Zwei Zeugen sollen heute Auskunft über die Unterstützungsstrukturen des NSU und konkret die Verbindungen zu Ralf Wohlleben und André Eminger geben: André Kö. gehörte wie die Brüder Eminger der Weißen Bruderschaft Erzgebirge (WBE) an und Stephan Lange gründete Blood & Honour Deutschland, in dessen Veröffentlichungen der führerlose Widerstand behandelt wurde. Beide Zeugen waren in den 90er Jahren in der rechten Szene aktiv. Beide Zeugen zeigen – wie so oft – große Erinnerungslücken an entscheidenden Stellen. Stephan Lange stellt zudem Blood & Honour als Organisation dar, die sich fast ausschließlich mit Musik beschäftigte.
Zeug_innen:
- André Kö. (Erkenntnisse zu André Eminger und Weiße Bruderschaft Erzgebirge)
- Stephan Lange (Erkenntnisse zu Blood&Honour Deutschland)
Der Prozesstag beginnt 10:19 Uhr mit der Befragung des Zeugen André Kö., der zuerst nach seinen Informationen zu den Emingers befragt wird. Der Zeuge sagt, er habe sie auf Konzerten kennengelernt. Auf Rückfrage gibt er als Zeitpunkt vor zehn bis zwölf Jahren an. Der Kontakt zu den beiden sie gleich gewesen, er habe sie zwei bis drei Mal im Monat gesehen. Er sei damals jedes Wochenende auf ein Konzert gegangen. Er habe die beiden bei der WBE (Weiße Bruderschaft Erzgebirge) und auf Konzerten gesehen. Was er zur WBE sagen könne, will Götzl nun wissen. Man habe sich halt kennengelernt, erwidert Kö., und überlegt, ob man nicht was gründen und was Eigenes auf die Beine stellen solle. Man habe sich zweimal im Monat getroffen. Mit wem er die WBE gegründet habe, könne er nicht mehr sagen, sie seien ca. 20 Mann gewesen. Die Frage, ob jeder habe mitmachen können, verneint der Zeuge. Man habe sich die Leute angeschaut. Finanziell mussten ein paar Euro im Monat für die Vereinskasse gezahlt werden. Es seien Parties veranstaltet worden und man habe über Konzerte geredet. Zu Demos könne er nichts sagen, da sei er nicht dabei gewesen. Er bestätigt, dass Hefte veröffentlicht worden seien, eins oder zwei, wo es um Konzerte ging. Wer die Berichte geschrieben habe, wisse er nicht.
Auf die Frage, worum es bei der WBE ging, erwidert der Zeuge um Konzerte, Veranstaltungen, Spaß haben. An Inhalte der Beiträge in den Heften könne er sich überhaupt nicht mehr erinnern. Zu seiner politischen Einstellung damals, erwidert der Zeuge, keine Ahnung, jeder habe seine eigene Einstellung. Ihm habe die Musik gefallen, das sei eine Partyszene gewesen. Götzl insistiert. André Kö. erwidert, man sei jung gewesen, schönes Deutschland halt. Auf die Frage, ob Gewalt bei der WBE eine Rolle gespielt habe, antwortet der Zeuge, man habe sich bestimmt allgemein darüber unterhalten, bei Konzerten. Götzl hält eine Aussagen Kö.s zum Thema Gewalt vor, in der von Gewalt gegen das gesamte System – Staat und Ausländer die Rede ist. Der Zeuge bestätigt das. Auf die Frage, wie das gemeint gewesen sei, entgegnet Kö., das sei nichts Schlimmes gewesen, man habe halt so geredet. ‚Ausländerheime‘ hätten gebrannt und man habe darüber gesprochen. Es seien keine Gewaltanwendungen geplant worden. Götzl hält eine weitere Aussage vor, in der von „Ausländerverkloppen” und “Überlegenheit der weißen Rasse” gesprochen wird, aber André Kö. erinnert sich nicht daran.
