Am heutigen Prozesstag wird ein Geschädigter des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße gehört, der damals dort ein Geschäft betrieben hat. Zum Zeitpunkt der Detonation befand er sich auf der Straße. Seine Kinder im Laden wurden nur durch einen parkenden Minibus vor Nageleinschlägen bewahrt. Im Anschluss werden zwei Angestellte der Sparkasse Stralsund zu den Überfällen am 07.11.2006 und 18.01.2007 befragt.
Zeug_innen:
- [AK] (Geschädigter des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße)
- Doris M. (Angestellte der Sparkasse Stralsund, Zeugin der Banküberfälle)
- Marlies B. (Angestellte der Sparkasse Stralsund, Zeugin der Banküberfälle)
[Hinweis: Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verzichten wir auf die namentliche Nennung der Betroffenen des Anschlags in der Kölner Keupstraße. Die Angaben der Zeug_innen zu ihren körperlichen Verletzungen, psychischen Folgen und Behandlungen geben wir hier in einem zusammenfassenden Text wieder.]
Der Prozess beginnt um 9:55 Uhr. Der erste Zeuge [AK] ist mittlerweile Rentner, vorher hatte er ein Geschäft in der Keupstraße in Köln. Götzl bittet ihn, seine Erinnerungen an die Geschehnisse am 09. Juni 2004 zu erzählen. Der Zeuge erzählt, an dem Tag sei sein Sohn zu ihm gekommen, um ihm zu helfen. Um frische Luft zu schnappen, sei er hinaus gegangen. Er sei nicht ganz 40 Meter gelaufen. Unter einem Baum, vor dem Restaurant Toitoi, direkt an der Ampel, gab es einen Fußgängerüberweg, am Eingang zur Schanzenstraße. Während sie unter dem Baum miteinander gesprochen hätten, habe es auf einmal einen Knall gegeben. Er wisse nicht mehr, wohin er geschleudert worden sei. Als er aufgestanden sei, habe er sich ein wenig kontrolliert und sei schnell in den Laden gerannt, denn sein Sohn und seine Tochter hätten sich im Laden befunden. Als er den Laden betreten habe, habe er seine Kinder unter Schock stehend gesehen. Seine Tochter sei ganz durcheinander gewesen, weil sie gegen eine Wand geschleudert worden sei. Er habe dann auf die gegenüberliegende Seite geschaut, dort hätten Menschen, junge Menschen, auf der Straße gelegen, die hätten geblutet. Er sei dorthin gegangen. Dort habe ein Junge auf dem Boden gelegen.
Die Ambulanz sei gekommen und habe Erste Hilfe geleistet. Sie hätten auch den Jungen mitgenommen, er sei schlimmer verletzt gewesen als die anderen Kinder, die auch dort waren. Er sei dann zurück in den Laden. Während er dort saß, habe er einen Ton im Ohr verspürt, habe das aber nicht so ernst genommen. Im Laden sei alles zerstört gewesen, heruntergefallen, Telefonleitungen abgebrochen, Computer kaputt gegangen. Weil die Kundschaft nicht mehr gekommen sei hätte er großen Schaden erlitten. Er habe 2011 den Laden schließen müssen. Er sei dann Rentner geworden. Götzl fragt noch einmal nach den Verletzungen und ob der Zeuge zum Arzt gegangen sei. Er habe, so [AK] den Ton in den Ohren gehabt und Schwierigkeiten mit dem Hören bekommen. Er sei beim Arzt gewesen, antwortet der Zeuge auf Götzls Frage. Götzl will wissen, ob er den Frisörsalon kennt. Der Zeuge bestätigt das. Der Laden sei bei ihm gegenüber, er sei dort Kunde gewesen. Götzl will wissen, was neben seinem Laden war. Das sei, so der Zeuge, zu dem Zeitpunkt des Anschlags auf der linken Seite ein Telefonladen gewesen. Zwischen diesem und seinem Geschäft habe der Eingang in das Gebäude gelegen. Dann will Götzl noch einmal die genaue Position wissen, an der sich der Zeuge zum Zeitunkt der Detonation befand. Der Zeuge wiederholt die Beschreibung und wird dann gebeten, eine Skizze anzufertigen.
