Protokoll 168. Verhandlungstag – 09. Dezember 2014

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Der 168. Verhandlungstag war geprägt von der Verlesung von Asservaten, die in der Frühlingsstraße gefunden wurden und den Ergebnissen der daktylographischen Untersuchungen (Abgleich von Fingerabdrücken) der Spurensicherung. Zuvor wurden noch zwei Polizeibeamte zur Vernehmung von und eine Richterin zur Vernehmung von Zeugen in Bern befragt.

Zeug_innen:

  • Jochen G. (KHK des LKA Baden-Württemberg, Vernehmung Jan Werner am 25.01.2012)
  • Gerd St. (PP Aalen, vernahm ebenfalls Jan Werner am 25.01.2012)
  • Dr. Judith B. (Richterin, Vernehmung und )

Im Publikum sitzen drei Neonazis. Der Prozess beginnt um 9:49 Uhr. Als Zeuge ist geladen KHK Jochen G. vom LKA Baden-Württemberg, Abteilung Organisierte Kriminalität. Nach der Verlesung der Aussagegenehmigung vom 28.11.2014, die Angaben zu vertraulichen Kontaktpersonen, innerdienstlichen Angelegenheiten und vertraulichen Arbeitsweisen der Polizei ausschließt, beginnt die Befragung. Götzl fragt nach der Vernehmung von Jan Werner am 25.01.2012. Sie seien, so Jochen G., vom BKA telefonisch informiert worden, dass sie in in einem Wohnobjekt in Besigheim, wo die Ex-Freundin von Jan Werner wohnhaft gewesen sei, eine Durchsuchung durchführen sollten. Er selbst sei beauftragt gewesen, gemeinsam mit seiner Kollegin Jan Werner in Stuttgart-Zuffenhausen am Porschewerk abzupassen. Die Beamten dort hätten mitbekommen, dass Werner bei einer Spedition in Steinheim an der Murr gearbeitet habe und dort an diesem Tage beauftragt gewesen sei, Teile zur Firma Porsche zu liefern. Er habe ihn mit seiner Kollegin dort abgefangen und zur Dienststelle gebracht. Jan Werner habe freiwillig eine DNA-Probe abgegeben. Er habe angegeben, seit drei Monaten nicht mehr bei seiner Ex-Freundin zu wohnen, sondern in einer Pension. Auf der Wache hätten sie Jan Werner mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe eine Waffe geliefert. Zur Sache habe er keine Angaben gemacht. Sie hätten ihn zu seiner Person vernommen. Danach sei er bis zum 16. Lebensjahr in Chemnitz gewesen, habe dort Schule und Lehre absolviert und bis 2011 bei mehreren Unternehmen gearbeitet. Seit März 2011 habe er in Steinheim gearbeitet, die Beziehung zu Steffi G. habe ein halbes Jahr angedauert, währenddessen habe er bei ihr gewohnt und am Wochenende sei er mit ihr in Chemnitz gewesen. Seit drei Monaten sei die Beziehung vorbei.

Sie hätten ihm gesagt, was sie bei der Durchsuchung der Wohnung der Freundin gefunden hätten: einen gültigen Reisepass von ihm und einen abgelaufenen, sowie im Keller eine Kiste mit diverser rechter Musik. Das hätten sie zur weiteren Auswertung an das BKA weitergeleitet.
Auf die Frage, wie Jan Werner seine Freundin kennengelernt habe, hätte dieser geantwortet, sie sei eher dem linken Spektrum zuzuordnen, er habe sie in Chemnitz kennengelernt. Nach der Trennung habe er diese Kiste im Keller bei ihr vergessen. Ansonsten habe er, so der Zeuge, zur Sache nichts sagen wollen. Die Frage nach seiner Gesinnung habe er beantwortet mit: “Für die einen zu links, für die anderen zu rechts”. Wenn er sich bei den Linken aufhalte, werde er als “der rechte Aussteiger” von damals bezeichnet.

