in der Wohnung gewesen, bei Max sei sie sich nicht sicher, habe aber das Gefühl. Von weitere Personen wisse sie jetzt nichts. Götzl fragt zu weiteren Bekannten von E. Gemeinsame Freunde seien St. und Bu. gewesen, da sei auch noch ein anderes Pärchen gewesen, sie habe aber keine Namen in Erinnerung. E.s Freunde in Johanngeorgenstadt habe sie nur ein oder zwei Mal getroffen, E. habe in Chemnitz mehr Leute als sie selbst gekannt. Götzl fragt, ob bei den Gesprächen in der Wohnung Politik mal ein Thema gewesen sei. Das sei nicht wirklich Thema gewesen, so S., es nicht diskutiert worden. Aber es sei schon durchgekommen, dass da politisch durch die Bank eine rechte Einstellung war. Beim Fernsehen sei kommentiert worden: „Ausländer und dies und das.“ Leider könne sie sich an bestimmte Unterhaltungen jetzt nicht erinnern. S. verneint, dass zur Sprache gekommen sei, wie lange sich die Personen in der Wohnung aufhalten. Es habe sehr durchlebt ausgesehen, aber bei drei Mann in so einer kleinen Wohnung sei das kein Wunder.
Götzl fragt, ob mal gespielt worden sei. „Risiko“ sei gespielt worden, so S., aber das habe sie gelangweilt, Videospiele wisse sie nicht. Von „Pogromly“ habe sie das erste Mal in der Presse gehört. Auf Frage, ob sie in Johanngeorgenstadt gewesen sei, sagt S., das sei vielleicht drei, vier, fünf Mal gewesen, vielleicht ein paar Mal mehr. Zwei oder drei Mal seien sie wohin gefahren, um sich mit E.s Freunden zu treffen, man habe sich aber auch mit ihren Freunden getroffen, die „da oben“ gelebt hätten. Einige von E.s Freunden habe sie ein bisschen gekannt, andere gar nicht. Da sei nicht viel Aufregendes passiert, die hätten alle herum gesessen, manche hätten Bier getrunken. Sie habe E.s Eltern und seinen Zwillingsbruder Maik kennen gelernt. Sie meine, dass E. auch noch eine Schwester hat, aber die habe sie nicht kennengelernt. Die Eltern waren immer gewesen. Maik habe auch eine Freundin gehabt, mit denen hätten sie ein bisschen was gemacht. E.s Verhältnis zu seiner Familie sei eigentlich gut gewesen. Natürlich habe es mit der Mutter mal Ärger gegeben, E. sei ja 18 gewesen. Zu seinem Bruder habe er eine gute Beziehung gehabt. Den Vater habe sie nicht viel gesehen. André habe auch nicht sehr viel erzählt. Sie meine, E. habe damals in einem Ausbildungszentrum eine Maurerlehre gemacht, so S. auf Frage, die habe er, glaube sie, auch abgeschlossen. Dann habe er, noch während sie zusammen waren, im Tiefbau gearbeitet. Sie selbst habe dann in Chemnitz-Rabenstein gewohnt, habe das 10. Schuljahr fertig gemacht und in einem Hotel in Chemnitz ihre Ausbildung begonnen. Sie habe sich noch im ersten Lehrjahr von E. getrennt. Götzl fragt, wie E. reagiert habe. S. sagt, das habe E. nicht so toll gefunden, er habe auch nicht kommen sehen. Er sei nicht böse, aber aufgebracht gewesen. Sei hätten sich danach noch ein paar SMS geschrieben, aber das sei im Sande verlaufen: „Der Tag, an dem ich mich von ihm getrennt habe, war der letzte Tag, an dem ich ihn gesehen habe, bis heute.“ Götzl fragt, ob es noch Kontakt gegeben habe. S. sagt, sie habe einen Handyvertrag gehabt, den E. unterschrieben habe, und der über sein Konto gelaufen sei. Da hätten sie sich sicherlich nochmal am Telefon unterhalten. Er habe ihr jeden Monat eine SMS mit dem Rechnungsbetrag geschrieben, und sie habe ihm das Geld überwiesen für ein paar Monate. Als der Vertrag ausgelaufen sei, habe es auch keinen Grund mehr für Kontakt gegeben.
