Protokoll 208. Verhandlungstag – 9. Juni 2015

0

An diesem Prozesstag sagen Sachverständige zu den Waffen und der Munition des NSU aus. Es sind sind außerdem Zeug_innen zu Überfällen in Chemnitz geladen. von Nebenklagevertreter_innen wird ein längerer Beweisantrag bzgl. zur erneuten Ladung des ehemaligen V-Mann-Führers Zweigert gestellt. Dieser hatte u.a. Marcel Degner geführt.

 

Zeug_innen und Sachverständige:

  • Dieter Dahl (Sachverständiger, Schusswaffenerkennungsdienst BKA, sichergestellte Patronen und Hülsen)
  • Axel Manthei (Sachverständiger, LKA Bayern, Herstellung von Knallmunition Kaliber 6,35 durch die Firma Sellier & Bellot)
  • Jens Me. (KPI Chemnitz, Überfälle auf eine Postfiliale und auf eine Sparkasse in Chemnitz)
  • Steffi Sch. (Überfall auf eine Postfiliale in Chemnitz am 30.11.2000)
  • Iris M. (Überfall auf eine Postfiliale in Chemnitz am 30.11.2000)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:54 Uhr. Als Nebenkläger ist heute der Bruder des am 25. Februar 2004 in Rostock ermordeten Mehmet Turgut anwesend. Als erstes wird der Sachverständige Dahl vom BKA gehört. Götzl sagt, es gehe um die Untersuchung von Hülsen und Patronen, Dahl solle berichten, welche Untersuchungen er durchgeführt habe und mit welchem Ergebnis. Dahl sagt, es gehe um das Gutachten zur Bestimmung der Anzahl und Systeme der Waffen, Hersteller, den Spurenvergleich mit der Tatmunitionssammlung. Vorgelegen hätten Hülsen und Geschosse. Alle Munitionsteile hätten das gleiche Kaliber: 6,35 mm Browning. Die Munitionsstempel seien von Sellier & Bellot [tschechischer Munitionshersteller]. Einige hätten mechanische Bearbeitungsspuren aufgewiesen, u.a. dass die Geschossspitze gekürzt gewesen sei: „Der Zweck der Bearbeitung ist bei uns nicht bekannt.“

Dahl sagt, die Hülsen zum Teil würden Verfeuerungsspuren tragen, wahrscheinlich von vier Waffen. Die restlichen Hülsen und Geschosse würden keine Verfeuerungsspuren tragen, seien also wohl nie in einer Waffe verfeuert worden, seien aber auch mechanisch bearbeitet, abgedreht und gekürzt. Zum Ergebnis sagt Dahl [alle Zahlen phon.]: Nr. 1 sei eine Hülse, verfeuert von der Waffe mit dem Platzhalter „A“. Der Vergleich mit der Tatmunitionssammlung sei negativ verlaufen. Nummer 2 seien 2 Hülsen, die aus der Waffe mit dem Platzhalter „B“ verfeuert worden sei. Hier gebe es eine Übereinstimmung mit der Tatmunition bei einem schweren Raub in Chemnitz in der Irkutsker Straße 1 am 18.12.1998. Nummer 3 seien 5 Hülsen, verfeuert aus Waffe „C“; der Vergleich sei negativ verlaufen, Nummer 4 sei eine Hülse, verfeuert in Waffe „D“. Der Spurenvergleich habe Übereinstimmungen ergeben mit anderen Spurennummern, Vergleichshülsen aus der sichergestellten Pistole Bruni. Bei den Nummern 5, 6 und 7 gebe es keine Verfeuerung.

Götzl fragt nach Methodik und Untersuchungsgang. Dahl sagt, dass bei der Herstellung einer Waffe mit mechanischer Bearbeitung gearbeitet werde. Es werde gedreht, gefräst usw. Und eine Waffe sei im Gebrauch. An der Oberfläche und Wirkfläche würden Gebrauchs- und Fertigungsspuren entstehen. Man unterteile in Systemspuren und in für jede Waffe individuelle Gebrauchs- und auch Fertigungsspuren. Man mache Vergleichsbeschüsse, um festzustellen, ob daraus verfeuert wurde. Daraus ergebe sich die Möglichkeit, eine Waffe als Verfeuerungswaffe zu identifizieren. Götzl sagt, es liege ein Beweisantrag vor, da gehe es um die Frage, ob die Hülsen Verfeuerungsspuren von drei unterschiedlichen Waffensystemen aufweisen. Dazu sagt Dahl, dass sich diese vier unterschiedlichen Waffen vom System her nicht eindeutig unterscheiden lassen würden, weil sie sehr ähnlich seien. Es sei auch denkbar, dass nach Bearbeitung einer Waffe zwei unterschiedliche Spurenkomplexe entstehen [phon.], das sei hier nicht nachzuvollziehen, weil die Waffen nicht vorliegen würden. Es gehe dann noch, so Götzl weiter, um die Frage, ob die zur Verfeuerung der Hülsen benutzten Waffen unter den in der Frühlingsstraße oder im Wohnmobil in Eisenach sichergestellten Schusswaffen seien. Dahl antwortet, er könne anhand der Asservatenliste sagen, dass dem BKA in dem Kaliber nur die eine Waffe vorgelegen habe, die Selbstladepistole Bruni Modell Auto [phon.]: „Die anderen drei Waffen sind halt für uns unbekannt.“

Es folgt der Sachverständige Manthei. Götzl sagt, es gehe um die Frage, ob die Firma Sellier & Bellot ausschließlich scharfe Patronen des Kalibers 6,35 mm herstellt oder herstellte oder auch weitere, nicht-scharfe Patronen. Manthei sagt, er habe in der Literatur und in Prospekten recherchiert. Er sei da auf eine Annonce aus einem alten Prospekt gestoßen von 1957 [phon.]. Da seien Platzpatronen angeboten worden im Kaliber 6,35. Er habe sich, so Manthei weiter, informiert und in Sammlerkreisen festgestellt, dass ein slowakischer Munitionssammler so ein Exemplar habe, also seien demnach derartige Kartuschen gefertigt worden. Götzl fragt, ob Manthei das zeitlich eingrenzen könne. Aktuelle Kataloge würden die nicht aufführen, so Manthei. Er habe auch außer dem uralten von 1957 nichts gefunden. Er habe herumfragen müssen, bis er ein Belegexemplar gefunden habe. Sie im LKA hätten selber keines in der Sammlung.

