Zunächst wird an diesem Prozesstag noch einmal der Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße thematisiert. Ein Betroffener erzählt, wie er den Anschlag erlebte. Er blieb wohl nur unverletzt, weil zufällig ein Auto vor seinem Geschäft parkte. Dann nehmen noch einmal zwei Gutachter zu dem Anschlag Stellung. Anschließend geht es erneut um Andreas Temme und die Telefonate, die er nach dem Mord an Halit Yozgat in Kassel mit dem ehemaligen Geheimschutzbeauftragten des LfV Hessen führte. Es geht weiterhin um die Frage, ob Temme, der während des Mordes am Tatort war, vorher wusste, was passieren würde und/oder was er an diesem Tag sah.
Zeugen und Sachverständige:
- [AL] (Betroffener des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße)
- Rüdiger Mölle (Sprengstoffsachverständiger, Gutachten zum Anschlag in der Kölner Keupstraße)
- Oliver Peschel (Rechtsmediziner, Gutachten zum Anschlag in der Kölner Keupstraße)
- Gerald-Hasso Hess (ehem. Mitarbeiter des LfV Hessen, Telefonate mit Andreas Temme)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung fragt Götzl: „Frau Zschäpe, ich nehme an, die Zahnbehandlung ist erfolgt und es geht Ihnen wieder gut.“ Es folgt keine verbale Antwort. Dann sagt Götzl, dass die zunächst geladene Zeugin zum Anschlag in der Keupstraße nicht teilnehmen könne. Er fragt nach den Gründen. Der NK-Vertreter sagt, seine Mandantin sei auf dem Weg hierhin zusammengebrochen und befinde sich deshalb im Krankenhaus.
[Hinweis: Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verzichten wir auf die namentliche Nennung der Betroffenen des Anschlags in der Kölner Keupstraße. Die Angaben der Zeug_innen zu ihren körperlichen Verletzungen, psychischen Folgen und Behandlungen geben wir hier in einem zusammenfassenden Text wieder.]
Es folgt der Zeuge [AL]. Götzl: „Es geht uns um Ereignisse vom 09.06.2004 in der Keupstraße in Köln. Ich würde Sie bitten, dass Sie uns schildern, was Sie damals erlebt haben, inwiefern sie damals auch betroffen waren, und wie die Sache, was Folgen anbelangt, im Anschluss weiterging.“ [AL] berichtet: „Ja, mein Vater hat eine Reisevermittlungsagentur auf der Keupstraße, genau gegenüber von dem Frisörgeschäft. Ich bin an dem Tag in die Keupstraße reingefahren. Genau vor dem Frisörladen stand ein hellblauer Peugeot 307 [phon.], so einen fuhr ich damals auch. Ich habe geparkt und mir den Wagen ein bisschen genauer angeguckt, hellblau, mit belgischem Kennzeichen, war zu verkaufen. Ich habe vielleicht 20 Minuten da gestanden, mich mit dem einen oder anderen auch unterhalten, dann bin ich rüber ins Geschäft. Vor dem Laden stand ein schwarzer Sprinter davor. Ich bin rein und genau dahinter, hinter dem Schaufenster befand sich mein Sitzplatz. Nach zwei, drei Minuten kam der Knall. Ich habe mich hingeschmissen. Nicht durch die Druckwelle. Aber meine Schwester ist durch die Druckwelle an [phon.] die Wand. Die war so weinerlich, ich habe versucht sie zu beruhigen. Ich hab an einen Heizkörper gedacht oder irgendwie Propangasflasche oder irgendwie so was. Mein Blick ging wieder Richtung Peugeot und der Kofferraum war offen. Ich habe irgendwie an eine Autobombe gedacht. Keine Ahnung, wieso. Dann sagte meine Schwester, dass Papa draußen ist. Ich habe erst versucht die Polizei anzurufen, aber es ging nicht, alle Leitungen besetzt. Ich habe den Schaden gesehen, Glück im Unglück. Ich bin raus, dem einen oder anderen Verletzten habe ich geholfen. Habe meinen Vater gesehen, er stand auf den Beinen, ist nichts passiert und habe mit ihm Kontakt gehabt. Ja, das war’s eigentlich.“
Götzl: „Sind Sie selbst verletzt worden?“ [AL]: „Nein.“ Götzl: „Waren weitere Personen im Geschäft gewesen bei Ihnen?“ [AL]: „Im Büro selbst war niemand drin.“ Götzl: „Wie waren die Folgen für Sie selbst?“ [AL]: „Naja, ich habe schon, glaube ich, ein bisschen mehr drauf geachtet: Wer kommt in die Keupstraße rein, wer ist das, was macht der? Den ein oder anderen hat man schon genauer angeguckt. Sonst: ein bisschen ängstlich war man schon, glaube ich.“ Götzl: „Ist Ihre Schwester verletzt worden?“ [AL]: „Körperlich nicht.“ Götzl: „Wo haben Sie Ihren Vater angetroffen?“ [AL]: „Wo ich reingekommen bin, ist der aus dem Geschäft raus und Richtung Bergisch-Gladbacher Straße gegangen. Und als ich draußen war, habe ich den wieder in unsere Richtung kommen sehen.“ Götzl fragt, inwiefern der Laden betroffen gewesen sei. Das Glas sei zum Teil vom Fensterrahmen gewesen, so [AL], die Tür sei aus Holz gewesen, ein paar Holzteile, so weit er sich erinnern könne: „Ich glaube, dieser Sprinter hat auch viel abgefangen. „Es seien später viele Dellen an dem Fahrzeug, auf der Seite, wo die Bombe war, gezählt worden. Der Zeuge wird entlassen.
Es folgt der SV Mölle. Götzl sagt, es gehe im Anschluss an Mölles früheres Gutachten um die weiteren Geschädigten. Zunächst fasst Mölle noch einmal die Fakten aus seinem Gutachten vom 11. Februar zusammen (siehe Protokoll zum 185. Verhandlungstag). Dazu lässt er einige Folien einer Power-Point-Präsentation an die Leinwände projizieren. Dann sagt er zu Position und Gefährdung der Betroffenen aus, die bis zum 11. Februar noch nicht gehört waren. Zur Aussage von [AJ] sagt er, es sei unbestritten dass er sich in diesem Bereich in absolut akuter Lebensgefahr befand. Zur Aussage von [AK]: „Herr [AK] war hier auf jedem Fall auch noch dem Splitterflug ausgesetzt.“ Zu den Kindern von [AK], u.a. den heute gehörten Zeugen [AL], sagt er: „Hier der seitliche Blick auf das Haus, hier sehen Sie das Reisebüro und hier den Sprinter, der unmittelbar davor geparkt war. Der misst circa 6 Meter, er stand ideal, um den Splitterflug größtenteils oder vollständig von den Verkaufsräumen dieses Reisebüros abzuhalten. Hier kann man erkennen, hier sind die Schreibtische wo die Angestellten tätig sind, da sind die Fensterscheiben weitgehend entglast. Sehr große Splitter, die beim Herabfallen auf einen Menschen durchaus große Schnittverletzungen hervorrufen können. Ich kann nur übereinstimmen mit [AL]: Wenn der Sprinter nicht dagestanden hätte, wären sie mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Splitter der Bombe getroffen worden.“ Zusammenfassend sagt er: „Alle diese vier Personen waren in einem Nähebereich zum Sprengsatz, dass mit schwersten Verletzungen hätte gerechnet werden müssen mit durchaus potenziell tödlichen Folgen.“
Dann folgt SV Peschel. Auch bei ihm geht es um die weiteren Geschädigten des Anschlags in der Keupstraße, die bei Peschels erster Gutachtenerstattung (siehe Protokoll zum 185. Verhandlungstag) zum Thema noch nicht gehört waren. Zunächst legt Peschel noch einmal die potenziellen Verletzungsmöglichkeiten dar. Dann sagt er zu den Verletzungen des Zeugen [AJ]: „Es sind sicher keine lebensbedrohlichen Verletzungen entstanden, diese wären aber ohne weiteres hier möglich gewesen.“ Zu [AK] sagt Peschel, dass dieser geschildert habe, dass er gegen den Baum geschleudert worden sei: „Das erscheint mir wenig plausibel, ist aber nicht ausgeschlossen.“ Hier sei es sehr schwierig, exakte Entfernungen anzugeben, wo jemand zu Boden geschleudert wird oder nicht: „Es kann auch aus anderen Gründen eintreten, zum Beispiel aus einer Schreckreaktion, die die Zeugenaussage nachvollziehbar macht aus medizinischer Sicht.“ Auch hier sagt er, dass ein akut lebensbedrohliches Bild nicht vorgelegen habe, aber bei entsprechendem Splitterflug durchaus möglich gewesen wäre. Bei [AL] sei durch die Abdeckungssituation des Sprinters zu erklären, dass dieser nicht verletzt worden sei. Danach sagt Götzl: „Dann werden wir die Einvernahme für heute unterbrechen. Herr Peschel und Herr Mölle werden nochmal erscheinen. Wir werden Sie erneut laden nach der weiteren Zeugeneinvernahme. Sie können sich für heute dann auch entfernen.“
Danach verliest NK-Vertreter RA Langer einen Beweisantrag. Zum Beweis der Tatsache dass die Mitglieder des Trios am 28.10.2011 15,98 Liter Superbenzin erworben haben, ohne Verwendungsmöglichkeit in einem KFZ, und dass es sich dabei um das beim Brand in der Frühlingsstraße von Zschäpe eingesetzte Brandmittel handelt, beantragt er: 1) eine Tankquittung aus den Asservaten in Augenschein zu nehmen; 2) das digitale Bild der Quittung in den Akten so zu bearbeiten, dass deren Ausstelldatum sichtbar werde; 3) den Polizeibeamten, der das Foto gefertigt habe, zu vernehmen; 4) und 5) zwei weitere Polizeibeamt_innen zu vernehmen, 6) eine Auskunft bei der Firma Shell Station Nova filia GmbH zur genauen Zeitangabe der Erstellung der Quittung einzuholen und 7) eine Auskunft bei der Firma Sunlight GmbH einzuholen, darüber dass sämtliche von ihr hergestellten und vertriebenen Wohnmobile Sunlight Alkoven A68 mit Dieselkraftstoff betrieben werden. Langer führt aus: Ziel des Antrags ist, den Beweis zu führen, dass das am 04.11.2011 eingesetzte Brandmittel nicht zufällig von Zschäpe vorgefunden, sondern zielgerichtet eine Woche zuvor erst erworben wurde. Diese Tatsache und der weitere Verlauf indizieren, dass es zwischen den Mitgliedern des Trios eine Absprache gegeben hat, dass das Benzin im Falle des Auffliegens zur Zerstörung der Wohnung Frühlingsstraße durch Zschäpe eingesetzt werden sollte. Mehrere NK-Vertreter_innen schließen sich dem Antrag an.