Götzl fragt nochmal zu den Ansichten E.s S.: „Er war schon stolz, Deutscher zu sein und hat danach gelebt. Alles was nicht deutsch war, war nicht akzeptabel. Aber auch nicht immer.“ Das habe nicht alles Sinn gemacht, nicht nur bei E. Da sei viel davon gesprochen worden, „wie toll doch die Wehrmacht war“. E. habe eine rechte Meinung gehabt. Nicht lange vor der Trennung habe E. gesagt, das sei alles nichts. Skinhead habe ihm gefallen, die Lebensweise. Aber sie hätten es dem Max auch mal erzählt, dass E. auf die rechte Szene in dem Sinne eigentlich keine Lust mehr hat. Bei machen Skinheads sei es nur ums äußerliche, auch um die Musik, nicht um Politik: „Und zumindest in die Richtung hat er mal gedacht.“ Sie habe das unterstützt, aber ob sich das dahingehend entwickelt hat, wisse sie nicht, sie habe sich ja trotzdem von ihm getrennt und habe gedacht, da wird er schon rauswachsen.
Götzl fragt zu den damaligen eigenen Einstellungen. S. sagt, sie habe schon Einstellungen gehabt, die man rechts nennen könne. Ihr Stiefvater sei politisch sehr extrem, sie sei in einem Haus aufgewachsen, wo man das täglich gehört habe. Und André und die anderen hätten davon gesprochen, wie toll Deutschland vor 80 Jahren gewesen sei. Das habe sie gekannt. Sie komme aus dem Erzgebirge: „Finden sie da mal jemanden, der sich nicht negativ über Ausländer geäußert hätte.“ Das sei da „epidemisch“ [phon.] gewesen oder sei es vielleicht noch. Götzl: „Was war Ihre Auffassung?“ S.: „Die Ausländer kommen hierher, nehmen unsere Jobs weg, die benehmen sich hier nicht, aber wenn wir ins Ausland fahren, müssen wir uns benehmen, solche Sachen.“ Das habe sich geändert, als sie angefangen habe zu arbeiten und andere Leute kennengelernt habe. Götzl fragt zu S. Stiefvater. Die Zeugin sagt, sie hätte keinen Ausländer mit nach Hause bringen können, dann hätte sie die Koffer packen können. S. sagt: „Wäre der 1935 geboren, wäre der zufrieden gewesen.“ Für sie sei das das normalste der Welt gewesen, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass man eine offenere Einstellung haben könne. Wenn ihr Stiefvater den Fernseher angemacht habe, habe der los getobt über „die Ausländer“. Mit den Juden habe er auch ein Problem gehabt. Und die Politik, dass alle verdummt werden, dass Deutschland in der Form nicht mehr existieren würde. Götzl sagt, ihre Eltern seien nicht mit der Beziehung zu E. einverstanden gewesen. Darauf sagt S., ihr Vater habe mit der Einstellung sympathisiert, allerdings sei er völlig gegen Skinheads gewesen, denn seiner Meinung nach, würden die dem politischen Kurs keinen Gefallen tun, würden den Ruf der Vereine oder der Herren und Damen, die politisch Einfluss haben wollen, verderben. Außerdem habe er für sie bestimmte Vorstellungen gehabt, habe gesagt: „Der André ist ja einen Kopf kleiner wie du, was willst du denn mit dem?“ Es folgt eine Unterbrechung bis 11.10 Uhr.
Götzl fragt nach den Einkäufen. S. sagt, sie wisse nicht, ob sie auch mit einkaufen war. Es sei Kaffee mitgebracht und Kuchen. Sie selbst habe einmal Kaffee mitgebracht. Man habe da ja Kaffee getrunken und sie habe das für Anstand gehalten. Ihr sei bewusst gewesen, dass die Drei nicht unbedingt raus gehen. Sie habe die Drei nie außerhalb der Wohnung gesehen. Auf Frage sagt sie, sie habe sicherlich mit E. über die drei Personen gesprochen, sie habe auch versucht zu erinnern, wie sie sie genannt haben, aber da könne sie sich leider nicht entsinnen. Ihr sei bewusst gewesen, dass sie sich versteckt haben, aber es sei, zumindest in ihrer Gegenwart, nicht viel darüber geredet worden. Sie habe keine Erinnerung, ob Bu. mal mit in der Wohnung war, bei St. sei ihr bewusst, dass die die Drei gekannt habe und sie sei sich fast sicher, dass St. auch mal dabei war. Sie habe in Erinnerung, dass sie sich mit St. übers Haarefärben unterhalten habe, die sei ja Friseuse. Zu den Namen der Drei befragt, sagt S., sie habe überlegt, ob sie sie unter Beate gekannt habe, das sei ihr Bauchgefühl, aber sie wisse es nicht.