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders fragt, ob sich Manthei bei der Firma selber erkundigt habe. Das bejaht Manthei. Dort habe er die Information bekommen, dass die aktuell nicht gemacht werden. Schneiders fragt, ob da eingegrenzt worden sei, in welchem Zeitraum die Knallmunition gefertigt worden ist. Er könne ganz kurz zitieren, so Manthei, dass die Bilder aus dem Buch aus dem ersten Nachkriegskatalog seien; sie würden nicht mehr wissen, warum die Patronen hergestellt worden seien. Manthei wird entlassen. Götzl fragt die Verteidigung Wohlleben, ob sich damit der Antrag, den Produktionsleiter der Firma Sellier & Bellot zu laden, erledigt habe. Wohlleben-Verteidiger RA Klemke verneint das.

Es geht weiter mit der Einvernahme des Zeugen Me. Götzl sagt, es gehe um einen Überfall auf eine Postfiliale in Chemnitz am 30.11.2000 und eine Sparkasse am 23.09.2003 und um die Auswertung von asserviertem Kartenmaterial. Me. sagt, er sei seit 1999 mit den Ermittlungen befasst gewesen zu der Überfallserie, auch bei den beiden genannten Überfällen als Sachbearbeiter. Götzl fragt nach den Ermittlungen zum Thema Beute und zu den Spuren. Die Beute sei konkret niedergeschrieben im Protokoll, so Me., es sei auf alle Fälle eine fünfstellige Summe, er habe sie nicht im Kopf. Spurentechnisch gebe es sehr gute Schuhabdruckspuren. Man habe den Typ der Tatschuhe der beiden Täter identifizieren können, die dann offenbar auch beim nächsten Überfall in Zwickau verwendet worden seien, zumindest dieser Typ Schuhe. Es habe sich im Außenbereich eine Fingerabdruckspur gefunden an der neben dem Eingang liegenden Telefonzelle. Das werde untersucht, weil die Möglichkeit bestehe, dass die Täter sich vielleicht dort fix maskiert hätten. Ob die später den beiden habe zugeordnet werden können, sei ihm nicht bekannt.

Götzl fragt, von welchem Schuhtyp Me. spreche. Das sei der Typ „Victory“ gewesen von der Schuhkette Deichmann, so Me. Dazu seien umfangreiche Ermittlungen angestellt worden. Es sei da die Frage, ob man an die Schuhkäufer herankommt. Das gehe natürlich nur, wen irgendwelche Daten bekannt seien, etwa von einer EC-Karten-Zahlung. Die Ermittlungen hätten da einige Daten ergeben von Personen, die sie aber zweifelsfrei als Täter für die Sache hätten ausschließen können. Götzl fragt nochmal zur Beute und Me. sagt, er glaube, dass es knapp 40.000 DM gewesen seien. Vorhalt: Insgesamt wurden 38.900 DM (19.800 Euro) erbeutet. Me. bestätigt den Vorhalt. Götzl fragt nach Registriergeld. Es habe in ein oder zwei Fällen Registriergeld gegeben, das die Täter mitgenommen hätten, so Me., das sei aber nirgends aufgetaucht. Götzl sagt, es gebe einen Vermerk zu den Schuhen, und fragt, ob Me. da eingebunden gewesen sei bei den Ermittlungen. Das sei Sache der Kriminaltechnik, so Me., aber man arbeite zusammen und müsse ja wissen, was an Spuren vorhanden ist. Sicherung, Auswertung und Vergleich mache natürlich die Kriminaltechnik.

Götzl sagt, es gehe ihm um den Überfall auf die Sparkasse am 23.09.2003, welche Beute damals erzielt worden sei. Me. sagt, das sei ein weitaus geringerer Betrag gewesen, knapp 500 Euro, 440 Euro [phon.] circa. Das habe damit zusammen gehangen, dass die Täter nicht an den Tresor heran gekommen seien und daher nur Geld aus einer der vorderen Kassen hätten entwenden können. Vorhalt: Mit 435 Euro Beute rannten sie nun zum Parkplatz vor der Sparkasse. Me.: „Richtig.“ Dann fragt Götzl zur Spurenlage 2003. Auch hier sei es so gewesen, führt Me. aus, dass sie sehr gute Schuhabdruckspuren gehabt hätten. Das hänge vornehmlich damit zusammen, dass beide Täter den Schaltertresen überstiegen hätten. Einer sei oben geblieben und wieder zurückgesprungen. Man habe dann die Schuhtypen sichern können: „Nike“ und „Diadora“. Es gebe auch gute Überwachungsfotos und auch da Übereinstimmungen mit den ermittelten Schuhtypen.

Dann werden Lichtbilder von asserviertem Kartenmaterial in Augenschein genommen. Es handelt sich offenbar um eine Karte von Chemnitz und Umgebung; zu sehen sind Markierungen auf dem Kartenmaterial. Me. sagt, er sei damit schon konfrontiert worden. Als bekannt geworden sei, dass Böhnhardt und Mundlos die Täter waren, sei ein Kollege vom BKA da gewesen. Die Frage sei gewesen, was die Zeichen bedeuten könnten. Ihm sage nicht alles etwas, so Me., aber das eine [eine mit einem Kreis umrandete Stelle auf der Karte], sei die Paul-Bertz-Straße, der Tatort. Es folgen mehrere Markierungen, die Me. aber nicht einordnen kann. Es gibt aber auch Markierungen, die auf Banken hinweisen, die aber nur teilweise überfallen worden. Offenen Überfälle gebe es nicht. Zu einer weiteren Markierung sagt er, das sei die Sparkasse Sandstraße, Borna-Heinersdorf. Die sei zweimal Tatobjekt gewesen, 2004 und 2005. Der eingezeichnete blaue Strich sei wahrscheinlich der Fluchtweg der Täter. Sie hätten da ähnliche Ermittlungen geführt, ohne die Karte zu haben. Es gebe eine Zeugin, die Täter mit dem Fahrrad gesehen habe. NK-Vertreter RA Scharmer fragt, ob Me. die auf dem Kartenmaterial ersichtlichen Punkte daraufhin überprüft habe, ob es Abstellplätze für Wohnmobile sein könnten. Das könne durchaus sein, so Me., aber er selbst habe das Material ja erst nach der Aufklärung und jetzt nochmal gesehen.