Götzl fragt nach den Verletzungen des Sohnes und der Tochter des Zeugen. Sie hätten, so [AK], unter Schock gestanden. Links neben dem Eingang in den Laden seien Fensterscheiben gewesen, dort habe sein Sohn gesessen. Vor dem Fenster auf der Straße habe ein Minibus gestanden, in den 52 Nägel eingeschlagen seien. Hätte dieser Minibus nicht da gestanden, hätten alle Nägel seinen Sohn getroffen. Götzl fragt nach Folgen aus dem Anschlag für den Zeugen selbst, die über das bereits Geschilderte hinaus gehen. Trauer, antwortet [AK], der Mann gegenüber, das sei ihr Freund gewesen und der war schwer verletzt. Die Fragen nach psychischen Folgen oder nach dem Besuch einer psychotherapeutischen Behandlung verneint der Zeuge.Der Zeuge wird entlassen. Götzl stellt als problematisch fest, dass etliche Zeugen weggefallen sind und auch der Bombenexperte Dr. Mölle sei erkrankt. Götzl einigt sich mit Dr. Peschel, dass dieser die vom Zeugen angefertigten Skizzen für das Gutachten hernehmen könne. Gleichwohl weist Götzl darauf hin, dass die vom Zeugen beschriebene Position vom Schriftsatz abweicht. Götzl sagt dann, Dr. Peschel sei bei der Vernehmung von [AJ] (192. Verhandlungstag) nicht zugegen gewesen, deswegen informiert er ihn, was dieser ausgesagt hat. Es folgt eine Pause bis 11:00 Uhr.
Es folgt die Befragung der Zeugin Doris M., Bankangestellte der Sparkasse in Stralsund. Götzl bittet die Zeugin zu berichten, was sich bei den Überfällen am 07.11.2006 und 18.01.2007 zugetragen hat. Sie solle mit dem Vorfall am 07.11.2006 beginnen. Das sei, so Doris M., ein Dienstag Abend kurz vor 18 Uhr gewesen. Sie sei in ihrer Beraterkabine gewesen und habe telefoniert. Im Hintergrund sei es laut geworden und auf einmal habe jemand maskiert in ihrer Beraterkabine gestanden und ‚Hände auf den Tisch‘ geschrien. Dann habe er die Kabine verlassen, es sei sehr laut gewesen, Gepolter und etwas, das sie wie einen Knall oder Schuss empfunden habe. Sie habe dort gesessen wie eine Salzsäule, die Hände auf dem Tisch. Und mit einem Mal sei alles vorbei gewesen. An diese Einzelheiten könne sie sich noch erinnern. Götzl fragt nach näheren Beschreibungen der Personen, aber die Zeugin sagt, heute könne sie diese nicht mehr abgeben. Sie verweist auf die damaligen Aussagen.
Auf die Frage, wie viele Personen sie wahrgenommen habe, erwidert sie, das sei die eine Person in der Kabine gewesen. Was sich in der Kassenhalle abgespielt habe, da habe sie keinen Einblick. Einzelheiten zur Stimme oder Sprache, die Götzl wissen will, könne sie jetzt, nach neun Jahren, nicht mehr angeben. Zur Maskierung gibt M. an, der Täter habe eine schwarze Sturmmaske getragen, es sei vielleicht ein kleiner Augenschlitz zu sehen gewesen. Aber der Täter habe nicht vor ihr gestanden, sie habe am Schreibtisch gesessen und er habe an der Tür gestanden. Auch zur Bewaffnung könne sie nichts sagen. Götzl will wissen, was sie gerade getan habe, als der Täter herein kam. Sie habe, so M., mit einer Kundin telefoniert und sofort aufgelegt, als er schrie, sie solle die Hände auf den Tisch legen. Dieses “Hände auf den Tisch und “Hast Du Schlüssel”, das sei alles eins gewesen. Sie habe das verneint, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Schlüselträgerin gewesen sei. Auf die Frage, wie viele Personen zu diesem Zeitpunkt in der Bank gewesen seien, bezieht sie sich nur auf etwa fünf Kolleginnen, über Kunden könne sie nichts sagen.