Auf das Verfahren sei sie aufmerksam geworden, als ihre Mutter am Tag nach Weihnachten angerufen habe, das BKA habe vor ihrer Tür gestanden und sie, S., solle mal auf die Website gucken. Da habe sie die Drei sofort wieder erkannt. Ihre Mutter habe erzählt, dass E. auch verhaftet worden sei. Sie habe in England nichts mitbekommen, da habe nichts in der Zeitung gestanden. Und sei die Polizei mit ihr in Kontakt getreten. Sie habe alle drei sofort wieder erkannt. Bei Wahllichtbildvorlagen bei der polizeilichen Vernehmung habe sie ein paar Leute erkannt, einige wohl auch falsch. Auf Frage sagt sie, sie lebe seit 2005 in England. Götzl fragt, welche Musik E. gehört habe. E. habe Rockmusik gehört, Sachen wie „Böhse Onkelz“, aber auch einschlägige Rechts-Bands, sie erinnere sich an „Skrewdriver“, weil die aus England kommen. Bei Namen sei sie sonst überfragt: „Verschiedene, einige in Englisch, andere in Deutsch, alle schlecht.“ Das sei relativ normal oder als normal angesehen gewesen. Auf Frage sagt S., E. habe mal eine Zeit gehabt, zum Ende der Beziehung hin, wo er sich doch irgendwo von der politischen Sache habe entfernen wollen. Sie wisse nicht, ob er es gemacht habe. Zum Lebensstil von E. sagt S., er sei auf jeden Fall Skinhead gewesen und habe das offen nach außen getragen, politisch sei seine Meinung rechts gewesen. Eine große Sache seien Ausländer gewesen, und dass Deutschland nicht mehr so deutsch sei wie es mal war, und dass systematisch vorgegangen werde, das zu ändern. Die Wehrmachtsausstellung sei, um 1999 vielleicht, da im Gespräch gewesen. S.: „Was nach dem Krieg mit Deutschland passiert ist, so Sachen wurden da geäußert.“ Götzl fragt, wie E. das gesehen habe. S. sagt, E. habe das nicht so toll gefunden: E. habe politisch gewollt, dass Einwanderungsrechte geändert werden. Götzl fragt, ob E. Vorstellungen hatte, die Verhältnisse systematisch zu ändern. S.: „Ideen habe ich keine gehört, wenn Sie das meinen.“ E.s Aussehen und wie er sich gegeben habe, das habe viel gewaltbereiter geklungen, als er in ihrer Anwesenheit gewesen sei, so S., sie habe nie mitbekommen, dass er gewaltbereit war, auch wenn er mal gepöbelt habe.
Auf Frage sagt S., sie sei einmal bei einem Konzert und einmal bei einer Demonstration gewesen, soweit sie sich erinnern könne. Zu dem Konzert seien sie hin gefahren, das sei auf einem Dreiseitenhof in der „Mitte vom Nirgendwo“ gewesen. Es seien sehr viele Skinheads und auch ein paar Mädchen da gewesen. Es seien verschiedene Bands gewesen, sie wisse nicht welche. Max und Mandy seien dabei gewesen, auch andere, deren Namen sie nicht wisse. Als sie angekommen seien, hätten die schon gesungen. Es sei sehr warm gewesen, draußen, ein großes Lagerfeuer, eine Bar. Götzl hält aus der Vernehmung von S. vor, dass sie es bei dem Konzert schrecklich gefunden habe, das sei in einem Gehöft in einem kleinen Dorf gewesen, da seien ca. 150 Skinheads im Innenhof herum gehüpft. S. sagt, sie habe sich da nicht wohlgefühlt, viele hätten auch keinen Spaß gehabt, die ganze Atmosphäre habe ihr nicht gefallen. Götzl hält vor, dass die dann auch den Hitlergruß gemacht hätten. S. bestätigt dies, E. habe immer auf sie aufgepasst, geschaut, dass er selbst oder Mandy oder Max bei ihr sind. Sie denke schon, dass E. auch den Hitlergruß gemacht habe, wisse es aber nicht genau. Götzl fragt zu den Texten der Musik: S.: „Da versteht man ja kein Wort, Herr Richter.“ Götzl fragt, worum es bei den Texten der Musik, die E. gehört habe, ging. S.: „Viel Deutschland und freies Deutschland und Sachen wie Stolz und Ehre und solche Sachen.“ Es sei um Deutschland, „Kameraden“, Skinheads gegangen, genaue Texte könne sie nicht rezitieren. Sie habe keine Ahnung, wo er sich die Musik besorgt hat, das seien ja Kassetten gewesen. Sie glaube auch, dass die mit Hand beschrieben gewesen seien, aber das wisse sie nicht mehr genau. Götzl fragt, ob seitens E. von Organisationen die Rede gewesen sei. S. sagt, es habe ja die NPD gegeben, da habe E. eine Zeitschrift gehabt, aber sie wisse nicht, ob er Mitglied war oder sich betätigt hat.