Danach verliest NK-Vertreter RA Hoffmann einen Beweisantrag. Er beantragt, Jürgen Zweigert (zuletzt 144. Verhandlungstag) zu laden. Zweigert werde bekunden: dass er Marcel Degner (191. Verhandlungstag) als V-Mann mit dem Decknamen „Hagel“ bzw. der Decknummer „2100“ von 1997 bis 2000 geführt hat, dass Degner mindestens ab 1999 als „B-Quelle““ eingestuft worden ist, die von ihm gelieferten Informationen also soweit überprüfbar, korrekt, aber nicht unbedingt vollständig, waren; dass Zweigert am 07.09., 08.09. und 24.11.1999, also an den Tagen, an denen der Zeuge Wießner (zuletzt 199. Verhandlungstag) Degner traf bzw. es amtsinterne Absprachen zu ihm gab, weder krank noch im Urlaub oder anderweitig abwesend war, sondern dass es aufgrund amtsinterner und undokumentierter Absprachen allein die Aufgabe des Zeugen Wießner war, im Rahmen der Operation „Drilling“ die V-Männer und Informanten des TLfV bzgl. ihres Wissen um das Trio abzuschöpfen und mit diesen Informationen zum Teil an der Auswertung vorbei weiter gearbeitet wurde und dass die Akten des V-Mannes Degner entgegen gesetzlicher Bestimmungen bereits im Jahr 2002 oder 2003 vernichtet worden sind.

Dass der V-Mann Degner dem Zeugen Zweigert in folgendes berichtete bzw. Wießner Zweigert über die folgenden, von dem V-Mann Degner erlangten Informationen unterrichtete: a) dass Degner in den Jahren 1997 und 1998 Kontakt zur KS Jena hatte und neben André Kapke, Wohlleben und Holger Gerlach auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe als deren Mitglieder kannte, dass die KS sich zunehmend radikalisierte, sie szeneintern für die Bombenattrappen in Jena verantwortlich gemacht wurde und dass Degner Böhnhardt an RA Thaut vermittelte; b) dass Degner dem Trio nach dessen Untertauchen und vor dem 08.03.1999 die Hälfte des Erlöses aus einem Konzert, einen Betrag von über 1.000 DM, gespendet hat und dass er bei Nachfragen erfahren hat, dass dieses Geld nie bei dem Trio angekommen sei; c) dass das Trio in Chemnitz durch -Mitglieder bzw. deren Umfeld unterstützt wurde, insbesondere durch , Antje Probst, und , und dass Degner diese Information an seine V-Mann-Führer weiterleitete, noch bevor das TLfV über die Meldung von (zuletzt 174. Verhandlungstag) vom 19.08.1998 ebenfalls von der Unterstützung durch Werner und Antje Probst erfuhr; d) dass Lasch das T-Shirt mit dem von Mundlos entworfenen Motiv „Skinsons“ herstellte und vertrieb und es in der Szene bekannt war, dass das Motiv von Mundlos entworfen worden war; e) dass Mundlos von 1998 bis 2000 an „White Supremacy“ mitarbeitete und u.a. in der Ausgabe 1 den Artikel „Gedanken zur Szene“ und in der Ausgabe 3 die Artikel „Die Farbe des Rassismus“ und „Solidaritätsaufruf“ geschrieben hatte; f) dass sich Oliver K., Sven Zi. und Heiko Me. im Sommer 2000 zu einer „„-Gruppe zusammengeschlossen hatten. Außerdem beantragt Hoffmann eine Gegenüberstellung von Zweigert mit Degner vorzunehmen zum Beweis der Tatsache, dass der in der Hauptverhandlung gehörte Zeuge Degner der ist, den Zweigert als V-Mann geführt hat.

Zur Vorbereitung der Aussage Zweigerts beantragt Hoffmann, Zweigert darauf hinzuweisen, dass seine dienstliche Pflicht zur Vorbereitung in seinem konkreten Fall nicht nur umfasse, dass er die noch vorhandene Personalakte mit drei Blättern im TLfV einsehe, sondern auch, dass er sich anhand der im BfV noch vorhandenen 69 Deckblattmeldungen des TLfV mit Meldungen der Quelle „Hagel“ bzw. „2100“ und ggf. weiterer dort vorhandener Aktenbestandteile vorbereitet. Außerdem beantragt Hoffmann, die Erkenntnismitteilung des TLfV zu Mike Dieter Bär beizuziehen bzw. das TLfV dazu aufzufordern, eine solche Erkenntniszusammenstellung anzufertigen und diese dann beizuziehen. Zur Begründung führt Hoffmann u.a. aus: Die Gegenüberstellung ist nach der wiederholten Behauptung des Zeugen Degner, er sei kein V-Mann gewesen, geboten. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, dass die direkte Konfrontation Degner nicht nur in diesem Punkt, sondern auch allgemein zu einer wahrheitsgemäßen Aussage anhält, insbesondere wenn er erfährt, dass noch 69 Deckblattmeldungen, die er vernichtet glaubte, aufgefunden worden sind und der Zeuge Zweigert diese zur Vorbereitung auf seine Vernehmung einsehen konnte.

Die Frage der V-Mann-Tätigkeit von Degner ist relevant für die Bewertung seiner weiteren Angaben, insbesondere auch die Bewertung der durch die Angaben Wießners bestätigten Inhalte der Deckblattmeldungen vom 09.09.1999 und 24.11.1999. Der Umstand, dass Starke ggü. Degner die Spende unter Verweis auf das „Jobben“, einem szeneinternen Code für Raubüberfälle, ablehnte, zeigt, dass in der Szene bekannt war, dass das Trio Raubüberfälle beging. Entsprechend hatte der V-Mann Szczepanski bereits ein Jahr vorher dem Brandenburgischen VS über Raubüberfälle des Trios berichtet. Dieser Umstand ist wesentlich für den Vorsatz des Angeklagten Wohlleben, da, wenn so entfernte Personen wie Degner und Szczepanski von den Überfällen wussten, dieser Umstand auch einem der engsten Unterstützer des Trios, wie Wohlleben, nicht verborgen geblieben sein konnte. Zugleich wäre dies eine indirekte Bestätigung der in einer Erkenntnismitteilung des TLfV über André Kapke berichteten Bemerkung von Wohlleben am 1. April 2001, als er eine Spende von für das Trio mit der Begründung ablehnte, die Drei bräuchten kein Geld, weil sie „wieder so viele Sachen/ Aktionen“ gemacht hätten, über die Brandt zu seinem Eigenschutz nichts wissen sollte.