Götzl hält die Aussagen der Vernehmung vom 09.11.2006 vor und will zunächst wissen, wo sich die Beraterkabine genau befindet. Diese sei, so die Zeugin, wenn man in die Geschäftsstelle komme, gleich vorne rechts. Sie habe keine Schüsse beobachtet, aber einen Knall gehört. Auf die Frage, wie viele Knallgeräusche sie wahrgenommen habe, antwortet die Zeugin, sie könne sich an eines genau erinnern. Götzl hält ihr ihre damalige Aussage vor, wonach es zwei Mal geknallt haben soll. Wenn sie das damals so gesagt habe, so Doris M. Zu ihren damaligen Aussagen, wonach ein Täter in dunkler Jacke in den Kassenraum lief und darauf der Täter mit der roten Jacke wieder zu ihr gekommen sei und sie fragte “Hast Du Schlüssel”, hat sie heute keine Erinnerungen mehr. Es habe ja auch noch den anderen Überfall gegeben. Auch die Aussage Der Mann hielt die ganze Zeit einen dunklen Gegenstand, es könnte eine Pistole gewesen sein, vor seinen Bauch. Ich sah aber die ganze Zeit nur auf seine Maske, kann sie nicht mehr bestätigen, denn sie habe auch vieles verdrängt. Zur Aussage, beschreiben kann ich nur den Täter mit der roten Jacke, über den Kopf hatte er eine dunkle Maske, gestrickt und ziemlich dick, sie hatte zwei Augenschlitze, sagt die Zeugin heute, das wird wohl so gewesen sein, sie wisse es nicht mehr genau. An die Sachverhalte ihrer damalige Aussage, er trug einen Rucksack und Handschuhe und Gutes Deutsch, aber mit Akzent, aber auch nur ganz leicht, kann sie sich heute auch nicht mehr erinnern. Götzl fragt nach den Folgen des Überfalls. Die Angst lebe, so die Zeugin, nach wie vor mit und es sei nicht einfach, das zu verarbeiten. Körperlich sei sie nicht verletzt worden, aber psychisch. Und jetzt lebe alles wieder auf.
Götzl kommt auf den Überfall vom 18.01.2007 zu sprechen. Der 18.01.2007, beginnt M., war ein Donnerstag. Es sei sehr schlechtes Wetter gewesen mit Sturm und Regen, diverse Kunden hätten ihre Termine abgesagt. Sie habe eine Kundin angerufen, dass sie früher zum Termin kommen solle. Sie sei, so die Zeugin, gegen 17:00 Uhr fertig gewesen und habe die Kundin hinausbegleitet. Sie hätten in der SB-Zone gestanden und auf einmal habe eine maskierte Person vor ihr gestanden. Sie könne sich an einen dunkelblauen Anorak erinnern und die Kapuze. In dem Moment habe er die Kapuze runtergenommen und dort sei wieder einen schwarze Sturmmaske gewesen. Und sie habe gedacht: Nein, nicht schon wieder. Er habe geschrien: ‚Rein und hinlegen‘. Sie habe zu ihrer Freundin gesagt, sie solle machen, was sie sagen. Sie hätten beide im Eingangsbereich gelegen. Es sei sehr laut um sie herum geworden. Sie sei von zwei Tätern ausgegangen. Der eine habe immer vor dem Tresen getänzelt. Dann sei das Prozedere wieder losgegangen mit Tresordrehen und eine Tüte von einem Einkaufsdicounter. Einer habe Turnschuhe mit einem gelben oder farblich sehr markantem wie orange, gelb oder neongrünem Streifen getragen. Es sei sehr laut geworden und sehr schnell gegangen. Blumentöpfe und Prospektständer seien umgekippt.
