An diesem Verhandlungstag werden (ehemalige) Mitarbeiter des LfV Hessen zu Telefonaten mit Andreas Temme befragt. Diese Telefonate spielten sich in einem Zeitraum ab, in dem Temme des Mordes an Halit Yozgat verdächtigt wurde. Er, ein hauptamtlicher VS-Mitarbeiter und V-Mannführer, war zum Zeitpunkt des Mordes am Tatort, dem Internetcafé, meldete sich danach nicht als Zeuge bei der Polizei und gab dann an, er habe nichts mitbekommen. Diese Version der Ereignisse wird bis heute stark angezweifelt. Die mitgeschnittenen Telefonat waren Bestandteil eines ausführlichen Beweisantrags von Nebenklagevertreter_innen am 188.Verhandlungstag.
Zeugen:
- Hans-Joachim Mu. (ehem. Mitarbeiter des LfV Hessen, Telefonat mit Andreas Temme)
- Frank-Ulrich Fe. (ehem. Mitarbeiter des LfV Hessen, Telefonate mit Andreas Temme)
- Michael Ha. (Mitarbeiter des LfV Hessen, Telefonat mit Andreas Temme)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Erster Zeuge ist Hans-Joachim Mu. Bei der Personalienfeststellung sagt Mu., er sei im vorgezogenen Ruhestand: „Was ich da treibe, das spielt keine Rolle.“ Götzl: „Es geht um Ereignisse in Zusammenhang mit einem Tatgeschehen 2006 in Kassel zum Nachteil Halit Yozgats. Von Interesse ist ein Telefonat, das zwischen Ihnen und Herrn Temme am 09.05.2006 stattgefunden haben soll und zum anderen geht es um die Frage: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen und polizeiliche Ermittlungen.“ Dann verliest Götzl die Aussagegenehmigung. Danach sagt Götzl: „Sie haben gehört, worum es geht: Ob das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen die polizeilichen Ermittlungen gesteuert oder beeinflusst hat durch Zugänglichmachung oder Vorenthalten von Informationen.“ Mu.: „Ich gehe mal davon aus, dass das Beweisthema das Telefongespräch ist, das Sie angeführt haben in Ihrer Ladung. Ich weise nur allgemein darauf hin, dass wir die Ermittlungen der Polizei nicht gesteuert oder beeinflusst haben. Temme war Mitarbeiter wie andere auch.“ Er gehe davon aus, dass das Telefonat Folge dieser Ermittlungen ist, aber er könne sich an den Inhalt nicht erinnern.
Mu.: „Das ist keine Erinnerungslücke, die ich hier zur Schau stelle, sondern das ist tatsächlich so. Ich habe meine Notizen und Kalender nachvollzogen, ob ich mir zu dem Termin was notiert habe, und nichts gefunden. Ich bin bereit, wenn ich den Text habe, Stellung dazu zu beziehen, aber das liegt jetzt über acht Jahre zurück und ich kann es nicht so aus dem Gedächtnis nachvollziehen.“ Götzl fragt, ob eine Erinnerung an einen telefonischen Kontakt mit Temme da sei. Mu.: „Ich habe sicherlich mit einem Mitarbeiter, der mir zugeordnet war, telefoniert.“ Er könne nicht sagen, ob an diesem Datum, so Mu, aber Temme sei zu dem Zeitpunkt ein Mitarbeiter von ihm gewesen. Er wisse nicht, ob schon suspendiert oder noch voll im Dienst: „Aber auch dann gilt: Er ist ein Mitarbeiter von mir.“. Götzl: „Haben Sie eine Erinnerung an die Thematik, über bestimmte Umstände?“ Mu.: „Wie es zu dem Namen Temme gekommen ist und warum er in diesem Verfahren ist, das weiß ich also, davon kann man auch zur Genüge in der Presse lesen, auch wenn ich schon seit über einem Jahr nicht mehr aktiv im Dienst bin, aber das kann ich noch nachvollziehen.“
Götzl: „Ja, ist eine Erinnerung da, ob Sie telefoniert haben, und zum anderen an den Inhalt des Telefonats, sei es auch nur in vager Form?“ Mu.: „Wie gesagt: Ich habe in allgemeiner Form zugestanden, dass ich bestimmt telefoniert habe in der Phase, aber konkret zu diesem Telefonat habe ich nichts im Gedächtnis oder Notizen darüber. Wenn das ein Telefonat ist, sollte der Text ja aufgezeichnet sein. Wenn der aufgezeichnet ist, dann stand und steht er mir nicht zur Verfügung.“ Götzl: „Dann wäre es sinnvoll, dass wir das Gespräch mal vorspielen.“
[Es wird im Folgenden der Beginn der Audiodatei einer TKÜ des Telefongesprächs zwischen Mu. und Temme abgespielt. Mu. ist der Anrufer und sagt, Temme habe versucht Frau Pi. zu erreichen, worauf Temme sagt, er wolle sich mal wieder melden, ob es irgendwas gibt, was er machen könne oder noch zu klären sei. Danach unterbricht Götzl die Wiedergabe des Gesprächs.]
Götzl: „Was können Sie dazu sagen? Sind Sie das?“ Mu.: „Das ist ein normaler Inhalt eines Telefonats. Er hat versucht eine Kollegin von mir zu erreichen. Er kann mich selbstverständlich anrufen. Er wollte drauf hinweisen, dass irgendwelche Leute vor der Türe stehen.“ Götzl fragt, ob Mu. keine Erinnerung an den weiteren Inhalt habe. Mu. antwortet, er habe keine Anhaltspunkte dafür. Götzl: „Na gut, dann setzen wir mal fort.“
[Die Wiedergabe der Audiodatei wird fortgesetzt. Aus redaktionellen Gründen können wir das Telefonat hier nicht wiedergeben. Auf wichtige Stellen gehen die Verfahrensbeteiligten im Verlauf der weiteren Vernehmung mit Vorhalten ein. Siehe zum Inhalt des Telefonats auch die Beweisanträge der NK Yozgat vom 188. Verhandlungstag.]
Nachdem die Wiedergabe beendet ist, fragt Götzl: „Was sagen Sie dazu?“ Mu.: „Vielen Dank, jetzt ist nicht das Datum in Erinnerung, aber das Gespräch ist wieder da.“ Das sei also offensichtlich gewesen, als Temme nicht mehr in U-Haft gewesen sei. Temme habe den Auftrag gehabt, eine dienstliche Erklärung abzugeben. Mu. weiter: „Man mag also aus dem Telefonat herausgehört haben, wenn man es sehr sachlich bewertet, dass ich versucht habe, für meinen Kollegen da zu sein.“ Das sei eigentlich in jeder Situation so gewesen, dass Kollegen bei ihm um Rat nachgesucht hätten. Mu.: „Sie mögen aber auch feststellen, dass ich ihn nicht beeinflusst habe aus dienstlicher Sicht, was er schreiben soll. Dass das laufende Ermittlungsverfahren tangiert wird von irgendeiner Seite, wollte ich nicht. Aufgabe von mir war, da zu sein, ihm Rat zu erteilen in sehr vorsichtiger Art. Ihm nicht zu diktieren, was er tun soll, sondern ihm die Möglichkeit zu geben mit dem Geheimschutzbeauftragten Kontakt aufzunehmen. Ich bin weit davon entfernt, gerade weil er Kollege war viele Jahre, ihm zu diktieren, ihm vorzugeben, was er schreiben soll. Ihm aber ein Gesprächspartner zu bleiben im Hinblick auf seine private Situation. Private Dinge waren für den Vorgesetzten immer ein Thema, mit dem die Kollegen kommen konnten, und das ist hier auch geschehen.“
Götzl: „Welche Funktion hatten Sie zu der Zeit?“ Mu.: „Ich war Abteilungsleiter für einen operativen Bereich, zu dem ich in meiner Aussagegenehmigung nichts sagen darf.“ Götzl fragt, wie Mu.s Kenntnisstand zur damaligen Zeit gewesen sei zur Situation Temmes und welche Informationen er im Hinblick auf die Vorwürfe gegen Temme gehabt habe. Mu.: „Ich wusste, dass er sich in unmittelbarer Nähe des Tatorts aufgehalten hat. Dass es Erstaunen ausgelöst hat, dass er das getan hat. Ich kenne den Grund des Aufenthaltes, nicht an dem Tatort, sondern in dem Objekt. Das war ein Internetbüro gewesen, in dem Herr Temme gesurft hat. Über Einzelheiten des Surfens kann ich nur sagen, das hat mit dem Dienst nichts zu tun gehabt, sicherlich nicht. Ich weiß, was er da gesurft hat und dass es seiner Frau sicherlich nicht gefallen hat.“ Auf Frage, woher er diesen Informationsstand gehabt habe, sagt Mu.: „Ob das aus der Polizeiarbeit war oder aus Aussagen Temmes, das kann ich heute nicht mehr sagen. Es war kein großes Geheimnis, welches Objekt das war. Das war auch schnell in der Zeitung. Also, das kann ich genau nicht zuordnen. Aber das sind die Fakten, wie sie wirklich waren. Wir hatten natürlich auch Kontakt zur Polizei, aber ich sage es nochmal, ich wollte vermeiden, Einfluss zu nehmen auf das Ermittlungsverfahren.“
Götzl fragt nach dem Kontakt zur Polizei. Mu. sagt, es sei natürlich von beiden Seiten Kontakt aufgenommen worden und insofern sei das nicht ungewöhnlich, dass man mit der Ermittlungsbehörde Kontakt hat: „Ohne Einfluss, ich wiederhole mich gern, ohne Einfluss auf das Ermittlungsverfahren auszuüben. Das war nicht unser Ziel.“ Götzl fragt, was der Hintergrund der Einbindung von Hess gewesen sei. Mu. sagt, da gehe es um die Verpflichtung jedes Mitarbeiters für die Tätigkeit: „Und eine Suspendierung ist ein Entzug dieser Verpflichtungserklärung [phon.]. Insofern ist das eine Sache des Geheimschutzbeauftragten. Und das war Herr Hess damals.“ Götzl: „Jetzt ist hier die Rede im Telefonat im Zusammenhang mit Herrn Hess, dass das ‚optisch einfach besser aussieht‘. Was war damit gemeint?“ Mu.: „Ich wollte keinen Einfluss ausüben auf die Reaktion von Temme in dem Verhalten zum Geheimschutzbeauftragten. Das ist ein Gespräch, das die beiden führen sollen. Da wollte ich keinen Einfluss ausüben und ihm die Möglichkeit geben, mit ihm zu telefonieren oder zu sprechen.“
Götzl sagt, es gebe einen Vermerk, ein Wortprotokoll des Gesprächs, und hält daraus vor: Der unterhält sich häufiger, äh, mit ihm da drüber. Mu.: „Mit dem Amtsleiter.“ Götzl fragt, ob das Herr Irrgang (92. Verhandlungstag) sei. Mu.: „Exakt.“ Vorhalt: Weil – wie gesagt – ihn haben wir so ein bisschen hier im Hause jetzt als auch den Ansprechpartner für alle Dinge, dass das etwas neutraler von Statten geht und, äh, nicht die Fachabteilung jetzt, ähm, das händelt. Wobei wir das genauso wie Herr Hess händeln würden, aber das sieht optisch einfach besser aus. Mu.: „Es geht um die Abteilungsleitung, die operative Seite, in die Temme eingebunden war, das ist ja kein Geheimnis. Da wollte mich bewusst zurückhalten, um diesen Einfluss aus der Ecke überhaupt nicht entstehen zu lassen.“
Es folgt eine Unterbrechung bis 10:34 Uhr. Dann sagt NK-Vertreter RA Kienzle: „Es ergeben sich ein paar weitere Fragen. Ich möchte damit anfangen, dass sie gerade berichtet haben, wie Ihr Kenntnisstand war und woher Sie diesen hatten, Polizeiarbeit oder Aussagen Temmes. Können Sie das noch weitergehend konkretisieren? Bei welchen Gelegenheiten haben Sie Informationen über die Polizei erlangt und bei welchen Gelegenheiten über Aussagen von Temme?“ Mu.: „Das waren keine konkreten Gespräche mit Temme oder der Polizei. Es ist aus der Polizeiarbeit Information in unser Haus gekommen und relativ schnell in der Presse zu lesen gewesen.“ Kienzle: „‚Aus Polizeiarbeit ins Haus gekommen‘. Was verbirgt sich hinter dieser Formulierung? Können Sie den Weg mitteilen?“ Mu.: „Ich kann den nicht konkret schildern. Es ist jedenfalls nicht unüblich, dass bei einem Straftatverdacht gegen einen unserer Mitarbeiter natürlich ein Kontakt zu unserem Haus zustande kommt. Das halte ich für legitim und geboten. Wer wen gesprochen hat, kann ich nicht nachvollziehen.“ Kienzle: „Was legitim ist, ist auch vielleicht nicht unsere Entscheidung. Wie ist dann die Information zu Ihnen gekommen, im Haus?“ Mu.: „Ich kann im Detail die Puzzlesteinchen nicht nachvollziehen.“
