An diesem Verhandlungstag ist als einziger Zeuge der frühere Anwalt von Beate Zschäpe geladen. Es geht vor allem um die Frage, ob die Angeklagte am 04.11.2011 bei ihrer Nachbarin E. geklingelt hatte. Dazu ist der Zeuge partiell von seiner Schweigepflicht entbunden. Die Verhandlung muss mehrmals unterbrochen werden, da die Verteidigung zahlreiche Fragen beanstandet und der Bereich der Entbindung von der Schweigepflicht immer wieder neu verhandelt werden muss.
Zeuge: RA Liebtrau (Anwalt von Beate Zschäpe im November 2011)
Die Verhandlung beginnt um 9:53 Uhr. Es geht zunächst um die Verlesung der Vernehmung des Zeugen Germann, gegen die die Verteidiger von Ralf Wohlleben und Beate Zschäpe widersprochen hatten. Es wird ein Schreiben von Herrn Germann vom 5. September 2013 verlesen, in dem dieser mit Verweis auf das Schreiben einer Klinik seinen Gesundheitszustand darstellt, der es ihm nicht ermögliche, der Ladung Folge zu leisten. BAW Greger nimmt Stellung zu dem Widerspruch der Verteidigung und führt aus, dass der Weg der Tatwaffe Ceska verfahrensrelevant sei, da den Angeklagten Wohlleben und Schultze zur Last gelegt werde, diese beschafft zu haben. Da der Zeuge Angaben zur Tatwaffe machen könne, sei die Verlesung kein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz, sondern werde von der Aufklärungspflicht umfasst und geboten. Daraufhin unterbricht der Vorsitzende Richter Götzl den Prozess bis 10:25 Uhr.
Um 10:28 Uhr wird die Verhandlung fortgesetzt mit dem Beschluss, die Einführung der über den Rechtshilfeweg erlangten Vernehmung des Zeugen Germann sei zulässig. Mit folgender Argumentation werden die Widerspruchsgründe der Verteidigung von Ralf Wohlleben und Beate Zschäpe zurückgewiesen: Es existiere kein Anspruch der Angeklagten auf Bescheidung eines Widerspruchs bereits in der Hauptverhandlung. Der Senat weist darauf hin, dass der Frage nach der Relevanz des Lieferwegs der Tatwaffe, ausdrücklich der Urteilsberatung zukommt. Damit ist die Beweisaufnahme zulässig.
Die Sitzung wird erneut unterbrochen, diesmal bis 10:45 Uhr. Richter Götzl zieht die Vernehmung des Zeugen Liebtrau vor und fragt, ob dessen Entbindung von der Schweigepflicht wie angekündigt erfolgen wird. RA Heer kündigt an, er werde jetzt oder in Anwesenheit des Zeugen eine kurze Erklärung abgeben, woraufhin Götzl den Zeugen hereinruft. Nach der Feststellung der Personalien erklärt Götzl, es gehe um das Beratungsgespräch, das der Zeuge als Anwalt am 08.11.2011 mit Beate Zschäpe geführt haben soll. Dabei gehe es um bestimmte Inhalte, wofür eine Entbindung von der Schweigepflicht erforderlich sei. RA Heer erklärt, seine Mandantin habe den Zeugen Liebtrau für seine zeugenschaftliche Vernehmung heute jederzeit widerruflich von seiner Verschwiegenheit entbunden, soweit sie ihm im Beratungsgespräch mitgeteilt habe, dass sie bei ihrer Nachbarin, Frau E. geklingelt und auf eine Reaktion gewartet habe, um festzustellen, ob sie zuhause sei und um zu schauen, dass sie nicht getötet werde. Götzl fragt die Angeklagte, ob sie zustimme. Es genüge, wenn sie nicke. RA Heer interveniert und gibt an, seine Mandantin werde sich nicht äußern. Der Zeuge gibt daraufhin an, das genüge ihm.