Götzl fragt nach Blood & Honour. Da habe sie jetzt einiges drüber gelesen, so S. In Chemnitz seien einige Autos herum gefahren, die das hinten draufgeklebt hatten und es sei schon damals in der Presse was dazu erschienen. Sie wisse nicht, ob das Gesprächsthema mit E. war und ob das jemand am Auto hatte, mit dem man sich getroffen habe. Auf Nachfrage sagt S., ihre Oberkellnerin im Ausbildungs-Hotel habe zwei Brüder gehabt, die mit B&H etwas zu tun gehabt hätten. Und die hätten sie immer mal abgeholt am Hotel, die hätten Fi. geheißen. Wann das war, wisse sie nicht. Und da sei ihr das bekannt vorgekommen. Sie sei von 1998 bis 2000 in dem Hotel gewesen, das letzte Lehrjahr in einem anderen Hotel. Es könne sein, dass das Thema Fi.-Brüder gewesen sei, als sie sich von E. getrennt habe. Ihre Oberkellnerin habe gewusst, dass E. ein Skinhead war, und habe sie beglückwünscht zu der Entscheidung und gesagt, dass sie seit Jahren Probleme habe mit ihren Brüdern. Auf die Frage, ob sie die Fi.-Brüder mal kennengelernt habe, sagt S., sie glaube, sie habe die mal gesehen, aber nicht kennengelernt. Götzl fragt, ob es zwischen E. und den Fi.-Brüdern Kontakt gegeben habe. S.: „Nicht, dass ich wüsste.“ Mandy St. habe sie durch E. kennengelernt. Sie habe über einem Bäcker an der Ecke gewohnt, sie seien recht viel da gewesen, hätten Filme geguckt,sich unterhalten, Haare gemacht. Max und Mandy hätten sich getrennt, während sie selbst mit E. zusammen war. Götzl fragt, ob S. noch weiter Kontakt zu Bu. gehabt habe. Eine Weile nicht, so S., dann habe er eine Freundin gehabt, die hinter ihr gewohnt habe. Da sei man sich begegnet und habe Telefonnummern ausgetauscht. Sie habe ihn mal angerufen, da habe er gesagt, er sei jetzt in Dresden, vielleicht so achtzehn Monate nach ihrer Trennung von E. Einmal habe sie ihn besucht in Dresden, seitdem habe sie ihn nie wieder gesehen.
Zur Mandy habe sie noch sporadischen Kontakt gehabt. Ihre Mutti habe sich bei St. in Chemnitz die Haare schneiden lassen, da habe sie Kontakt gehabt, wenn sie die Mutti abgeholt habe. St.s Ansichten würde sie auch als rechts bezeichnen. Die habe ja Briefe geschrieben an „Kameraden“ im Gefängnis und ihr gesamter Freundeskreis habe aus Personen bestanden, die in der rechten Szene waren, rein vom Äußerlichen. Götzl möchte wissen, ob im Zusammenhang mit St. mal der Name Fi. aufgetaucht sei. S.: „Nicht, dass ich wüsste.“ Sie selbst habe sich mit Mandy nur über „Mädchenkram“ unterhalten. Auf Frage sagt S., in St.s Wohnung seien auch noch andere Leute gewesen, wenn sie da war. Sie meine, St. habe nach Max einen anderen Freund gehabt, an Namen könne sie sich nicht erinnern. Götzl möchte wissen, ob S. Thomas Starke kennengelernt habe. Das verneint S., aber der Name sage ihr etwas. Maik E. habe sie relativ wenig gesehen. Der habe tätowiert und sei im Prinzip wie sein Bruder gewesen von der Einstellung her: „Musik, Klamotten, die ganzen Angelegenheiten.“ Sie habe ihn nie in Chemnitz gesehen, nur wenn sie ein paar Mal oben „im Gebirge“ gewesen sei.