Dass die Informationen zu dem zunächst tatverdächtigen Temme zu ihm, Mu., gelangen, sei eine Selbstverständlichkeit, sagt der Zeuge. Kienzle: „Warum?“ Mu.: „Weil es sich um einen Mitarbeiter handelte, und was ist naheliegender als den unmittelbaren Vorgesetzten in Kenntnis zu setzen.“ Kienzle: „Haben Sie irgendwelche Informationen über die Abläufe?“ Mu.: „Ich habe es nicht protokolliert, heute würde ich’s gerne protokollieren, dann könnte ich das vorlesen. Ich kann das nicht nachvollziehen.“ Kienzle: „Sie haben das damals nicht protokolliert?“ Mu.: „Nein, es gab keinen Anlass das zu protokollieren, weil es ein Telefonat war, was er mit mir gar nicht führen wollte.“ Kienzle: „Mir ging es um eine Protokollierung des Informationsflusses, wann Sie welche Informationen woher bekommen haben?“ Mu.: „Darüber habe ich sicherlich keinen Vermerk gemacht.“ Kienzle: „Was heißt ’sicherlich‘?“ Mu.: „Legen Sie es nicht auf die Goldwaage. Ich bin mir keines Vermerkes bewusst.“ Kienzle: „Sie haben zu all dem keine Protokolle, keine Vermerke, nichts Schriftliches abgefasst?“ Mu.: „Ich habe darüber nichts Schriftliches abgefasst.“ Kienzle: „Sie sprechen in dem Telefonat davon, dass Sie sich mit Frau Pi. austauschen. Fällt Ihnen da ein Gespräch mit Frau Pi. ein?“ Mu.: „Sie war zu diesem Zeitpunkt meinen Vertreterin, deswegen dieser Hinweis und die Nachfrage von Temme nach ihr, weil er mit ihr des öfteren gesprochen hat, offensichtlich gesprochen hat.“
Kienzle: „Sie sagen sinngemäß, dass Temme davon ausgehen könne, alles was Frau Pi. erfährt, würden Sie auch erfahren. Kommt da eine Erinnerung über Treffen mit Frau Pi.?“ Mu.: „Kann ich nicht nachvollziehen im Moment.“ Kienzle: „Sie haben auch gesagt, es können auch aus Aussagen von Temme gewesen sein. Wann hatten Sie erstmalig mit Herrn Temme in diesem Sachverhalt persönlichen Kontakt?“ Mu.: „Es wäre jetzt fahrlässig, etwas zu vermuten.“ Kienzle: „Gibt es darüber Aufzeichnungen Ihrer Person?“ Mu.: „Das kann ich so nicht sagen, da müsste ich alle Aktenberge durchwälzen [phon.].“ Kienzle: „Hatten Sie die für die heutige Verhandlung zur Verfügung?“ Mu.: „Nein, hatte ich nicht zur Verfügung. Ich bin seit einem Jahr im Ruhestand.“ Kienzle: „Was sind denn das für Aktenberge?“ Mu.: „Aktenberge bitte ich, nicht den LKW vorzustellen, in dem sie sich befinden. Es ist schon einige Arbeit, nachzuvollziehen, ob es da Notizen oder Informationen gibt.“ Kienzle: „Was sind denn das für Akten, in denen sich die Notizen befinden?“ Mu.: „Es gibt sicher keine Aktenberge zu Temme.“ Kienzle: „In welchen Akten wollen Sie denn nachvollziehen, ob es von Ihnen Vermerke zu Kontakten gibt?“ Mu.: „Das ganze Verfahren besteht ja nicht nur aus dem Herrn Temme, sondern aus einem Ermittlungsverfahren mit vielen Nuancen, sage ich jetzt mal.“ Kienzle: „Von welchem Ermittlungsverfahren sprechen Sie jetzt genau?“ Mu.: „Das von Temme.“ Kienzle: „Was meinen Sie mit Nuancen?“ Mu.: „Legen Sie mir das jetzt bitte nicht immer …“
Kienzle: „Sie haben ja gemerkt, ich habe Interesse auch an Formulierungen. Was sind die Nuancen, von denen Sie sprechen?“ Mu.: „Es gibt ein Ermittlungsverfahren der Polizei und es gibt einen Mitarbeiter des Landesamtes. Es war unsere Hauptaufgabe, uns mit diesem Mitarbeiter zu beschäftigen und der Polizei Rede und Antwort zu stehen.“ Kienzle: „Woher kommt Ihre Idee, dass Sie in den Akten Ermittlungsverfahren der Polizei nach Vermerken nachgucken können?“ Mu.: „Ich weiß nicht, was aus dem Ermittlungsverfahren der Polizei von uns nach draußen geraten ist.“ [phon.] Kienzle fragt, ob Mu. persönliche Gespräche mit Temme vor dem Telefonat gehabt habe. Mu.: „Da habe ich zur Zeit keine Erinnerung. Nicht nur zur Zeit.“ Kienzle fragt, wer denn aus Mu.s Sicht derjenige sei, den man fragen könne, was aus dem LfV nach draußen gelangt ist. Mu.: „Das ist eine Entscheidung der Amtsleitung. Müsste eine Entscheidung der Amtsleitung sein, vorsichtig formuliert.“ Kienzle fragt, ob das Herr Irrgang sei. Mu.: „Damals ja.“ Mu.: „Hatten Sie unmittelbar Kontakt zu Irrgang damals?“ Mu. sagt, wenn man in einer kleinen Behörde arbeite, habe man fast täglich Kontakt zu Irrgang.
Kienzle: „Schildern Sie mir: Wie war die Situation im Landesamt nach dem 21.04., also Festnahme Temmes? Wer hat da mit wem gesprochen, gab es da eine Festlegung, wer mit wem spricht?“ Mu.: „Ich bin gerne bereit, zwei Sätze dazu zu sagen, obwohl das nicht Beweisthema ist. Aber als der Vorwurf zu Stande kam gegen Temme, gab es, wie soll ich sagen, die Suche nach Möglichkeiten, ob er für einen solche Tat überhaupt in Frage käme. Wo hat er sich bei welchen Aufgabenwahrnehmungen oder im Urlaub aufgehalten? Das waren so die ersten Dinge, die bei uns im Haus getan wurden.“ Kienzle: „Das waren die zwei Sätze?“ Mu.: „Es wurde versucht nachzuvollziehen, ob es Fakten gibt, wie Urlaub, Urlaubsreise, Lehrgang, Dienstreise etc., viele Möglichkeiten, dass er zu dem Zeitpunkt an den Tatorten – es ist ja eine ganze Serie – ob er an diesen Tatorten überhaupt gewesen sein konnte.“ Kienzle: „Und zu der konkreten Tat hier: Sie wussten, dass er sich in diesem Objekt aufgehalten hat, in dem die Tat stattfand. Was ist denn da an Recherche vorgenommen worden und von wem? Wer hat mit wem worüber gesprochen?“ Mu.: „Geht es um die allgemeine Reaktion auf die Tat oder Taten oder konkret die Tat in Kassel?“ Kienzle: „Konkret um die Tat in Kassel.“ Mu.: „Da war es deutlich ein Ermittlungsverfahren der Polizei. Wer mit wem Kontakt aufgenommen hat, kann ich so nicht nachvollziehen.“
Kienzle: „Wann Sind Sie damit konfrontiert worden?“ Mu.: „Sie haben mitbekommen, dass mir das Telefonat vorgespielt worden ist, darüber hinaus habe ich überhaupt keine Erinnerungen.“ Kienzle: „Wie viele Mordermittlungen wurden im LfV Hessen gegen Ihnen unterstellte Mitarbeiter wurden geführt?“ Mu.: „Das ist eine Frage, die zu der Angelegenheit keine Rolle spielt.“ Kienzle erwidert, die Frage sei gestellt: „Wenn Sie die Güte hätten sie zu beantworten.“ Mu.: „Soweit ich weiß, gibt es keine anderen Mordermittlungen.“ Kienzle: „Trotzdem erinnern Sie sich nicht?“ Mu. sagt, Kienzle solle ihm bitte die lange Zeit zwischen der Tat und heute nachsehen. Kienzle sagt, es gehe ihm um die Strukturen beim LfV hausintern, die so genannten „optischen Gründe“, warum Hess eingeschaltet wurde. Mu., so Kienzle, habe hier gesagt, er habe sich „bewusst raushalten“ wollen. Götzl unterbricht, das habe Mu. so nicht gesagt. Kienzle entgegnet, das entspreche seiner Mitschrift. Mu. sagt, er wiederhole gerne nochmal, dass er als Vorgesetzter von Temme nicht Einfluss auf die polizeilichen Ermittlungen habe nehmen wollen und auch nicht auf die dienstliche Erklärung: „Insofern kam das Thema des Geheimschutzbeauftragten hier ins Gespräch. Es war nicht meine Aufgabe, nicht meine Handlungsbreite. Ich wollte da nicht den Versuch entstehen lassen, da überhaupt Missverständnisse entstehen zu lassen.“
Kienzle fragt, ob das bedeute, dass die Amtsleitung den Geheimschutzbeauftragen eingesetzt hat. Mu.: „Nicht eingesetzt, sondern der bestand schon zu dem Zeitpunkt, wo noch gar nicht an diese Sache gedacht wurde.“ Kienzle: „Sie haben in dem Telefonat gesagt: ‚Wobei wir das genauso wie Hess händeln würden, aber das sieht optisch einfach besser aus.‘ Wem gegenüber sieht was besser aus?“ Mu.: „Ich wollte den Eindruck vermeiden, dass ich als Dienstvorgesetzter nicht Einfluss nehmen wollte im operativen Bereich. Ich wollte die Polizeiarbeit nicht stören.“ Kienzle: „Welchen Eindruck wollten Sie nicht erwecken?“ Mu.: „Dass unser Haus Parallelermittlungen führt.“ Kienzle fragt, wem gegenüber dieser Eindruck nicht habe erweckt werden sollen. Mu.: „Dass unser Haus Dinge unternimmt, für die wir nicht zuständig sind.“ Kienzle: „Wer ist diese Person, der gegenüber dieser Eindruck nicht erweckt werden sollte?“ Mu.: „Das können viele Personen sein, weiß ich nicht.“ Kienzle fragt, ob das ein unbestimmter Personenkreis sei. Mu.: „Richtig. Und wenn, hier. Leute in diesem Verfahren zum Beispiel. Könnte ja sein. Hätte sein können.“ Kienzle: „Haben Sie eine Erinnerung, dass das Thema Treffberichte und Berichte von Temme mal eine Rolle gespielt hat?“ Mu.: „Das kann ich jetzt im Einzelnen nicht nachvollziehen.“ Kienzle: „Keine Erinnerung?“ Mu.: „Nein.“
Dann fragt RA Bliwier, ob die Polizei von Mu.s Dienststelle habe wissen wollen, woran Temme dienstlich gearbeitet hat. Mu.: „Dazu kann ich im Moment konkret überhaupt nichts sagen.“ Bliwier: „Das ist ein Problem, denn Sie haben ja berichtet, Sie hätten nach ihrer Erinnerung die polizeiliche Ermittlungsarbeit nicht behindert.“ Mu.: „Behindern wollen, ja.“ Bliwier sagt, man wisse aus den Akten, dass die Polizei versucht habe, das LfV dazu zu bringen, mitzuteilen, woran Temme arbeitet, z. B. welche Quellen er führt: „Haben Sie eine Erinnerung dazu?“ Mu. sagt, das könne er sich vorstellen, er habe aber keine Erinnerung. Bliwier fragt, wie Herr Fe. dienstlich zu Mu. stehe. Mu.: „Fe. war damals wie Temme mein Mitarbeiter.“ Bliwier fragt, ob Mu. von Fe. etwas mitgeteilt worden sei, wie man mit den Treffberichten von Temmes Quellen umgeht, falls die Polizei die haben will. Mu. sagt, das sei nicht Aufgabe von Fe., von daher habe Fe. das sicher nicht mitgeteilt. Bliwier hält aus einer TKÜ eines Telefonats von Fe. mit Temme am 02.05. vor, dass Fe. Temme gesagt habe, er gehe dienstlich davon aus, dass mit Temmes V-Leuten nichts geht, dass sie in Temmes Berichte noch nicht geguckt hätten und da ein Jurist komme. Bliwier: „Ist Ihnen dieser Vorgang noch in Erinnerung?“ Mu.: „Ich weiß nur, dass ich dieser Jurist nicht war.“ Bliwier: „Das war nicht die Frage.“ Mu.: „Ich kann mich nicht erinnern.“ Bliwier wiederholt seine Frage und Mu. sagt: „Da habe ich keine Erinnerung. Ich war zu diesem Zweck auch nicht in Kassel.“