Götzl will wissen, wer von seiten des Personals anwesend gewesen sei. M. nennt Frau E., Frau C., Frau Tr. und sich. Es sei auch noch eine Auszubildende dabei gewesen. Als Kunde müsse noch ein Herr Di. anwesend gewesen sein. Von weiteren Personen wisse sie nichts. Bei den Tätern gehe sie von zweien aus. Götzl will wissen, ob sie die beiden Personen unterscheiden könne. Der zweite habe sich hinten am Tresen bedient. Götzl fragt nach den Folgen für die Zeugin nach dem zweiten Überfall. Nach dem ersten Überfall, so M., habe sie ganz normal weiter gearbeitet, wenn man das so nennen könne. Nach dem zweiten habe sie erst wieder gearbeitet, sei dann aber vier Wochen krank geschrieben gewesen. Sie habe nie psychologische Betreuung in Anspruch genommen. Aber es sei ein Einschnitt im Leben gewesen. Seitdem sie die Ladung bekommen habe, sei alles wieder hoch gekommen. Auch ihre Kolleginnen litten unter den Erlebnissen. Sie können nur froh sein, dass sie nicht körperlich angefasst worden seien. In dem Moment, als sie auf dem Boden gelegen habe, habe sie schon Angst davor bekommen, was die mit ihr machen würden. Körperlich habe sie keine Schäden davon getragen, aber wenn es dunkel werde oder jemand mit Pudelmütze komme, komme die Angst wieder hoch.
Götzl zieht ein Protokoll vom 26.01.2007 zum Überfall 18.01.2007 bei und fragt, ob sich die Zeugin daran erinnern könne. Sie bestätigt das, wisse aber nicht mehr, was sie im Einzelnen gesagt habe. Götzl fragt, ob sie sich noch erinnern könne, aus welcher Richtung die Person gekommen sei. Sie hätten, so die Zeugin, in der Halle gestanden und er sei aus Richtung Fleischerei, also von rechts gekommen. Zur Bekleidung gibt sie an: blauer Anorak und diese Turnschuhe. An die Hose könne sie sich nicht erinnern. Bezogen auf die Waffe gibt die Zeugin an, er habe ihr was vor den Bauch gehalten, ob das eine Waffe gewesen sei, wisse sie nicht. An die Stimme könne sie sich auch nicht mehr erinnern. Götzl hält die Aussage vor: Die Stimme war sehr laut, bestimmend und aufgeregt, mit einem sächsischen Dialekt. Aber kein reines sächsisch, mehr so in Richtung sächsisch-anhaltinisch. Das werde dann wohl so gewesen sein. Zur zweiten Stimme habe sie ausgesagt: Hörte dann noch eine zweite Stimme aus dem Kassenbereich, diese Person sagte “große Scheine”. Daran habe sie absolut keine Erinnerung mehr, gibt die Zeugin an. Auf die Frage, wie lange sie auf dem Boden gelegen habe, schätzt M., etwa zwei oder drei Minuten. Nebenklagevertreter RA Langer hakt bezüglich der Tüte nach, die der Täter beim zweiten Überfall dabei gehabt habe. Die Zeugin gibt an, es habe sich um eine Tüte des Discounters Famila gehandelt. Die Zeugin gibt an, einen solchen Discounter gebe es im Gewerbegebiet in Stralsund. Götzl unterbricht die Sitzung für die Mittagspause bis 13:45 Uhr.
Es geht weiter mit der Befragung der Zeugin Marlies B., ebenfalls Mitarbeiterin der Sparkasse Stralsund. Götzl bittet auch sie, ihre Erinnerungen an die beiden Überfälle zu schildern und mit dem am 07.11.2006 zu beginnen. Sie habe, so die Zeugin, gerade ihre Beratung beendet und ihre Kunde sei aus dem Beraterzimmer gegangen. Da sei ein Schuss gefallen und der ältere Herr, der bei ihr am Beraterzimmer stand und sich am SB-Terminal zu schaffen gemacht habe, sei zu Boden gegangen. Sie habe angenommen, er sei an- oder erschossen worden. Sie habe sich nicht getraut rauszugehen, habe das Licht ausgemacht und sei unter den Schreibtisch gekrochen. Sie habe den Alarmknopf suchen wollen, habe aber die Maus angefasst und der Bildschirmschoner sei angegangen. Da habe sie Panik bekomme, weil sie den Mann in der roten Jacke mit zwei Pistolen gesehen habe, die eine Pistole habe er direkt auf ihr Zimmer gerichtet. Sie sei an die Anrichte in der äußersten Ecke gekrabbelt und dort sitzen geblieben. Götzl will wissen, was die bewaffnete Person gemacht habe. Er habe, so die Zeugin, die Kolleg_innen bedroht. Sie hätten sich hinlegen müssen. Der andere sei in der Kasse mit der Kollegin gewesen. Sie habe dort nur den blau gekleideten Menschen mit der Maske gesehen, erwidert die Zeugin auf Nachfrage. Mehr habe sie zu dem Zeitpunkt nicht sehen können.