Dann folgen Beweisanträge der Verteidigung Wohlleben. RAin Schneiders beantragt zum Beweis der Tatsache, dass Andreas Graupner 2000 im Rahmen einer Schulungsveranstaltung Christian Kapke ansprach und berichtete, dass es den Dreien gut gehe, die Vernehmung des Zeugen Sandro Tauber. Dies diene der Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Angaben Tino Brandts, Christian Kapkes, Graupners und Edda Schmidts. Der Zeuge Tauber werde bekunden, dass es sich bei dem Chemnitzer um Andreas Graupner handelte. Die Beweiserhebung werde bestätigen, dass Wohlleben nicht die zentrale Rolle in der Unterstützerszene spielte, die ihm die BAW zuschreibt.
RA Klemke beantragt die Vernehmung des Zeugen Mario Brehme. Einer Deckblattmeldung des Zeugen Tino Brandt zufolge habe im Oktober 2000 ein persönliches Gespräch zwischen Brandt, Brehme, André Kapke und Wohlleben stattgefunden. Ein Reporter des Stern habe für ein Live-Interview mit den Flüchtigen 50.000 bis 60.000 DM in Aussicht gestellt. Demnach hätten Kapke und Wohlleben die Annahme des Angebots befürwortet. Die Anklage werfe Wohlleben vor, positiv von den Straftaten des Trios Kenntnis gehabt zu haben. Die Beweiserhebung werde ergeben, dass Wohlleben nach der Tat zum Nachteil Enver Şimşeks und den Überfällen auf einen Edeka-Markt und zwei Postfilialen versucht habe, ein finanziell lukratives Live-Interview zu arrangieren. Die Annahme, er habe so etwas vermitteln wollen, wenn er von den Straftaten gewusst hätte, sei lebensfremd. Bereits die Durchführung des Interview hätte, so Klemke, die Gefahr der Festnahme der Drei potenziert und Wohlleben hätte wegen einer Verstrickung in die Beschaffung der Waffe mit eigener Strafverfolgung rechnen müssen. Der Umstand, dass er das Interview habe arrangieren wollen, belege indiziell, dass Wohlleben entweder nicht an der Waffenbeschaffung beteiligt war oder jedenfalls nicht ernsthaft die Begehung von Straftaten mit der Waffe erwog, und entkräfte die These der BAW, dass Wohlleben steuernde Zentralfigur der Unterstützerszene gewesen sei. Die Entscheidung, den Kontakt nicht herzustellen, sei auf einem Treffen in Rudolstadt getroffen worden, an dem Wohlleben gerade nicht teilgenommen habe, sondern sei durch Kapke, Brandt und Brehme getroffen worden. Mario Brehme habe in den 1990er Jahren Kontakt zu Wohlleben gehabt, sie habe ein enges Vertrauensverhältnis verbunden. Der Zeuge werde bekunden, dass Wohlleben die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele ablehne.
Außerdem beantragt Klemke den Zeugen Werner Ludwig F. zu vernehmen. Der Zeuge sei mit dem Mitinhaber des Waffengeschäfts Schläfli & Zbinden, Andreas Z., befreundet gewesen und habe mit Erwerbsscheinen, die auf Mitarbeiter von Schläfli & Zbinden ausgestellt gewesen seien, sechs [phon.] Faustfeuerwaffen erworben. In das Waffenbuch habe Z. wahrheitswidrig die Inhaber der Waffenerwerbsscheine eingetragen. Weitere neun [phon.] großkalibrige Waffen habe der Zeuge auf Waffenerwerbsscheine zweier Personen eingetragen. Die Beweiserhebung werde ergeben, dass die Eintragungen im Waffenbuch teilweise wahrheitswidrig vorgenommen worden seien. Danach informiert Götzl den SV Saß über die Aussagen des Zeugen Alexander Ha. (198. und 204. Verhandlungstag). Es folgt die Mittagspause bis 13:12 Uhr.
Dann betritt der Zeuge Hess den Saal. Nach Personalienfeststellung und Belehrung verliest Götzl die Aussagegenehmigung. Dann sagt er: „Es geht uns bei Ihrer heutigen Vernehmung um den Inhalt von Telefonaten zwischen Ihnen und dem Herrn Temme am 09. Mai 2006, am 20. Juni 2006 und am 01.08.2006. Und dann geht es noch um die Frage, ob das LfV Hessen mit Herrn Temme die polizeilichen Ermittlungen durch Zugänglichmachen oder Vorenthalten von Informationen gesteuert hat, ob Mitarbeiter des LfV bereits vor dem Mord an Halit Yozgat Kenntnisse von der Tat, Tatzeit, Tatort, Täter gehabt hat, und schließlich, ob Sie aufgrund Ihrer Tätigkeit Kenntnisse hatten, aufgrund derer Sie Temme für die Person gehalten haben, die den Mord an Herrn Yozgat verursacht hat. Zunächst beginnen wir damit, dass Sie Ihre Tätigkeit beschreiben und inwiefern Sie mit diesem Gegenstand dann auch befasst waren.“ Hess: „Ich war Geheimschutzbeauftragter des LfV, das heißt für die materielle und persönliche Sicherheit des LfV verantwortlich zu sein. Gleichzeitig hatte ich noch die Aufgabe des Dezernenten Grundsatz. Und in dieser kombinierten Funktion bin ich beauftragt worden, die Poststelle für die Polizei Hessen wahrzunehmen, Wünsche entgegenzunehmen, die Antworten im Hause zu sammeln und dann an die Polizei zurückzugeben. Ich muss vielleicht gleich vorneweg beantworten bezüglich der Arbeit des Herrn T. [Hess kürzt den Namen von Temme ab]: hatte ich nichts mit zu tun. Nur im Punkt Geheimschutzbeauftragter. Er war sicherheitsüberprüft, das hat natürlich dann mich interessiert. Gegebenenfalls hatte er sich dienstlich fehlverhalten oder so.“
Götzl sagt, Zusammenhang sei die Tat am 06.04.2006, da interessiere ihn der zeitliche Ablauf im Hinblick auf Hess‘ Tätigkeit und Kenntnisstand, Funktion und Befassung bzgl. Temme, vor den Telefonaten. Hess: „Das ist jetzt natürlich etwas schwierig, sich nach so langer Zeit da korrekt an jedes Datum zu erinnern. Soweit ich noch in Erinnerung habe, hat die Polizei so circa 14 Tage benötigt, um aufzuklären, an welcher Person sie interessiert war. Dann ist das wohl um diesen Zeitraum dem Verfassungsschutz bekannt geworden. Und das Telefonat am 09. Mai war dann wohl noch einmal 14 Tage später. Mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, ich bin ja schon vom hessischen Untersuchungsausschuss dazu befragt worden, ja, war das wohl die erste Kontaktaufnahme mit dem Herrn T. Aber wie gesagt, in aller Unsicherheit.“ Götzl: „Wenn Sie ‚T.‘ sagen, meinen Sie Temme, nehme ich an, ja?“ Hess: „Kommt eben daher, dass das Gedächtnis nach so langer Zeit …. Da öffnen sich Türen, wenn man das noch mal liest, was man selbst gesagt hat, man versucht sich zu erinnern. So scheint’s mir jetzt gewesen zu sein.“
Götzl: „Ihre Funktion zur damaligen Zeit würde mich interessieren, in Bezug auf Temme und diese Tat in Kassel. Hatten Sie hier in Bezug auf die Person Temmes einen spezielle Funktion?“ Hess sagt, wenn jemand verdächtigt werde, verwickelt zu sein in einen Mord, dann stehe die Sicherheitsüberprüfung auf dem Prüfstand. Temme sei suspendiert worden, damit sei die Sache erstmal auf Eis gelegt [phon.] gewesen: „Normalerweise läuft das bei nicht so gravierenden Straftaten oder Disziplinarverfahren so, wir sind ja keine Behörde, die neben der Polizei ermittelt: man wartet erst mal ab, was die Polizei ermittelt und zu welcher Schlussfolgerung sie kommt. Dann, wenn man das hat, hat man eine Grundlage bezüglich des Disziplinarverfahrens oder weiterer Folgerungen bezüglich der Sicherheitsüberprüfung.“ Götzl: „Mir geht es immer darum, wie es speziell in diesem Fall dann war, nicht so allgemein. Wenn Sie es nicht wissen, dann bitte ich Sie es auch zu sagen, wenn Sie keine Erinnerung haben.“ Hess: „Was ich allgemein erläutert habe, gilt natürlich auch für den speziellen Fall. Wir warten die Ermittlungen der Polizei ab und dazu haben wir Fragen der Polizei bekommen und diese auch beantwortet.“