Zur Beweistatsache, dass Zweigert bei den Treffen Wießners Degner am 07. und 08.09. sowie am 24.11.1999 weder krank, noch im Urlaub oder sonstwie abwesend gewesen sei, sagt Hoffmann: Vielmehr spricht sehr viel dafür, dass alle Sachverhalte mit Bezug zum Trio bei Wießner und seinen Vorgesetzten Nocken und Schrader gebündelt waren. So gab Zweigert in der Vernehmung durch den Thüringischen UA an, dass er nicht in die „Operation Drillinge“ eingebunden war, sondern dass dies Wießners Sache gewesen sei. Weiter ergibt sich aus den Angaben Zweigerts, dass er in der Regel in Bezug auf die Führung des V-Mannes Degner während seiner Urlaube oder Abwesenheiten nicht vertreten wurde, sondern der V-Mann schlicht 14 Tage nicht getroffen wurde und Wießner nur einsprang, wenn etwas besonders Eiliges angefallen war, was nicht warten konnte. Es ist nicht plausibel, dass die angeblich einzigen Meldungen Degners zum Trio ausgerechnet in die Vertretungszeiten des Zeugen Wießner fallen, die nach den Angaben Zweigerts sehr selten waren. Auch der angebliche Anlass für die Befragung Degners am 08.09.1999, nämlich die Mitteilung der Auslobung von 3.000 DM pro Person an den V-Mann, die erste am Tag vorher beschlossen wurde, ist nicht plausibel.

Es ist nicht vorstellbar, dass ein solcher Schritt in Abwesenheit des eigentlichen V-Mann-Führers beschlossen wird und dem V-Mann bereits am nächsten Tag, ebenfalls nicht durch seinen V-Mann-Führer, sondern nur durch dessen Vertreter mitgeteilt wird, wenn es hierfür nicht einen konkreten, abgesprochenen Grund gibt. Noch weniger lebensnah ist, dass plötzlich nach der Mitteilung der Auslobung aus Degner Informationen zum Trio und dessen Unterstützer nur so sprudeln, und zwar auch Informationen, die schon sehr viel älter waren, wie z.B. dass Degner bereits im Frühsommer 1999 eine Spende in Höhe von 700 DM für das Trio an André Kapke übergeben hätte. Dass hierfür der Anreiz des Geldes nur der vorgebliche Grund ist, zeigt sich schon daran, dass bereits seit dem 28.05.1998 die StA Gera 3.000 DM für Hinweise, die zur Ergreifung einer der Personen des Trios führen, ausgelobt hatte. Schließlich ist nicht glaubhaft, dass Degner nicht durch seine V-Mann-Führer zu dem Hinweis von Tino Brandt auf eine Spende von Degner von 1.000 DM aus einem Konzert aus der Zeit vor dem 08.03.1999 befragt worden sei. Tino Brandt hatte die entsprechenden Informationen über diese Spende aus einem Telefongespräch mit Böhnhardt am 08.03.1999 erhalten.

Dass Degner hierzu nicht befragt worden sei, ist insbesondere auch deshalb nicht glaubhaft, weil Wießner selbst einen Vermerk gefertigt hat, dass es sich bei dem als „Riese“ bezeichneten Spender um Marcel Degner handelt, den V-Mann, den er selber angeworben hatte. Ebenfalls sind die Angaben Zweigerts vor dem Thüringischen UA, der V-Mann Marcel Degner hätte Wohlleben und Kapke gekannt, aber nicht großartig näher, und diese beiden seien die einzigen gewesen, die er vom Namen kannte, nicht plausibel. Zweigert hat sich während seiner zwei Vernehmungen vor dem Thüringischen UA nur sehr schlecht an die Angaben seines ehemaligen V-Mannes erinnert. Dass er sich nun, über zehn Jahre später, plötzlich daran erinnern will, wen der V-Mann wie gut gekannt hat, ist erinnerungspsychologisch nicht nachvollziehbar. Im Übrigen widerspricht dies den Angaben des Zeugen Degner beim BKA und in der Hauptverhandlung, als er angab, zumindest André Kapke intensiver gekannt zu haben. Auffällig ist auch, dass 1998 bis 2000 der Zeuge Wießner Tino Brandt, (98. und 99. Verhandlungstag, Andreas Rachhausen (zuletzt 156. Verhandlungstag), Degner und Tibor Re., also alle fünf V-Leute bzw. Gewährspersonen, die Informationen zum Trio lieferten, zumindest zeitweise führte bzw. sie immer dann führte, wenn sie Informationen zum Trio lieferten.

Auf eine Systematik deutet dies schließlich deshalb hin, weil der Zeuge Wießner bei seiner Befragung durch den Thüringischen UA in Bezug auf die Operation „Drilling“ angab, dass nachher „der Auswerter total abgehängt war“. Bei Wießner waren also alle Informationen zum Trio auf Sachbearbeiterebene gebündelt, ohne dass er die vorgegebenen Dienstwege einhielt und eine Akte führte, die den Grundsätzen der Aktenklarheit und Aktenvollständigkeit entsprochen hätte. Schließlich machte Wießner offensichtlich unrichtige und widersprüchliche Angaben in seinen Vernehmungen in der Hauptverhandlung zu seinen Tätigkeiten im Rahmen der Fahndung nach dem Trio. So behauptete er z.B., er hätte keine Telefongespräch selber abgehört, wogegen entsprechende handschriftliche Aufzeichnungen des Zeugen in der Akte sprechen. Schließlich ist die Akte des V-Manns Degner bereits im Jahr 2002 oder 2003 vernichtet worden, wie im Jahr 2003 festgestellt wurde. Diese gesamten Umstände zeigen, dass es im Fall des V-Manns Degners und insgesamt bzgl. der Ermittlungen des Zeugen Wießners erhebliche Ungereimtheiten gibt, die nur darauf schließen lassen, dass der V-Mann weitere Informationen geliefert hat, die nicht aktenkundig wurden oder in inzwischen vernichteten Akten enthalten waren und an die sich deshalb auch die beiden V-Mann-Führer und der V-Mann selber nicht erinnern können bzw. wollen. Diese Ungereimtheiten sind u.a. durch die Vernehmung des Zeugen Zweigert aufzuklären, da die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Wießner in Bezug auf seine Bestätigungen der Informationen der Deckblattmeldungen der Quellen Tino Brandt, Marcel Degner, Juliane Walther, Andreas Rachhausen und Tibor Re. relevant sind.