An weitere Kunden kann sie sich nicht mehr erinnern, verweist aber auf das Protokoll ihrer Vernehmung, das sie heute auch noch unterschreiben würde. Götzl will wissen, ob die Täter etwas gesagt hätten. Sie hätten, so die Zeugin “alles hinlegen, Überfall” gesagt, sie wisse nicht mehr, welcher das gesagt hätte und ihr sei auch an der Stimme nichts aufgefallen. Auf die Frage, was erbeutet wurde, gibt die Zeugin an, etwa 80.000 Euro seien beim ersten Mal mitgenommen worden. Das wisse sie von anderen. Götzl bittet die Zeugin, eine genauere Beschreibung der beiden Personen abzugeben. Der rot Gekleidete sei, so die Zeugin, etwas kleiner gewesen als der Andere. Er habe einen Rucksack auf dem Rücken gehabt. Und sie hätten Masken getragen, man habe nur die Augen gesehen.
Götzl hält der Zeugin ihre Aussagen bei der Vernehmung vom 09.11.2006 vor: Ich schaute durch die Schlitze der Glastür und sah wie ein maskierter Mann in roter Jacke vor dem Tresen stand. Dieser Mann hatte eine Waffe in der Hand. Marlies B. bestätigt das. Sie hätten Schränke praktisch als Raumteiler gehabt und einen Schreibtisch als Tresen dahinter. Und dahinter hätten die Kollegen gelegen und seien von dem Täter mit einer Waffe bedroht worden. Und er habe direkt zu ihr reingeschaut mit der Waffe. Götzl setzt den Vorhalt fort, die Zeugin bestätigt die Aussagen zur Stimme: Die Stimme war nicht aggressiv, sondern ganz weich, aber laut. Es handelte sich um eine junge Stimme, ich konnte keinerlei Akzent vernehmen, er sprach reines Deutsch. Als ich so schaute, nahm ich zum ersten mal den zweiten Täter wahr. Ich hab ihn als etwas Dunkles am Tresen vorbeihuschen sehen. Die Stimme von diesem Täter war aggressiv, rauhbeinig. Ein Akzent ist mir nicht aufgefallen. Vorhalt: Können Sie eine Personenbeschreibung der Täter abgeben? – Einer mit roter Jacke, 180-190cm, ca. 25-30 Jahre, ich kann dies nur aufgrund der Stimme beurteilen. Schlanke Gestalt, sehr auffällige große Augen. Zum zweiten Täter: Auch 180-190cm, er war auch sehr schlank, zum Alter kann ich gar nichts sagen. Die Zeugin bestätigt dies ebenfalls. Götzl fragt Marlies B., wie es ihr nach diesem Überfall gegangen sei. Nicht gut, antwortet diese. Sie habe noch 14 Tage gearbeitet. Der Tag danach sei ja zu gewesen und sie seien auch psychologisch betreut worden. Dann habe sie ihre Tätigkeit fortgesetzt. Dann hätten die Füße auf einmal weh getan und irgendwie sei ihr Körper angekratzt gewesen.
Götzl kommt dann zum zweiten Überfall. Da habe sie, erinnert sich die Zeugin, kurz vor Feierabend gerade an der Kasse gesessen. Es habe draußen gestürmt und in dem Moment seien keine Kund_innen da gewesen. Sie habe gerade den Kopf nach unten und mit dem Geld zu tun gehabt, als auf einmal kamen zwei reinkamen und sie habe einen Schuss gehört und dieses komische Geräusch, das sie schon beim ersten Mal wahrgenommen habe und einen eigenartigen Gerucht. Sie habe ihren Kopf gehoben und schon eine Person vor sich stehen sehen. Wieder dieser Lange mit dem Anorak und der Maske. Er habe die Pistole direkt vor ihr Gesicht gehalten und gesagt: “Weg da, weg da”. Da habe sie schon den Knopf gedrückt gehabt. Sie habe aufstehen müssen. Der andere sei durch gerannt, die anderen Kollegen hätten sich hinlegen müssen. Er habe auch wieder einen roten Anorak angehabt. Dann sei der Lange mit der dunkelblauen Allwetterjacke gekommen. Der habe wohl eine Kapuze aufgehabt über dieser Haube.