Der Zeuge Liebtrau bestätigt die Angaben von RA Heer. Beate Zschäpe sei am 08.11.2011 zu ihm ins Büro gekommen und habe um ein Gespräch gebeten. Es sei auch darum gegangen, dass sie bei ihrer Nachbarin geklingelt habe, bevor sie das Haus verlassen habe, diese aber nicht darauf reagiert hätte. Für das Gespräch bei ihm sei vorher kein Termin vereinbart worden. Da er an dem Tag noch einen Gerichtstermin gehabt habe, sei es auch relativ kurz gewesen. Götzl will wissen, ob sie ein Datum genannt hatte, wann das Klingeln stattgefunden habe. Das habe sie sicher, antwortet der Zeuge. Es sei um ihren Weggang aus Zwickau gegangen, das sei wohl drei oder vier Tage vor ihrem Gespräch gewesen. Der Zeuge bestätigt, dass es der 04.11.2011 gewesen sei. Auf die Frage, ob es auch um den Umstand dieses Themas gegangen sei, antwortet der Zeuge, ganz allgemein sicherlich. An dem Tag selbst habe er noch keinen Auftrag bekommen, etwas bezüglich der alten Dame zu unternehmen. Am Folgetag bei der Haftvernehmung habe er unmittelbar vorher die Akte durchblättern können und festgestellt, dass von der Nachbarin keine Zeugenaussage zu dem Tag vorhanden gewesen sei. Er sei daraufhin ausdrücklich gebeten worden, ihre Vernehmung zu beantragen. Ob Beate Zschäpe am ersten Tag den Namen der Nachbarin genannt habe, wisse er nicht mehr, aber am Folgetag durchaus. Sonstige Informationen in dem Zusammenhang habe er nicht.
Die Frage von BAW Weingarten, in welcher Verfassung Beate Zschäpe bei der Erzählung des Klingelns gewesen sei, wird von RA Stahl beanstandet, dies sei nicht Bestandteil der Entbindung von der Schweigepflicht. Der Zeuge beruft sich nach Rückfrage von Götzl auf seine Verschwiegenheitspflicht. BAW Greger fragt nach dem zeitlichen Zusammenhang zwischem dem Klingeln und dem Brand. Der Zeuge bestimmt das nicht genauer, unterstreicht aber, dass sie vor dem Brand geklingelt habe, irgendwann nachmittags. Auch Gregers Frage, ob Zschäpe die Katzen dabei gehabt hätte, beanstandet RA Stahl mit dem Verweis auf die Verschwiegenheitspflicht.
Daraufhin schaltet sich der Vertreter der Nebenklage RA Langer ein. Er halte diese Vorgehensweise für unzulässig, es handele sich um Zeugenbeeinflussung. Es sei ein Umfang ausgesprochen worden und der Zeuge müsse das selbst entscheiden. Gegebenenfalls müsse der Zeuge dazu rausgeschickt werden. RA Stahl entgegnet, das würde die Vernehmung in die Länge ziehen. Die Verteidigung hätte das Recht, Fragen zu beanstanden, wenn sie ungeeignet seien, weil sie den Zeugen animierten, Antworten zu geben, die von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung gedeckt sind. Götzl erwidert, der Zeuge sei gut informiert worden, er sei zudem selbst Rechtsanwalt. RA Stahl beharrt auf seiner Beanstandung.
BAW Greger kommt auf das Klingeln und den zeitlichen Bezug zum Brand zurück. Er will wissen, ob Beate Zschäpe von sich aus das Klingeln in einen Zusammenhang mit dem Brandereignis gestellt habe. Mit Verweis auf seine Schweigepflichterklärung könne er das nicht beantworten. Sie habe bei der Nachbarin geklingelt, bevor sie das Haus verlassen habe. Ob hinter ihr schon die Flammen aufgingen, ob das Stunden später war, darüber hätten sie nicht geredet. RA Stahl setzt die Befragung fort und will wissen, ob Beate Zschäpe konkrete Angaben gemacht habe, warum sie bei der Nachbarin geklingelt habe. Das könne er nicht mehr so genau sagen, erwidert der Zeuge, sie habe sicherlich sicher gehen wollen, dass niemand im Hause sei bzw. dass, wenn jemand im Haus gewesen sei, diese Person gehe. RA Stahl beantragt eine Unterbrechung der Sitzung für fünf Minuten, da sie die weitere Befragung absprechen wollten. Die Sitzung wird bis 11.15 Uhr unterbrochen und beginnt wieder um 11:17 Uhr. RA Stahl sagt, er habe keine weiteren Fragen mehr.
Die Befragung wird fortgesetzt von der Vertreterin der Nebenklage RAin Lunnebach, die auf die Beantwortung der letzten Frage drängt. Aus der Antwort des Zeugen sei nicht klar, ob Frau Zschäpe das gesagt habe oder ob das seine Rückschlüsse seien. Um seine Rückschlüsse gehe es nicht, erwidert der Zeuge. Beate Zschäpe habe ihm gesagt was sie gemacht habe und das habe er so wiedergegeben. Auf erneute Nachfrage antwortet der Zeuge, Beate Zschäpe habe gesagt, sie wolle sichergehen, dass niemand im Haus sei. Nachfragen habe er nicht gestellt, antwortet der Zeuge auf Nachfrage, er habe das auch nicht aufgeschrieben. Der Zeuge bestätigt, dass er das aus seinem Gedächtnis heraus beantworte. Auf die Frage, warum er dann in die Unterlagen schaue, erwidert er, weil da die Schweigepflichtsentbindungserklärung liege. Es folgt eine Auseinandersetzung zwischen der Anwältin der Nebenklage, RA Stahl und Götzl, ob die Frage, was in der Schweigepflichtserklärung stehe, zulässig sei. Dazu muss der Zeuge kurz den Gerichtssaal verlassen. Als der Zeuge wieder hereingerufen wird, setzt RAin Lunnebach ihre Befragung fort und möchte wissen, seit wann der Zeuge wisse, dass er von der Schweigepflicht partiell entbunden sei. Auch diese Frage beanstandet RA Stahl und wieder muss der Zeuge zur Klärung den Saal verlassen.