Götzl fragt, ob André E. tätowiert war. S. nennt ein Spinnennetz am Arm, etwas am Unterarm und am Oberarm und vielleicht am Bein. Und dann habe er sich ihre damaligen Initialen übers Herz tätowieren lassen. E. habe viel Pläne für Tätowierungen gehabt. Sie wisse nicht, ob die sein Bruder gemacht hat. Dann werden Fotos von E. in Augenschein genommen, auf denen dessen Tattoos zu sehen sind. Götzl weist S. darauf hin, dass diese Abbildungen von einem späteren Zeitpunkt stammen. Ein Tattoo auf der Brust links mit den Buchstaben „AH“in Fraktur kenne sie, so S., aber an die Flagge drumherum könne sie sich nicht erinnern. Ein paar Tattoos kommen S. bekannt vor. Zu sehen ist der Schriftzug „Susann“ in einer geschwungenen Schreibschrift, darunter eine Lebensrune. Das und Tattoos auf dem Bauch kennt S. nicht. Zu sehen ist unter anderem ein großer Schriftzug, der mit „Die“ beginnt und endet, den mittleren Teil [vermutlich: „Jew“] deckt E. mit der Hand ab. Zu sehen ist außerdem ein Schriftzug in Fraktur auf dem rechten Arm: „Blut“. Den zweiten Teil des Schriftzugs [vermutlich: „und Ehre“] deckt E. mit Fingern ab. S. sagt, das kenne sie. Auf den Bildern sind u.a. außerdem Tattoos einer „Schwarzen Sonne“ und einer Figur zu sehen, die vermutlich einen SA-Mann darstellen soll. S. sagt, die kenne sie nicht.
Dann fragt Götzl zu der von S. genannten Demo. S. sagt, sie meine, dass das eine 1. Mai-Demo war, das könne nur 1999 gewesen sein, sie glaube, in Leipzig. Sie seien mit dem Zug hin gefahren, man habe sich mit vielen Leuten in Chemnitz auf dem Bahnhof getroffen. E. sei dabei gewesen, sie meine auch Mandy, aber das wisse sie nicht mehr. Sie glaube, dass es da auch um die Wehrmachtsausstellung ging. Es sei viel Polizei da gewesen. Es habe eine Gegendemonstration gegeben, sie wisse nicht mehr, ob das die Demonstration oder die Gegendemonstration war, an der sie teilgenommen habe. Es sei erst friedlich gewesen und dann plötzlich nicht mehr und da seien sie gegangen. Es seien Steine und Flaschen geflogen, aus allen Richtungen, von der rechten Szene und vermutlich von der linken Szene auch. Und dann habe sich die Polizei da offensichtlich eingemischt und sie seien gegangen. Sie wisse nicht, ob André oder jemand aus dem Umfeld etwas geschmissen habe. Zu sonstigen Veranstaltungen befragt, sagt S., sie hätten sich mal in einer Chemnitzer Kneipe getroffen, im Heckert-Gebiet. Da seien viele gewesen, aber sie wisse nicht mehr, warum. Auf Nachfrage korrigiert S. das Jahr der Demo in Leipzig auf 1998. Es folgt die Mittagspause bis 13.15 Uhr.