Er sei zu Frau Tr. gegangen und habe sie mit der Waffe bedroht. Sie habe in den Kassenbereich mit rein gemusst und sie beide hätten die Tür hinten vom Tresorraum öffnen müssen. Zuerst sei er an sie, B. , rangetreten, sie habe zur Seite gehen müssen. Er habe mit der Hand alles Geld reingetan in seine Tüte. Die 5-Euro-Scheine habe er gar nicht angefasst. Er habe nur bis zu den 10-Euro-Scheinen alles leer geräumt. Und dann hätten sie die Tür zum Tresorraum aufmachen müssen. [Die Zeugin weint bei dieser Beschreibung sehr, sie kann erst gar nicht weiter sprechen]. Dann habe Frau Tr. den PIN-Code eingeben müssen. Sie selbst habe den Schlüssel nicht schnell genug reinbekommen und da habe er gesagt: “Keene Verarsche, ich knall dich ab”. Das müsse ein Magdeburger Dialekt oder Halle oder so gewesen sein. Die Augen, die sie da angeguckt hätten, die hätten sich nicht bewegt, als sei etwas drüber gewesen. Nur weißes und ein kleines Schwarzes.
Als der Tresor auf gewesen sei habe er gesagt, sie solle das ganze Geld reintun. Aber das sei ihm wahrscheinlich zu langsam gewesen und der habe sie dann zur Seite geschubst und das ganze Geld selber da reingehievt in diese Plastiktüte. Als die reingekommen seien und sie bedroht hätten, hätte der Täter selbst gezittert. Sie wisse, so B., dass er ganz lange Beine gehabt habe, die Hose sei ganz sauber gewesen, obwohl es draußen dreckig war und gestürmt und geregnet habe. Als alles vorbei war, sei sie erstmal zusammen gesackt. Sie habe auf dem Heizkörper in der Kasse gesessen, da seien auch noch mehr zugegen gewesen, Kunden, sogar ein junges Mädchen. Sie habe überhaupt nichts anderes wahrgenommen, auch nicht, was der zweite in der Situation gemacht habe, antwortet B. auf die Rückfrage von Götzl. Sie habe den zweiten nur wahrgenommen, als die beiden reingekommen seien. Der eine mit dem roten Anorak sei eben gleich durchgelaufen. Welcher geschossen hat, wisse sie nicht. Zuletzt habe sie die zweite Person wahrgenommen, als die beiden rausgelaufen seien. Das Geld sei in einer Plastiktüte mit großer Schrift gewesen. Und die beiden hätten schwarze Handschuhe getragen.
Welche Folgen dieser Überfall auf die Zeugin hatte, will Götzl nun wissen. Sie sei, antwortet sie, seitdem berentet, weil sie das einfach nicht vergessen könne. Nachts habe sie Angstzustände. In der ersten Zeit habe sie noch nicht mal in die Stadt gehen können, weil sie immer nur auf große Menschen geachtet habe, die Augen. Sie nehme seitdem Psychopharmaka und habe nicht mehr arbeiten können.