Bliwier: „Ich habe Sie doch gefragt, ob Sie die polizeilichen Arbeiten behindert haben, und Sie sagten, nicht dass Sie wüssten. Jetzt habe ich vorgehalten die Stelle aus der sich entnehmen lässt, es soll ein Jurist kommen und klären, was mit den Treffberichten ist. Sagt Ihnen der Vorgang irgendwas?“ Mu.: „Der Vorgang sagt mir nichts.“ Bliwier: „Ihr direkter Untergebener wird des Mordes beschuldigt, 21.04., er war dort am Tatort, er ist Beschuldigter. Welche Gespräche und mit wem haben an der Dienststelle stattgefunden zu diesem Thema?“ Mu.: „Das war eine Besprechung an einem Wochenende, wo unser Amtsleiter genau die Sachen zunächst angeordnet hat, zu überprüfen, zu welchem Zeitpunkt Herr Temme wann, wo, wie gewesen ist. Das war die erste Reaktion. Ansonsten hat die Amtsleitung den Kontakt zur Polizei in dieser Angelegenheit wahrgenommen.“ Bliwier: „Ist das eine konkrete Erinnerung, dass Irrgang den Kontakt zur Polizei unterhalten hat?“ Mu. sagt, er könne das nicht nachvollziehen, er wolle Irrgang nichts unterstellen, wie oft der sich getroffen habe: „Aber eine solche Brisanz muss immer über die Amtsleitung laufen. Das hätte ich nie allein gemacht.“
Bliwier: „Welchen Kontakt haben Sie denn persönlich mit Polizeibeamten gehabt?“ Mu.: „Ich habe mit Polizeibeamten in dieser Phase keinen persönlichen Kontakt gehabt.“ Bliwier: „Welche Phase?“ Mu.: „In der Phase zwischen dem Mord in Kassel und den Ermittlungsschritten gegen meinen Mitarbeiter Temme.“ Bliwier fragt, ob Mu. irgendwann mal in dieser Sache Kontakt zur Polizei gehabt habe. Mu.: „Nicht das ich jetzt konkret wüsste.“ Vorhalt aus dem Telefonat: Mu.: Alles andere, alles andere da jetzt, ähm, für ein, für ein taktisches Geplänkel, äh, denke ich mal, ist das, ist das kein Thema. Aber das wäre zum Beispiel – ich will Ihnen keinen falschen Rat geben, Herr Temme. Ich bin weit davon entfernt, ähm, äh, Sie weiter nach unten zu ziehen, ge? Bliwier: „Was haben Sie damit gemeint?“ Mu.: „Der Mitarbeiter und seine mit ihm zusammenhängende Familie war in einer brisanten, heiklen Situation aus verschiedenen Gründen. Ob das jetzt eine geschickte Formulierung war oder nicht, sei dahin gestellt. Mir war wichtig, da zu sein für den Mitarbeiter, Ansprechpartner zu sein, wenn er das haben will. Was man auch immer daraus jetzt verstehen kann. War eine spontane Reaktion in einem solchen Telefonat. Ich habe Temme geraten, was er tun soll, wozu er auch aufgefordert war. Ich habe auf jeden Fall vermeiden wollen, Dinge in die Wege zu leiten, die eine Aufklärung zugunsten oder zu Lasten Temmes, ganz gleich, behindern würden.“
Bliwier fragt, ob Mu. Kenntnisse, Hinweise gehabt habe, dass es eine Telefonüberwachung gab. Mu.: „Zu dem Zeitpunkt nicht. Wenn es mir bewusst gewesen wäre, hätte ich das Telefonat so sicherlich nicht geführt. Auf der anderen Seite ist das Telefonat auch nicht schädlich, wie ich heute nachvollziehen durfte.“ Bliwier: „Haben Sie mal Temme gefragt, ob er mit der Tat was zu tun hat?“ Mu.: „Nein, das war so schnell in den Ermittlungstrakt der Polizei geraten, dass dazu keine Notwendigkeit bestand.“ Bliwier: „Haben Sie mit Temme damals darüber gesprochen, welche Quellen er führt?“ Mu.: „Das musste ich nicht tun, weil ich das wusste.“ Bliwier: „Stichwort Gärtner, das war eine Quelle.“
Bliwier wird von Eminger-Verteidiger RA Kaiser unterbrochen: „Das beanstande ich, das hat nicht das Geringste mit der Aufklärung des Sachverhalts zu tun. Ich sehe keine Relevanz, schon die ganze Zeit, die ganzen Fragen. Nur, jetzt langt es.“ Bliwier: „Da sind Sie aber früh aufgewacht.“ Kaiser: „Es wird weiter am Alternativtäter Temme gebastelt, sonst kann ich mir keinen Sinn dieser Befragung vorstellen. Es erschließt sich mir nicht, was diese Beweiserhebung für eine Relevanz für den Sachverhalt haben soll.“ Götzl: „Ich habe die Frage noch nicht gehört, weil Sie noch nicht zu Ende gestellt war.“ Es folgt eine kurze Auseinandersetzung darum, welche Frage Kaiser eigentlich beanstandet, bis Bliwier sagt, er habe diese Frage zurückgenommen. Dann fragt Bliwier: „Ist Ihnen heute bekannt, dass Temme im Zusammenhang mit der Tat ein längeres Telefonat mit Gärtner geführt hat.“ Mu.: „Das weiß ich heute nicht und da bewegen wir uns in den Bereich der operativen Fragestellung, die ich nicht beantworten würde.“
Bliwier: „Sie haben hier vermutet, dass es Akten gibt, die aus dem Amt an die Behörden gegeben worden sind. Und Ihre Vermutung war, dass es Akten gibt, die nicht an die Ermittlungsbehörden gegeben worden sind. Ist das eine Vermutung?“ Mu.: „Ob das jetzt eine Vermutung ist und ob die an die Ermittlungsbehörden gegeben worden sind, hängt ja damit zusammen, um was es sich handelt. Nichts, was die Behinderung der Ermittlungsarbeit angeht, war immer Ansage. Aber es gibt auch Akten, die Inhalte haben zu sachlichen Themen und zu den Quellen unmittelbar. Und dazu, muss ich ganz ehrlich sagen, stand bereits viel zu viel in der Zeitung. Das hat mir weh getan, aber das ist nicht Thema dieses Tages.“ Bliwier sagt, es habe eine Sperrerklärung von Bouffier [Volker Bouffier, damals hessischer Innenminister, heute Ministerpräsident] gegeben und fragt, ob Mu. zu der Vorlage beigetragen habe. Mu.: „Ich habe sicherlich dieser Vorlage an Innenminister Bouffier nicht widersprochen.“ Bliwier: „Nein, meine Frage war, ob Sie daran mitgewirkt haben.“ Mu.: „Schließe ich nicht aus, wäre ungewöhnlich, wenn ich es nicht getan hätte.“ Bliwier: „Kennen Sie diese Vorlage?“ Mu.: „Im Detail nicht, ich habe sie nicht vor mir. Ob es eine Vorlage war oder ein persönliches Gespräch mit der Amtsleitung, ich kann es wirklich nicht sagen.“
Dann hält RA Narin vor, Mu. habe in dem Telefonat gesagt, dass er, was Temme Frau Pi. mitteile, mitkriege. Pi. habe in einer Rundmail am 24.03.2006 von der Mordserie mit sieben Tötungsdelikten geschrieben, mit der Frage, ob es Dinge gebe, die VM dazu sagen können, so Narin. Narin: „Ist Ihnen dieses Schreiben der Frau Dr. Pi. bekannt?“ Mu.: „Sie wissen, nach welcher Zeitlänge Sie zurückfragen. An diese Rundmail mich jetzt zu erinnern und welche Details, dazu bin ich heute nicht in der Lage das nachzuvollziehen.“ Narin: „Können Sie mir sagen, ob Ihr Amt mal befasst war mit dieser Mordserie, bevor die Sache mit Temme aufflog? Haben Sie dazu eigene Erinnerungen?“ Mu.: „Habe ich eigene Erinnerungen, zu denen ich aber keine Stellungnahme abgebe.“ Narin: „Warum?“ Mu.: „Weil die mit Temme und der Mordgeschichte Kassel nichts zu tun haben.“ Narin: „Ich bitte Sie trotzdem die Frage zu beantworten.“ Götzl fragt Mu., ob das eine Berufung auf die Aussagegenehmigung sei. Mu.: „Mir fällt es schwer diese Frage zu beantworten. Sie geht weit über das hinaus, was heute mein Beweisthema war.“ Mu. sagt, es seien andere Behörden betroffen gewesen und er berufe sich auf die Einschränkung. Narin fragt, welche anderen Behörden betroffen seien, dann könne man ggf. da eine Aussagegenehmigung einholen. Mu.: „Um weiteren Spekulationen nicht Boden unter die Füße zu geben, werde ich das nicht tun.“
Narin: „War Temme dienstlich befasst mit dieser Mordserie, bevor er sich am Tatort befunden hat?“ Mu.: „In dieser Unmittelbarkeit der Fragestellung: Nein.“ Narin: „Und mittelbar?“ Mu.: „Das war keine Aufgabe von Temme und der Quellenführung.“ Narin: „Wessen Aufgabe war es denn?“ Mu.: „Aufgabe der Ermittlungsbehörden und auch unserer Behörde.“ Wenn es Informationen gegeben hätte, so Mu., wären die nicht bei ihnen liegen geblieben, so Mu. Narin: „Ist Ihnen in dem Zusammenhang ein Gespräch mit Christian H., BKA, im März 2006 bekannt, in Ihrer Behörde?“ Mu.: „Das entzieht sich meiner Erinnerung.“ Narin sagt, dass sich Frau Pi. ja mit Temme an einer Autobahnraststätte und nicht im Amt getroffen haben solle: „Wissen Sie, was Frau Pi. dort mit Temme besprochen hat?“ Mu.: „Das mag ich mitgekriegt haben, aber dazu kann ich im Moment aus der Erinnerung keine Einzelheiten sagen.“ Narin: „Ist das in Ihrer Behörde üblich, dass sich Vorgesetzte mit Untergebenen ausdrücklich nicht in der Behörde treffen?“ Mu.: „Das hat jetzt einen faden Beigeschmack. Man kann durchaus in Erwägung ziehen, die Wege zu verkürzen. Wir haben bis zur Außenstelle Kassel 200 Kilometer und mehr dazwischen. Das mag auch durchaus solche Fakten haben, dass man sich unterwegs trifft.“ Narin fragt, ob Mu, wisse, was der Hintergrund des Treffens war. Mu.: „Das kann ich nach der Zeit jetzt nicht sagen.“
Narin: „War Ihnen die rechtsextreme Vergangenheit Temmes und die Kontakte in die rechte Szene bekannt gewesen?“ Götzl: „Was meinen Sie konkret damit?“ Narin fragt Mu.: „War Ihnen bekannt, dass Temme in seiner Jugend nationalsozialistischem Gedankengut anhing und als ‚Klein-Adolf‘ bezeichnet wurde, dass er Schriften von Adolf Hitler hortete, judenfeindliche Schriften? Waren Ihnen derartige Dinge bekannt?“ Mu.: „Sind mir im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren bekannt geworden, waren mir vorher nicht bekannt.“ Narin fragt, ob Mu. wisse, was Temme vor dem UA in Hessen dazu gesagt hat. Das verneint Mu. Narin: „Eine andere Frage: Hat der Ausdruck ‚jemand in die Mangel nehmen‘ eine besondere Bedeutung in Ihrer Behörde? Ich kann die Quelle nicht nennen, aber ich habe gehört, Temme sei in die Mangel genommen worden.“ Mu.: „Mit ihm ist sicherlich ein ernstes Gespräch geführt worden. In die Mangel nehmen tue ich keine Mitarbeiter.“
RA Scharmer: „Sie sagten gerade auf die Frage, ob es eine Beschäftigung Ihrer Behörde mit der Mordserie gab, das wäre von Ihrer Aussagegenehmigung nicht gedeckt, auch weil andere Behörden beteiligt seien. Und auf Nachfrage, welche Behörden das seien: das würden Sie hier nicht sagen, um keine Spekulationen hervorzurufen. Also in dem Punkt berufen Sie sich nicht auf die fehlende Aussagegenehmigung.“ Mu.: „Ich möchte dazu überhaupt keine Aussagen treffen. Es ist eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass man sich als Behörde mit dieser Serie, auch in ihrem Entstehen, befasst hat. Und es ist auch kein Geheimnis, dass die Verfassungsschutzbehörden im Rechtsextremismus einen Arbeitsbereich haben. Und insofern verfolgt man diese Sachverhalte, auch wenn sie zunächst mal reine Ermittlungssachverhalte waren. Aber im Detail kann ich keine Aussagen machen.“
Scharmer: „Hatten Sie denn Erkenntnisse, dass die Mordserie von Tätern aus dem Bereich Rechtsextremismus begangen wurde?“ Mu.: „Das ergibt sich nicht aus meiner Antwort. Man hat alle Möglichkeiten damals in Erwägung gezogen und Rechtsextremismus war immer eins, das immer im Vordergrund stand, ohne dass man festlegen konnte, dass es eindeutig aus diesem Bereich kommt.“ Scharmer: „Ich rede von 2006, Sie auch?“ Mu.: „Ja. Das war ja die letzte Tat, 2006, soweit ich weiß.“ Scharmer: „Nochmal zu der Frage, welche Behörden das waren. Berufen Sie sich auf die Aussagegenehmigung oder nicht? „Mu.: „Ich beziehe mich auf die Aussagegenehmigung und deren Einschränkung. Ich werde dazu keinen Aussagen machen.“ Der Zeuge wird entlassen. RA Narin behält sich eine Erklärung vor. Es folgt eine Pause bis 11:44 Uhr.