Götzl fragt, ob Hess diese Fragen zeitlich einordnen könne in Bezug auf die Telefonate. Hess: „Das Telefonat war nochmal im Mai, nicht?“ Götzl nennt die Daten. Hess: „Dann war das Ende April, Anfang Mai, ein Schreiben der Polizei an das LfV, müsste sich in Ihren Akten auch befinden, wo die Polizei verschiedene Fragen an uns gerichtet hat, die es zu beantworten galt.“ Götzl fragt, ob das Schreiben an Hess gerichtet gewesen sei. Hess: „Nein, die Schreiben gingen ans LfV und wurden im LfV zu mir geleitet. Und zum späteren Zeitpunkt habe ich dann auch direkt mit der Polizei telefoniert und gegebenenfalls die auch mit mir.“ Götzl: „Worum ging es der Polizei, welche Informationen wollte die Polizei vom LfV haben, bezogen auf den Zeitpunkt vor den Telefonaten?“ Hess: „Im Einzelnen kann ich mich nicht mehr erinnern, nur noch an einen größeren Komplex, weil der uns arbeitsmäßig beschäftigt hat: Sie wollte eben zu jedem der Morde, die vorher auch begangen worden sind, wissen, ob Temme in der Nähe dieser Tatorte gewesen ist oder nicht. Das haben wir aufgelistet und der Polizei zur Verfügung gestellt. Ach so, doch: Sie wollte noch Quellen befragen. An die anderen Dinge kann ich mich nicht mehr erinnern.“ Götzl: „Wer war für die Beantwortung dieser Fragen zuständig?“ Hess: „Verschiedene. Das war einmal die Verwaltung, wenn es um Lehrgangsbesuche und ähnliche Dinge ging. Und die Beschaffung teilweise, also der operative Bereich.“
Götzl: „Können Sie sagen, welche Informationen Sie jetzt über das Geschehen und die Rolle Temmes hatten, zu dem Zeitpunkt, bevor Sie mit ihm telefoniert haben?“ Hess: „Also, ich nehme an, dass ich darüber informiert war, dass er in diesem Internetcafé war, warum er in diesem Internetcafé war, und im Groben über den Sachverhalt informiert war, den er auch geschildert hat.“ Götzl: „Von wem haben Sie diese Informationen bekommen?“ Hess: „Ich gehe mal davon aus, im Wesentlichen von der Anfrage der Polizei. Wie ich nun darüber informiert worden bin, weswegen er jetzt da war, das kann ich nicht mehr nachvollziehen, meine es aber gewusst zu haben.“ Götzl fragt, auf welchen Zeitpunkt sich das beziehe, wenn Hess davon spreche, dass Temme im Internetcafé war, ob sich das auf das Tatgeschehen beziehe. Hess: „Wann ich das erfahren habe?“ Götzl: „Nein, wann er sich da aufgehalten hat?“ Hess: „In zeitlicher Nähe des Tatgeschehens.“ Götzl: „Wenn Sie formulieren: Sie nehmen an, darüber informiert gewesen zu sein. Aufgrund welcher Umstände nehmen Sie das an? Können Sie sich erinnern oder was bedeutet das?“ Hess: „Eine letzte kleine Unsicherheit. An sich gehe ich davon aus, dass ich es wusste.“
Götzl fragt, von wem diese spezielle Information stammte. Hess: „Das kann ich nicht mehr sagen. Wenn so ein Geschehen vorliegt, ist das LfV Hessen ja auf alle Fälle vor dem Telefonat informiert worden, zu irgendeinem Zeitpunkt. Und dann redet man ja darüber, was da wohl los gewesen ist. Und von daher hat man dann auch die Kenntnis. Wie das im Einzelnen abgelaufen ist, kann ich nicht mehr dran erinnern.“ Götzl: „Sie sagten des Weiteren, dass Sie im Groben über den Sachverhalt informiert gewesen seien, den Temme geschildert hat. Welcher Sachverhalt war das?“ Hess: „Das war der Sachverhalt, dass er nach Dienstschluss ein Internetcafé aufgesucht hat, um eine Kontaktbörse oder Ähnliches aufzusuchen. Und da wohl mit Frauen gechattet hat.“ Götzl: „Weitere Informationen? Ist das der gesamte Sachverhalt gewesen? Was meinen Sie damit, Sie wären ‚im Groben‘ über den Sachverhalt informiert gewesen‘?“ Hess: „Dass er dann auch gesagt hat, dass er von dem Mord nichts mitbekommen hat, dass er, nachdem er seine Internetsitzung beendet hat, vorne hingegangen ist, niemanden vorgefunden hat, kurz auf die Straße raus ist, niemanden gesehen hat, wieder zurück ist, Geld auf den Tresen gelegt hat und dann weggefahren ist.“ Götzl: „Von wem hatten Sie diese Informationen erhalten? War das Herr Temme selbst oder andere, Dritte?“ Hess: „Weiß ich nicht mehr.“
Götzl: „Hatten Sie denn mit Temme vor diesem ersten Telefonat, über das wir heute sprechen, 09.05.2006, persönlichen, unmittelbaren Kontakt im Hinblick auf diese Sache?“ Hess: „Ich gehe jetzt davon aus, nein, bin mir aber nicht sicher.“ Götzl: „Das muss ich hinterfragen: Sie gehen davon aus. Aufgrund welcher Umstände?“ Hess: „Ich bin schon zu diesem Thema im hessischen Untersuchungsausschuss gefragt worden. Da habe ich das noch mehr offen gelassen: Kann sein, dass ich früher geredet habe, ich bin nicht sicher. Nachdem ich mir das alles nochmal durchgelesen habe und überlegt habe mit den Abläufen, bin ich jetzt doch der Meinung – ist ja auch einfacher, papiermäßige Fakten zu bemühen -, dass das am 09. Mai das erste Telefonat war, das ich mit ihm geführt habe, wir über Sachen wie die dienstliche Erklärung geredet haben, dass ich den Amtsleiter aufsuche. Dann ist mir auch korrekterweise wieder eine Erinnerung gekommen: Ja, ich habe mit dem Amtsleiter gesprochen. Er war wohl auch zu diesem Zeitpunkt, 12. Mai und folgendes, im Amt gewesen und hat den Amtsleiter aufgesucht. Anschließend ist er zu mir gekommen und wir haben dann nochmal über den Fall gesprochen. Bei aller Unsicherheit der Erinnerung. Weil Sie mich gefragt haben, wieso ich jetzt dazu komme: Man kommt auf Dinge, wenn man nochmal was liest, nochmal überlegt, dass so wohl diese Abläufe gewesen sind.“
Götzl: „Zu der angesprochenen Frage: Hatten denn Mitarbeiter des LfV Hessen vor der Tötung Herrn Yozgats Kenntnisse von dieser Tat, der Tatzeit, irgendwelchen Umständen?“ Hess: „In Kassel?“ Götzl: „Ja.“ Hess: „Nein. Also das was ich Ihnen geschildert habe, ist ja, er hat ein gewisses Internetportal aufgesucht. Er hätte dort dienstlich gar nicht sein dürfen und daher wurde ihm das auch zum Vorwurf gemacht. Jetzt greife ich dem Telefonat schon etwas vor. Und es geht ja nach meiner Meinung nur eins: Entweder sage ich, ich mache Dir dienstlich einen Vorwurf, an dem Ort hättest Du nicht sein dürfen. Dann kann man nicht dienstlich da gewesen sein und keine Kenntnis gehabt haben. Eins ist nur folgerichtig.“ [phon.] Götzl: „Hatten Sie denn Informationen der Polizei im Hinblick auf Temme und gegebenenfalls welche?“ Hess: „Ich weiß nur, dass Temme von der Polizei, nachdem sie ihn im Visier hatten, wohl kurzzeitig festgehalten worden ist, befragt worden ist, und diese Befragung mit Unterbrechung über einen längeren Zeitraum ging, ich meine auch nach dem Telefonat im Mai.“ Götzl: „Gab es weitere polizeiliche Maßnahmen in Bezug auf Herrn Temme,, von denen Sie vor dem 09.05. Kenntnis hatten?“ Hess: „Nein“. Götzl: „Gab es eine Durchsuchung?“ Hess: „Meine ja, es gab eine Durchsuchung, auch in der Außenstelle des LfV und bei Herrn T. Ja.“
Götzl: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie von Herrn Temme sprechen, sonst muss ich immer nachfragen.“ Hess: „Gut, dann spreche ich von Temme.“ Götzl: „Also, wir sind hier bei Gericht und Sie können die Namen, nach denen Sie gefragt werden auch aussprechen.“ Hess: „Okay.“ Götzl fragt, was und wann bei der Außenstelle durchsucht worden sei. Hess: „Sein Arbeitsplatz, zu welchem Zeitpunkt kann ich nicht sagen.“ Götzl: „Ja, vor dem Telefonat?“ Hess: „Ich gehe davon aus. Der polizeiliche Ablauf stellt sich mir so dar: Der Mord ist geschehen, dann haben Sie 14 Tage gebraucht bis die Polizei Herrn Temme befragt hat, und ich denke mal, dass zum selben Zeitpunkt auch die Durchsuchung stattgefunden hat.“ Götzl: „Wissen Sie, was sichergestellt wurde?“ Hess: „Jetzt nicht, was bei seinem Arbeitsplatz oder in seiner Wohnung im Einzelnen. Ich weiß nur, es wurde sichergestellt, äh, Auszüge aus ‚Mein Kampf‘, die er mal in der Jugend gesammelt hat und abgeschrieben hat. Er hatte noch Rauschmittel in geringer Menge in irgendeiner Kassette seit 15 Jahren oder 10 Jahren aufgehoben. Er war ja im Schützenverein. Ich meine, es wäre auch noch Munition irgendwo gefunden worden, die er eingesammelt und aufgehoben hat zu Hause.“