RA Stahl meint, die Informationen über die Art und Weise der Entbindung fallen nicht in den Bereich, in dem der Zeuge von seiner Schweigepflicht entbunden sei. Götzl fordert ihn daraufhin auf, den Umfang der Entbindung von der Schweigepflicht klarzustellen. Hier verweist RA Stahl auf die Stellungnahme von RA Heer zu Beginn der Verhandlung. Götzl sieht in diesem Fall jedoch einen Grenzbereich, den der Zeuge selbst abwägen müsse. Dem widerspricht RA Stahl. Es sei so, dass die Verteidigung immer einschreiten könne, wenn sie der Ansicht sei, die gestellten Fragen seien nicht mit der Entbindung der Schweigepflicht im Einklang. Das könne der Zeuge nicht selbst entscheiden. Der Anwalt der Nebenklage RA Scharmer weist darauf hin, eine Schweigepflichtsentbindung könne nur einen Lebenssachverhalt betreffen. Was die Verteidigung hier gesagt habe, betreffe eine Aussage bestimmter Art, die sie inhaltlich erwarteten. Nach der Auslegung der Verteidigung würde sich der Zeuge schon bei der Abwägung strafbar machen. Die Verteidigung habe ja gerade beanstandet, dass die Kollegin nach dem Wortlaut der Entbindung fragt. Es müsse gestattet sein, danach zu fragen. Es gehe nicht, dass durch die Schweigepflichtsentbindung ein Sachverhalt vorgeben werde, der dann nur noch bestätigt werden soll.
RA Stahl meint, er stimme dem in großen Teilen zu, da die Verteidigung den Inhalt der Entbindungserklärung kenne, wisse sie sehr genau, wie weit diese gehe. Darüber hinaus gelte die Schweigepflicht über alle Wahrnehmungen, die der Zeuge in seiner Funktion als Rechtsanwalt gemacht habe. Dieser Wissensvorsprung sei der Verteidigung immanent. Götzl wirft ein, er verstehe nicht, warum die Verteidigung den Zeugen nicht selbst entscheiden lasse, wenn der Inhalt der Verschwiegenheitsentbindung so klar sei. Im Falle von Schwierigkeiten im Grenzbereich seien Interventionen nachvollziehbar, aber es werde ja vorher schon interveniert. RA Stahl erwidert, sein Kollege Heer könne das gerne nochmal vorlesen, damit der Umfang der Entbindung von der Schweigepflicht nochmal aufgefrischt werden könne. Das sei in seinen Augen sehr präzise und es sei selbstverständlich, dass er das Aussageverhalten steuern werde durch prozessuale Verteidigerrechte.
Götzl sieht jedoch an dieser Stelle unterscheidliche Versionen der Entbindungserklärung. Daraufhin schaltet sich RAin Sturm ein und unterstreicht, sie hätten präzise erklärt, wozu der Zeuge entbunden worden sei. Die Schweigepflichtentbindung enthalte einen Lebenssachverhalt, der sich am 08.11.2011 zugetragen habe. Und jede Frage, die zeitliche Zusammenhänge danach beträfen, sei nicht mehr erfasst. Erst recht nicht, wenn es um das Gespräch zwischen Beate Zschäpe und dem Zeugen gehe. Das sei davon nicht erfasst. Das sei auch kein Randbereich. Götzl verweist noch einmal darauf, dass es um eine Klarstellung der Schweigepflichtentbindung gehe, was RA Heer erneut bestreitet, er sehe keine unterschiedlichen Versionen. Götzl fordert RA Heer auf, die Schweigepflichtentbindung noch einmal vorzulesen. RAin Lunnebach interveniert: Im Sinne der Verteidigung wiederhole der Zeuge die Sätze aus der Entbindung und dann gehe er. Das entwerte doch die Aussage. Der Zeuge hätte ihr die Frage, ob er schriftliche Aufzeichnungen habe, mit Nein beantwortet. Und deswegen stelle sich für sie die Frage, wann er erfahren habe, dass er von der Schweigepflicht entbunden werde. Und diese Frage sei mit Sicherheit zulässig. Götzl erbittet hierzu Stellungnahmen. Der Vertreter der Nebenklage RA Langer erklärt das Vorgehen der Verteidigung für unzulässig. Sie habe zwar den Umfang der Schweigepfichtentbidung zu bestimmen. Aber der Zeuge habe allein zu entscheiden, was umfasst ist. Durch das ständige Einhaken werde der Zeuge beeinflusst. Er habe ja nicht einmal einen Anspruch, dass er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gerbauch macht.