Dann wird der Zeuge Fe. (104. Verhandlungstag) gehört. Nach der Personalienfeststellung und Belehrung sagt Fe.: „Wer ist der Angeklagte? Darf ich mal fragen?“ Götzl: „Es sind hier mehrere Angeklagte.“ Götzl nennt die Namen der Angeklagten. Fe.: „Weil es in dem Anschreiben nur um die Telefonate mit Herrn Temme ging.“ Götzl sagt, es gehe um die Tat am 06.04.2006 in Kassel, Holländische Straße, „zum Nachteil“ Halit Yozgats, und um Temme, um Telefonate vom 02.05. und 15.05.2006 und die Frage, ob das LfV Hessen Einfluss auf die polizeilichen Ermittlungen genommen hat. Fe.: „Okay.“ Götzl verliest Fe.s Aussagegenehmigung und fragt dann Fe., was er zum Beweisthema sagen könne.
Fe.: „Ich habe genau vor einem Jahr schon mal hier gesessen und erzählt, was ich damals wusste, was ich aus der Zeitung gelesen habe. Sie haben mir zwei Telefonate vorgelesen, die Temme an mich gerichtet hatte. Ich hatte sie vergessen, weil sie nicht meine Initiative und auch belanglos waren. Ich habe auch jetzt nicht mehr Kenntnis über diese Telefonate, außer dem, was Sie mir vorgelesen haben. Ich kann zu den Telefonaten nicht viel sagen. Und zu dem Tötungsdelikt in Kassel kann ich nur sagen: Das war 2006. Das mit dem NSU wurde 2011 bekannt. 2006 gingen wir beim Verfassungsschutz Außenstelle in Kassel und die Polizei davon aus, dass es ein normales Kriminaldelikt war, wer es auch immer war. Die Behinderung der Polizei ist nie gewesen, jedenfalls nicht von der Außenstelle Kassel.“
Fe. weiter: „Die ersten vier Tage, nach dem Temme festgenommen war, kam die Polizei um 22 Uhr zu mir nach Hause und ging mit mir in seinen Büroraum, um ihn zu durchsuchen. Sie konnten alles durchsuchen. Ich hatte den Auftrag, dass ich die geheimen Unterlagen nicht offenlege. Mir wurde bescheinigt von der Polizei, dass ich alles getan habe, um zu helfen. Nach zehn Tagen wurde die Kontaktaufnahme zum Polizeipräsidium von der Zentrale in Wiesbaden übernommen, ich war raus. Ich hatte ein gutes Verhältnis zu den Kollegen vom Staatsschutz und wurde nur noch von den Kollegen gefragt. [phon.] Ob sie offiziell übernommen wurden, das weiß ich nicht. Wir alle dachten in Kassel, dass es irgendein krimineller Hintergrund war, an den Rechtsradikalismus haben wir nie gedacht. Es war auch nie der Name dieser Gruppe NSU gefallen in Kassel und es war für mich auch nie ein Hinweis auf eine in Kassel agierende Gruppe bekannt geworden. Somit hab ich mich bis zu meinem Ausscheiden 2007 nicht mehr damit befasst.“ Dann werden die ersten Sekunden des Mitschnitts des Telefonats vom 02.05.2006 vorgespielt.
[Temme wird zunächst zu Fe. durchgestellt, nach der Begrüßung sagt Fe.: „Dir geht’s nicht gut, ne?“ Temme: „Nein.“ Fe.: „Sehe ich, höre ich. Uns auch nicht, Andreas. Glaubst Du?“ Temme: „Ich weiß.“ Fe.: „Mhm. Was kann ich Dir helfen?“]
Das Abspielen wird unterbrochen und Götzl fragt, ob Fe. jetzt eine Erinnerung habe. Fe. sagt, jetzt, wenn er es höre, könne er sich erinnern. Götzl: „Können Sie aus der Erinnerung noch Ergänzendes zu dem Gespräch sagen?“ Fe.: „Ich weiß, es war sehr oberflächlich. Sie hatten damals gesagt, es war konspirativ geführt. Das ist eine Logik, wenn man 33 Jahre in einem Nachrichtendienst arbeitet, dass man von einem Diensttelefon automatisch in einen Konspirationsstil verfällt. Das wollte ich nochmal sagen zu dem Konspirationsgefühl. Ich war überrascht, dass er uns angerufen hat, denn wir wussten nicht, dass er Kontakt zu uns suchen will, denn er ist ja nur suspendiert und nicht entlassen worden. Und wir gingen ja davon aus, dass er eventuell doch wiederkommt, dass das doch ein Versehen ist mit seinem Auftritt bei der Polizei. Vor dem Gespräch wusste ich von der Polizei, wie die Vernehmungen angeblich schleppend verliefen und dass er wenig zur Zusammenarbeit bereit gewesen sein soll.“
Götzl: „Hatten Sie vor dem 02.05. Kontakt zu Temme selbst?“ Fe.: „Nein, nach der Festnahme und nach dieser Durchsuchung, die ich erwähnt habe, hat mir der Polizeipräsident seinen Dienstschlüssel gegeben, und, der Polizeipräsident und die Crew [phon.], die ermittelt hat, wir kannten uns dienstlich relativ gut, er durfte nicht mehr in die Räume. Ich habe das übernommen und habe es in Wiesbaden mitgeteilt, und mitgeteilt gekriegt, dass er die Diensträume nicht betreten kann, bis es wieder erlaubt ist. [phon.] Da war ich ein bisschen sauer auf ihn. Ich hatte keinen Anlass mit ihm zu telefonieren, denn das widersprach meiner Zusammenarbeitsvorstellung. Ich glaube, ich habe ihn nicht angerufen, ich weiß es nicht. Aber dann müssten ja Gespräche da sein.“
[Die Wiedergabe der Audiodatei des Telefonats vom 02.05.2006 wird fortgesetzt. Aus redaktionellen Gründen können wir das Telefonat hier nicht wiedergeben. Auf wichtige Stellen gehen die Verfahrensbeteiligten im Verlauf der weiteren Vernehmung mit Vorhalten ein. Siehe zum Inhalt des Telefonats auch die Beweisanträge der NK Yozgat vom 188. Verhandlungstag.]
Dann fragt Götzl: „Was sagen Sie dazu?“ Fe.: „Ja, ich habe wieder rausgehört, dass wir alle angenommen haben, dass er zum falschen Zeitpunkt am falschen Platz war. Dass er, vielleicht aus dem Ziel einen guten Dienst zu machen, einen zweckmäßigen Dienst zu machen, einen erfolgreichen Dienst zu machen, das verschwiegen hat, dass er da war. Dass die Polizei über seine privaten Probleme, über seinen Besuch in diesem Internetcafé und dem Gespräch mit einer Prostituierten in Hamburg, das zu verheimlichen vor seiner Familie und auch vor uns, sich so destruktiv verhalten hat in den Vernehmungen. Und hat gehofft: Na, vielleicht kriegen sie es nicht raus, ich habe nichts gesehen, die haben mich nicht gesehen. So war sein Verhalten. Denn ein Tötungsdelikt, einen Mord, habe ich ihm nie zugetraut. Auch wenn die Polizei mir das anders dargestellt hatte. Ich kannte ihn zwar nur zwei Jahre echte Dienstzeit, aber konnte mir ein kleines Bild machen, dass er dieses Tötungsdelikt nicht begangen hat, aus rechtsradikalen, ausländerfeindlichen Gedanken schon gar nicht.“
Fe. weiter: „Und das zum Schluss mit dem ‚dann bist du tot‘, damit habe ich gemeint: Wenn Du zu dem Ortstermin musst, vielleicht im Blickpunkt von Journalisten bist mit Kameras, ist deine Möglichkeit, im operativen Bereich zu arbeiten, vorbei, dann bist du tot. Das hat nichts mit dem Töten an sich zu tun. Dann ist deine Karriere zu Ende. Das waren auch nur meine Gedanken. Ich habe mich weder mit Pi. oder Mu. ausführlich unterhalten, habe mich sogar darüber beschwert, dass man mich nicht informiert hat. Man hat das in Wiesbaden sehr sachlich über die Bühne bringen wollen. Ich habe seine V-Leute übernommen. Der genannte Abdul oder Abel ist eine Quelle aus dem islamistischen Bereich, denn der Islamismus wird auch vom Verfassungsschutz beobachtet, da werden auch V-Leute geführt. Das hat nichts mit irgendwelchen Rechten zu tun.“ Götzl sagt, man lege dann die Mittagspause ein. Fe.: „Darf ich noch erfahren: Wie lange dauert das etwa heute?“ Götzl: „Kann ich noch nicht sagen.“ Es folgt die Mittagspause bis 13:27 Uhr.
Danach verkündet Götzl, dass Zschäpe im Hinblick auf den Entbindungsantrag gegen RAin Sturm eine Fristverlängerung von 24 Stunden beantragt habe; diese sei ihr gewährt worden. Zu Fe. sagt Götzl: „Dann setzen wir mit Ihrer Einvernahme fort. Gibt es Ergänzendes zu diesem Telefonat zu sagen?“ Fe.: „Nein.“ Götzl: „Wir hatten ja bei Ihrer letzten Einvernahme auch schon über den telefonischen Kontakt zwischen Ihnen und Temme gesprochen. Haben Sie noch was zu ergänzen?“ Fe. sagt, er wisse nicht, was zu ergänzen wäre, es seien organisatorische Absprachen gewesen, nichts Besonderes. Götzl: „Ich will nachfragen, was Sie bei einigen Stellen gemeint haben.“ Götzl hält aus der Verschriftung des Telefonats vom 02.05.2006: Temme: Ich habe Riesenmist gebaut. In dienstlicher Hinsicht – Fe.: Ach, dienstlich war es nicht so schlimm, glaube ich. Dienstlich ist es nicht so schlimm. – Temme: Ich hätte, ich hätte da nicht wieder rein… – Fe.: Privat hättest Du da mal mit uns drüber reden müssen, Deine Probleme. Hm? Das wäre vielleicht besser gewesen. – Temme: Ja. – Fe.: Man hätte – ich hätte dir geholfen, glaub mir’s. Oder hätte Dir versucht zu helfen. – Temme: Das weiß ich auch. – Fe.: Das Dienstliche ist gar nicht so schlimm, Andreas. Das Dienstliche ist nicht schlimm, das haben wir alles im Griff. Keiner weiß was. Alle – für alle bist Du krank und das ist nicht schlimm. Nur das Private oder das, das Nachdienstliche, das ist das Problem.