Jochen G. gibt an, Jan Werner habe ihnen den Schlüssel für die Durchsuchung freiwillig zur Verfügung gestellt. In dem Zimmer sei nichts gewesen außer einer Sporttasche, darin eine SIM-Karte und ein Szeneblatt der Antifa mit der Titelgeschichte “Mundlos Böhnhardt Zschäpe”. Und schriftliche Unterlagen, die sie ans BKA weitergeleitet hätten. Nach der Vernehmung auf der Dienststelle habe er dann noch Termine beim Erkennungsdienst ausgemacht. Im Innenhof beim Rauchen habe Jan Werner ihnen noch sinngemäß erzählt, es sei ja hinlänglich durch die Presse bekannt, wer 1998 Waffen für die Szene beschafft hätte. Die Person, die ihm eine Waffe angeboten habe, sei, so Jan Werner, von der Szene als Vertrauensperson eingestuft worden. Diese Person habe auch an andere in der Szene Waffen verkauft, die zum Teil dafür bestraft worden seien. Seiner Auffassung nach seien die Waffen von führenden NPD-Mitgliedern in die rechte Szene eingeschleust worden und er sei der Überzeugung, dass diese Personen Vertrauenspersonen gewesen seien. Er, Jan Werner, sei überwacht worden und die Polizei müsste bestens wissen, was in der Zeitspanne bei ihm gelaufen sei. Beim Erkennungsdienst habe Jan Werner gegenüber dem Kollegen St. im Vieraugengespräch was zu einer Person Graupner gesagt, aber das müsste der Kollege St. selbst gefragt werden. Er, Jochen G., habe Jan Werner dann zum Auto gebracht.

Götzl will wissen, ob bei der Vernehmung auch Musik Thema gewesen sei. Im Bezug auf das Auffinden, so Jochen G., hätte er es ja im Zimmer bei ihnen gesehen. Er habe gesagt, er hätte die Musik früher gerne gehört und sie einfach nicht vernichtet. Auf die Götzls Frage, ob Hobbies auch ein Thema gewesen seien, gibt Jochen G. an, Jan Werner habe Musikhören und Laufen angegeben. Er bestätigt den Vorhalt aus der Vernehmung, wonach Jan Werner Schallplattensammeln, Lesen und Laufen als Hobbies genannt habe. Jochen G. bestätigt Vorhalte, wonach sich Jan Werner aus der rechten Szene gelöst habe, wenn er mit Punks zu tun habe, als rechter Aussteiger betrachtet werde und sich als politisch wenig interessiert und damit als weder links noch rechts beschrieb. Er habe, ergänzt Jochen G., noch erwähnt, dass er in Zusammenhang mit dem Landserverfahren in Haft gewesen sei. Er erinnert sich, dass Jan Werner gesagt habe, er habe schon vermutet, dass die Polizei irgendwann in dem Zusammenhang auftauche und bestätigt den Vorhalt der Aussage von Jan Werner, er könne mit der Vergangenheit abschließen, ohne alles aus der Vergangenheit zu vernichten. Nach Jan Werners Verhalten gefragt, beschreibt der Zeuge, er habe die ganze Sache relativ cool gesehen. Götzl fragt nach dem gegen Jan Werner gerichteten Vorwurf, er stehe im Verdacht der Beihilfe zum besonders schweren Raub, indem er den Mitgliedern des NSU eine Schusswaffe besorgt habe. Dieser Deliktsbereich stamme, so der Zeuge aus dem Durchsuchungsbeschluss. Er selber habe damit keine Erfahrung, ihnen habe nur der Durchsuchungsauftrag vorgelegen.

Als nächster Zeuge wird Gerd St. vom PP Aalen befragt, nachdem dessen Aussagegenehmigung vorgetragen wurde. Diese entspricht der des vorherigen Zeugen. Götzl fragt auch diesen Zeugen nach der Vernehmung von Jan Werner 25.01.2012. Er sei, so der Zeuge, damals noch Angehöriger des LKA gewesen, Fachdienststelle Links- und Rechtsextremismus und NS-Gewaltverbrechen. Er sei von der Soko hinzugezogen worden. Jan Werner sei damals im Auftrag des BKA vernommen worden und habe außer zu seiner Person keine Angaben gemacht. Das sei am Nachmittag gewesen und habe so eine Stunde gedauert. Nach der Vernehmung seien sie in den Innenhof zur Zigarettenpause gegangen und da habe Jan Werner Spontanäußerungen gemacht, die sie niedergeschrieben hätten. Es sei um Waffenbeschaffung gegangen. Gerd St. habe den Eindruck gehabt, dass Jan Werner aus der Presse zitiert hätte, dass NPD-Funktionäre Waffen beschafft und auch ihm 1998 angeboten hätten. Ihm, so Jan Werner damals, könne man aber nichts vorwerfen, denn er hätte 1998-2002 unter ständiger Beobachtung durch die Polizei gestanden.

Wieder oben habe Jan Werner zwei, drei Sätze zu einem Herrn Graupner gesagt. Da dürfte es sich um gehandelt haben, denn er bezeichnete ihn als Bandmitglied von “”. Dass er den persönlich kenne, dass der auch in dem Bereich wohne, wie er jetzt und dass er seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm hätte. Aber dass Graupner noch die gleiche Handynummer habe. Er, so Gerd St., habe daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass Jan Werner vielleicht doch noch Kontakt zu ihm habe, aber das ordnet der Zeuge als reine Bewertung seinerseits ein.