Götzl hält ihr auch für diesen Überfall die Aussagen ihrer Vernehmung vom 18.01.2007 vor, die sie bestätigt: Bevor ich die Hände hochnahm, hatte ich den Auslöser für die Kamera gedrückt, den Alarmknopf zu drücken gelang mir nicht mehr. Zeitgleich hörte ich den Schuss, den wohl ein anderer abgegeben hat, denn der auf mich zukommende Täter hatte nicht geschossen. Der fragte nach dem großen Geld. ‚Ist das alles, wo ist das große Geld?‘ Außerdem fragte er nach dem Schlüssel für den Tresor. Er bediente sich an der Kasse und steckte das Geld in die Plastiktüte mit Famila-Aufdruck, währenddessen war Frau Tr. bereits im hinteren Raum und damit beschäftigt die Kombination einzugeben. Götzl will wissen, ob Frau Tr. von sich aus nach hinten gegangen war oder dazu aufgefordert worden sei. Sie könne nur wiederholen, so die Zeugin, was sie damals zu Protokoll gegeben habe. Götzl setzt den Vorhalt der Aussage fort: Frau Tr. bekam den Tresor nicht gleich auf, war sehr nervös, ich schloss ihn dann auf und schob ihn auch auf.
Götzl fragt nach, ob auch andere Behältnisse geöffnet werden mussten. Innen habe auch geöffnet werden müssen, so die Zeugin, das habe sie gemacht. Auf die Frage, was der Täter währenddessen mit der Waffe gemacht habe, antwortet Marlies B., er habe unmittelbar neben ihr mit der Waffe gestanden und sie bedroht. Und als ihm das nicht schnell gegangen sei, habe er sie zur Seite geschoben, sie trotz alledem mit der Waffe bedroht und das Geld selber in die Tüte getan. Vorhalt der Aussage des Täters: Gnade Dir Gott, da ist rot und dann schieß ich Dich tot. Götzl will wissen, sie wie dieses “Rot” verstanden habe. Farbbombe, antwortet die Zeugin. Zur Waffe, die der rot gekleidete Täter trug: Ungefähr 30 cm, besonders auffällig war der lange Lauf, silberfarben und sah irgendwie aus wie eine Spielzeugwaffe. Götzl kommt auf den Geruch zu sprechen, den die Zeugin erwähnt hatte und bittet sie, diesen näher zu beschreiben. Das habe nach Zündblättchen gerochen, wie Feuerwerk oder Knaller. Götzl kommt auf ein weiteres Protokoll vom 26.01.2007 zu sprechen, wo es noch einmal um Frau Tr. ging. Götzl fragt, ob die Zeugin sich daran noch erinnern könne. Als diese schweigt, hält er ihre Aussage vor: Zum Überfall vom 07.11.2006 ist mir eingefallen, dass einer der Täter gefragt hat: ‚wer hat die Kombi?‘ Dies haben sie beim letzten Überfall nicht gefragt. Diesmal gingen sie zielstrebig auf Frau Tr. zu. Sie hatte beim Überfall am 07.11.2006 auch die Kombination gehabt und beim Überfall am 18.01.07 hatte Frau Tr. zufälligerweise auch die gleiche Jacke angehabt. Marlies B. bestätigt diese Aussagen.
Nebenklagevertreter RA Langer will wissen, ob der Zeugin auch für den ersten Überfall eine Plastiktüte in Erinnerung ist. Das könne sie, so die Zeugin, nach so langer Zeit jetzt nicht mehr genau sagen. Die Vertreterin der Nebenklage, RAin Kaniuka will noch wissen, wie hoch die Tatausbeute beim zweiten Mal gewesen sei. Rund 170.000 Euro, gibt die Zeugin an, könne auch ein bisschen mehr gewesen sein. Götzl will noch klären, ob sie das festgestellt habe. Sie habe das von Kollegen und aus der Presse, gibt B. an. Um 14:41 Uhr beendet Götzl die Beweisaufnahme und schließt die Sitzung.
Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:
„Interessant war, dass die Täter beim zweiten Überfall zielstrebig gleich auf die Kollegin zugingen, die ihnen beim ersten den Tresor geöffnet hatte. Einer der Täter kündigte an, wenn in dem Geld eine Farbbombe sei, würde er sie erschießen. Auch ihre Täterbeschreibung – ca. 25-30 Jahre alt, ca. 180-190 cm groß, sehr schlank, südostdeutscher Dialekt (von ihr in Richtung Magdeburg/Halle verortet) – passt mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt überein. Ihr war bei ihrer Aussage deutlich anzumerken, dass sie bis heute an den psychischen Folgen der Tat leidet, letztlich wurde sie u.a. wegen dieser Folgen frühverrentet.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/03/26/26-03-2015/