Fe.: „Diese ganze Problematik für ihn war der Aufenthalt in dem Café und für ihn war das Wichtige, dass er da gechattet hat. Das Dienstliche, seine V-Leute, das hatten wir im Griff, privat konnten wir nicht helfen. Wenn die V-Leute gefragt hätten, wo bleibt denn der V-Mann-Führer, dann hätten wir gesagt, der ist krank oder irgendwas. Und das Private ist sein privates Umfeld zu Hause. Das ist ja schon wieder dienstlich, die Polizeiaussage, wo er nicht konform war mit unserer Auffassung, dass er gleich hätte hingehen sollen und nicht mauern. Er war ja wohl, das habe ich jetzt erst erfahren, wiederholt bei der Polizei zwischen der Tat und seiner Festnahme, und hat da Abfragen gemacht. Nicht zu der Tat. Wir hatten ja engen Kontakt zur Polizei in Kassel. Und das ist vielleicht mit ‚privat‘ und ‚dienstlich‘ gemeint. Wir hatten keinen Hintergrund im Kopf, wer dieses Tötungsdelikt in Kassel begangen haben kann.“ Götzl: „Dann ging es zunächst um Heroin.“ Fe.: „Das hat die Polizei vermutet, bei ihm in der Schublade. Und das war dann ja nur ein Gewürz.“
Götzl hält vor: Fe.: Ich habe da wie teilnahmslos gesessen, ich konnte alles gar nicht, ich konnte gar nichts fassen, ne. Ich konnte das nicht glauben, was die da vorgehalten haben. Ja? Und das ging ja bis – dann habe ich erstmal – dann wollten sie das Auto auch noch voll auf der Straße durchsuchen, ne? – Temme: Mhm. – Fe.: Und dann habe ich erstmal das Auto in die Garage da unten bei uns rein gestellt, mussten sie das mit Taschenlampen durchsuchen. Und dann habe ich erstmal das Auto in die Garage da unten bei uns reingestellt. – Temme: Mhm. – Fe.: Dann konnten die mit Taschenlampen suchen, ne. Auf Frage, was damit gemeint sei, dass er nicht habe glauben können, was die vorgehalten habe, sagt Fe.: „Die haben ihm vorgehalten nicht nur die Tötung, sondern dass er mit Rauschgift gehandelt habe. Die haben daran gerochen – ich nicht, ich wollte nicht – und haben kompetent gewirkt. Und was rausgekommen ist, steht ja da, habe ich ja gerade erwähnt.“ Zu den Autos sagt Fe., sie hätten alle Dienstwagen, die auf der Straße stehen würden und aussehen würden wie Privatwagen: „Und wenn da fünf Polizisten an einem Auto rumturnen, da würde doch jeder gucken. Deswegen habe ich den in die Garage gestellt [phon.]. Und in seinem Dienstwagen hat man auch nichts gefunden. Zumindest hat man mir nicht gesagt, dass man was gefunden hat.“
RA Bliwier fragt, was damit gemeint sei, dass Temme „dienstlich keinen Mist gebaut“ habe. Fe.: „Er hat seine VMs nicht irgendwie betrogen, belogen, beschimpft usw. Das ist unser Dienst. Für mich war es kein Dienst, was er da machte in dem Internetcafé.“ Bliwier: „Durfte er sich in dem Internetcafé aufhalten?“ Fe.: „Das weiß ich nicht, ob er den Auftrag bekommen hat. Ich habe nie in einem Internetcafé gearbeitet. Ob er nur das eine kennt und warum, kann ich nicht sagen, und will’s auch gar nicht wissen.“ Bliwier fragt, ob an der Dienststelle etwas bekannt geworden sei, was die bundesweite Mordserie betrifft, z. B. eine E-Mail. Fe. sagt, Bliwier müsse bedenken, dass er sieben Jahre aus dem Dienst raus sei: „Ich kann mich an eine dienstliche Anfrage erinnern, weiß nicht ob E-Mail oder Telefon, und es ging nicht um Rechtsradikalismus, sondern um Islamismus, meine ich.“ Bliwier: „Sie müssen näher ans Mikro.“ Fe. sagt, er meine, es sei etwas mit Islamismus gekommen, ob sie da was wüssten in Deutschland: „Wir haben da wirklich nicht an den Rechtsradikalismus gedacht.“ Bliwier: „Und explizit eine Mitteilung von Frau Pi.?“ Götzl unterbricht und sagt, es gehe ihm jetzt nur um das Telefonat: „Das ist ein Missverständnis wenn Sie meinen ich hätte das Fragerecht insgesamt weitergegeben.“
Bliwier: „Was hat es mit dem Juristen auf sich, der da kommen soll, wenn die Polizei in die Berichte gucken will?“ Fe. sagt, der höhere Dienst des Hauses bestehe zu 90 Prozent aus Juristen, einer habe kommen sollen, er wisse nicht, wer. Vorhalt: Und in Deine Berichte haben Sie noch nicht geguckt. Bliwier fragt, was mit „sie“ und “deine Berichte“ gemeint sei. Fe. sagt, Temme habe vermutlich Berichte geschrieben und die würden an die Auswertung nach Wiesbaden gehen. Ob mit „die“ die „Akademiker“ gemeint seien oder die Leitung, könne er nicht mehr sagen. Bliwier: „Aber es war Ihre Wortwahl.“ Fe., sagt, das sei vor vor zehn Jahren gewesen. Er wisse nicht, wer die Berichte liest. Die Auswertung lese die. Und die habe auch eine Leitung und die tausche sich aus mit der Leitung Beschaffung. Bliwier: „Das geht doch an dem Telefonat vollständig vorbei.“
Vorhalt: Fe.: Aber dienstlich gehe ich davon aus, was ich so sehe: Hier mit Deinen V-Leuten geht da nichts. Und in Deine Berichte haben Sie noch nicht geguckt. – Temme: Mhm. – Fe.: Ja? Da wollen sie reingucken, aber da kommt erst ein Jurist mit nach Kassel von Wiesbaden, der wird noch bestimmt. Bliwier fragt, wer in die Berichte reingucken wolle. Fe.: „Vermutlich die Führung, die Juristen, also Dezernatsleitung und Abteilungsleitung, das waren eben Juristen. War vielleicht auch ein wenig abschätzig. Ich weiß es nicht mehr. Es hat keiner Kommentare über seine Berichte gegeben, also hatten sie noch nicht reingeguckt. [phon.]“
Bliwier: „Ist damit gemeint, dass die Polizei in die Berichte reinschauen will?“ Fe.: „Nein, das wusste ich ja. Ich hatte den Auftrag in den ersten zehn Tagen die geheimen Berichte, wo die V-Leute erkannt werden könnten, durfte ich nicht rausgeben an die Polizei.“ Bliwier: „Und Sie haben die nicht rausgegeben?“ Fe.: „Ja. Und Wiesbaden hatte ja auch die Berichte. Der eigentliche Bericht liegt in Wiesbaden, der Durchschlag bleibt in Kassel. Die wurden von mir nicht rausgegeben. Was in Wiesbaden mit den Originalberichten bleibt, das wusste ich nicht. Es ging nur um das, was ich sagen kann. Was ich sagte, da ging es um die in Kassel verbliebenen Entwürfe.“ Bliwier: „Und wenn Sie sagen: ‚Da kommt erst ein Jurist mit nach Kassel von Wiesbaden‘?“ Fe.: „Vielleicht unterhält sich der dann mit dem Staatsanwalt, ob was rauszugeben ist [phon.], ich weiß es nicht, ich war ja nicht dabei.“ Bliwier: „Aber das sind Ihre Worte.“ Fe.: „Ich weiß es nicht.“ Bliwier: „Ist denn noch irgendwann mal ein Jurist gekommen zu Ihrer Dienststelle?“ Fe.: „Es sind wiederholt Vorgesetzte gekommen, haben auch gesprochen mit der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Ich bin da außen vor geblieben.“
Bliwier fragt, ob die V-Person mit der Nummer 389 Gärtner (zuletzt 65. Verhandlungstag) sei. Fe.: „Weiß ich nicht mehr. Warum brauchen Sie das? Wenn Sie mir die Begründung geben.“ Bliwier: „Weil Sie in dem Telefonat sagen: ‚Ich führe die drei Kasseler bzw. den 631, den 389 und den 650 weiter, in deinem Sinne.‘ Es gibt Erkenntnisse aus den Akten, dass 389 Gärtner ist, Michael.“ Fe.: „Den kenne ich nicht.“ Bliwier: „Entschuldigung, Benjamin.“ Fe.: „Ja.“ Bliwier: „Haben Sie mit Herrn Gärtner danach sich getroffen?“ Fe.: „Ja.“ Bliwier: „Können Sie das schildern?“ Fe.: „Nein.“ Bliwier: „Warum nicht?“ Fe.: „Weil es nicht zur Sache gehört. Der Herr Gärtner wurde von mir geführt und an den Herrn Temme abgegeben und nach dem Problemfall wurde er von mir noch ein halbes Jahr weiter geführt.“ Bliwier: „Unter welchem Pseudonym.“ Fe.: „Ben.“ Bliwier: „Nein, Ihr Pseudonym.“ Fe.: „Sage ich nicht.“ Bliwier: „War das ‚Heinz‘?“ Fe.: „Nein.“ Götzl: „Mir geht es um das Telefonat. Sie schweifen ab. Ich würde vorschlagen, dass wir alle anderen Fragen zurückstellen.“
Bliwier: „Herr Fe., unten sprechen Sie von einer ‚Kasseler Version, die ist ein Problem, vielleicht‘.“ Götzl sagt, dass die Frage bei Fe.s letzter Einvernahme bereits gestellt worden sei. Bliwier erwidert, da sei es um eine „Kasseler Problematik“ gegangen, nicht um eine „Kasseler Version“. Fe. sagt: „Ich weiß es nicht, die ‚Version‘, ob das, als ich mit meinen Kollegen und Kolleginnen gesprochen habe, dass er zur falschen Zeit am falschen Ort war, dass er eventuell das mitgekriegt haben könnte, und das aber verschleiern wollte, um sein berufliches Ziel nicht zu gefährden. Aber wir haben nie darüber gesprochen, dass er das getan haben könnte.“ Vorhalt: Fe.: Ja, das könnte ich mir – weiß ich jetzt nicht, aber da spricht kein Mensch drüber, und ich will Dich da auch nicht, äh, ähm, ich will auch Dir da keine Sorgen machen. Vielleicht ist das schon alles entdeckt worden und alles vorbei wieder. Fe.: „Die Hinweise der Kriminalpolizei an mich, was die schon alles ermittelt haben. Und unser Gedanke, dass er es nicht gewesen sein konnte, vom Typ her.“ Das sei der Widerspruch und das sei vielleicht die Kasseler Version. Götzl sagt, es gehe nur um das Telefonat vom 02.05., weitergehende Fragen seien zurückzustellen.
RA Narin hält vor, dass Temme davon spreche, dass jemand im Ausland sei, nicht dass da jemand anrufe und das werde dann aufgezeichnet. Da gehe es wohl um einen Kollegen, so Narin. Narin fragt: „Haben Sie damit gerechnet, dass Ihr Gespräch abgehört wird?“ Fe.: „Sie wissen, dass wir auch mit G10-Maßnahmen [TKÜ] arbeiten, aber ich habe zu dem Zeitpunkt nicht mehr damit gerechnet. Und im Ausland sind die G10-Maßnahmen vielleicht anders geregelt, das habe ich vielleicht gemeint.“ Narin fragt, ob Fe. damit gerechnet habe. Fe.: „Ich wusste, dass die Polizei gerne mal abhört, aber ich wusste auch, dass er Mitarbeiter im Verfassungsschutz war. Ich weiß es nicht, war ein Zwiespalt: Hätte sein können, hätte nicht sein können, aber es war im Grunde egal. Wenn ich fest damit gerechnet hätte, dass abgehört wird, hätte ich es mir vielleicht auch gemerkt.“ Götzl fragt zu dem Gespräch am 15.05.2006. Fe. bejaht, ein zweites oder drittes Gespräch geführt zu haben, verneint aber, an den Inhalt eine Erinnerung zu haben.