Götzl sagt, eingangs habe Hess den Begriff „Poststelle“ verwendet: „Welche Informationen sind, zunächst mal, dass ich es mir vorstellen kann, vom LfV bzw. Ihnen an die Polizei gegeben worden?“ Hess sagt, er könne das wieder nur allgemein beantworten: „Die Anfragen der Polizei sind beantwortet worden, bis auf die Quellenbefragungen. Da gab es ja dann eine Meinungsverschiedenheit, wie das abzulaufen hat. Ich kann mich eben noch erinnern, sagte ich ja vorher schon, weil es etwas mehr Arbeit gemacht hat, ist die Anwesenheit an den Mordtatorten vor dem Kassel-Mord, die möglicherweise von den selben Tätern begangen wurden. Es gab dann noch eine dubiose Sache, aber, wie gesagt, wenn was abgehakt ist, verschwindet das aus dem Gedächtnis, mit irgendeinem Parkschein, da ging es auch am 09.05. drum, der von der Polizei falsch eingetütet wurde, der einen Verdacht eröffnete, Temme sagt wohl nicht die Wahrheit. Und später hat sich rausgestellt, entnehme ich dem Telefonat, dass ein Missverständnis der Polizei vorlag.“
Götzl fragt, ob Hess dafür zuständig gewesen sei, dass es keine Beantwortung bei den Quellen gegeben habe. Hess: „Im Endeffekt entscheidet sowas die Amtsleitung bzw. der Minister. Wobei meiner Erinnerung nach es ja auch um das Prozedere ging, nicht um das Ob, sondern das Wie, wenn ich mich richtig erinnere. Ich hatte natürlich eine Meinung dazu als Geheimschutzbeauftragter und habe die auch geäußert.“ Götzl: „Was war Ihre Meinung dazu?“ Hess: „Dass wir eine, der Verfassungsschutz ist eine, Behörde teilweise wie jede andere. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und wenn ein Mordvorwurf im Raume steht – aber ich bin nicht der Zuständige, meine Meinung – dann gehen natürlich auch alle Sicherungen runter, dann geht es möglicherweise bis zur Quellenbefragung. Wenn aber dieser Verdacht am Schwinden ist, bis zur Einstellung des Verfahrens, dann bleiben die natürlich bestehen, es geht ja immerhin um die Arbeitsfähigkeit des LfV.“
Götzl möchte wissen, wem ggü. Hess seine Meinung geäußert habe. Hess: „Dem Amtsleiter gegenüber. Und im Endeffekt wurden die Quellen ja auch befragt, aber indirekt. Die Fragen gingen an uns und wir haben sie weitergeleitet. Und vorher habe ich mich auch noch informiert bei der Staatsanwaltschaft, wie es mit dem Verdacht aussieht. Ich hatte den Eindruck, dass er am Schwinden war. Es hat lange gedauert, bis es eingestellt wurde, aber es wurde eingestellt. Da wurde die Meinung fester, jetzt kommt es auf das Wie an, und direkte Befragung ist dann möglicherweise nicht mehr. Aber wie gesagt, das war alles nicht mein Aufgabengebiet.“ Götzl: „Die sonstigen Auskünfte, die an die Polizei gegeben wurden, wer hat darüber entschieden? Sie?“ Hess: „Nein, ich war nur die Poststelle. Ich hab höchstens mal: Könnt Ihr das runterstufen oder bleibt es dabei? Die Entscheidung darüber treffen dann die zuständigen Stellen.“ Götzl: „Wie kam es denn jetzt zu dem Telefonat am 09.05.2006?“ Hess sagt, Temme habe versucht, ihn zu erreichen, aber habe ihn nicht erreicht, er habe das festgestellt und zurückgerufen: „Das Telefonat vom 09. Mai liegt mir vor, weil es schon Thema war. Bei den anderen müsste ich Sie bitten mir zu sagen, worum es da ging.“ Götzl: „Wie oft haben Sie telefoniert mit Temme in der Zeit?“ Hess: „War schon etliche Male. Aber um was es in den Telefonaten im Juni ging und – wann war das?“ Götzl: „01. August.“ Hess: „Kann ich nicht sagen. Sie müssten mir vielleicht das Thema nennen, dann kann ich vielleicht Auskunft geben.“
Götzl: „Sie sagten, sie hätten etliche Male telefoniert: Worum ging es bei den Telefonaten, was war der Anlass, von wem ging die die Initiative aus?“ Hess: „Das war wohl unterschiedlich, mal hat Temme angerufen, mal ich. Am Anfang ging es um seine dienstliche Erklärung, um Anfragen der Polizei. Das ist mir soweit erinnerlich. Im Einzelnen müsste ich die Telefonate hören oder lesen.“ Götzl fragt, was Hess zum Telefonat am 09.05.2006 sagen könne. Hess: „Bei diesem Telefonat war ich, als ich’s gehört habe, wirklich erstaunt, wie oft ich dem Herrn Temme auch gesagt habe, wie er bei der Wahrheit bleiben soll. Das einzige, was dann auch in der Presse kursierte: ‚Nah bei der Wahrheit‘. Das Problem: Ich war der Geheimschutzbeauftragte und daher für die Geheimhaltung der Verschlusssachen zuständig. Und das Telefonat war zwischen mir und Temme und nicht für die Öffentlichkeit. Ich habe ihm das gesagt, was ich immer sage: Nah an der Wahrheit bleiben. Gemeint ist: Es gibt auch andere Vorschriften, an die Du dich zu halten hast. Aber gleichzeitig, wenn Du was nicht sagen kannst, dann artikuliere das bitte: Ich kann es nicht sagen. Und dann kann man überlegen, was man vielleicht doch machen kann. Am Ende kriegt die Polizei alles. Wir waren uns einig, alles der Polizei zu geben und mitzuteilen, was sie haben will. [phon.]“ Götzl: „Wieso waren Sie erstaunt, wie oft Sie gesagt haben, dass er die Wahrheit sagen soll“ Hess: „Weil ich das in Abwandlung mindestens vier, fünf, sechs Mal erwähnt habe.“
Götzl fragt, warum Hess erstaunt gewesen sei. Hess: „Weil ich mich nicht erinnern konnte, dass ich ihm so oft klar gemacht habe: Versuche, dich rauszuziehen als Tatverdächtiger aus der Sache, versuche als Unbeteiligter drüber zu schweben, sich rein zu versetzen, wie ist es abgelaufen; versuch dich mit der subjektiven Sache zurückzunehmen, schildere: Was ist denn objektiv passiert? Und auch vor der Gefahr gewarnt habe, aus irgendwelchen Rücksichtnahmen, Peinlichkeiten, die man sich nicht eingestehen will, eben von der Wahrheit abzuweichen. Und habe gesagt: Das macht nur Schwierigkeiten, lass das. Im Übrigen war ich auch der Meinung, dass eine solche Verfahrensweise ihm und uns auch nur helfen kann.“ Götzl fragt, was mit „Peinlichkeiten“ gemeint sei. Hess: „Flirten im Internet, das gesteht man vielleicht nicht unbedingt zu, wenn die Frau in vier Wochen entbindet. Er hat ja auch diese Internetcafé privat nicht das erste Mal besucht, sondern wohl schon vorher. Aber seit wann ich diesen Erkenntnisstand hatte, weiß ich nicht. Es war ja nicht das erste Mal. Er kannte den Ermordeten ja auch vom Ansehen.“ Götzl fragt, ob Hess bei dem Telefonat schon Kenntnis gehabt habe, dass Temme das Café nicht das erste Mal besucht hat. Hess: „Das weiß ich nicht.“ Götzl: „Hatten Sie Kenntnis, dass seine Frau entbinden wird in vier Wochen?“ Hess: „Zumindest ab dem 09. Mai. Ob ich es schon vorher wusste, das weiß ich nicht.“
Götzl: „Sie sagten, er soll nahe an der Wahrheit bleiben und haben Vorschriften erwähnt, an die er sich halten soll, haben Sie die ihm in Erinnerung gerufen?“ Hess: „Nee, das war ihm ja bekannt. Und die Polizei in ihren Fragen an uns wollte an bestimmte Quellen ran und sie befragen und das geht eben nicht ohne weiteres und da hat er sich dran zu halten. Da hat er nichts drüber zu sagen. Weil das mit seinem privaten Besuch ja nichts zu tun hat. Er war ja verdächtig.“ Götzl: „Warum wollte er Sie erreichen?“ Hess: „Ja, ich habe ja drauf gewartet, mit ihm in Kontakt zu kommen. Er hatte ja auch eine dienstliche Erklärung abzugeben, ich wollte schon mal was von ihm hören.“ Götzl: „Ja, worum ging es Ihnen?“ Hess: „Ihn dazu aufzufordern, wie Sie mir als Zeugen auch nahegelegt haben, dass ich hier die Wahrheit zu sagen habe, ihm das auch nahezulegen: Bleibe bei der Wahrheit, weiche nicht aus, aber bitte immer unter Beachtung der anderen Vorschriften, die für einen Verfassungsschützer gelten.“