Zur Beweistatsache, dass Degner die KS Jena und das Trio gekannt und Böhnhardt seinen RA Thaut vermittelt habe, führt Hoffmann u.a. aus: , ein enger Vertrauter von Degner und ebenfalls Führungsmitglied von B&H Thüringen und Gründer von „White Youth“ hatte enge Kontakt nach Jena, da er dort seine Ausbildung Mitte/ Ende der 90er machte und er Mundlos, auf dessen Garagenliste er auch stand, Böhnhardt und Zschäpe persönlich kannte. Wie überschaubar die Szene in Thüringen letztlich trotz ihrer beachtlichen Größe war, schilderte der Zeuge Bär in seiner polizeilichen Vernehmung: Die Szene habe damals ca. 100 bis 150 Personen aus Jena, Gera, Saalfeld und Rudolstadt umfasst und er habe diese Personen wenigstens vom Sehen gekannt, man habe sich gegrüßt und miteinander gequatscht, wenn auch nicht mehr. Das Trio war aufgrund seiner erheblichen Präsenz in der Szene, sowohl bei Konzerten als auch bei politischen Veranstaltungen, dem häufigen Auftreten zu dritt und wegen Zschäpe auffällig, so dass es nicht vorstellbar ist, dass eine Führungsfigur wie Degner, der außerdem als V-Mann ein besonders großes Interesse für Szenemitglieder hatte, das Trio nicht kannte. Genauso wenig ist es vorstellbar, dass der Zeuge nicht gehört hatte, dass das Trio bzw. die KS Jena für die Serie von Bombenattrappen in und um Jena verantwortlich war, war dieser Umstand doch szeneintern bekannt. Für ein persönliches Kennverhältnis zwischen Degner und dem Trio spricht neben den vielen personellen Überschneidungen und den mindestens zwei Spenden des Zeugen für das Trio nach dessen Untertauchen auch ein Bericht auf „Zeit Online“, in dem es heißt, ein namentlich nicht genannter Aussteiger habe berichtet, die Freundschaft zwischen Degner und Böhnhardt sei in der Szene bekannt gewesen.

Zur Beweistatsache, dass Degner vor dem 08.03.1999 die Hälfte des Erlöses aus einem Konzert in Höhe von über 1.000 DM für das Trio gespendet habe, sagt Hoffmann: Dies ergibt sich aus den Erkenntnissen zu dem Telefonat von Tino Brandt am 08.03.1999 mit Böhnhardt. Diese Erkenntnis ist wesentlich für die Beurteilung der konkreten Glaubhaftigkeit der Angaben von Tino Brandt zu dem Telefonat und damit auch zu seiner Glaubwürdigkeit insgesamt. Die Erkenntnis ist auch deshalb verfahrensrelevant, weil es sich bei der Spende um Konzerteinnahmen handelte, weshalb davon auszugehen ist, dass der Zeuge über das Geld nicht alleine verfügen konnte, sondern die Spende auf einen Beschluss von B&H Thüringen bzw. der Deutschland-Division zurückging. Dies würde belegen, dass das Trio in noch größerem als dem bisher bekannten Ausmaß in die B&H-Struktur eingebunden war und von dieser unterstützt wurde.

Zur Beweistatsache, dass das TLfV bereist vor der Meldung von Szczepanski vom 19.08.1998 Kenntnis von den dortigen Unterstützerstrukturen hatte, führt Hoffmann aus: Dies geht u.a. aus Datenabfragen vom 31.07.1998 beim PZD zu den Personen Rocco Fr. [heute Eh., vormals Dr., siehe u.a. 200. und 210. Verhandlungstag], Hendrik Lasch, Werner und Starke hervor, die u.a. der Zeuge Zweigert vorgenommen hat. Diese Informationen müssen von Degner stammen, da dieser enge Kontakte zu der sächsischen B&H-Sektion hatte, was er in der Hauptverhandlung selbst angab, und da andere Quellen des TLfV mit entsprechenden Kontakten nach Sachsen, von denen die Informationen stammen könnten, bisher nicht bekannt sind. Ebenfalls gab der Zeuge Zweigert im Thüringischen UA an, er könne sich erinnern, dass die Quelle Starke, Werner, Lasch und Graupner kannte.

Zu den „Skinsons“-Shirts sagt Hoffmann: Dafür, dass Degner wenigstens diese T-Shirts kannte und wusste, wer das Motiv entworfen hatte, spricht seine Nähe zu der sächsischen B&H-Sektion und deren Umfeld. V.a. zu Lasch sind Telefonkontakte von Degner am 1.8.1998 nachweisbar. Auch aus den übrigen S-Records ergibt sich, dass das Thema „Skinsons“-T-Shirts den ganzen August über ein großes Thema in der sächsischen Szene war. Außerdem wurde für die T-Shirts ausgerechnet auf der Website der aus Gera stammenden und zu B&H gehörigen Band „“ geworben, die sich unter maßgeblicher Mitwirkung von Degner entwickelte. Diese Umstände sind verfahrensrelevant, da sie die Größe des Unterstützernetzwerkes und die Kenntnis in der Szene über die Aktivitäten des Trios belegen.