[Es folgt die Wiedergabe der Audiodatei des Telefonats vom 15.05.2006. Aus redaktionellen Gründen können wir das Telefonat hier nicht wiedergeben. Auf wichtige Stellen gehen die Verfahrensbeteiligten im Verlauf der weiteren Vernehmung mit Vorhalten ein. Siehe zum Inhalt des Telefonats auch die Beweisanträge der NK Yozgat vom 188. Verhandlungstag.]
Danach fragt Götzl: „Was sagen Sie dazu?“ Fe.: „Was ich gesagt habe, die Juristen oder die Führung hat das Gespräch an sich genommen mit der Polizei in Kassel. Ich weiß nicht mehr. Und das war es im Grunde genommen. Für mich gibt es keinen Hinweis auf irgendein Beweismittel. Ich weiß nicht, was man damit beweisen kann.“ Götzl hält aus der Abschrift des Telefonats, Blatt 16366 vor: Fe: Na, prima! Ja, also, Andreas, bei uns gibt es nichts Neues. Auch ich habe nichts zu dem Fall. Auch wenn ich mit dir nicht drüber reden sollte. T: Hmm. F: Ich habe auch nichts, kann mit dir nicht drüber reden. Dann fragt er, was damit gemeint sei, dass Fe. mit Temme darüber nicht reden könne. Fe.: „Der 363 war ein, kann ich nicht mehr sagen, was wir nicht reden durften, war ein V-Mann.“ Götzl: „Sie haben das falsch verstanden, 16366 war die entsprechende Blattzahl in der Akte. Mir geht es darum, was mit dieser Passage gemeint ist: ‚Ich kann mit Dir nicht darüber reden.'“ Fe.: „Kann ich nicht sagen, weiß nicht mehr. Weiß auch gar nicht, ob er den V-Mann geführt hat.“
Götzl: „Gab es Anweisungen oder Gespräche mit Vorgesetzten, wie der Kontakt mit Temme auszusehen hat?“ Fe.: „Es gab einen Hinweis von den Vorgesetzten aus Wiesbaden, falls er anruft, sollen wir mit ihm reden, er ist ja immer noch Kollege. Wenn er angerufen hat, hat er immer nur mich verlangt. Ich war der einzige männliche Kollege und der Außenstellenleiter. Ich kannte ihn dienstlich nur zwei Jahre, auch wenn er lange beim Amt war. Wann er nach Kassel gekommen ist, weiß ich nicht. Bis Ende 2003 war Temme an der Fachhochschule für sechs Semester, kam Ende 2003 wieder und hat einen Durchlauf gemacht durchs Haus über ein halbes Jahr. Und dann bekam er die leichtesten Fälle von uns, von den V-Leuten. Und ich bin Oktober 2007 in Pension gegangen, habe praktisch nicht viel mitgekriegt. Alles ab Mitte 2006 bis 2007 waren die Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft. Temme war nicht mehr bei uns, wurde zu einer anderen Behörde versetzt im Innenministerium, der war tot. Und 2011 hörte ich durch die Zeitung, dass es einen NSU-Verein gab und das ganze Problem. Und da habe ich gedacht: Ach, du liebe Zeit, jetzt fängt alles von vorne an.“ Aber er habe damit nichts mehr zu tun gehabt, sei raus gewesen. [phon.] Er könne Temme nicht beurteilen als Mensch, habe dessen private Verhältnisse nicht gekannt, nicht seine Frau, habe nicht gewusst, wo Temme vorher war.
RA Bliwier: „Die Passage, wo es um Herrn F. und Herrn Ho. geht. In der Zeit 21.04., Festnahme Temme, Durchsuchung und dieses Telefonat Mitte Mai. Haben Sie da persönliche Gespräche geführt mit Herrn Ho.?“ Fe.: „Ja, an dem Abend der Büro- und Autodurchsuchung war er als Polizeipräsident dabei. Er hat mir den Tathergang geschildert, auch mit diesem Zeitfenster von soundsoviel Minuten oder Sekunden. Und dann habe ich nochmal mit Ho. gesprochen, als die
Dezernatsführung und Abteilungsführung und ein Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung in Kassel waren und sich bei mir in meinem Büro getroffen haben. Da habe ich Ho. nochmal getroffen.“ Danach könne er sich nicht erinnern, ob sie nochmal zusammengetroffen seien oder telefoniert hätten. Bliwier fragt, wer konkret von den Vorgesetzten Anweisungen gegeben habe. Fe.: „Konnte nur der Chef, Herr Irrgang, der Abteilungsleiter Mu. und die Dezernatsleiterin Pi. geben.“ Und wer das nun in der großen Runde gewesen sei, könne er jetzt nicht mehr sagen, jedenfalls sei die Anweisung gefallen: „Es hieß, wir sollen mit ihm telefonieren.“ Fe. bejaht, dass das bei einer Außenstellenleitersitzung gefallen sei. Er verneint, dass bei so einer Außenstellenleiterrunde Protokolle gefertigt würden.
Bliwier fragt, ob. Fe. sonst Korrespondenz mit Irrgang oder Mu. gehabt habe. Fe.: „Nein, ich habe mit Irrgang nur in dem Fall der Durchsuchung des Büros gesprochen, da musste ich ihn unterrichten. Und da hat er mir die Anweisung gegeben: Geben Sie alles, sagen Sie alles, was wir wissen, nur die geheimen Dokumente über die V-Leute nicht.“ Vorhalt: Das wird sehr hochgekocht. Der, der Dings ist dabei, voll drin, der Ho. Bliwier: „Was meinen Sie mit ’sehr hochgekocht‘?“ Fe.: „Permanent diskutiert.“ Er habe Ho. mal zufällig bei der Polizei getroffen und da habe der sofort wieder gefragt. „Hochgekocht“ bedeute, dass nicht tiefgestapelt werde, dass es nicht vergessen werde.
RA Kienzle: „Es gibt eine Passage, Frau Pi. habe das alles an sich genommen. Auf welchen Kenntnisstand Ihrerseits geht das zurück?“ Fe.: „Die Frau Pi., der Herr Mu. hatten bei einem Gespräch gesagt: Die Frau Pi. kümmert sich um alles, die Polizei weiß, dass, wenn sie Fragen hat, dass sie in Wiesbaden anrufen muss.“ Kienzle fragt, was „um alles“ bedeute. Fe.: „Alle Fragen, die die Polizei hat, will die Frau Pi. beantworten.“ Vorhalt: Und es ist auch richtig, dass das eine Person macht. Sonst, äh, würden verschiedene Meinungen vielleicht aufkommen. Fe.: „Jeder Mensch hat ja eine Meinung. Vielleicht hat ein Mensch eine andere Meinung vom Verhalten Temmes als der andere, ich weiß es nicht.“ Kienzle: „Also Sie meinen, das war ein Hinweis darauf, dass nicht jeder seine Meinung ungefiltert an die Polizei berichtet“ Götzl: „Das ist sehr suggestiv.“ Kienzle: „Der Zeuge hat gesagt: Jeder Mensch hat eine Meinung.“ Kienzle fragt, wem gegenüber verschiedene Meinungen aufkommen sollten und worüber. Fe.: „Das Verhalten allgemein. Der Herr Temme hat sich doch nach der Festnahme bei der Polizei irgendwie verhalten. Dieses Verhalten kann jemand negativ oder positiv sehen [phon.].“ Kienzle fragt, ob Frau Pi. eine positive oder eine negative Meinung gehabt habe. Fe.: „Ich würde sagen, sie hat positiv gedacht.“
RA Bliwier: „Stichwort Benjamin Gärtner: Sie haben vorher gesagt, dass Sie ihn nach Temme wieder übernommen haben. Hat in den Treffen mit Gärtner diese Tat im Internetcafé irgendeine Rolle gespielt?“ Fe.: „Nein. Ich hab mehrere Rechte geführt, keiner hat je darüber gesprochen und je damit angefangen.“ Bliwier: „Ist Ihnen bekannt, dass es im Zusammenhang mit der Tat ein zehnminütiges Telefonat Temme/ Gärtner gegeben hat?“ Fe.: „Nein.“ Bliwier: „Sie wissen es nicht?“ Fe.: „Ich bin sicher, dass beide miteinander telefoniert haben. Wenn V-Mann und V-Mann-Führer sich treffen wollen, telefonieren sie miteinander, wenn sie das Treffen absagen wollen, den Ort ändern. Ob sie telefoniert haben, glaube ich, weiß aber nicht, in welchem Zusammenhang sie telefoniert haben sollten.“
Bliwier: „Haben Sie, als Sie Gärtner übernommen haben wieder von Temme, haben Sie da die Treffberichte einsehen können?“ Fe.: „Ja, ich habe den letzten gelesen.“ Bliwier: „Von welchem Datum ist der letzte?“ Fe.: „Das weiß ich nicht mehr. Wenn mir was aufgefallen wäre, hätte ich es behalten.“ Bliwier: „Von welchem Datum ist der letzte Treffbericht?“ Fe.: „Ich weiß nicht, wann ich ihn getroffen habe. Ich bin zu lange raus und ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur dass wir uns in einer Sache unterhalten haben, die allgemein war.“ Bliwier fragt, ob die Treffberichte Temme/ Gärtner rausgegeben worden seien. Fe.: „Das weiß ich nicht, ob die hinterher rausgegeben wurden.“ Bliwier: „Bis heute wissen Sie das nicht?“ Fe.: „Ich hatte ja auch Urlaub in dem Jahr. Ich weiß nicht, ob jemand da was gegeben hat. Ich habe keinen Treffbericht rausgegeben. Ich muss dazu sagen: Der Entwurf des Treffberichts. Denn der Treffbericht ist ja in Wiesbaden.“
Dann bittet RA Narin darum, dem Zeugen die Anlage zu seinem Beweisantrag vom 12.03.2014 vorzuhalten. Dann wird eine Grafik zur Mordserie in Augenschein genommen, eine Zusammenschau der bis dahin sieben Morde. Narin fragt Fe.: „Kommt Ihnen diese Darstellung bekannt vor?“ Fe.: „Nein, kenne ich nicht.“ Narin: „Ist Ihnen eine Rundmail der Kollegin Pi. vom 24.03.2006 bekannt?“ Vorhalt: Seit 2000 gab es in Nürnberg, München, Hamburg und Rostock sieben Tötungsdelikte gegen polizeilich nicht auffällige Türken mit einem geschäftlichen Bezug, ein Grieche war dabei: Gibt es Dinge, die VM dazu sagen könnten? Fe.: „Da war was, dass wir die Ausländer im islamistischen Bereich, da gibt’s eine eigene Abteilung, da gab es mal ein Schreiben, da wurden die Islamismus-V-Mann-Führer aufmerksam gemacht, ob irgendwer eine Beziehung äußern würde usw. Ich kann mich auch erinnern, dass ich gleich mit dem Kopf geschüttelt habe. Unsere V-Leute aus den Maghreb-Staaten [phon.] haben da bestimmt keine Ahnung. Die habe ich gefragt, aber die haben den Kopf geschüttelt: Hat mit uns nichts zu tun.“
Narin: „Ist Ihnen in Erinnerung, ob auch V-Leute aus der rechten Szene gefragt wurden?“ Fe.: „Das weiß ich nicht. Aber die rechte Szene in Nordhessen: Es gab eine NPD, die war nicht verboten, und es gab ein paar Gruppen Neonazis, die sich auf Kirmes ausgeboxt haben, ansonsten war die Szene nicht groß.“ Narin: „Wissen Sie, ob Temme mit dieser Angelegenheit befasst war?“ Fe.: „Nee, bei uns gab es den Grundsatz: Kenntnis nur wenn nötig.“ Narin: „In welchem Bereich war Temme eingesetzt?“ Fe.: „Es ist ja nun bekannt: Gärtner. Dann hatte er einen Islamisten, dann hatte er einen zusätzlichen Rechten, aber nicht aus Nordhessen. Er kam ja nach mir, er hat erst ab Ende 2003, Anfang 2004 V-Leute geführt.“ Narin: „Das Schreiben ist ja von 2006: Wer hatte denn die Aufgabe, VM zu befragen?“ Fe.: „Die V-Mann-Führer.“ Narin: „Und was hat Temme gemacht?“ Fe.: „V-Mann-Führer. Und der hat das auch bestimmt abgezeichnet, dieses Pamphlet oder Papier. Und wird danach gefragt haben oder nicht.“ Auf Frage, ob auch im rechten Bereich, sagt Fe., Gärtner sei ja im Rechtsextremismus gewesen.