Götzl: „Ja, wie ist das Gespräch jetzt abgelaufen, was können Sie inhaltlich sagen, was haben Sie an Begleitumständen in Erinnerung?“ Hess: „Das Wesentliche sagte ich ja schon: Ich hab ihm gesagt, bei der Wahrheit zu bleiben. Alles zu sagen was er weiß, Subjektivitäten rauszulassen, objektiv das zu schildern. Er hat mir auch seine Meinung dazu gesagt und wir waren uns einig, dass die Polizei von uns und seiner Seite alles bekommt, was sie haben will, immer unter dieser Einschränkung: Verschlusssachenanweisung. Aber er war ja privat da und ist sozusagen auch privat in diesen Verdacht reingeraten. Das war das Wesentliche. Das andere sind dann eben Kleinigkeiten, die, obwohl ich es vor vier, fünf Wochen mal gehört habe, als unwesentlich wieder verschwinden, wie der Parkschein oder die Entbindung. Mehrere kleine, nicht so wichtige Dinge. Die Hauptsache war: Aussage bei der Polizei. Mehrfach darauf hingedeutet: Kommt ihm und uns ja zugute. Das war wirklich das Kernthema. Auch die Zeit spielt da eine Rolle. Wir wollten ja möglichst auch aus dem Dilemma als Verfassungsschutz raus, dass ein Verfassungsschützer da unter Verdacht steht.“
Götzl fragt, was damit gemeint sei, wenn Hess sagt, er habe darauf gewartet, mit Temme in Kontakt zu kommen. Hess. „Es sind ja immerhin Personen von der Polizei gekommen, haben Durchsuchungen gemacht. Und 14 Tage sind eine lange Zeit, bevor sich jemand meldet. Man sagt: Gut, er ist so beschäftigt, die Polizei vernimmt und dies und jenes. Ich bin überfragt, ob er sich bei anderen gemeldet hat. Aber ich als Geheimschutzbeauftragter sagte: Es wird Zeit dass er sich mal meldet.“ Götzl: „Warum haben Sie nicht angerufen. Ich verstehe den Umstand nicht, dass Sie drauf warten?“ Hess: „Ich habe ja gesagt, außer Geheimschutzbeauftragter hatte ich ja auch mit dem Grundsatz zu tun, da hat man auch Termine einzuhalten, hat man vielleicht vor, mal anzurufen, aber einen anderen Termin und dann ist wieder ein Tag rum.“ Götzl: „Haben Sie einem Kollegen gesagt, er soll Temme ausrichten, Sie anzurufen?“ Hess: „Nein, ich meine nur mitbekommen zu haben, dass andere mit ihm in Kontakt waren und dann hat man die Sache eben so hingenommen und dann auf die dienstliche Erklärung gewartet.“ Götzl: „Wem gegenüber sollte Temme die abgeben?“ Hess: „Dem Amtsleiter gegenüber, wenn ich das richtig sehe.“
Götzl: „Nur nochmal zur Klarstellung. Ihre Funktion damals: Ansprechpartner für die Polizei. Stellen Sie das nochmal dar vor dem Telefonat 09.05., was war Ihre Funktion bezogen auf die Person Temme und diese Tat?“ Hess: „Die Wünsche der Polizei entgegenzunehmen, im Hause weiterzuleiten, die Antworten abzuwarten und dann der Polizei zur Verfügung zu stellen. Es ging dann manchmal auch anders, – das könnte aber nach dem Telefonat gewesen sein -, dass die Polizei einen telefonische Anfrage stellte, ich im Haus rumfragte und dann zurückgerufen habe. Ich habe immer telefoniert mit der Polizei: Reicht euch das, braucht ihr noch was? Uns ging es darum, möglichst zügig zu bearbeiten die Sache, um der Polizei möglichst schnell einen Sachverhalt an die Hand zu geben, dass Sie eine Entscheidung, wie auch immer, trifft.“ Götzl: „Gibt es noch was zu ergänzen zum Telefonat 09.05.?“ Hess: „Im Augenblick nicht, nein.“
Dann soll das Telefonat vom 09.05.2006 vorgespielt werden. Zunächst sagt Götzl jedoch: „Am Ende ist eine Handynummer genannt, die wird nicht vorgespielt, ich nehme an, darauf legt kein Verfahrensbeteiligter wert?“ [Offenbar ist das für alle Verfahrensbeteiligten in Ordnung.] Hess: „Der Untersuchungsausschuss hat auf verschiedene Nummern, die noch relevant sind, verzichtet.“ Götzl: „Aber wir sind hier im Gericht.“ Dann wird die Audiodatei des Telefonats abgespielt.
[Es folgt die Wiedergabe der Audiodatei des Telefonats vom 09.05.2006. Aus redaktionellen Gründen können wir das Telefonat hier nicht wiedergeben. Auf wichtige Stellen gehen die Verfahrensbeteiligten im Verlauf der weiteren Vernehmung mit Vorhalten ein. Siehe zum Inhalt des Telefonats auch die Beweisanträge der NK Yozgat vom 188. Verhandlungstag.]
Es folgt eine Pause bis 15:15 Uhr. Dann fragt Götzl: „Gibt es etwas zu ergänzen?“ Hess: „Nein, im Augenblick nicht.“ Vorhalt aus der Abschrift des Telefonates: Hess: Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren. Götzl: „Was sagen Sie dazu?“ Hess: „Es kam ja einen Satz vorher raus, dass die Situation für Temme nicht ganz einfach ist. Und dass wenn er gewusst hätte, welche Schwierigkeiten er sich mit dem Besuch dieses Internetcafés einhandelt, dass er dann eine großen Bogen um den Ort geschlagen hätte.“ Götzl: „Aber hier steht: ‚Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren.'“ Hess: „Ja, zu dem Zeitpunkt des Gesprächs wusste er es ja, aber wenn er damals schon gewusst hätte, dann wäre er ja nicht vorbeigefahren, wenn er das vorher gewusst hätte.[phon.]“ In den Reihen der NK kommt Raunen und Gelächter auf. Götzl sagt in Richtung der NK, dass er sich Zwischenrufe verbitte: „Sie kommen schon noch dran. Das ist eine Art und Weise, die geht hier nicht!“
In Richtung Hess sagt er: „Versuchen Sie es mir noch mal in Ruhe zu erklären.“ Hess: „Es kam ja einen Satz vorher deutlich zum Ausdruck, dass die ganze Situation Temme belastet. Und meine Äußerung bezieht sich auf diese belastende Situation, die Folgen, die dieser Besuch des Internetcafés hatte, wo in zeitlichem Zusammenhang ein Mord passiert war. Und ich meinte, wenn man weiß, dass da ein Mord passiert, dann fährt man natürlich nicht vorbei. Man hätte auch formulieren können: Wenn ich gewusst hätte, welche Schwierigkeiten man sich einhandelt, dann schlage ich einen großen Bogen drum.“ Götzl: „Naja.“ Hess: „Wenn Sie so wollen, eine ironische Eröffnungsklausel: zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen.“ Götzl: Ja, worauf bezieht sich das?“ Hess: „Ja, wenn er das gewusst hätte im Vorhinein, was sich alles abspielt [phon.], dann hätte er seinen Besuch nicht getätigt. Und er hat ihn ja nun getätigt.“
Götzl: „Aber wenn ich mir den Satz so durchlese, da heißt es: ‚Ich‘, Herr Hess, ’sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren.'“ Hess: „Ich kann nur meine Motivation wiedergeben. Ich hätte auch sagen können: Wie kann man nur so blöd sein, an einem Mordtatort vorbeizufahren. Es tut mir leid, ich kann nichts anderes dazu sagen. Das würde ich jedem sagen. Er hat sich ja enorme Schwierigkeiten eingehandelt. Und wenn man das weiß, würde ich das jedem raten: Bitte nicht sich an einem Tatort aufhalten, sondern einen großen Bogen schlagen.“ Götzl: „Naja, der Ratschlag ist probat, wenn der Betreffende weiß, dass da ein Mord geplant ist. Wie soll der Betreffende wissen, in ihrer Logik gedacht, dass er das dann vermeidet? Denn Sie sprechen davon, er soll nicht so blöd sein. Das setzt voraus, dass der Betreffende weiß, dass dort ein Mord passiert.“ Hess: „Es handelt sich um ein Telefongespräch zwischen Temme und mir und nicht um ein Gespräch für die Öffentlichkeit, zu dem mir dann Fragen gestellt werden. Das war eine Eröffnungsklausel von mir.“
Götzl: „Das kann ich jetzt von der Logik nicht nachvollziehen, was das damit zu tun haben soll, von wem ein Gespräch mitgehört werden soll. Inwiefern ist es von Bedeutung, ob das Gespräch zwischen Ihnen beiden geführt wird oder ein Dritter noch zuhört?“ Hess: „Ja, er muss das ja verstehen und er hat es verstanden. Meine Motivation, soweit ich mich erinnere, ist zu sagen: Wenn jemand in zeitlicher Nähe an einem Tatort gewesen ist und sich dadurch Schwierigkeiten einhandelt, dann wäre ich, wenn ich das gewusst hätte, da nie vorbeigefahren. Ich kann mich nur wiederholen: Das ist der Sinn, den ich diesem Satz gebe und so auch gemeint habe damals.“ Götzl: „Ich habe eine Schwierigkeit mit dem Satz auch insofern: ‚Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert‘. Das ist Präsens, das man auch deuten könnte als Futur, dass was passieren wird. Da ist nicht die Rede von der Vergangenheit.“ Hess: „Ich kann nur sagen, wie ich es meinte: Wenn er vorher gewusst hätte, was an diesem Tatort passiert, dann fährt man da nicht vorbei. Das ist meine Interpretation. Dann hätte er sich viele Schwierigkeiten erspart. Aber da er es nicht wusste, ist es so passiert.“