RAin Dierbach schaltet sich ein und unterstreicht, die Verteidigung wolle nur die Bestätigung eines Satzes, aber nicht eines Lebenssachverhaltes. Ein Lebenssachverhalt beziehe sich aber nicht auf einen Satz, sondern auch um das Drumherum. Die Schweigepflichtsentbindung müsse sich auf den Sachverhalt beziehen und nicht daruf, einen Satz zu bestätigen und den Rest zu verweigern. Und es sei Pflicht des Zeugen, das zu entscheiden. Die Verteidigung sitze hier nicht als Zeugenbeistand.
RA Stahl widerspricht und verweist auf die Pflicht zur Verschwiegenheit auch dann, wenn das Mandatsverhältnis beendet sei. Davon mache Beate Zschäpe Gebrauch. Der Zeuge sei nicht im Hinblick auf die Wiedergabe eines Satzes, sondern auf einen konkreten Lebenssachverhalt in einem Beratungsgespräch von der Verschwiegenheit entbunden worden. Selbstverständlich müsse der Zeuge die Beantwortung in eigener Verantwortung klären. Das führe aber nicht dazu, dass sie als Verteidiger einfach still dabeisäßen, falls der Zeuge dies nicht sachgerecht handhabe, sondern sie werde eingreifen.
BAW Diemer bringt ein, der Zeuge müsste befragt werden. Und wenn er unsicher sei, wo die Grenzen lägen, müsse er sich vergewissern und dann habe die Verteidigung tatsächlich das Recht, dies zu konkretisieren. RA Heer wird ungeduldig ebenso wie Richter Götzl. Heer liest die Entbindung der Schweigepflicht noch einmal vor: “Unsere Mandatin hat RA Liebtrau für seine Vernehmung jederzeit widerruflich von seiner anwaltlichen Verpflichtung entbunden, soweit sie ihm am 08.11. mitgeteilt hat, dass sie am 04.11. bei Frau E. geklingelt und auf eine Reaktion gewartet hat, um festzustellen, ob sie zu Hause ist oder sie aufzufordern, das Haus zu verlassen, weil sie nicht wollte, dass sie verletzt oder getötet wird.” RAin Lunnebach hält trotz allem ihre Frage aufrecht, wann der Zeuge von dieser Entbindung erfahren habe. RA Schwarmer, Götzl und die Verteidiger Heer und Stahl setzen sich noch weiter darüber auseinander, ob die Verteidigung mit der Schweigepflichtentbindung lediglich die Bestätigung einer Aussage bezogen auf den 08.11.2011 erlauben möchte. Dann schaltet sich NK–RA Reinicke ein und verweist darauf, dass der Zeuge aber auch schon Angaben zum 09.11.2011 gemacht habe. Es müsse also festgehalten werden, ob das außerhalb der Schweigepflichtentbindung lag oder sich auf den Sachverhalt bezieht, soweit dieser am 9.11. 2011 erörtert worden sei. Es folgt die Mittagspause bis 13:30 Uhr.