Auf die Frage nach dem Verhalten von Jan Werner während der Vernehmung, beschreibt der Zeuge diesen als aufgeklärt, ruhig, wie wenn er sich auf diese Vernehmung schon vorbereitet hätte und schon gewusst habe, was auf ihn zukomme. Er habe Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt halten wollen und habe nichts ausgesagt, außer diesen Spontanäußerungen.

Im Anschluss an die Befragung wird eine Verlesung von daktyloskopischen Gutachten und Ermittlungsvermerken zu den Asservaten vorgenommen. Götzl weist explizit darauf hin, es gehe nur um die Verlesung nicht um die Bewertung. Das Asservatenverzeichnis dazu im Selbstleseverfahren, daraus Asservate: Schriftverkehr, Grundrisse, Mietvertrag, Zeitungsausschnitte, Schriftstücke, Zahlscheine und Katzenpässe. Götzl unterbricht die Sitzung um 10:24 bis 11:15 Uhr.
Die Verhandlung geht weiter um 11:36. Götzl weist auf einen Fehler bei der Gesamtübersicht der Fundstellen hin. Zum Lesen und zur Mittagspause unterbricht Götzl die Sitzung bis 13 Uhr.

Nach der Mittagspause wird als Zeugin Dr. Judith B. befragt. Ihre Aussagegenehmigung des GBA bezüglich der Vernehmungssituation am 24./25.06.2014 schließt Angaben aus, die dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten sowie innerdienstliche Angelegenheiten der BAW beim BGH, Einsatz- und personelle Fragen, Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen beinhalten. Die Zeugin erklärt, sie habe sich die Vernehmungssituation anhand der Protokolle nochmal in Erinnerung gerufen. Das habe im Saal in Thun im Rathaus stattgefunden. Es seien neben ihr um die zehn Nebenklagevertreter anwesend gewesen, Jochen Weingarten und der Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Bern, die RA Heer und Sturm sowie die Verteidiger von Carsten Schultze und Ralf Wohlleben. Es habe einen Fragenkatalog gegeben, der abgearbeitet worden sei. Anschließend seien Fragen erlaubt gewesen. Die Vernehmung habe mit Pausen von 9.00 bis 12.00 Uhr gedauert. Müller habe die Fragen beantwortet, habe sich gesundheitlich bereit gefühlt und sei auch von einem Anwalt vertreten worden. Die Fragen hätten sich um die Ceska-Mordwaffe und um Waffengeschäfte in der Schweiz gehandelt. Sie könne, so die Zeugin, noch sagen, dass er natürlich Sachen, die ihn belastet hätten, eher ungern beantwortet habe. Das sei nicht ganz so sprudelnd gekommen, einsilbig. Zum Beispiel, warum er Schalldämpfer aufgebaut habe auf Waffen. Da sei der Satz gekommen, dass er halt Waffennarr sei und habe feuern wollen, ohne dass die Polizei gleich aufmerksam würde.

Die Vernehmung von Germann habe dann am nächsten Tag auch ab 9.00 Uhr begonnen, aber habe erst so gegen halb zwei geendet. Da sei ebenfalls ein Fragenkatalog abgearbeitet worden mit anschließenden Fragen. Einige Fragen seien wenig flüssig, das heißt entsprechend ungern, beantwortet worden. Der Zeuge habe bei der Vernehmung angegeben, er könnte den Fragen folgen, auch wenn er gesundheitlich angeschlagen gewesen sei. Götzl hakt ein und will wissen, ob für Judith B. etwas erkennbar gewesen sei. Er habe, so die Zeugin, mal schwer geatmet, aber sonst nichts, von dem sie gedacht hätte, dass er der Befragung nicht habe folgen können. Auch sonst habe es keine Auffälligkeiten gegeben. Die Zschäpe-Verteidiger RA Stahl, Heer und Sturm müssen eventuelle Fragen an die Zeugin erst besprechen. Auch von den anderen Prozessbeteiligten gibt es keine Fragen mehr, so dass die Zeugin um 13.13 Uhr entlassen wird.