Götzl: „Die Erklärung, dass Temme nichts mitbekommen habe von der Tat, haben Sie das in Frage gestellt?“ Hess: „Ich habe nur gesagt, ich habe es aus der Presse gelesen, was er auch im Untersuchungsausschuss gesagt hat, dass er nichts mitbekommen hat. Ich kann ihn da nicht hinterfragen, ich weiß es nicht.“ Götzl: „Das widerspricht Ihren Angaben vom Anfang. Vielleicht war das ein Missverständnis.“ Götzl erläutert, dass sie eben darüber gesprochen hätten, was Hess hinsichtlich des Sachverhalts wusste, und da sei es auch um die Erklärung von Temme gegangen und Hess habe gesagt, er wisse nicht, woher die Informationen genau kamen: „Sie hatten doch vor dem Telefonat die Information, dass Temme von der Tat nichts mitbekommen habe, habe ich das richtig verstanden?“ Hess schweigt kurz und sagt dann: „So meine ich mich erinnern zu können, ja.“ Götzl: „Mir geht es jetzt um die Frage, ob Sie diese Erklärung des Herrn Temme, dass er von der Tötung nichts mitbekommen habe, ob Sie die in Frage gestellt haben.“ Hess: „Entschuldigung, da habe ich Sie missverstanden. Nein, ich kann nur was in Frage stellen, wenn mir Fakten vorliegen, die darauf hinweisen, dass er doch was mitbekommen hat. Ich muss sagen, ich habe das bis heute nicht in Frage gestellt, weil mir in Erinnerung ist, dass die Polizei ein Zeitschema aufgestellt hat: Ja, ja, könnte sein. Alles zwar sehr eng, aber könnte sich doch so abgespielt haben.“
Götzl: „Mir geht’s jetzt immer um die damalige Situation. Ich würde Sie bitten, bei dem Thema und bei dem Zeitpunkt zu bleiben.“ Hess: „Nur noch mal zur Klarstellung: dass er nichts mitbekommen hat, bezog sich auf diesen Satz, wo ich sagte: Bitte nicht vorbeifahren.“ Götzl: „Das haben wir jetzt schon geklärt.“ Vorhalt aus der Abschrift des Telefonats: Hess: Versuchen Sie nur wie gesagt – es ist, äh, soweit es geht die Ruhe zu bewahren, alles zu sagen, was Sie eben wissen, was Sache ist, gell, ich mein gut konnte ja gar nicht anders sein von unserer Seite, haben Sie ja auch dem Staatsanwaltschaft, der Polizei gesagt: Wenn die was wissen wollen, das kriegen Sie auch von hier, das ist kein – kein Problem. Sind natürlich eher der Meinung, dass das alles entlastend ist. Götzl: „Was war denn die Grundlage dieser Einschätzung?“ Hess: „Die Fragen, die die Polizei gehabt hat, wo sie skeptisch geworden ist, der Parkschein, wo sich der Vorwurf aufgelöst hat. Die Frage, war er an den Tatorten gewesen, was sich aufgelöst hat. Alles was wir der Polizei gegeben haben, war aus meiner Sicht entlastend.“ Götzl: „Was hatten Sie zu dem Zeitpunkt der Polizei gegeben?“ Hess: „Geklärt hatte sich die Sache mit dem Parkschein.“ Götzl: „Aber damit hatten Sie doch nichts zu tun?“ Hess: „Doch. Aber wo das Missverständnis lag, das weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass es ein Problem gab, woran die Glaubwürdigkeit Temmes hing. Und nachher hat sich das als nicht korrekt rausgestellt.“ Götzl: „Ja, hatten Sie jetzt Informationen zu dem Parkschein gehabt, die Sie weitergereicht haben an die Polizei?“ Hess: „Weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Aber ich fragte nach herausgegebenen Informationen und Sie sagten: die Sache mit dem Parkschein.“ Hess: „Nein, da kann ich nichts sagen.“
Vorhalt aus der Abschrift: Ich hoffe jetzt oder gehe davon aus, dass noch alles, was wir beitragen, äh, können – äh entlastend ist. Götzl: „Was ist die Grundlage Ihrer Hoffnung oder des Umstandes, dass Sie davon ausgehen, das alles entlastend ist?“ Hess: „Die Grundlage meiner Überlegung war, dass die Polizei ihn hauptsächlich deswegen unter Tatverdacht hatte, weil er sich nicht selbst gemeldet hat. Und das war nach meiner Meinung nicht ausreichend.“ Götzl: „Gab es denn mal Diskussionen mit der Polizei darüber, dass sie mit dem Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht einverstanden ist, gab es da ein Gespräch an dem Sie beteiligt waren?“ Hess: „Mir gegenüber nicht.“ Götzl: „Gab es solche Gespräche, von denen Sie Kenntnis hätten?“ Hess: „Ich habe nur gehört, aber erst nach dem Gespräch, dass manche der Polizeibeamten nicht so ganz zufrieden wären. Warum, wieso weiß ich nicht, kann ich nichts zu sagen. Ich habe keine Kenntnis davon. Wenn ich mit der Polizei telefoniert habe, wurde mir das jedenfalls nicht deutlich gemacht. Das hat man mir nicht zur Kenntnis gegeben. Das ist bei mir nicht so angekommen.“
Götzl: „Wenn wir mal zu den Gesprächen 20.06.2006 und 01.08.2006 kommen. Ist Ihnen jetzt zu den Gesprächen noch was eingefallen?“ Hess: „Nichts. Sie dürfen mich nicht nach Daten und Uhrzeit und Inhalt von Gesprächen fragen, da kann ich Ihnen keine Antwort geben.“
[Es folgt die Wiedergabe der Audiodatei des Telefonats vom 20.06.2006. Aus redaktionellen Gründen können wir das Telefonat hier nicht wiedergeben. Auf wichtige Stellen gehen die Verfahrensbeteiligten im Verlauf der weiteren Vernehmung mit Vorhalten ein. Siehe zum Inhalt des Telefonats auch die Beweisanträge der NK Yozgat vom 188. Verhandlungstag.]
Götzl: „Können sie sich an das Gespräch jetzt wieder erinnern?“ Hess: „Weniger an das Gespräch als an seinen Inhalt. Das war damals auch das Thema gewesen, durch möglicherweise Hypnose oder so Sachen herauszuholen aus dem Gehirn, die vorhanden sind, an die man aber nicht mehr rankommt. Das Gespräch deutet wieder darauf hin, dass wir versucht haben, auch er, möglichst alles zu tun um den Sachverhalt aufzuklären. Natürlich zu seinem Nutzen und unserem. Davon waren wir überzeugt. Denn die Fakten, die die Polizei vorgelegt hat, haben mich nicht überzeugt.“ Vorhalt: Temme: Da ist der Computer an gewesen und wurde auch bedient. Also das ist, das ist unstrittig. Das Problem ist wirklich diese Minute. Götzl: „Hat Ihnen das irgendwas gesagt?“ Hess sagt, das sei schwierig zusammen zu bekommen jetzt: „Denn die Polizei hat ein Schema aufgestellt: Wie lang war er da drin, wann hat er sich ausgeloggt?“ Hess sagt, das interessiere einen nicht als LfV-Mitarbeiter, aber ihn, Hess, habe es es persönlich interessiert: „Ich gehe nach vorne, sehe ihn nicht, gehe raus, sehe ihn nicht, lege das Geld hin und gehe raus: Wie lang dauert das? Das Ausloggen am Computer ist ein Anhaltspunkt.“
Götzl: „Jetzt ist dieses Gespräch vom 20.06. gewesen. Mir geht es jetzt um den 21.06. Uns liegt ein Vermerk vor, der uns von Rechtsanwalt Bliwier heute übergeben wurde. Dr. Wied, sagt Ihnen der Name was?“ Hess: „Der Staatsanwalt?“ Vorhalt aus dem Vermerk: Dr. Wied wird heute oder morgen Herrn Hess anrufen, um ihm eine schriftliche Einladung zu einem Gespräch zwischen StA Kassel, LfVH und MK Café für nächste Woche anzukündigen, vom LfVH werden Irrgang, Pi. und Hess eingeladen. Unterzeichner: Scha. Hess: „Wird ein Polizeibeamter gewesen sein.“ Götzl: „Können Sie was mit der Information anfangen?“ Hess: „Ja, wir waren in Kassel gewesen.“ Götzl: „Worum ging es da?“ Hess: „Um den Mord in Kassel. Und die Verdächtigungen. Also, das war am 21.06?“ Götzl sagt, dass der Vermerk vom 21.06.2006 sei und wiederholt den Vorhalt. Hess: „Also, ich war zweimal oben gewesen, einmal zu der Soko Café und einmal beim stellvertretenden leitenden Staatsanwalt. Das war aber, glaube ich, erst Ende August.“ Er verneint, zu wissen, worum es dabei ging.