Narin sagt, Fe. habe davon gesprochen, dass man nur Dinge wissen dürfe, die man wissen müsse: „Er war aber V-Mann-Führer in den Bereichen Islamismus und Rechtsextremismus. Sie sagten, er habe nichts gewusst, aber der Grundsatz sei: Wissen nur wenn nötig. Da fehlt die Logik.“ Fe.: „Nein. Kenntnis nur wenn nötig, ist ein Grundsatz. Der hat die Kenntnis zu haben und das Fernschreiben vorgelegt zu kriegen. Dann hat er das abzuzeichnen und danach zu handeln. Das kann aber keiner kontrollieren, ob er gehandelt hat, höchstens am Ergebnis.“ Narin: „Wer wäre denn dafür zuständig, das zu kontrollieren?“ Fe.: „Die Auswertung erfährt, ob er eine Antwort gibt oder nicht. Soviel Vertrauen herrscht: Wenn er keine Antwort gibt, hat er keine Erkenntnis gewonnen. Wenn er eine Erkenntnis gewonnen hat, dann teilt er die der Auswertung mit. Und wenn die Antwort ist, dass keine Erkenntnisse vorliegen, dann kann er es reinschreiben. Wenn er es aber vergisst, dann hat er es vergessen.“
Narin: „Ich tue mich immer noch schwer Ihnen zu folgen. War Temme gemäß Ihrer dienstlichen Abläufe mit der Angelegenheit befasst oder nicht?“ Fe.: „Natürlich war er damit befasst. Aber ob er es tatsächlich gemacht hat, das weiß ich nicht.“ Narin: „Wie könnte man denn behördenintern nachprüfen, ob er es gemacht hat?“ Fe.: „Da müssten Sie ans Amt schreiben und die müssten schauen, ob sie in den Berichten dieser Zeit was finden zur Beantwortung dieser Frage.“ Narin fragt, ob Fe.s Behörde mal mit dem THS befasst gewesen sei. Fe.: „Nein. Der THS war mir aus der Presse bekannt, ja.“ Narin: „Damals?“ Fe.: „Ja.“ Auf Frage, ob er sonst nicht damit befasst gewesen sei, sagt Fe., er habe da auch schon Namen nachgelesen, könne sich aber nicht erinnern. Sie hätten in Kassel keinen Kontakt nach Thüringen gehabt, aber er könne sich erinnern, dass die Kollegen in Thüringen Probleme mit rechtsextremen Gruppen gehabt hätten, das habe er aber aus der Presse oder aus Rundschreiben des BfV. Narin fragt, ob Fe. selbst aus Thüringen etwas mitbekommen habe. Fe.: „Nein.“ Er verneint, Mitarbeiter des TLfV persönlich zu kennen.
RA Reinecke sagt, er habe Fe. in der Pause etwas konspirativ telefonieren sehen. Fe.: „Ich habe mit meiner Frau gesprochen, wenn es Sie beruhigt.“ RAin von der Behrens: „Temme habe, sagten Sie, noch einen zusätzlichen Rechten geführt. Wann haben Sie den übergeben?“ Fe.: „2004, etwa Mitte 2004.“ V. d. Behrens fragt, bis wann Temme den geführt habe. Fe.: „Bis er zwangsläufig aufhören musste.“ V. d. Behrens: „Wo war er eingesetzt?“ Fe.: „Das wissen Sie doch: Im Rechtsbereich.“ V. d. Behrens: „Ja, in welchem Bereich?“ Fe.: „Das kann ich Ihnen doch nicht in Einzelheiten sagen.“ V. d. Behrens: „In Kassel?“ Fe.: „Nordhessen.“ V. d. Behrens: „NPD oder freie Kameradschaften?“ Fe.: „Das sage ich nicht. Das brauchen Sie auch nicht wissen.“ V. d. Behrens: „Das entscheiden Sie nicht.“ Auf Frage sagt Fe., er habe den „Ben“ genannt. V. d. Behrens: „War das sein offizieller Name oder der private?“ Fe.: „Benjamin Gärtner hieß er, glaube ich.“ V. d. Behrens: „Sprechen wir über einen oder zwei rechte V-Männer? Über Gärtner haben wir schon gesprochen.“ Fe.: „Sage ich Ihnen nicht.“ V. d. Behrens: „Gab es einen zweiten V-Mann aus dem rechten Spektrum?“ Fe.: „Es könnten zwei sein.“ V. d. Behrens: „Sie wissen es nicht oder wollen Sie es nicht sagen?“ Fe. „Ich weiß es nicht mehr genau. Wenn ich jetzt was Falsches sage.“
V. d. Behrens: „Die Angaben Mitte 2004 bis zum Ende geführt, auf welchen V-Mann bezog sich das?“ Fe.: „Auf Gärtner.“ V. d. Behrens fragt, auf welche Grundlage sich Fe. beziehe, wenn er davon spreche, dass es auch zwei gewesen sein könnten. Fe.: „Weil wir noch andere hatten.“ V. d. Behrens: „Haben Sie einen weiteren rechten V-Mann an Temme übergeben?“ Fe.: „Ich hatte einen zweiten gehabt. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn an Temme gegeben habe.“ V. d. Behrens fragt, ob danach unter den V-Leuten, die Fe. dann von Temme übernommen habe, noch ein weiterer Rechter gewesen sei. Fe.: „Nein.“ RA Kienzle: „In dem zweiten Telefonat sprechen Sie die rechte Szene in Fritzlar an, gab es da aus der rechten Szene ein Beobachtungsobjekt von Ihnen?“ Fe.: „Nein, das wurde nur so erwähnt, kein Beobachtungsobjekt. Die Polizei hatte Kontakt, das Staatsschutzkommissariat in Homberg/Efze hatte Ermittlungen und hat in einem Gespräch erwähnt, dass die Probleme hätten mit Jugendlichen in Fritzlar.“
Nach einer Pause bis 14:36 Uhr folgt der Zeuge Ha. Götzl verliest die Aussagegenehmigung und sagt dann, es gehe um ein Telefonat vom 28.04.2006 zwischen Ha. und Temme und um die Frage, ob das LfV Hessen die polizeilichen Ermittlungen gesteuert oder beeinflusst hat. Ha.: „Das Telefonat habe ich geführt. Der Ton des Telefonats ist rau gewesen. Das hat da dran gelegen, dass ich durch die personelle Bestückung in unserem damaligen Dezernat mich da benachteiligt gefühlt habe. Deswegen war ich da relativ frustriert. Deswegen ist der Ton so rau in dem Gespräch.“ Götzl fragt, ob sich Ha. an den Inhalt erinnere. Ha.: „Ich bin zeitnah von zwei Beamten des PP Nordhessen, Teichert und Fischer, zu Temme befragt worden. Denen habe ich auch gesagt, dass ich ein Telefongespräch geführt habe mit Temme und sinngemäß den Inhalt geschildert. Ich war zuerst mit Temmes Frau verbunden, die hat mich weitergegeben. Von unserem Amt kam die ganze Zeit kein Sachstand und keine Statements zu der Festnahme. Und weil ich mit Temme mehrere Jahre zusammengearbeitet habe und nachmittags oder am Wochenende Freizeitaktivitäten durchgeführt habe. Nach seinem Weggang nach Kassel haben wir nur sporadisch telefoniert. Und als dann der Herr Temme nach seiner Festnahme wieder freigelassen worden war, kam von unserem Amt auch keine Information. Da ich Temme kenne, habe ich mich entschlossen ihn anzurufen und das Gespräch eröffnet mit dem Satz: Was hast Du denn da für ’ne Scheiße gemacht?“
Götzl fragt, ob Ha. etwas sagen könne zur Frage, ob das LfV Hessen polizeiliche Ermittlungen gesteuert, beeinflusst hat. Ha.: „Dazu kann ich keine Aussage machen. Informationen von unserem Amt, von unserer Amtsleitung in puncto Temme oder zu dem Mord in Kassel, da wurden wir nicht intern informiert. Die einzige Informationsquelle waren die Medien.“ Götzl fragt, ob Ha. sonst noch Erinnerungen an den Inhalt des Telefonats habe. Ha.: „Also, ich habe den mich befragenden Polizisten im Nachgang zu dem Telefongespräch etliche Aussagen gemacht, das müsste im Protokoll dargelegt sein. Das ist neun Jahre her natürlich. Ich habe gefragt, was er gemacht hat, ob er in dem Café war.“ Dazu habe Temme nichts gesagt, so Ha. weiter. Ha.: „Dann habe ich auch gesagt, er braucht da nix mehr weiter zu sagen. Vom subjektiven Eindruck in dem Gespräch war mir dann klar, dass da keine Informationen rüberkommen. Deswegen haben wir dann über andere Dinge in unserem Amt gesprochen.“ Götzl: „Was meinen Sie damit: ‚der subjektive Eindruck war klar‘? Ha.: „Es war, soweit es mir erinnerlich ist, hat er ein bisschen rumgedruckst und längere Pausen gemacht und das war eigentlich der Auslöser dann.“
[Es folgt die Wiedergabe der Audiodatei des Telefonats vom 28.04.2006. Aus redaktionellen Gründen können wir das Telefonat hier nicht wiedergeben. Auf wichtige Stellen gehen die Verfahrensbeteiligten im Verlauf der weiteren Vernehmung mit Vorhalten ein. Siehe zum Inhalt des Telefonats auch die Beweisanträge der NK Yozgat vom 188. Verhandlungstag. Während des Telefonats richtet sich Götzl einmal an Zschäpe, offenbar weil er vermutet, dass die Angeklagte nicht konzentriert ist. Er fragt Zschäpe, ob sie bei der Sache sei. Zschäpe antwortet persönlich: „Ja.“]
Nach dem Abspielen des Telefonats sagt Götzl: „Was wollen Sie dazu sagen aus Ihrer Sicht?“ Ha.: „Eigentlich nichts. Aber Sie haben ja bestimmt noch einige Fragen.“ Götzl fragt, ob sich Ha. später nochmal mit Temme über die Ereignisse unterhalten habe. Ha. sagt, er habe im September noch ein Telefongespräch geführt mit Temme. Da habe Temme ihm aber auch keine Informationen gegeben, was er gesehen habe oder über den Ablauf. Götzl hält vor: Temme: Aber das war schon ganz schön heftig letzten Freitag. Ich sage es Dir. Wenn der ganze Spaß soweit rum ist, dann muss ich mal vorbeigucken, dann … – Ha.: Mhm. – Temme: … dann kann ich Dir das Ganze ja … – Ha.: Jaja, genau. – Temme: … am Stück erzählen. Das ist am Telefon ein bisschen schlecht, … – Ha.: Jaja. – auch wegen dem ganzen anderen Drumrum, wegen – von wegen, äh, dass ja niemand außerhalb darüber auch nur irgendwas erfahren darf.
