Kurz-Protokoll 210. Verhandlungstag – 16. Juni 2015

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An diesem Verhandlungstag wird zunächst ein BKA-Beamter zu der möglichen Identifizierung der Täter eines Banküberfalles in Zwickau befragt, bei denen es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Mundlos und Böhnhardt handelt. Mit dem darauf folgenden Rocco Eh., dem Ex-Mann der Szene-Größe Katrin Dr. („Mappe“), wird ein weiterer Zeuge aus der rechten Szene gehört, der zwar erneut vor allem Mundlos‘ neonazistische Überzeugung bestätigt, aber sich wenig erinnern mag. Ein weiterer BKAler, der asservierte Videodateien auswertete, erklärt, welche Hinweise sich für ihn darauf ergeben, dass es bei dem formulierten Wetteinsatz zwischen Böhnhardt und Zschäpe um das Schneiden von Clips für das Erstellen des Bekennervideos handele.

Zeugen:

  • Andreas Ma. (BKA, Überfall auf eine Sparkasse in Zwickau am 25.09.2002)Rocco
  • Eh. (Erkenntnisse zu Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt, Nazi-Szene Chemnitz)Falko
  • Hu. (BKA, Auswertung von Videodateien, Wette von Zschäpe und Böhnhardt mit Wetteinsatz Videoschnitt)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Erster Zeuge ist Andreas Ma. (zuletzt 198. Verhandlungstag). Götzl sagt, es gehe um einen Überfall auf eine Sparkasse in Zwickau am 25.09.2002, um Lichtbilder der Kamera, um die Beutel, um Spuren, Tatmittel und Bekleidung. Ma. sagt, die Ermittlungsansätze hätten auf die Vergleiche von in Wohnmobil und Frühlingsstraße gefundenen Asservaten mit Bildern der Überwachungskamera beschränkt, da die Täter keine daktyloskopischen oder DNA-Spuren hinterlassen hätten. Ma. legt viele Bilder von Asservaten und von der Überwachungskamera der Bank vor und beschreibt diese. Der eine Täter habe eine schwarze Perücke auf und Schirmmütze. Der trage die Waffe in der linken Hand. Die habe einen mittleren Lauf. Und dem hätten sie eine Waffe zugeordnet, die sie gefunden hätten und die auch bei anderen Überfällen benutzt worden sei. Des weiteren habe man auf den Bildern sehen können, dass, wie in acht von den neun Überfällen verwendet, Halstücher als Maskierung verwandt worden seien. Die hätten die Auffälligkeit, dass sie mit einem Kordelzug vernäht worden seien, dieser habe den Sinn, dass man die Tücher einfach und stramm aufs Gesicht ziehen könne. Diese seien gefunden worden in der Frühlingsstraße. Des weiteren habe man an Kleidungsstücken noch eine helle Schirmmütze mit dunklem Emblem gefunden, die der Täter mit der schwarzen Perücke getragen habe.
Ma. fügt hinzu, dass auf einem Bild zu sehen sei, wie einer der Täter Reizgassprühgerät gegen die Kunden benutzt. Er halte es in der rechten Hand und arbeite damit rechtshändig. U.a. darüber hätten sie die Unterscheidung von Mundlos und Böhnhardt getroffen. Böhnhardt sei Linkshänder gewesen, Mundlos habe Tätigkeiten beidhändig ausführen können. Zeugen außerhalb der Sparkasse hätten gesehen, wie sich die Täter mit Fahrrädern entfernt haben. Der Zeuge wird entlassen.