Vorhalt: Ziel des Gespräches soll sein, die feststellbare Unterstützungshaltung LfVH-Verantwortlicher für den Tatverdächtigen aufzuheben; dazu sollen den Verantwortlichen einerseits die Unstimmigkeiten seiner bisherigen Einlassungen bei der Polizei erläutert werden, andererseits sollen ihnen die zahlreichen Verstöße gegen Sicherheitsregeln dargestellt werden, die im Laufe der Ermittlungen feststellbar waren; hierdurch soll seine grundsätzliche Ungeeignetheit verdeutlicht werden, zu der die Unterstützungshaltung in krassem Widerspruch steht; es besteht die Erwartung, dass Temme bisher mutmaßlich zurückgehaltene Informationen der Polizei preisgibt, sobald er feststellt, dass er keine Rückendeckung von Vorgesetzten mehr erhält. Hess: „Jetzt kann ich mich an die Sitzung wieder erinnern. Von der Polizei kamen im Wesentlichen Vorwürfe über das unmögliche Verhalten von Temme, über so einen unzuverlässigen Verfassungsschützer, wie man den im Dienst behalten kann. Und dagegen habe ich mich verwahrt. Diese Entscheidung treffen wir dann, wenn wir Fakten haben, also wenn das Ermittlungsverfahren zu einem Ergebnis kommt. Vorher können wir nichts machen. Bei mir ist der Eindruck entstanden: Die Polizei kam nicht weiter und hat das als Grund vorgeschoben. Außer dieser Behauptung, das Temme mehr sagen könnte, wenn der Verfassungsschutz nicht mehr hinter ihm steht, gab es keine Fakten. Und ohne Fakten kann ich nichts machen und würde nichts machen.“
Götzl: „Ja, gab es denn jetzt Vorwürfe Ihnen oder anderen gegenüber über eine Unterstützungshaltung: ‚es besteht die Erwartung, dass Temme bisher mutmaßlich zurückgehaltene Informationen der Polizei preisgibt, sobald er feststellt, dass er keine Rückendeckung von Vorgesetzten mehr erhält‘. Ist Ihnen der Vorwurf gemacht worden, sie würden Temme Rückendeckung geben?“ Hess: „Ich kann mich meiner Person gegenüber nicht erinnern, mir ist nur noch in Erinnerung: ‚Wie könnt Ihr ein solchen schlimmen Menschen überhaupt noch behalten‘, ‚da hättet Ihr professioneller vorgehen können‘ und so. Also Behauptungen, keine Fakten. Auf Behauptungen kann ich nichts bauen. Das habe ich dort auch gesagt: die sollen Fakten nennen und dann treffen wir eine Entscheidung. Und ich habe mich verwahrt, dass die Polizei Vorwürfe macht, wie der Verfassungsschutz mit einem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes umgeht. Ja gut, das war schon möglicherweise, aber das sage ich alles unter Vorbehalt: Die Vorwürfe der Polizei betrafen das Verhalten, das Temme schon eingeräumt hatte. Meine Haltung war: Kommt zu einer Entscheidung, gebt uns die Fakten.“ Götzl: „Was meinten Sie gerade mit der Bemerkung, das sagen Sie unter Vorbehalt, worauf bezog sich das?“ Hess: „Der Vorbehalt bezog sich darauf, auf Ihre Frage, ob mir oder anderen gegenüber die Polizei geäußert hat, dass sie nicht genug Unterstützung bekommen hat. Da kann ich nur sagen: Gegenüber meiner Person nicht, gegenüber anderen weiß ich es nicht. Ich kann nur sagen, dass Teile der Polizei unzufrieden waren.“
Götzl: „Ja, womit waren sie unzufrieden?“ Hess: „Das weiß ich eben nicht.“ Götzl: „Dieses Telefonat am 20.06., das ging von Ihnen aus, richtig?“ Hess: „Ja, das kann schon sein.“ Götzl: „Worum ging es Ihnen?“ Hess: „Wie seine Entscheidung ist: Hat er sich einen Anwalt genommen oder keinen? Die Entbindung des Kindes stand an, wie es ihm überhaupt geht. Und was der Sachstand ist bezüglich des ganzen Sachverhaltes. Er war ja immer noch unter Tatverdacht. Ich weiß es nicht, ob wir vorher schon mal gesprochen haben, dass die Polizei auf ihn zugegangen ist, und er das nicht ablehnen würde, Sachen rauszuholen aus seinem Unterbewusstsein.“ Götzl: „Das Telefonat am 01.08.2006. Ist Ihnen da eine Erinnerung gekommen?“ Hess: „Nein.“
[Es folgt die Wiedergabe der Audiodatei des Telefonats vom 01.08.2006. Aus redaktionellen Gründen können wir das Telefonat hier nicht wiedergeben. Auf wichtige Stellen gehen die Verfahrensbeteiligten im Verlauf der weiteren Vernehmung mit Vorhalten ein.]
Danach bejaht Hess, sich an dieses Gespräch zu erinnern. Götzl fragt, was Anlass, Hintergrund gewesen sei. Hess: „Mehr zum Anlass kann ich nicht sagen, als man hören kann, darüber hinaus habe ich keine Auskunftsgenehmigung [phon., sehr unsicher]. Es war eine abstrakte Gefährdung und da sollte er sich mit der Polizei in Verbindung setzen. Das andere ging in den privaten Bereich rein. Ich weiß nicht ob Sie das hören wollen oder müssen.“ Götzl: „Ja, was denn?“ Hess: „Das geht in den privaten Bereich von Herrn Temme rein.“ Götzl sagt, man habe Temme hier mehrere Tage befragt. Hess: „Gut. Die Entscheidung: Bleibt die Ehe bestehen oder nicht. Denn die stand auf der Kippe. Und da fühlt man sich verpflichtet, ein Gesprächsangebot zu machen. Das hat aber nicht zu einem Gespräch geführt. Ob die Ehe bestehen bleibt oder nicht, darum ging es. Deswegen habe ich gesagt, wir reden über alles. Das war gewissermaßen nicht dienstlich.“
Vorhalt aus dem Telefonat: Irgendwann ist hier der Dienst- sozusagen: Antritt, irgendwie, und das müssen wir irgendwie vorbereiten alles vernünftig. Götzl: „Was ist damit gemeint?“ Hess: „Er war ja suspendiert: Wird das aufrecht erhalten oder nicht aufrecht erhalten? Die Suspendierung wurde dann fortgesetzt, er ist nie mehr beschäftigt worden beim LfV.“ Götzl: „Sollte da auch über das Disziplinarverfahren und über die Vorwürfe der Ermittlungsbehörden gegen ihn gesprochen werden?“ Hess: „Wenn ich mich richtig erinnere, in erster Linie über seine privaten Verfehlungen. “ Götzl fragt, was mit „in erster Linie“ gemeint sei. Hess: „Das hätte sich dann ergeben. Das hängt vom Gesprächsverlauf ab.“ Götzl: „Ja, was war von ihrer Seite geplant?“ Hess: „Ich bin nicht hochgefahren, es hat sich erledigt.“ Götzl: „Gab es kein Gespräch?“ Hess: „Nein, es gab kein Gespräch.“ Vorhalt: Hess: Die Polizei hat sich auch noch mal hier gemeldet bei mir. – Temme: Mhm. – Hess: Was ihre, ja, Sicherheitsgefährdung angeht, die hat ja mit ihnen gesprochen. Götzl: „Worum ging es dann?“ Hess: „Das war die erwähnte abstrakte Gefährdung.“ Es folgt eine Pause bis 16:25 Uhr.