Die Sitzung wird um 13:36 fortgesetzt. Götzl knüpft an die Frage von RAin Lunnebach an, wann der Zeuge erfahren habe, dass er von der Schweigepflicht entbunden sei, was von RA Stahl beanstandet worde sei. Er selbst halte die Frage für zulässig. Zur Beratung wird die Sitzung unterbrochen. Um 13:46 Uhr geht es weiter und Götzl verfügt, dass die Frage der Nebenklagevertreterin zulässig sei. Mit der Beantwortung sei nicht automatisch eine Straftat verbunden, was er mit einem Kommentar zur Strafprozessordnung begründet. RAin Sturm bittet um eine Kopie des Beschlusses und um eine halbe Stunde Zeit für eine Gegenvorstellungermann
Die Sitzung wird um 13:50 Uhr erneut unterbrochen und um 14:32 fortgesetzt. RAin Sturm erklärt, die Verteidigung erhebe folgende Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats: Der Senat begründe seinen Beschluss damit, dass eine Frage nur ungeeignet wäre, wenn sich ein Berufsgeheimnisträger bereits auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe. Nach Belehrung des Zeugen habe die Verteidigung den Umfang der Entbindung dargelegt. Der Zeuge habe eine Beantwortung weiterer Fargen abgelehnt. Zweitens sei die Frage ungeeignet, denn sie treffe einen Bereich, der die Schweigepflicht betreffe. Der Zeuge Liebtrau habe bereits zum Ausdruck gebracht, dass er ausschließlich im Rahmen der Verschwiegenheitsverpflichtungsentbindung bereit sei, Angaben zu machen. Die Frage sei davon nicht erfasst. Man möge einwenden, dass die Entschließung des Zeugen anhand jeder einzelnen Frage zu beantworten sei. Dies hätte aber zufolge, dass es gar keine aus Rechtsgründen unzulässigen Fragen geben könne. Schon das Festhalten der Nebenklagevertreterin wäre aber ein strafrechtliches Verhalten der Nebenklagevertreterin und durch die Bundesanwaltschaft gemäß STPO zu behandeln. Nach der Verlesung unterbricht Götzl erneut die Sitzung.
Um 14:51 wird die Verhandlung fortgesetzt. Der Senat verkündet das Festhalten an seinem Beschluss und bittet, den Zeugen aufzurufen. RAin Lunnebach wiederholt ihre Frage an den Zeugen, wann er von der Schweigepflichtsentbindung erfahren habe. Dieser antwortet, die Entbindung konkret habe er heute bekommen. Dass er entbunden würde, habe er mit der Terminladung erfahren. Er korrigiert sich, er sei da davon ausgegangen, dass es eine Entbindung geben werde und in der Zeitung sei es auch gestanden. Die Folgefrage, ob der Zeuge schon vorher Kontakt mit den Verteidigern hatte, wird beanstandet, woraufhin der Zeuge erneut den Saal verlassen muss.
RA Dierbach macht deutlich, die gestellte Frage sei keine Mandatssache. Der Schutz des §43a beziehe sich ausschließlich auf mandatsrelevante Tatsachen. RAin Lunnebach unterstreicht, der Zeuge Liebtrau hätte sein Mandat 2011 niedergelegt. Wenn es einen Kontakt nach dieser Zeit gegeben habe, wäre die Frage danach nicht mehr von der anwaltlichen Schweigepflicht erfasst. RA Stahl betont, dass auch Kenntnisse und Wahrnehmungen, die man als Rechtsanwalt nach beendetem Mandat mache, der Schweigepflicht unterlägen. RAin Sturm legt dar, dass ein Mandatsanbahnungsgespräch bei Verteidigerwechsel bereits der Schweigepflicht unterliege, damit unterlägen selbstverständlich auch die Tätigkeiten, die nach der Beendigung des Mandats vorgenommen werden, der Schweigepflicht. RAin Lunnebach macht darauf aufmerksam, dass Herr Liebtrau hier nicht als Rechtsanwalt, sondern als Zeuge sitze, zu dem es kein vertragliches Verhältnis gebe. Wieder verweist RA Stahl darauf, dass in seinen Augen die Entbindung von der Schweigepflicht ausgehöhlt werde. Götzl erachtet die Frage als zulässig, hält es aber gleichzeitig für notwendig, den Zeugen darauf aufmerksam zu machen, dass er selbst entscheiden müsse. Daraufhin wird der Zeuge wieder in den Gerichtssaal geholt.
Die Frage, ob er vor der Schweigepflichtentbindung Kontakt zu den Verteidigern hatte, wird verbunden mit dem Hinweis, er müsse entscheiden, in welchem Verhältnis das zur Schweigepflicht stehe. Daraufhin verweist der Zeuge auf seine Schweigepflicht. RA Scharmer kommt zurück auf die die Motivation von Beate Zschäpe, bei der Nachbarin zu klingeln. Er erinnert an die zuvor gemachte Aussage des Zeugen, seine Aussagen zur Motivation seien ein Rückschluss gewesen. RA Scharmer will wissen, worauf er sich dabei beziehe. Der Zeuge erwidert, das beziehe sich auf die Meinung, die er zu dem Sachverhalt habe. Er habe eine Information bekommen und die habe er so gewertet. RA Scharmer kommt auf die Besprechung am 08.11.2011 zu sprechen und möchte wissen, welche Kleidung Beate Zschäpe getragen habe. Daran erinnere er sich nicht. Auch auf Nachhaken von RA Scharmer kann sich der Zeuge Liebtrau nicht an weitere Details erinnern. Es sei auch niemand sonst zugegen gewesen.