Es folgt die Einvernahme von Rocco Eh. Götzl sagt, es gehe um Informationen über die rechte Szene in Chemnitz und insbesondere darum, ob Eh. Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe kannte in der Vergangenheit. Eh.: „Gekannt habe ich nur einen, das war der Herrn Mundlos und den habe ich kennengelernt bei einem Konzert.“ Das sei vor ca. 15 Jahren gewesen. Götzl sagt, Eh. solle ausholen, die damalige Zeit etwas schildern. Eh.: „In Chemnitz waren wir eine Gruppe, die relativ viel unterwegs war. Und wir waren so ziemlich jede zweite Woche irgendwo in Deutschland unterwegs zu einem Konzert.“ Auf Frage, wer zu der Gruppe gehört habe, sagt Eh.: „Meine Ex-Frau, der Herr Lasch war mit unterwegs und Leute, die man halt vom Sehen her kennt.“ Götzl; „Wer ist mit Ihrer Ex-Frau gemeint?“ Eh.: „Frau Dr.“. (200. Verhandlungstag) Böhnhardt und Zschäpe kenne er nur aus den Medien, so Eh. auf Frage.
Götzl: „Wie häufig hatten Sie Kontakt zu Uwe Mundlos?“ Eh.: „Dort bei dem Konzert. Und durch die Presse ist das zurückgekommen, wo man sagt: Den kennst Du irgendwoher. Ich wusste auch nicht, dass es der Uwe Mundlos ist.“ Das sei ihm erst durch die Presse bekannt geworden.
Vorhalt aus Eh.s Vernehmung: Ich erinnere mich an ein Konzert in Deutschland, ob Sachsen kann ich nicht sagen; müsste so etwa 2000 gewesen sein, auf jeden Fall war ich da schon mit Mappe zusammen, also nach 1995; es könnte auch 1999 oder 2001 gewesen sein; da waren auch Uwe Mundlos und die Beate Zschäpe anwesend, die damals ein Paar waren. Eh.: „Das ist gut möglich. Aber aufgefallen ist mir Uwe Mundlos.“ Götzl entgegnet, da stehe, dass auch Zschäpe anwesend war, von einer Möglichkeit finde er da nichts. Eh. sagt, aus dem heutigen Stand sei ihm nicht mehr bekannt, ob er das wusste.
Vorhalt: Mir ist da ein Satz von Mundlos in Erinnerung geblieben, demnach Konzerte nicht dazu da seien, um Spaß zu haben, sondern um gleichgesinnte Kameraden zu treffen und sich politisch zu organisieren. Eh.: „Solche Gespräche waren bei jedem Konzert zugange. War zumindest zu der Zeit so.“ Götzl: „War das ein Satz von Mundlos?“ Eh.: „Durchaus möglich.“ Vorhalt: Er hat da eine krasse Botschaft rübergebracht, dass man gegen die Juden viel härter vorgehen sollte, die hätten in unserer Gesellschaft nichts zu suchen; Mundlos hat das geschickt verharmlost, indem er dann einen passenden Judenwitz parat hatte. Götzl: „Hat er das damals gesagt?“ Eh.: „Ist schon richtig so.“
Eh. verneint, dass in seinem Kreis mal von Waffen die Rede gewesen sei. Götzl: „Hatten Sie Informationen dazu, wo man scharfe Waffen bekommen konnte?“ Kurz nach der Wende sei das kein Problem gewesen, so Eh., da sei man an die „Russenkaserne“ gefahren, wenn man welche hätte haben wollen. Das sei auch kein Geheimnis gewesen in Chemnitz. Vorhalt: Ist Ihnen bekannt, ob Widerstand mit Gewalt ein Thema in der Szene war, insbesondere bei den Personen des Trios? –  Nein, nicht direkt, aber Gewalt galt als legitimes Mittel zur Lösung des Ausländer- und Judenproblems.; dies war jedem bewusst. Eh. sagt, das sei in der rechten Szene ein gängiges Thema, dass die, die nicht geduldet werden, mit Gewalt zur Seite geschoben werden.