Zur Beweistatsache, dass K., Zi. und Me. im Sommer 2000 zu einer C18-Gruppe zusammengeschlossen hätten, führt Hoffmann aus, dies sei aus aus einer Meldung von Brandt aus dem Jahr 2000 bekannt. Hoffmann weiter: Diese Erkenntnis ist relevant, da sie zeigt, dass es spätestens im Sommer 2000 C18-Strukturen in Thüringen gab und dass es somit auch in Thüringen die Diskussion pro und contra C18 gab, die die Zeugen Szczepanski, Meyer-Plath und Lange in der Hauptverhandlung beschrieben haben. Dies zeigt einmal mehr, dass entgegen der Behauptung der Verteidigung Wohlleben die Radikalisierung des Trios nicht isoliert in Chemnitz stattfand, sondern dass dieselben Diskussionen wie bei B&H Sachsen auch in Thüringen geführt wurden.

Zur Erkenntniszusammenstellung zu Mike Bär sagt Hoffmann: Das BKA hat beim BfV eine Erkenntniszusammenstellung zu den Personen angefordert, die sich auf der am 26.01.1998 sichergestellten Garagenliste von Mundlos befinden, u.a. Mike Dieter Bär. Auf diese Anforderung hin teilte das BfV dem BKA mit, dass die dem BfV übermittelten Meldungen vorwiegend vom TLfV stammten, weshalb dieses gebeten worden sei, die dort vorliegenden Erkenntnisse direkt an das BKA zu übermitteln. Es findet sich jedoch keine Zusammenstellung zu Mike Dieter Bär in den Verfahrensakten. Da sich die vom BKA angeforderten Erkenntniszusammenstellungen zu den übrigen Kontaktpersonen von der Garagenliste in der Verfahrensakte befinden, gebietet bereits der Grundsatz der Aktenvollständigkeit, auch die Zusammenstellung zu Bär beizuziehen. Die Tatsache, dass gerade diese Dokumente nicht vorgelegt wurden, liegt mglw. nicht im Zufall begründet. Es gibt ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei um ein gezieltes Nichtvorlegen handelte. Hintergrund der Nichtvorlage so wie auch der auffallend späten Vernehmung von Mike Bär am 03.09.2013 könnte nach einem, allerdings bisher unbestätigten, Medienbericht sein, dass auch Bär als Informant oder V-Mann für das TLfV gearbeitet hat. Der Antrag ist von mehreren NK-Vertreter_innen unterschrieben, weitere schließen sich an.

Nach der Mittagspause folgt um 13:17 Uhr die Zeugin Sch. Götzl sagt, es gehe um einen Überfall auf die Postfiliale Johann-Dick-Straße in Chemnitz am 30.11.2000; Sch. solle von sich aus berichten, was sie in Erinnerung habe. Sch. sagt, es sei gegen Mittag gewesen, sie hätten gerade schließen wollen. Dann habe es einen Knall gegeben und es sei ihr jemand über den Tresen gesprungen, sei mit ihr in den Tresorraum und dort habe der das Geld verlangt. Der habe ihr den Rücken zugedreht. Sie selbst habe den Alarmknopf gedrückt. Es sei dann lauter Alarm losgegangen, was auch nicht sein dürfe, und dann sei alles vorbei gewesen. Götzl fragt, ob es eine Person gewesen sei. Es seien zwei Personen gewesen, so Sch., einen habe ihre Kollegin M. gehabt und einer sei bei ihr selbst gewesen. Götzl sagt, Sch. solle die Anordnung schildern. Sch. spricht von zwei Schaltern im Schalterbereich, hinter dem einem sei sie selbst gewesen. Der sei über die Bande hinweg gesprungen und sie habe in den Tresorraum gemusst.

Auf Frage, wie die Entfernung zum Tresorraum sei, sagt Sch.: „Das ging eine Türe raus, die andere wieder rein.“ Götzl sagt, Sch. sei also hinter dem Schalter gewesen und die Person sei rüber gesprungen, und fragt, ob da Äußerungen gefallen seien. Sch.: „Im Tresorraum hat er gesagt: Schnell Geld raus oder schnell die Türe aufmachen.“ Götzl fragt, ob die bewaffnet gewesen seien. Sch.: „Meine ja.“ Der, mit dem sie nach hinten sei, sei bewaffnet gewesen. Sch. verneint, die Waffen beschreiben zu können. Götzl: „An das Aussehen keine Erinnerung?“ Sch.: „Nein, eigentlich, nee. Nur Strickpullover.“ [phon.] Auf Frage sagt Sch., sie selbst sei 1,63 m groß. Götzl: „Wie groß war die Person, die über den Schalter gesprungen ist im Verhältnis?“ Sch.: „So ähnlich groß.“ Zu der zweiten Person, mit der M. befasst gewesen sei, könne sie gar nichts sagen, da habe sie keine Erinnerung. Götzl fragt, ob Sch. eine Erinnerung an die Sprache, eine Färbung, einen Dialekt habe. Da sei keine Besonderheit gewesen, so Sch.; zur regionalen Zuordnung könne sie nichts sagen.

Götzl fragt zur Situation im Tresorraum, ob Sch. etwas zur Art der Waffe sagen könne. Sch, sagt, sie habe zuerst gedacht, das sei eine Spielzeugpistole, aber das seien Sekunden gewesen. Götzl fragt, wie Sch. auf die Aufforderung Geld herzugeben, reagiert habe. Sch.: „Ungern.“ Götzl fragt, ob der Tresorraum offen oder gesichert gewesen sei. Sch. sagt, in der ersten Tür sei der nicht gesichert gewesen. Sie verneint, sagen zu können, wieviel Geld sie gegeben habe. Götzl fragt, ob Sch. dem Täter das Geld gegeben habe oder der es genommen habe. Sch.: „Er hat das Geld genommen.“ Götzl: „Mir ist noch nicht klar, wie die Situation weiter ging. Sie waren im Tresorraum, der Täter nimmt das Geld. Wie ging es weiter? Wo haben Sie sich hinbegeben, wohin der Täter?“ Es sei ja der Tresorraum gewesen, so Sch., der Täter habe das Geld genommen, sei aus dem Tresorraum raus, sie habe den Alarmknopf gedrückt. Dann sei der Täter über die Bande. Sie selbst sei da noch im Tresorraum gewesen.