Götzl: „Was bedeutet das: ‚dass niemand außerhalb was erfahren darf‘?“ Ha.: „Das kann ich nicht sagen. Meine Vermutung ist, dass Temme gemeint hat, da ja der Verfassungsschutz involviert ist durch seine Person, dass nur behördenintern ermittelt werden soll.“ Götzl: „Aber von Ihnen kommt Zustimmung im Gespräch: ‚Jaja“.“ Ha.: „Man sagt öfter so bestimmte Sachen. Wenn jemand sagt: das soll nicht jeder erfahren, dass man sagt: das stimmt. Weil man denkt, dass es dem anderen nicht angenehm ist, da weiterzusprechen.“ Götzl hält vor, dass Ha. im Telefonat zu Temme gesagt habe: Und ich hätte ja auch so gesagt, da sollte auch mal so direkter Vorgesetzter bissl mehr ins Zeug legen, weil, das ist ja bissl die Extremsituation, gell? Götzl: „Was ist da gemeint?“ Ha.: „Es war ja der Informationsfluss von Vorgesetzten zu Mitarbeitern, uns, und, soweit wir das aus den Medien … Zu der Zeit haben wir in einem ausgelagerten Objekt unseren Dienst versehen und im Haupthaus kaum zu tun. Von daher war der Informationsfluss suboptimal. Dass wir das aus der Presse mitbekommen haben, dass von unserem Amt die Unterstützung der Polizeibehörden nicht so optimal wäre.“ Götzl: „Und was haben Sie zu dem Thema intern erfahren?“ Ha.: „Nur das was in Kollegenkreisen bekannt geworden ist.“ Götzl fragt, was da bekannt geworden sei. Ha.: „Die Informationen aus dem Gespräch habe ich natürlich an die Kollegen in der Außenstelle weitergegeben, Das war’s eigentlich schon. Vom Amt kam eigentlich gar keine Information.“
RA Kienzle: „Sie sagen an einer Stelle: ‚was der Boss so erzählt hat‘. Wer ist mit ‚Boss‘ gemeint?“ Ha.: „Unser Dezernatsleiter, das war damals der Herr Kr.“ Kienzle: „Bei welcher Gelegenheit hat der was erzählt?“ Ha.: „Das war als die … Zeitlich kann ich das jetzt nicht einordnen. Das muss nach der Freilassung des Herrn Temme aus der Untersuchungshaft gewesen sein. Das war die einzige Information, die wir von unserem Chef gekriegt haben.“ Kienzle: „Was? Dass er wieder freigelassen ist?“ Ha.: “ Das, und dass der Herr Yozgat in dem Internetcafé erschossen worden ist, und dass der Herr Temme in einem gewissen Zeitraum vor, während oder nach der Tat in dem Internetcafé war.“ Kienzle sagt, das sei eben genau die Frage. Vorhalt: Ha.: Was der Boss so gesagt hat. Äh, dass eben der Typ in dem Café da umgedaddelt worden wäre … – Temme: Hmm. – Ha.: .. und Du wärst dann wahrscheinlich da raus.
Kienzle: „Als Reihenfolge: Erschossen und dann ‚du da raus‘. Kommt da eine Erinnerung an das Gespräch mit dem Boss und den konkreten Sachverhalt, der da erzählt wurde?“ Ha.: „An den konkreten Sachverhalt kann ich mich nicht erinnern. Ich kann nur sagen, dass ein Teil der Informationen, die wir vom Chef bekommen haben, ist auch Information aus der Presse gewesen. Der Informationsfluss vom Amt zur Außenstelle war nicht so, wie ich mir das gewünscht hätte.“ Kienzle: „Das heißt, Herr Kr. saß auch mit an der Außenstelle?“ Ha.: „Jawohl.“
RA Narin: „Die Person des Herrn Temme. Sie waren in einer Observationseinheit in Offenbach mit Temme. Hatte er Kontakte in die dortige Rockerszene?“ Ha.: „Meines Wissens nach hat er da keine Kontakte gehabt.“ Narin: „Und später?“ Ha.: „Soweit meiner Kenntnis auch keine.“ Narin hält aus den Akten vor, dass dort stehe, Temme habe auf eine hineinkommende Person gezeigt und diesen als Vizepräsidenten der „Hells Angels“ bezeichnet. Ha.: „Wir hatten in Kassel einen Einsatz. Temme war nicht mehr in der Einheit, aber hat uns dort oben logistisch unterstützt, deswegen haben wir uns in einem Café getroffen. Da ist eine schwarze Limousine angekommen, da stieg nach dem Erscheinungsbild eine Person aus der Rockerszene aus. Die Person ist an uns vorbeigegangen und hat keine Anstalten gemacht, den Herrn Temme beispielsweise zu grüßen. Er hat gesagt: Das ist oder war der Präsident der ‚Hells Angels‘. Mehr war da nicht. Dazu muss man vielleicht sagen, dass im LfV Hessen auch der Bereich OK [Organisierte Kriminalität] bearbeitet wird, und da fällt auch der Bereich Rockerkriminalität mit hinein. Wir müssen auch Informationen sammeln über die Rockerclubs, die es in Hessen gibt. Und da ist es manchmal zwangsläufig, dass man die Personen kennt, wenn man sie auf der Straße sieht.“ Narin: „Kennen Sie einen Holger Le.?“ Ha.: „Nein.“ Narin: „Frank Ei?“ Ha.: „Nein.“ Narin: „Haben Sie mal mitbekommen, ob gegen Temme mal ein Strafverfahren wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen geführt wurde?“ Ha.: „Nein.“
Narin: „Wurden Sie mal von der Polizei zur politischen Einstellung Temmes befragt?“ Ha.: „Da muss ich auf das Protokoll verweisen. Erinnerlich ist es mir nicht.“ Vorhalt: Lediglich der Zeuge Ha. gab an, dass Temme Mitte-links orientiert sei. Ha.: „Das war bei einer Befragung mit zwei Polizisten des PP Nordhessen. Und in dem Zusammensein mit Herrn Temme, wenn wir da diskutiert haben oder tagesaktuelle Politik erläutert haben, dann war der Eindruck, dass er diese Einstellung hat.“ RA Erdal: „Seit wann kennen Sie Temme?“ Ha.: „Seit seinem Eintritt ins LfV Hessen, das müsste 1994 gewesen sein.“ Erdal: „Wissen Sie, dass er aus Hofgeismar stammt?“ Ha.: „Er hat gesagt aus Trendelenburg, das ist ja im Bereich Hofgeismar.“ Erdal: „Waren Sie mal dort?“ Ha.: „Nein.“
Nachdem der Zeuge entlassen ist, stellt NK-Vertreter RA Langer einen Beweisantrag. Zum Beweis der Tatsache, dass Mitglieder des Trios am 25.10.2011 den Mitangeklagten Eminger im Uniklinikum Leipzig, Liebigstraße 18-20, besucht haben und damit das besonders enge Verhältnis zu Eminger auch noch kurz vor dem geplanten Banküberfall in Eisenach am 04.11.2011 dokumentiert wird, beantragt er: 1) Fotos eines asservierten Parkscheins sowie 2) das Originalasservat in Augenschein zu nehmen, 3) den Polizeibeamten aus der Tatortgruppe, der das Foto gefertigt hat zu vernehmen, 4) die Polizeibeamtin Ra. zu vernehmen, 5) den zuständigen Mitarbeiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes der Stadt Leipzig zu vernehmen, 6) den Ausdruck der Unfallanzeige vom 17.10.2011 in Augenschein zu nehmen, 7) eine Auskunft bei der damals zuständigen Krankenkasse von Eminger über dessen Verweildauer im Uniklinikum Leipzig einzuholen und 8) den zuständigen Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt Zwickau zu vernehmen. Die Beweiserhebung werde ergeben, dass der im Wohnmobil gefundene Parkschein das Datum 25.10.2011, Ablauf-Uhrzeit 19:29 Uhr, Beginnuhrzeit 18:43 Uhr, Ortsangabe Liebigstraße, Zahlbetrag 1,00 Euro trägt. Beim Originalasservat sei das Thermopapier verblasst, die Vernehmung des Zeugen unter 3) werde jedoch ergeben, dass sich der Originalparkschein, wie auf dem Foto abgebildet, im Fahrerhaus des Wohnmobils, dort im Handschuhfach, befand.
Die Zeugin Ra. werde bestätigen, dass sie diesen Parkschein in dem in Eisenach sichergestellten Wohnmobil gefunden und asserviert hat. Die Vernehmung eines Mitarbeiters der Stadt Leipzig werde ergeben, dass es sich um einen Parkschein vom damals einzigen Automaten in der Liebigstraße in Leipzig handelt, in der sich auch das Uniklinikum befindet, und dass die Laufzeit für 1 Euro seit Oktober 2011 unverändert 46 Minuten beträgt. Der Vergleich des Parkscheins und eines Vergleichsparkscheines aus dem Jahr 2015 würden eine identische Art des Ausdruckbildes zeigen. Der Mitarbeiter werde weiter bekunden, dass die einzige Abweichung, „Liebigstr.“ und „Liebigstr. 1“, dadurch zu erklären ist, dass es ursprünglich bis 2011 nur einen Automaten gegeben hat. Dieser habe damals nur „Liebigstr.“ ausgewiesen. Nach 2011 sei ein weiterer Automat aufgestellt worden. Seitdem weise der erstgenannte Automat Parkscheine mit „Liebigstr. 1“ und der neuere Parkscheine mit „Liebigstr. 2“ aus. Der Mitarbeiter werde bekunden, dass das Papier jährlich gewechselt wird. Die Unfallanzeige belege, dass Eminger am 17.10.2011 einen schweren Unfall erlitt, als er von einem Dach gestürzt war. Die Unfallanzeige befinde sich auf der asservierten Maxstore-Festplatte.
Die Einholung der Auskunft bei der Krankenkasse werde ergeben, das Eminger sich bis zum Vormittag des 27.10.2011 in stationärer Behandlung im Uniklinikum Leipzig befand. Die Indizien würden dafür sprechen, dass er sich auch noch am Vormittag des 27.10. im Krankenhaus befand, somit habe er am 25.10.2011 besucht werden können. Der Mitarbeiter der Stadt Zwickau werde bekunden, dass es in der Liebigstraße Zwickau, nach der sich das BKA erkundigt habe, keine Parkscheinautomaten gibt. Entgegen der Auffassung des BKA, das den Parkschein für nicht verfahrensrelevant gehalten habe, weil es sich lediglich nach einer Liebigstraße in Zwickau erkundigt habe, in der es aber keine Parkscheinautomaten gebe, sei das Asservat verfahrensrelevant, weil es die ganz enge Zusammenarbeit zwischen dem Trio und dem Angeklagten Eminger belege. Insbesondere belege der Besuch in einem Krankenhaus nach einem schweren Unfall ein besonders enges persönliches Verhältnis. Außerdem regt Langer an, zu ermitteln, welche Personen sich auf der Station des Uniklinikums Leipzig aufhielten, als sich Eminger dort befand und diese dazu zu vernehmen, ob sie sich an Böhnhardt, Mundlos und/oder Zschäpe im Klinikum erinnern können. Es sei allgemein nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich, dass es beim genannten Kreis Personen gibt, die sich erinnern können, kurz nach dem 25.10.2011, als ab dem 04.11.2011 erstmals Bilder von Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe veröffentlicht wurden, diese zuvor im Klinikum gesehen zu haben. An ein solches spontanes Wiedererkennen könnten sich eventuelle Zeugen mglw. auch heute noch erinnern.
RA Narin sagt, er schließe sich an und weise darauf hin, dass die Auswertung des Computers Zschäpe für den 19.10 2011 ergeben habe: „Sturz vom Dach“ und „Beckenbruch“. Daher sei auch anzunehmen, dass Zschäpe in die gemeinsamen Aktivitäten eingebunden gewesen sei, die Anmietung des Wohnmobils, und mit dem zu Eminger gefahren sei. Weitere NK-Vertreter_innen schließen sich an. Der Verhandlungstag endet um 16:03 Uhr.
Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:
„Die Zeugen versuchten erwartungsgemäß, ihren Äußerungen einen möglichst belanglosen Inhalt zu geben. Dies gelang allerdings nur schlecht. Die in der Hauptverhandlung vorgespielten Gespräche ließen sich nicht wirklich mit den heute angebotenen Erklärungen verharmlosen. Bemerkenswert war insbesondere, dass die Zeugen zum Teil angaben, sie hätten es für möglich gehalten, dass die Telefonate von der Polizei mitgehört werden. Dies würde die unklaren Formulierungen in den Gesprächen erklären.(…)
Letztlich wurde jedenfalls deutlich, dass nur eine vollständige Offenlegung aller Unterlagen und der gesamten Akte des gegen Temme geführten Ermittlungsverfahrens mehr Klarheit über das Geschehen in Kassel bringen kann. Die Verweigerung der Akteneinsicht verhindert die weitere Aufklärung und muss zu weiteren Verzögerungen und einer schleppenden Beweisaufnahme führen – ein Problem, das ganz einfach behoben werden könnte.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/06/17/17-06-2015/