Götzl fragt, ob von irgendeiner Seite zu den Verlesungen Stellung genommen werden soll, was verneint wird. Es wird mit den Verlesungen begonnen. RA Stahl will vorher noch wissen, ob vorgesehen sei, die Asservate im Original in Augenschein zu nehmen, der Verteidigung komme es auf die Zeitungsteile an. Götzl stellt das zurück, den es komme auf die einzelnen Asservate an. Richter Lang verliest eine Reihe von Dokumenten, die Schriftverkehr, Mietverträge, Strom- und Abwasserabrechnungen bezogen auf die Wohnung in der Wolgograder Allee in Chemnitz. Die Asservate wurden in der Tüte Mietverträge gefunden und gehen bis ins Jahr 2000. Die Verlesung der datkylographischen Untersuchungen der Spurensicherung belegen Fingerabdrücke von André Eminger, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe auf diesen Unterlagen. Dann geht es um den Mietvertrag Polenzstr 2. Mieter, . Als Ergebnisse der Spurensicherung werden gefundene Fingerabdrücke von Uwe Mundlos und Beate Zschäpe verlesen. Weiter geht es mit dem Asservatenverzeichnis diverser Zeitungsteile, Artikel und handschriftliche Notizen. Auf ihnen wurden zum Teil daktyloskopische Spuren von Beate Zschäpe gefunden. Götzl unterbricht die Sitzung 20 Minuten bis 14:50

Die Sitzung wird um 14:54 Uhr fortgesetzt. Zschäpe-Verteidiger RA Stahl möchte die Zeitungsausschnitte, auf denen die daktylographischen Spuren seiner Mandantin gefunden worden seien, gerne im Original sehen. Götzl verweist auf drei Fotos, die vorliegen. Es folgt die Inaugenscheinnahme dieser Fotos. RA Stahl führt an, die Verteidigung wolle wissen, wo genau die Spuren gefunden worden seien, weil Rückschlüsse darauf gezogen werden könnten, wie die Zeitung angefasst worden oder ob geblättert worden sei. Götzl setzt die Verlesung fort. DinA4 Blatt mit handschriftlichen Aufzeichnung über Familie Fi. Auf diesen Notizen wurden die Fingerabdrücke von Uwe Böhnhardt gefunden. Es folgt die Verlesung des Tatortspurenverzeichnisses. Verlesen wird zu verschiedenen Retouraufträge, Zahlscheine der Sparkasse Zwickau über die Miete in der Frühlingsstraße auf den Namen Lisa Dienelt. Auf diesen Asservaten wurden Fingerabdrücke von Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gefunden.

Dann zunächst informatorisch aus dem Asservatenverzeichnis, dort Spuren Katzenimpfpass aus der Papiertüte Schränkchen WZ. Darauf wurden daktylographische Spuren von Beate Zschäpe gefunden. Dann diverser Schriftverkehr Deutsche Bank mit Matthias Dienelt 2010-2011 aus Tüte Kontoauszüge, dort wurden Spuren von Uwe Mundlos identifiziert. Verlesung zu einen transparenten Beutel mit Gummiband verschlossen, ein Briefkuvert lang mit Sichtfenster, zwei 200-Euroscheine. Auf dem Briefkuvert wurden Spuren von Beate Zschäpe und Uwe Böhnhart gefunden. Zuletzt geht es um das Bekennervideo, das der Lippischen Landeszeitung Detmold anonym zugeschickt worden war. Als Asservate liegen eine verpackte DVD “Frühling Nationalsozialistischer Untergrund DVD 1”, die an die Adresse postalisch versandt wurde, vor. Ein C5-Briefumschlag, Adresse maschinell aufgebracht. Oben rechts eine Briefmarke 145 Cent, Motiv lila Schwertlilie.
Poststempel: Aufgabe 06.11.2011 im Briefzentrum 04. Die Bekenner-DVD des NSU sei der Lippischen Landeszeitung anonym auf dem Postweg zugesandt und nach Auswertung durch Redakteur an PP Bielefeld weitergeleitet worden. Die Asservate wurden beim LKA NRW zur Spurentechnischen Untersuchung übersandt. Die daktylographische Analyse zeigte Spuren von Beate Zschäpe. Nachdem dazu niemand Erklärungen abgeben will, beendet Götzl die Sitzung um 15:59 Uhr.

Auf dem Blog der NSU-Nebenklage heißt es zu den Informationen der Spurensicherung:
“So waren u.a. Dokumente vom Angeklagten Eminger gefunden worden, die seine Fingerabdrücke und Abdrücke der „Drei“ trugen. Auf einer Sammlung diverser Zeitungsartikel zu den Mordtaten des NSU wurden die Fingerabdrücke Zschäpes gefunden – ein weiterer Beleg dafür, dass diese nicht die „Hausfrau im Untergrund“ war, als die sie ihre Verteidigung darstellen will, sondern dass sie aktiv in die Taten des NSU eingebunden war.”
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2014/12/09/09-12-2014/

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