Danach geht es um Lichtbildvorlagen. Zu einem Bild mit Mundlos sagt S., das sei das Bild von der BKA-Webseite, sie erkenne den einen Herrn, einen von den Uwes. Ebenso erkennt sie Böhnhardt und Zschäpe. Holger G. erkennt sei nicht, aber André E. und Maik E. Bei Bild Nummer 10 sagt sie, der dort abgebildete Mann [Thomas Starke?] komme ihr bekannt vor, aber sie könne keinen Name zuordnen. Sie erkennt Bu. Und Mandy St. Bei Wohlleben sagt sie, den habe sie im Fernsehen gesehen, aber nie kennengelernt. Götzl verliest, dass es im Protokoll zur Nummer 1 [Mundlos] heiße, dass sie das Bild von der BKA-Website kenne, vorher habe sie ihn noch nie gesehen. S.: „Habe ich das gesagt? Vermutlich auch unterschrieben?“ Götzl sagt, heute habe sie gesagt, sie kenne ihn. S.: Ja. Götzl sagt, S. habe zur Nummer 2 [Böhnhardt] auch gesagt, dass sie das von der Website kenne. S. sagt, sie sei in der Wohnung gewesen und habe sie gesehen, das habe sie auch bei der Polizei gesagt. Götzl sagt, zur Nummer 3 [Zschäpe] habe S. gesagt, das sei definitiv die Person, die sie aus der Wohnung in Chemnitz kenne. Jetzt wisse sie nicht, sagt S., ob sie so sicher ist, weil sie soviel in der Presse gesehen habe, jetzt erkenne sie das.
Götzl sagt, zum Kennenlernen der Drei habe S. ausgesagt, dass das ein Samstag war. S. sagt, sie seien zur Wohnung gefahren, sie könne sich nicht an Probleme erinnern, das zu finden. Götzl hält die Aussage vor, dass entweder E. sie am Hotel abgeholt oder sie sich so getroffen hätten. S. sagt, sie habe sich mehr Gedanken gemacht, seit sie geladen war, wie ihr das eröffnet worden sei, wen sie da treffen, sie wisse es nicht. S. bestätigt, dass sie das mit der Polizei abgefahren ist, sie habe lange nach der Trennung von E. einen Bekannten in dem Haus gehabt, deswegen erinnere sie sich an das Haus sehr gut. Götzl hält aus einem Vermerk vor, demzufolge S. das Anwesen Altchemnitzer Straße 12 identifiziert habe. Aus der Vernehmung von S. hält Götzl vor, in der Wohnung seien einige Leute, sie wissen nicht wieviele. S. sagt, es könne bis Anfang 1999 gewesen sein. Götzl verliest, dass André und die Personen sich gekannt hätten, André sei im Gegensatz zu ihr nicht vorgestellt worden, bestätigt S. und spricht von freundlichem Verhalten. S. sagt, sie seien schon ein paar Mal da gewesen, ob da immer andere da waren, könne sie nicht sagen. Den Vorhalt, dass Zschäpe da auch wieder da gewesen sei, bejaht sie. Götzl hält vor, das sei ihr erst gekommen, als sie das Bild gesehen habe, da habe sie gewusst, das sie sie kennt, sie hätten sich unterhalten, sie sei nett gewesen. Sie habe nicht gewusst, dass die polizeilich gesucht werden. Es habe nur geheißen, dass die sich verstecken müssen: „Es hätte ja auch sein können dass sie sich mit jemanden verstritten hatten.“ Auf die Frage, ob Thema war, dass die Drei Geld und Unterstützung benötigen, sagt S.: „Nein, die Gesprächsthemen waren relativ banal.“
Götzl fragt, ob S. Jan We. etwas sage. S.: „Nicht viel, aber mit der Mandy irgendwas.“ Sie habe den nicht kennengelernt. Von der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ habe sie nur in der Presse gelesen, während sie mit E. zusammen war, habe der das nie erwähnt. Auf den Vorhalt, dass sie gesagt habe, sie glaube, dass die Trennung von E. in der Weihnachtszeit 1998 gewesen sei, sagt S., sie habe nachgedacht und sei der Meinung, dass das im neuen Jahr war, das sei so ein Gefühl. Götzl sagt, sie habe davon gesprochen, dass E., als sie ihn kennenlernt habe, auch nicht viel rechter als andere gewesen sei, dann aber extremer geworden sei und sie nicht wisse, ob ihr das nur mehr aufgefallen ist oder er wirklich extremer geworden ist. S. sagt, viele Jugendliche seien dort zu der Zeit zumindest so gekleidet gewesen oder hätten die Weltanschauung gehabt. Es könne auch sein, dass er sich mehr dazu entwickelt habe oder sie das mehr wahrgenommen habe oder beides. Auf Vorhalt, sie