BAW Weingarten will wissen, was auf dem Tattoo steht, das der Zeuge auf dem Schädel trägt. Die Antwort: Blut und Ehre. Weingarten stellt einen Protokollierungsantrag, der Zeuge erwidert, dafür sei er schon belangt worden und er habe mit Mütze nicht ins Gericht kommen dürfen. Daraufhin wird der Protokollantrag zurückgestellt. Die Verteidigung Emingers fragt nach dem Drogenkonsum des Zeugen. Er habe das früher mal probiert, erwidert Kö. Alkohol trinke er seit acht Jahren nicht mehr. NK-Vertreterin Lunnebach führt die Befragung fort. Die Frage, ob Blut und Ehre noch seine politische Einstellung sei, bejaht der Zeuge. Das sei aber nur einfach für sich, das habe nichts mit Politik zu tun. Lunnebach will wissen, wann er sich das B&H-Tattoo hat stechen lassen. Er entgegnet, mit 15 oder 16. Er verneint auch die Frage, ob die mit der Organisation B&H etwas zu tun habe.
Nachdem der Zeuge entlassen ist, gibt NK-Vertreter RA Scharmer eine Erklärung nach §257 ab. Das Aussageverhalten des Zeugen reihe sich in das einer Vielzahl von Zeugen aus der rechten Szene nahtlos ein: Er trete dreist auf, sei unwillig, Fragen zu beantworten. Er habe Wissen verschwiegen, stelle eine Missachtung des Gerichts dar und behindere die Beschleunigung des Verfahrens.
Als nächstes wird Stephan Lange als Zeuge befragt. Götzl sagt, es gehe um Erkenntnisse zu B&H, insbesondere die Sektion Sachsen, die Person Ralf Wohlleben und das sogenannte „Feldhandbuch Hammer“. Götzl fragt nach der Gründungen von B&H, seinen Funktionen in dem Bereich und konkret der Gründung von B&H Sachsen. Er sei, so Lange, Gründungsmitglied von B&H Deutschland in Berlin, sei von 1994 bis März 2000 Divisionschef der Division Deutschland gewesen und habe somit auch die sächsische Sektion gegründet, allerdings nicht mit den Leuten die zum Schluss mit dabei gewesen seien. Die Sektion sei 1997 oder 1998 aus dem Divisionsverband ausgeschieden oder ausgeschieden worden. Götzl fragt nach dem Grund. Das seien, so der Zeuge, Unstimmigkeiten zwischen den vielen Plattenproduzenten in der Bewegung gewesen. Da sei es das kleinere Übel gewesen, die kleinere Gruppe abzustoßen als die größere.
Götzl will wissen, ob der Zeuge Ralf Wohlleben kenne, was dieser verneint. Er kenne überhaupt keinen der Angeklagten. Die seien mit Sicherheit nicht in einer Sektion gewesen, denn dass wüsste er, denn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt habe er alle gekannt. Auch Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos kenne er nicht, antwortet der Zeuge auf Nachfrage, nur aus der Presse.
Götzl fragt, ob dem Zeugen die Strategie des führerlosen Widerstands etwas sage. Ja, erwidert Stephan Lange, da habe es mal einen Solidaritätssampler mit dem Titel „Leaderless Resistance“ gegeben. Für B&H habe das keine Rolle gespielt, sie hätten ihre Magazine ja offen herausgebracht. Wenn man was führerlos im Untergrund machen wolle, würde man es ja nicht an die große Glocke hängen.