Nebenklagevertreter RA Prosotowitz will wissen, ob Beate Zschäpe dem Zeugen gesagt habe, es hätte auf ihr Klingeln keine Reaktion gegeben. Auch das kann der Zeuge nicht genau sagen. Er wisse nicht mehr, ob sie das so gesagt habe oder ob das sein Schluss gewesen sei. Es sei für ihn klar gewesen, denn warum wollte man sonst klingeln. Sie habe auch nicht gesagt, ob sie mehrfach geklingelt habe und er habe auch nicht nachgefragt, antwortet der Zeuge auf Fragen. Für ihn sei das nicht von Belang gewesen. Nebenklagevertreter RA Langer will wissen, ob Beate Zschäpe einen genauen Zeitpunkt des Klingelns genannt hat, was Verteidiger Stahl beanstandet, das sei mit ‚irgendwann am Nachmittag‘ schon beantwortet worden. Auf die Frage, ob es die Haus- oder Wohnungstür gewesen sei, an der Beate Zschäpe geklingelt habe, antwortet der Zeuge, das sei die Wohnungstür gewesen. Trotz mehrmaliger Beanstandung der Verteidigung beharrt RA Langer auf der Frage, ob Beate Zschäpe nur bei dieser Nachbarin oder auch woanders geklingelt habe. Der Zeuge antwortet, nur bei dieser.
Nebenklageverteter RA Reinicke will wissen, ob der Zeuge schon Kenntnisse über den Brand hatte, bevor Beate Zschäpe zu ihm gekommen sei, was dieser verneint. Er bestätigt, Beate Zschäpe sei für ihn ein unbeschriebenes Blatt gewesen. Auf Nachfrage konkretisiert der Zeuge die Dauer der Besprechung auf ein bis zwei Stunden. Auf eine Frage nach dem Termin am 09.11.2011 geht der Zeuge mit Verweis auf seine Schweigepflicht nicht ein. RA Reinicke erinnert an die Aussage, Beate Zschäpe habe geklingelt und dann endgültig das Haus verlassen und will wissen, ob das heiße, sie sei nochmal in die Wohnung zurückgegangen. RA Heer beanstandet diese Frage. RA Reinicke fragt, ob der Zeuge wusste, ob die Dame im selben Hauseingang lebte wie Beate Zschäpe, was der Zeuge bestätigt, das sei derselbe Aufgang, so habe er das aufgefasst. RA Reinicke hakt nach, ob der Zeuge das deshalb so verstanden habe, dass sie an der Wohnungstür geklingelt habe, was der Zeuge bestätigt.
RAin Dierbach will wissen, wieso aufgrund der Sorge geklingelt worden sei, es könne was passieren, wenn überhaupt keine Gefahr zu sehen war. Das könne er nicht sagen, antwortet der Zeuge, das habe er auch nicht gefragt, antwortet er auf Nachfrage. RAin Dierbachs Frage, ob das Gespräch über das Klingeln am Anfang oder Ende der Besprechung stattfand, kann der Zeuge nicht mehr sagen, ebensowenig, welchen Anteil dieser Sachverhalt am Gesamtgespräch hatte. RAin Dierbach möchte wissen, wie der Zeuge die Bedeutung eingeordnet hat. Diese Frage wird sofort von der Verteidigung beanstandet, Richter Götzl hatte die Frage aufgrund dieser Beanstandung nicht richtig verstehen können und reagiert ärgerlich. Er lasse sich nicht bieten, dass ohne Worterteilung sofort von der Verteidigung dazwischen gegangen werde. Er wolle die Frage noch einmal hören. Daraufhin stellt RAin Dierbach fest, dass die Verteidigung einen Zeugen berufen habe, dessen Befragung aber nicht zulasse. Sie stelle die Frage nicht mehr.
RA Erdal fragt den Zeugen, ob er ein Wortprotokoll gemacht habe, was dieser verneint. Auf die Frage, wie er sich dann sicher sein könne, was Beate Zschäpe ihm damals gesagt habe, betont Herr Liebtrau, er sei sich sicher, weil nicht oft ein Mandant mit so einem Problem zu ihm komme. Das sei sehr bestimmend für das Leben in der Kanzlei in den nächsten Tagen gewesen. RA Erdal fragt nach der Bedeutung an dem Tag des Gesprächs. Die Verteidigung bittet darauf um fünf Minuten Unterbrechung. Richter Götzl unterstreicht, dass es ihm auch um eine Klärung gehe, hinsichtlich dessen, ob Frau Zschäpe den Grund für das Klingeln genannt habe oder ob der Zeuge das selbst geschlossen habe. Er habe das in seiner Aussage einmal als seinen Rückschluss bezeichnet und bei den Fragen von Frau Lunnebach gesagt, Frau Zschäpe hätte das so gesagt. Doch zunächst unterbricht Götzl die Sitzung für zehn Minuten.