habe E. nie als politisch engagiert wahrgenommen, sagt S., sie habe nie mitbekommen, dass er was geplant oder sich eingesetzt hat. Was sie mitbekommen habe, seien nur Reden gewesen. Götzl zitiert, es sei eine Ausländerfeindlichkeit da gewesen und bestimmte Musik habe sie nicht hören dürfen. Auf Nachfrage sagt sie, verboten habe E. ihr nie etwas. Zu Magazinen, die E. später gelesen habe, sagt S., die hätten auch irgendeinen Namen gehabt, seien politisch rechtsextrem gewesen, nur so kopiert, vorne mit Panzer drauf. Da sei es um Musik, Rechtsrock und Bands gegangen, um irgendwelche Spendenaufrufe für welche, die im Gefängnis sitzen. Zum Vorhalt, das habe E. am Anfang nicht gemacht, sagt S., das stimme oder zumindest habe sie es nicht gesehen. Sie bestätigt den Vorhalt, dass er später auch mehr über solche Themen gesprochen, Slogans wiederholt habe, mit weiß und arisch und 88. Die Polizisten hätten ihr erzählt, was das heißt, und jetzt sei es ihre Hausnummer. S.: „Und das ganze Arische, Germanische, und Thor und die ganzen Götter, darum gings auch in der Musik.“
Als sie ihn kennengelernt habe, sei sie ein dummes Kind gewesen, hält Götzl ihre Aussage vor. Als sie sich von ihm getrennt habe, sei sie schlauer gewesen, habe sich gedacht, sie geht Döner essen, wenn sie möchte und höre Musik, auch wenn sie ein Schwarzer singt. S. sagt, verboten habe E. es ihr nie, aber sie habe gewusst, wie seine Reaktion sein würde, dass ihm das nicht gefallen würde. Und ihr sei das zu viel geworden. Für E. habe festgestanden, dass man nicht beim Türken isst. Götzl zitiert, dass E. laut S. zu Ausländern doch recht feindlich gewesen sei, allerdings nur verbal, er habe die nicht respektiert, habe keine Ausländer in Deutschland gewollt, habe aber nie davon erzählt, Ausländern wehzutun oder zu verkloppen. Götzl hält weiter vor, dass S. gesagt habe, dass E. alle Ausländer für kriminell gehalten habe, die sollten man alle aus dem Land werfen. Alles sei eine große Verschwörung gegen Deutschland, das habe S.‘ Vater auch immer gesagt. Sie selbst habe da eine liberalere Einstellung gehabt und das alles nicht mehr geglaubt. S. bestätigt den Vorhalt. Von den Gruppierungen „88er“, Hammerskins, B&H oder HNG habe sie jetzt im Nachhinein gehört und gelesen, so S., damals sei ihr da nichts bewusst gewesen. Götzl fragt, ob es bei E. Überlegungen gegeben habe, mal selbst eine Organisation zu gründen. S.: „André?“
Nebenklage-Vertreter RA Langer fragt, ob nach der Trennung von E. problematisiert worden sei, wie S. mit dem Wissen um die Drei in der Wohnung umzugehen habe. Soweit sie sich erinnere, sei das nicht der Fall gewesen, so S. Mit St. habe sie später gar nicht darüber gesprochen, was mit den Dreien passiert ist, so S. auf Frage, es könne sein, dass sie Bu. gefragt hat, aber selbst das glaube sie nicht. Auf Frage von RA Elberling sagt S., es sei über den Verfassungsschutz gesprochen worden, aber nicht so, dass man vermeiden müsse, vom VS gesehen zu werden. Elberling hält eine Aussage der Mutter von S. vor, dass Anja ihr erzählt habe, dass das eine aufregende Zeit in Chemnitz gewesen sei, man habe erst für einen Ort verabredet und sich dann woanders getroffen, um den VS zu verarschen. Das sei ihr bei der Polizei auch vorgehalten worden, so S., und habe sie überrascht, sie könne sich nicht erinnern. Aber als sie sich einmal alle in einer Kneipe im Heckert-Gebiet getroffen hätten, sei das wohl ein Ablenkungsmanöver gewesen, sie könne aber leider nicht sagen, worum es da ging. Den Vorhalt, dass ihre Mutter gesagt habe, dass Anja vermutet habe, dass sie irgendwann auf der Fahndungsliste landet, weil sie mit den Leuten viel zu tun gehabt habe, bejaht S. Zur Frage nach möglichen Zwischenstopps bei der Fahrt zu dem von ihr beschriebenen Konzert, sagt S., sie meine sich zu erinnern, dass sie da direkt hin gefahren sind. Ob B&H bei dem Konzert auftauchte, wisse sie nicht mehr.