Irgendwie müsse der raus gekommen sein, als sie in den Schalterbereich gekommen sei, sei ja schon alles passiert gewesen. Sie verneint, dass noch jemand außer ihr und ihrer Kollegin anwesend gewesen sei. Auf Frage, wie es ihr nach dem Überfall ergangen sei, sagt Sch.: „Ich habe heute noch so das Problem: ich erschrecke sehr schnell.“ Götzl möchte wissen, wie es unmittelbar nach dem Überfall gewesen sei. Sch:. „Ich wollte meine Kunden weiter bedienen, eigentlich.“ Sie hätte nach dem Überfall zugelassen und Inventur gemacht. Götzl: „Und haben Sie in den folgenden Tagen gearbeitet? „Sch.: „Ja.“ Sie verneint, in ärztlicher Behandlung gewesen oder verletzt worden zu sein. Götzl: „Wie ging es der Kollegin?“ Sch.: „Sie war auch geschockt.“

Götzl fragt, ob Sch. etwas dazu sagen könne, wieviel Geld insgesamt von Seiten der Täter mitgenommen wurde, was die Zeugin verneint. Auf Nachfrage sagt sie, ihre Vorgesetzte werde wohl eine Aufstellung gefertigt haben, aber es sei lange her. Götzl sagt es gebe in den Akten eine Notiz der Kripo Chemnitz vom 06.12.2000. Dort habe Herr Me. notiert habe, dass er mit Sch. Rücksprache gehalten habe. Demzufolge seien in den Geldladen von Kasse 1 und Kasse 2 je 1.300 DM deponiert gewesen; aus den beiden Tresoren, die den zwei Kassen zugeordnet 13.030 DM sowie 23.270 DM geraubt worden, insgesamt 38.900 DM [alle Zahlen phon.]. Sch.: „Wird wohl so sein.“

Vorhalt: Die Person, die sich bei mir befand, kann ich wie folgt beschreiben: 1,70 bis 1,80, ca. 20 bis 25 Jahre. Sch.: „Kann ich nicht einschätzen.“ Vorhalt: Haare habe ich keine gesehen, Augenfarbe unbekannt, Narben habe ich keine gesehen, Tätowierungen auch nicht; ob die Person Handschuhe trug, kann ich nicht mehr sagen. Sch. verneint, sich erinnern zu können. Vorhalt: Normaler Dialekt. Sch.: „Ja, eben ganz normal.“ Vorhalt: Bekleidung: Ich weiß nur, dass er eine schwarze Lederbundjacke getragen hat, weiter kann ich diese Jacke nicht beschreiben. Sch. sagt, es sei ja auch ein Foto gemacht worden, es sei aber ein Strickpullover gewesen [phon.]. Sie bejaht, dass der Täter maskiert gewesen sei, könne aber nicht sagen, wie. Vorhalt: Der Täter trug über seinem Gesicht ein Tuch, ein Dreieck; dieses trug er bis über die Nase; das Tuch war dunkelblau und in sich mit runden Ornamenten abgesetzt; weiterhin trug er er eine mittelblaue Wollmütze bis in die Stirn gezogen, die Ohren waren bedeckt; die Kopfform war rund; die Person war nicht dünn, aber auch nicht dick. Sch.: „Ich wüsste das nicht mehr, wenn Sie es nicht vorgelesen hätten.“

Vorhalt: In der rechten Hand hielt er eine Pistole; er fuchtelte rum mit der Pistole. Das mit dem Fuchteln habe sie gesagt, so Sch., aber ob es rechts war, wisse sie nicht mehr. Vorhalt: Ich habe beide Wertgelasse dem Täter geöffnet und der Täter wühlte rum; meiner Meinung nach war er enttäuscht; er äußerte zu mir: Du willst doch keine Kugel abhaben. Sch.: „Ja.“ Vorhalt: Dies äußerte er ca. zehn Mal. Sie könne sich nicht mehr entsinnen, so Sch. Vorhalt: Aus beiden Wertgelassen wurde Bargeld mitgenommen, müssten so in etwa 40.000 DM gewesen sein; Briefmarken und Hartgeld verblieben in den Wertgelassen; es wurden zweimal 360 DM Registriergeld durch die Täter mitgenommen. Sch. verneint, sich zu erinnern. Vorhalt: Die Pistole hatte der Täter in der Hand, auch als er die Wertgelasse ausräumte; weiterhin hat er unsere Privatspinde aufgerissen. Sch.: „Ach, das wo wir unsere Taschen drin hatten. Ja.“ Die Zeugin wird entlassen.

Als letzte Zeugin für heute wird Iris M. gehört. Götzl sagt, es gehe um den Überfall am 30.11.2000, M. solle berichten. Sie habe an dem Tag ganz normal auf Arbeit an ihrem Arbeitsplatz gesessen. so M.: „Kurz vor Mittag, kurz vor Schließung – wir haben damals um 12 Mittagspause gemacht – gab es einen Knall.“ Sie hätten so seitwärts gesessen, so Sch. weiter, und sie habe nur wahrgenommen, wie jemand da hochsprang und wie er eine Art Waffe davor hält, hundertprozentig wisse sie es nicht. Der sei sofort über die Plexiglasscheibe und sie sei mit dem Stuhl zurückgerollt. Fast zeitgleich sei der Zweite sofort über die Scheibe. Der sei mit ihrer Kollegin in die Hinterräume gegangen und sie selber habe die zwei Kassen ausräumen müssen. Sie habe dann an der Wand sitzenbleiben und warten müssen: „So wie sie reingekommen sind, sind sie auch wieder über die Plexiglasscheibe zurückgesprungen und über den Vorraum raus.“ Die Kollegin habe noch den Alarm gedrückt. Sie hätten gedacht, das sei ein stiller Alarm, aber es sei keiner gewesen, der sei schon losgegangen, als die durch die Tür raus seien.