Es geht weiter um 16 Uhr. Die Verteidigung gibt an, keine weiteren Fragen mehr stellen zu wollen und der Zeuge wird entlassen. RA Heer gibt an, die Verteidigung wolle eine Erklärung nach § 257 vorbehalten. RA Reinicke möchte ebenfalls eine Erklärung abgegeben. Er sagt, der Zeuge sollte eine gewisse Aussage von Zschäpe in den Prozess einführen, nämlich dass sie geklineglt habe um zu verhindern, dass Frau E. etwas passiere. Damit dieses glaubwürdig zur Urteilsfindung dienen könne, müsse folgendes gegeben sein: Der Zeuge müsse seine Beobachtungen zutreffend wiedergegeben haben und die Angabe Zschäpes müssten zutreffend sein. An beidem seien Zweifel angebracht. Es sei weder überprüfbar gewesen, was ihm zugeschickt und wie er vorbereitet worden sei, noch was er am 09.11.2011 zu Oberstaatsanwalt Illing gesagt habe. Es sei nicht klar, ob er die Sachen, die er ja nicht aufgeschrieben hätte, tatsächlich am 08.11.2011 oder 09.11 erfahren habe. Und er habe sicher nur sehr oberflächlich mit Beate Zschäpe gesprochen, denn die Tatsache, dass sie und Frau E. nicht im selben Hausgang wohnten, sei eigentlich schon substanziell. Die zweite Frage sei, ob Frau Zschäpe Herrn Liebtrau die Wahrheit gesagt habe. Man könne die Rechtssprechung zugrunde legen, die für Zeugen vom Hörensagen gelte: Da bedarf es einer Überprüfung dessen, inwieweit ein Informant glaubwürdig sei. Wenn der Nebenklage alle Nachfragen zur Glaubwürdigkeit, zum Beispiel nach dem Zusammenhang, in dem Frau Zschäpe das erzählt hat, abgeschnitten würden, dann fehle es auch an der zweiten Voraussetzung. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie hier die Unwahrheit gesagt habe. Von daher sei im Ergebnis die Aussage völlig wertlos.
Darauf erwidert RA Stahl, es sei jedem selbst überlassen, wie man Beweiswürdigung anstelle. Die Verteidigung hätte nicht beantragt, dass der Zeuge vernommen werde, um zu erklären, mit welcher Motivation Frau Zschäpe was getan habe, sondern es sollte eine Information von seiner Mandantin weitergeben werden, dass zum Zeitpunkt vor dem Brandausbruch bei Frau E. geklingelt worden sei. Man könne nicht einfach sagen, der Gewährsperson könne nicht geglaubt werden, denn die Information sei schon zum Zeitpunkt der Haftprüfung erörtert worden und auch anderweitig objektivierbar belegt. Zum Beispiel habe auch Frau E. von einem Klingeln gesprochen, das nicht dem Handwerker zuzuordnen sei. Dieses Klingeln könne folgerichtig nur von einer Person sein, die wir noch nicht kennen. Und mit der jetzigen Information könne das nur eine Person sein: Frau Zschäpe. Der Grund, warum jemand klingle, sei völlig egal und der Nebenklageanwalt wisse damit auch, dass das dem Verfahren eine Wendung gebe, zumindest bezüglich des Vorwurfs gegenüber Frau Zschäpe, sie habe in versuchter Mordabsicht gehandelt.
Richter Götzl verweist auf die fortgeschrittene Zeit und kommt zurück zu der am Vormittag verhandelten Verlesung der Vernehmung des Zeugen Germann zurück. Zunächst gehe es um die Frage der Zuständigkeit der StA Bern, die Schweizerische STPO von 2011: Im Artikel 55 sei geregelt, dass die StA zuständig sei. Götzl stellt fest, dass die Belehrungen bei der Vernehmung in der Schweiz entsprechend der Vorschriften der deutschen STPO erfolgt seien. Dann geht Götzl auf den Beschluss ein, bei dem es um die Frage der Teilnahme von Verteidigern und Nebenklagevertretern gehe und es gehe ihm darum, ob die Möglichkeit bestand, Fragen zu stellen. RA Heer bestätigt, dass diese Möglichkeit bestand. Weitere Stellungnahmen zu einer Verlesung der Vernehmung der Zeugen Germann werden nicht abgegeben. Nach einer kurzen Pause wird der Beschluss verkündet, dass die Verlesung der Niederschrift der Vernehmung des Zeugen Germann vom 25.6.2014 angeordnet wird. Als Gründe werden genannt: Der Zeuge sei trotz Ladung nicht in der Verhandlung erschienen. Er habe schon 2013 gesundheitliche Gründe angegeben, warum er nicht vor Gericht habe erscheinen können. Daraus ergebe sich, dass er Ladungen nach München nicht nachkommen werde. Obwohl es sich um eine staatsanwaltliche Vernehmung handelte, könne sie hier verlesen werden. Sie stehe einer richterlichen Vernehmung gleich, wenn sie rechtsstaatlichen Anforderungen entspreche. Der Staatsanwalt in Bern sei für Rechtshilfeersuchen zuständig, zusätzlich wurden die Verfahrensbeteiligten in Kenntnis gesetzt. Die Teilnahme sei ihnen möglich gewesen und sie hätten Fragen stellen können. Die Verlesung könne daher angeordnet werden nach § 251 STPO. Dies werde jedoch nicht mehr heute, sondern zu einem späteren Zeitpunkt geschehen.