Elberling sagt, zum 1. Mai stehe in der polizeilichen Vernehmung von S., sie glaube, dass E. da eine Flasche geschmissen hat oder schmeißen wollte, und sie sich deswegen gestritten hätten. S. sagt, sie könne sich nicht hundertprozentig erinnern. RA Hoffmann zeigt S. ein Bild, auf dem vier Personen eine schwarz-weiß-rot Fahne halten, u.a. Mundlos [Dresden-Foto von 1998] und fragt, ob sie die vordere Frau kenne. S. sagt, der Herr hinter der Flagge kommt ihr bekannt vor, die Frau kenne sie nicht. Bei einem weiteren Bild, auf dem eine Frau in Bomberjacke zu sehen ist, sagt S., sie gehe davon aus, dass das St. ist. Zur Frage, ob E. bei Treffen zum Thema germanische Religion war, sagt S.: „Nicht, dass ich wüsste.“ Zschäpes Verteidigerin RAin Sturm fragt, ob sich bei den Treffen in der Wohnung alle unterhalten hätten oder es auch Zweier- oder Dreier-Gespräche gegeben habe. S. sagt, sie habe sich mehr mit Zschäpe unterhalten, vielleicht auch einfach, weil sie zwei Mädchen oder Frauen waren. Man habe sich nicht alleine unterhalten können, das sei ja nicht groß gewesen, die Atmosphäre sei locker gewesen. Sie könne sich nicht erinnern, dass Ausländer Gesprächsthema waren. Die Gespräche seien relativ banal gewesen. Man habe da einen oder zwei Kaffee getrunken, geraucht, es seien nicht nur Besuche von fünf Minuten gewesen. Sturm bitte S. zu erläutern, woran sie ihre Aussage festmache, dass die durch die Bank rechts gewesen seien. S. sagt, sie sei davon ausgegangen, dass alle in der Szene waren, könne aber auch falsch liegen. Auf die Frage von RA Stahl, ob sie selbst sich der Szene zugehörig gefühlt habe, sagt S.: „Selbstverständlich.“
Dann fragt Prof. Saß, wie die drei Personen miteinander umgegangen sind. S. sagt, die Aufmerksamkeit sei mehr bei ihnen, die zu Besuch gekommen seien, gewesen. Die hätten ja offensichtlich da gemeinsam gewohnt und auch miteinander gesprochen. Eine Partnerschaft zwischen Personen sei nicht ersichtlich gewesen. Die allgemeine Stimmung sei freundlich gewesen, eigentlich ganz locker: „Wie man sich das für die Altersgruppe vorstellt.“ Angst, Bedrücktheit oder Sorgen seien nicht zu spüren gewesen. Zur Frage, ob Zschäpe mal berichtet hat, was sie machen möchte, Ausbildung, Ziele, Beruf, sagt S., dass die Gespräche so weit nicht gegangen seien, eher ums Wetter und was im Fernsehen kam, oder über sie, den Alltag und den André.
Der Verhandlungstag endet um 14.16 Uhr.
Nebenklage-Anwalt Stolle erklärt zum Prozesstag:
„Die Aussage von Anja S. belegt, wie lange schon André E. zum unmittelbaren Umfeld des Trios gehört hatte. Schon in den ersten Monaten des Untertauchens gehörte er zu denjenigen, die regelmäßig das Trio in ihrem Unterschlupf besuchten. Auch Anja S. gehörte zu diesem Kreis, obwohl sie eher eine Randfigur der Szene war. Diese Aussage belegt – in der Zusammenschau mit dem bisherigen Beweisergebnis -, dass eine Vielzahl der Angehörigen der Chemnitzer rechten Szene von dem Trio und deren Untertauchen Bescheid wussten.“