Götzl fragt, ob M. die Täter beschreiben könne. Die Größe sei normal gewesen, sie könne da keine Angaben machen, weil der nie in voller Größe vor ihr gestanden habe. Es seien zwei männliche Personen gewesen, da sei sie sich fast sicher: „Aber von der Beschreibung her? Dunkle Kleidung, nichts Auffälliges.“ Sie habe ja nicht hochgucken dürfen. Sie habe es versucht, aber da sei ihr gesagt worden: „Guck runter!“ Sie habe sich nicht getraut zu gucken, die Pistole sei auf sie gerichtet gewesen. Götzl fragt, ob sie die Pistole beschreiben könne. M.: „Nee. Vor mir war der schwarze Lauf. Ob es wirklich eine richtige Pistole war, weiß ich nicht. Ich kann nicht mal sagen, ob echt oder unecht, was dann später von der Polizei gefragt wurde.“ Sie wisse nicht, ob die zweite Person auch bewaffnet war, so M. auf Frage. Götzl fragt, ob sie zu den Äußerungen noch Näheres sagen könne. M.: „Genau kann ich das nicht sagen.“ Sie glaube sich zu erinnern, dass der auf alle Fälle so sinngemäß gesagt habe: „Räum‘ die Geldfächer aus!“ Sie habe rüber gemusst zur Kasse der Kollegin. Sie wisse nicht, ob es eine Tüte war, aber irgendwas habe der ihr hingehalten, da habe sie das reingeschmissen.

Götzl fragt nach der Sprache. M.: „Schwierig. Ich kann das nicht hundertprozentig sagen.“ Es sei nichts Ausländisches gewesen, sie könne aber nicht sagen, ob Sächsisch. M. weiter: „Aber es war deutsche Sprache, nichts was abgehackt oder so klang. Kam klar und deutlich rüber, die Anweisung.“ Sie verneint, dass sie das Gesicht habe erkennen könne, da sei eine Maske davor gewesen. Götzl sagt, ihm sei etwas nicht ganz klar, was das Geld anbelangt, und fragt, ob M. sowohl in ihrem Schalterbereich als auch bei der Kollegin Geld habe holen sollen. M.: „Ja. Beide Kassenladen sollte ich ausräumen.“ Sie seien sich gegenüber gewesen, wie ein Schreibtisch. Sie habe die Schubladen ausgeräumt, könne aber nicht mehr sagen, ob sie es in den Beutel geschmissen oder nur hingelegt habe. Götzl fragt, ob M. etwas zur Größenordnung der Beute sagen könne. M.: „Nein.“ Es könne mehr gewesen sein, weil es am nächsten Tag hätte abgeholt werden sollen: „Das war verwunderlich. Ich weiß nicht, ob das Zufall war.“

Götzl fragt zu den Folgen für M. M.: „Ich habe gedacht, ich bin im falschen Film.“ Das seien ihre ersten Gedanken gewesen, dann habe sie den Ernst der Situation begriffen und sich gesagt, dass sie das raus gebe. Sie habe Beine wie Pudding gehabt. Sie sei nicht zur Ruhe gekommen, dann sei die Polizei da gewesen. Sie sei dann am nächsten Tag wieder auf Arbeit gewesen. Sie sei sicherlich schreckhaft gewesen, habe nachts nicht geschlafen, aber sie sei nicht in ein tiefes, schwarzes Loch gefallen. Es habe auch Bekannte gegeben, die aus Spaß „Das ist ein Überfall“ gesagt hätten: „Dann war es aus.“ Aber sie könne auch jetzt wieder ohne Angstzustände arbeiten.

Vorhalt aus der Vernehmung von M. am 30.11.2000: Es muss gegen 11:10 Uhr gewesen sein, als es einen lauten Knall gab und ich 2 Personen wahrnahm; diese Personen hatten wir nicht hereinkommen hören; beide hockten auf der Kundenseite des Schaltertresens, direkt vor der gläsernen Trennwand; mir ist erinnerlich, dass beide gleichzeitig gesagt haben: „Das ist ein Überfall!“ M.: „Ja, ja, es gab einen Rumms und die hockten beide auf der Schalterbande und dann sprangen Sie rüber.“ Vorhalt: Der Täter an meinem Schalter bedrohte mich durch die Scheibe mit einer Pistole; ich glaube sogar, dass er diese ungewöhnlicherweise in der linken Hand hielt. M. verneint, sich zu erinnern. Vorhalt: Er äußerte „Gib’s Geld her“, blieb aber auf dem Tresen hocken. Das wisse sie nicht mehr, so M., es könne sein. Sie wisse, dass einer rüber sei und in den Tresorraum mit der Kollegin.

Vorhalt: Ich fragte, was er konkret haben wolle, er antwortete: „Nur Scheine“. M.: „Kann sein, weiß es nicht mehr.“ Vorhalt: Der Täter, der mich bedroht hatte: 1,70 bis 1,80, 20 bis 25 Jahre. Sie hätten am Innenraum vom Schalter eine Markierung gemacht, damit man sehe wie groß der Kunde ist, so M. Aber der Täter sei ja hochgesprungen, habe gehockt, sie wisse es nicht. Vorhalt: Bekleidung: Dunkelgrün-blaue Bundjacke, Anorak, an den Oberarmen eingelassener Stoff, Sportschuhe grau-dunkelgrau. [phon.] M.: „Ich kann nur sagen: Sportschuhe. Weil die habe ich ja vor mir gesehen. Aber Kleidung? Tut mir leid.“ Vorhalt: Hiesiger Dialekt. M. sagt, es sei irgendwas Deutsches gewesen, normal. Vorhalt: Maskiert war der Täter mit einem Dreieckstuch, grau kariert und blau. [phon.] M.: „Sehen Sie! Ganz anders als ich jetzt gedacht hätte. Es war was Dunkles, Graues.“ Götzl verkündet, dass neben dem bereits abgesetzten 18. Juni auch die Termine am 11. und am 25. Juni abgesetzt werden. Der Verhandlungstag endet um 14:05 Uhr.

Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:

„Heute berichteten zunächst zwei Sachverständige zu den Waffen des Trios, vor allem zu Munitionsteilen, die in der NSU-Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau gefunden wurden. Es ergab sich, dass die Munitionsteile – alle vom Kaliber 6.35mm Browning – aus vier verschiedenen Waffen stammten, von denen nur eine gefunden wurde. Der NSU hatte also wahrscheinlich noch weitere Waffen. Einige der Hülsen stammten aus der Tatwaffe des Überfalls auf einen Edeka-Markt in Chemnitz im Dezember 1998, dem wohl ersten der Überfälle des NSU – dort hatten sie auf einen Jugendlichen, der ihnen hinterhergelaufen war, scharf geschossen.“

http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/06/09/09-06-2015/

    » «