Am Ende geht Götzl auf die Ladung des Zeugen Carsten Szczepanski für den 04.11.2014 ein, der bisher noch nicht abgeladen worden sei. Götzl verweist auf das Schreiben des Innenministeriums Brandenburg. Er habe zusätzlich die Polizeibeamten Lei. und Ko. geladen und dann, nachdem das Gutachten eingegangen sei, Frau Dr. Eh. als Sachverständige. Götzl fragt, ob jemand Erklärungen zu dem Schreiben abgeben wolle. Die Verteidigung behält sich dies vor. BAW Diener nimmt Stellung und gibt an, die grundsätzliche Befugnis eines Nachrichtendienstes, zum Schutz einer Quelle die Aussaggenehmigung einzuschränken oder letztendlich gar zu sperren, müsse anerkannt werden. In diesem Falle seien einige Auflagen für die Aussage gemacht worden. Die Behörde geben an, sie würde einer optisch und akkustisch verfremdeten Vernehmung nicht widersprechen. Sein Erscheinen könne jedoch dazu führen, dass er erkannt werde. Und die Behörde habe seines Erachtens nach mit dieser Vernehmung das sachnähere Beweismittel angeboten, indem Hintermänner oder Führungspersonen vernommen würden. Was ihn störe, sei jedoch der Ausschluss der Öffentlichkeit. In seinen Augen reiche eine optische und akkustische Abschirmung aus. Das Prinzip der Öffentlichkeit habe einen hohen Stellenwert. Er würde insofern Gegenvorstellung erheben.
Der Vertreter der Nebenklage RA Kuhn, veliest einen Antrag der Nebenklage: Der Senat solle gegenüber dem Innenministierum Brandenburg darauf hinwirken, dass der Zeuge Carsten Szczepanski persönlich hier vernommen werden könne. Begründung: Das Innenministierum habe mitgeteilt, dass sich der Zeuge seit 2000 im Zeugenschutz befinde. Das Ministerium habe nur zugestimmt, dass er an einem geheimen Ort visuell verfremdet vernommen werde. Für den Fall, dass diese Maßnahmen nicht exakt eingehalten würden, gebe das Ministerium eine Sperrerklärung ab. Der Angeklagte Carsten Schultze sitze aber seit 150 Verhandlungstagen im Saal. Konkrete Gewalttaten seien nicht ersichtlich, Fotos von ihm kursierten nicht. Tino Brandt habe ebenfalls ohne Zeugenschutzmaßnahmen ausgesagt. Gefahren seien nicht ersichtlich. Das Thüringer Landesamt habe bisher für keinen V-Mann eine Sperrerklärung abgegeben. Auch für Holger Gerlach seien bisher keine Gefahren ersichtlich. Die Vernehmung des Zeugen Carsten Szczepanski sei erforderlich, weil nur hier die nicht verbalen Reaktionen registriert und erkannt werden könnten. Durch die Erklärung des Ministeriums werde die Bedeutung des Zeugen für das hiesige Verfahren nochmal gesteigert. Die behauptete Gefahrelage sei nicht gegeben. RA Schneiders schließt sich diesem Antrag an. Götzl verweist darauf, dass weitere Erklärungen das nächste Mal gestellt werden können und beendet die Sitzung.
Auf dem Blog NSU-Nebenklage heißt es zum Verhandlungstag:
“Jedenfalls ging der Plan der Verteidigung auch inhaltlich nicht auf: denn es wurde klar, dass die Angaben von Zschäpe in dem Gespräch ohnehin wenig ergiebig waren. (…) Gleichzeitig ist über die Aussage des Zeugen aber auch eingeführt, dass Zschäpe ihm gegenüber mindestens implizit eingestanden hat, das Feuer in der Frühlingsstraße gelegt zu haben.”
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2014/10/23/23-10-2014/