Götzl will mehr über die Ziele bei der Gründung von B&H wissen, aber der Zeuge weicht aus, es sei um Musik gegangen, außerdem könne Götzl das in der Verbotsverfügung nachlesen. Götzl will wissen, ob das alles sei, was er zu den Zielen von B&H sagen wolle. Er könne, so der Zeuge, nur von sich ausgehen und für ihn sei es ein geiles Machtgefühl gewesen. Götzl will nun wissen, was B&H gemacht habe. Der Zeuge sagt, sie hätten viele Konzerte organisiert, zuerst im Brandenburger Raum, später hätten sie nach Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern ausweichen müssen. Dafür sei es gut gewesen, Leute vor Ort zu haben. Götzl fragt, wie sie auf den Namen B&H gekommen seien. Das sei einem aus Berlin eingefallen, antwortet Lange. Auf die Frage nach Vorbildern im Ausland, nennt der Zeuge die lose Bewegung in England, Ian Stuart. Ein bisschen Idealismus habe ja auch dazu gehört. Die Frage, ob B&H politische Ziele erreichen wollte, verneint der Zeuge. Das sei zu vermessen, man habe eine Gruppe für sich sein wollen, gute Kameradschaft, es seien auch politische Leute dabei gewesen.
Die Frage, ob es Diskussionen über Gewalt gegeben habe, verneint Stephan Lange. Er bestätigt, C18 zu kennen. Auf die Frage, was das sei, antwortet er in Deutschland sei es deswegen zur Spaltung gekommen, weil es starke Befürworter gegeben habe und Leute, die nur die Musikschiene haben fahren wollen. Götzl will von dem Zeugen wissen, was C18 wollte. Er könne, so der Zeuge, nicht für C18 sprechen. Die hätten die harte Linie vertreten, Gewalt gegen Andersdenkende, unter Umständen Gewalt gegen „Andersrassige“. Die Frage, ob über das Bilden von Strukturen oder Zellen diskutiert worden sei, verneint der Zeuge. Aufnahmevoraussetzungen bei B&H habe es keine gegeben, antwortet der Zeuge auf Götzls Frage. Wenn man wen kannte, habe es ein halbes oder ein Vierteljahr Probezeit gegeben, dann sei man Vollmitglied gewesen. Mindestalter sei 18 gewesen, antwortet der Zeuge auf Nachfrage. Es habe mal ein 25-Punkte-Programm gegeben, das er mit ausgearbeitet habe, aber er könne sich nicht mehr erinnern, was da drin stand. Waffen seien bei ihm niemals Thema gewesen, beantwortet Lange Götzls Frage, aber es habe Waffenfanatiker gegeben.
Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders fragt nach der Mitgliederzahl der Thüringer Sektion von B&H. Der Zeuge gibt an, um die zehn. Personen aus Jena habe er nicht gekannt, antwortet er auf Nachfrage, nur aus Gera. Nach Namen gefragt, nennt Lange Riese und bestätigt Marcel Degner. Schneiders fragt nach Carsten Szczepanski, nach Antje Probst und nach Informationen über Waffen, die besorgt wurden oder die an ‚die Drei‘ weiter gegeben werden sollten. Der Zeuge gibt jeweils an, nichts dazu sagen zu können.
RA Elberling fragt nun nach dem Aufbau von B&H. Er sei ja der Divisionsleiter gewesen, wie sei es in den Ebenen drunter weiter gegangen. Das seien, so der Zeuge, Süddeutschland, Mitteldeutschland und Norddeutschland. Auf die Frage, wer für Mitteldeutschland zuständig gewesen sei, antwortet der Zeuge Degner. Zschäpe-Verteidiger RA Stahl beanstandet die Frage, für den Schuldvorwurf spiele es keine Rolle, wie B&H strukturiert gewesen sei. Die terroristische Vereinigung sei nicht B&H gewesen, sondern der sogenannte NSU. Götzl hält die Frage für zulässig, Stahl bleibt bei seiner Position. Auch die weitere Befragung durch NK-Vertreter_innen wird immer wieder von der Verteidigung Wohlleben und Zschäpe unterbrochen, mit Hinweisen zur Verfahrensrelevanz.
Um 17:35 Uhr wird der Zeuge entlassen. Die RA_innen Elberling und v. d. Behrens behalten sich jeweils eine Erklärung vor.
Hier geht es zum Kommentar des Blog NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/04/28/28-04-2015/
Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.