Um 13:22 Uhr geht es weiter mit dem Zeugen Hu. Götzl sagt, es gehe um die Auswertung von Asservaten, Videodateien. Hintergrund sei das Thema selbstgeschnittene Filme, der Zeitpunkt von Arbeiten und ob es unter den Asservaten Videodateien gibt, die mit Videoschnittprogrammen bearbeitet worden sind. Hu. sagte, der Auftrag habe ihn Ende Januar, Anfang Februar erreicht, in den Asservaten aus der Frühlingsstraße und dem Wohnmobil nach selbstgeschnittenen Videos zu suchen. Hintergrund sei die Datei „Wette.cpt“, die in den Asservaten der Frühlingsstraße auf einer CD gefunden worden sei. Es handele sich um eine Wette zwischen Böhnhardt und Zschäpe, wo es darum gehe, dass man vereinbart, sein Körperwunschgewicht zu erreichen bis zum 1. Mai, ohne Jahresangabe. Als Wetteinsatz würden „Wohnung putzen“ und „Stube reinigen“ angeboten, aber eben auch „200 mal Videoclips schneiden“. Die Frage sei gewesen, ob sich das auf das Bekennervideo bezogen haben könne. Er habe nach selbstgeschnittenen Videos suchen sollen, auf die auch potenziell Bezug genommen worden sein könnte. Er habe nach Videos geguckt, die erkennbar mit einem Videoschnittprogramm bearbeitet waren. Zusammenfassend könne man sagen, dass sich in der Tat selbstgeschnittene Videos in den Asservaten gefunden hätten. Allerdings sei bei diesen Videos nicht der Eindruck entstanden, dass mit der Wette auf diese Bezug genommen wurde, sondern es habe sich der Eindruck verfestigt, dass auf das Bekennervideo Bezug genommen worden sein könnte.
Die Gründe dafür seien als erstes die Zeitstempel. Die Wette verfüge über einen Zeitstempel vom 24.11.2005, da sei zuletzt auf die Datei zugegriffen worden. Das Bekennervideo sei begonnen worden zu bearbeiten am 28.05.2006, also ein halbes Jahr später. Der zweite Grund sei die Anzahl der Schnitte. Es seien ja 200 Schnitte genannt. Wenn man sich das Bekennervideo ansehe, sehe man schon 94 klar erkennbare Bildschnitte. Und in diesen 94 Schnitten seien noch keine Texteinblendungen, keine grafischen Elemente, keine Tonschnitte hinzugefügt. Daher könne man davon ausgehen, dass da noch sehr viel mehr Schnitte vorgenommen worden seien als 94.
Die Videos, die er in den Asservaten gefunden habe, könne man zum einen in der Kategorie „Urlaubsvideos“ verorten ab den Jahren 2008, 2009, 2010. Hier würden die Zeitstempel so weit weg von der Wette liegen, dass für ihn, Hu., der Schluss nicht plausibel sei, dass man sich bei der Wette dann auf erst 2008 zu erstellende Urlaubsvideos bezogen haben könnte.
Stahl fragt, ob Hu. Feststellungen getroffen habe, ob die zugrundeliegende Wette je von jemandem verloren wurde. Da habe er keine Informationen zu, sagt Hu. RA Stahl: „Eine Nachfrage: Sie hatten das Ergebnis Ihrer Bewertung mitgeteilt. Wenn ich Ihnen jetzt vorhalte beispielsweise das Asservat 32.1.2.10.15.2 [phon.]. Das sind 14 DVD-Rs, die sind beschriftet mit ‚Dr. House CD 1-7‘ und auf jeder DVD-R steht ‚6 Folgen” und wenn ich sage, da ist überall die Werbung rausgeschnitten, wie bewerten Sie das dann?“ Götzl fragt, wann das gefertigt worden sei. Stahl erwidert, das trage die Handschrift der Mandantin, es spiele keine Rolle, von wann es ist. Nach längerer Diskussion zieht Stahl die Frage zurück. Der Zeuge wird entlassen.
RA Stahl gibt eine Erklärung nach § 257 ab: Ein „tragischer Fehler“, der bei der Auswertung unterlaufen sei, sei, dass man sich festgelegt habe auf Asservate in zwei Objekten und nicht drüber nachgedacht habe, ob es nicht noch andernorts Asservate gibt, die den Schluss zulassen, und wenn es nur die Beschriftung von DVDs sei. Der Verhandlungstag endet um 14:23 Uhr.

Das Blog nsu-nebenklage kommentiert:

„Es folgte ein weiterer Zeuge aus der damaligen Nazi-Szene in Chemnitz. Er hatte bei der Polizei u.a. zur Ideologie von Mundlos ausgesagt (…). Heute versuchte der Zeuge – wie so viele vor ihm –, seine damalige Aussage zu relativieren und/oder Erinnerungslücken vorzuschieben, und wurde daher vom Vorsitzenden recht energisch zur Wahrheit ermahnt. Besonders ergiebig war seine Aussage aber auch im Weiteren nicht. Schließlich sagte ein weiterer BKA-Beamter zu den in der Frühlingsstraße gefundenen Computern aus. (…) Der Beamte sagte aus, dass sich auf allen Rechnern nur ein einziges Video befand, das aus dem in Frage kommenden Zeitraum stammt und aufwendig geschnitten wurde – das Bekennervideo des NSU. Dies spricht dafür, dass Zschäpe an dem Bekennervideo nicht nur mitgearbeitet hat, sondern dass dieses Video unter den Dreien ein so alltägliches und selbstverständliches Gesprächsthema war wie das Putzen der Wohnung – ein weiteres sehr starkes Indiz für die gleichberechtigte, täterschaftliche Stellung Zschäpes innerhalb des NSU.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/06/16/16-06-2015/

 

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