NK-Vertreter RA Bliwier: „Ich setze mal da an, wo Sie schon befragt worden sind, der Vermerk vom 21.06. Sie werden zu einem Gespräch bei der Staatsanwaltschaft eingeladen. Sie hatten vorhin erklärt, Sie hätten eigentlich nicht gewusst, was die Polizei zu diesem Zeitpunkt von Ihnen gewollt habe. Bleiben Sie dabei?“ Hess: „Ich habe schon am Anfang gesagt, strittig war die Vernehmung von Quellen, das hat aber mit Zurückhalten von Temme nichts zu tun.“ Bliwier: „Strittig? Wie war der Stand am 21.06.?“ Hess: „Dass wir nicht zugelassen haben, dass die Polizei die Quellen vernimmt.“ Bliwier: „Hat die Polizei sich zufrieden gegeben oder war es nach wie vor das Interesse, die V-Männer zu vernehmen?“ Hess: „Das war nach wie vor das Interesse der Polizei.“ Vorhalt aus dem Vermerk: Daneben sollen die Vorgesetzten mit dieser Strategie bewogen werden, ihre ablehnende Haltung zu VM-Vernehmungen durch die Polizei aufzugeben und ggf. von Temme an sie weitergegebene sachdienliche Informationen den Ermittlungsbehörden mitzuteilen. Hess: „Dazu kann ich nichts sagen. Mir ist auch nicht bekannt, ob solche Informationen vorlagen. Ich habe aber auch schon vorhin gesagt: Ich bin dafür nicht zuständig und habe nur meine Meinung geäußert, dass es um das Wie ging. Eine direkte Vernehmung, das geht nicht. Aber es gibt natürlich andere Wege.“
Bliwier: „Was mir aufgefallen ist: Sie hatten mehrfach erwähnt, papiermäßige Fakten, und dass Sie etwas gelesen haben. In Vorbereitung zu heute: Hatten Sie Zugang zu Akten?“ Hess: „Für heute den Termin?“ Bliwier fragt, ob Hess noch im Amt Zugang zu Akten zu Temme aus 2006 habe. Hess: „Ich habe vor dem hessischen Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass ich mir die offene Akte – alle anderen Dinge sind rausgenommen worden, ich bin nicht mehr ermächtigt – die ich wohl angelegt habe, angesehen habe. Die auch so angesehen habe nach Terminen, oberflächlich, nicht intensiv inhaltlich. Um einer Einflussnahme der Akten auf meine Erinnerung vorzubeugen.“ Bliwier: „Welche Schriftstücke befinden sich in dieser Akte?“ Hess: „Was für Schriftstücke befinden sich darin? Polizeianfragen und die Antworten, meine ich.“ Bliwier: „Welchen Umfang hat diese Akte: Ein Leitz-Ordner oder eine Handakte mit hundert Blatt?“ Hess: „Ungefähr ein halber Leitz-Ordner.“ Bliwier: „‚Offen‘ heißt: Im Gegensatz zur Verschlusssache?“ Hess: „Ja.“ Bliwier: „Und wann haben Sie die Akte gesehen?“ Hess: „Zur Vorbereitung auf den hessischen Untersuchungsausschuss.“ Der UA sei am 11. Mai gewesen und das sei eine Woche vorher gewesen, so Hess auf Nachfrage. Er habe die Akte im LfV Hessen einsehen können.
Bliwier: „Haben Sie darum gebeten?“ Hess: „Ich habe darum gebeten, ja.“ Bliwier: „Haben Sie zu irgendeiner Zeit mal Ermittlungsergebnisse der Polizei gesehen, hatten Sie mal Akteneinsicht?“ Hess; „Ja.“ Bliwier: „Wann, bei welcher Gelegenheit und wo?“ Hess: „Bei einem Gespräch mit der Staatsanwaltschaft, 30.08., 01.09.2006.“ Bliwier: „Da waren Sie bei der Staatsanwaltschaft?“ Hess: „Ich war bei der Staatsanwaltschaft.“ Bliwier: „Sie waren da nicht vorgeladen? War das ein Gespräch?“ Hess: „Es ging darum, ob mit Verschlusssachen korrekt umgegangen wurde.“ Bliwier: „Was für Aktenstücke haben Sie bei dieser Gelegenheit einsehen können?“ Hess: „Das weiß ich nicht mehr.“ Bliwier: „Hat man Ihnen diese Aktenteile herausgesucht?“ Hess: „Ja.“ Bliwier: „Nach welchen Kriterien?“ Hess: „Das weiß ich nicht.“ Bliwier fragt nach dem Umfang. Hess sagt, er meine, das seien zwei Leitz-Ordner gewesen. Bliwier: „Sie hatten heute berichtet: Kontakte zu Temme vor oder nach Ihrem Telefonat möglicherweise. Haben Sie darüber einen Vermerk gefertigt?“ Hess: „Weiß ich nicht mehr.“ Bliwier: „Wenn Sie die offene Akte eingesehen haben, ist Ihnen da ein Vermerk von Ihnen in dieser Sache aufgefallen?“ Hess schweigt kurz und sagt dann: „Kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern.“ Bliwier: „Sie beschrieben vorhin Ihre Rolle als Poststelle, Schriftstücke seien über Sie …“ Hess: „Doch, doch, doch, ein Vermerk ist von mir festgehalten worden: Umgang mit Verschlusssachen und Quellen und gegebenenfalls Vernehmung durch die Polizei. Da habe ich was niedergelegt.“ Bliwier: „Ich fragte nach einem Vermerk zur Zusammenkunft mit Temme.“ Hess verneint das.
Bliwier. „Nochmal zu der Rolle von Ihnen als Poststelle: Von wem haben Sie im Amt die Schriftstücke bekommen, die Sie an die Polizei weitergeleitete haben? Rein technisch.“ Hess: „Post geht zuerst zur Amtsleitung und dann wird es verteilt.“ Bliwier sagt, eben habe Hess beschrieben, dass es über ihn gegangen sei. Hess: „Die ganze Post, die im Amt reinkommt, die wichtigsten gehen zum Amtsleiter, die anderen werden vom Vorzimmer zugeteilt. Keine Ahnung, jedenfalls die sind über diesen Weg zu mir gelangt .“ Bliwier: „Und haben Sie dort eine Auswahl getroffen?“ Hess: „Nein, keine Auswahl.“ Bliwier: „Können Sie mir, ohne Dienstgeheimnisse zu verraten, erklären, warum das dann über Sie läuft?“ Hess: „Es sollte nur einer Ansprechpartner für die Polizei sein und nicht viele. Und dann wurde ich eben benannt.“ Bliwier: „Und Sie haben keine Dokumente aussortiert, sondern eins zu eins weitergeleitet?“ Hess: „Ja.“ Bliwier sagt, es gebe Vermerke zu einem Treffen von VS, Polizei, Staatsanwaltschaft, zu dem StA Dr. Wied eingeladen habe am 30.06.2006 [phon.], da habe Hess teilgenommen: „Haben Sie an das Treffen eine Erinnerung?“ Bliwier nennt die anderen Teilnehmer. Hess: „Ja.“ Bliwier: „Erinnern Sie noch Gesprächsinhalte?“ Hess: „Die habe ich vorhin schon erwähnt, mehr kann ich dazu nicht beitragen.“
Bliwier: „Hier ist wiedergegeben worden: Die Polizei möchte die V-Männer direkt vernehmen. Wie haben Sie sich in dem Zusammenhang geäußert?“ Hess: „Wohl ablehnend. Beziehungsweise gesagt, dass es auch nicht meine Entscheidung ist. Meine persönliche Meinung war ablehnend, aber ich treffe nicht die Entscheidung.“ Bliwier: „Vorhin hatte ich sie so verstanden, dass die Beurteilung sich ändert mit der Verdachtslage.“ Hess: „Im hessischen Verfassungsschutzgesetz ist geregelt, dass der Verfassungsschutz über schwere Straftaten informieren muss, der hat da sozusagen keine Wahl. Mir ist in Erinnerung dass in solchen Fällen, wenn sie begründet sind, man das wohl gemacht hätte.“ Bliwier sagt, es gebe einen Vermerk von We., dass Hess sich sich geäußert haben solle, dass er sich nicht vorstellen könne, dass solch eine Genehmigung erteilt würde. Hess: „Dürfte korrekt sein.“ Bliwier: „Hatten Sie der Staatsanwaltschaft eine andere Vorgehensweise angeboten?“ Hess: „Das ist jetzt schwierig. Ich meine, später schon. Es ist dann auch so gekommen.“
Bliwier: „Ich bin noch bei dieser Zusammenkunft. Sie sollen angeboten haben, die VMs von einem VS-Mitarbeiter vernehmen zu lassen, wobei ein Polizeibeamter legendiert teilnehmen könnte.“ Hess: „Kann mir durchaus denken, dass ich sowas vorgeschlagen hätte, aber wie gesagt, die Entscheidung treffe ich nicht. Es kann immer sein, dass mein Vorgesetzter sagt: Machen wir nicht.“ Bliwier: „Herr Irrgang.“ Hess: „Ja.“ Bliwier: „Erinnern Sie eine Reaktion der Polizei oder von Dr. Wied?“ Hess: „Nein.“ Bliwier: „Die sollen rechtliche Bedenken gehabt haben wegen der Verwertbarkeit.“ Hess: „Kann durchaus sein, aber ich kann mich nicht mehr erinnern.“ Bliwier: „War das so gewesen, dass Sie geäußert haben, Sie wüssten gar nicht, wieviele V-Männer Temme geführt habe und vorgeschlagen hätten, das Gespräch abzubrechen. Kommt da eine Erinnerung?“ Hess: „Nein.“ Bliwier sagt, im Vermerk vom 26.04.2006, Auskunftsersuchen, da habe die Polizei die Vernehmung der VMs gewollt zu Fragen wie: Hat sich Temme mit einer VM getroffen, Abwicklung der Bezahlung usw. Bliwier: „Ich frage das deshalb, weil Sie im Telefonat mehrfach gegenüber Temme gesagt haben, Sie hätten der Polizei alles gegeben, was Sie hätten.“ Hess: „Ja, aber ich habe die Einschränkung gemacht: immer unter Beachtung der Verschlusssachen.“ Bliwier: „Aber nicht gegenüber Temme.“ Hess: „Das ist Verfassungsschützern in Fleisch und Blut gegangen. Das war allen bewusst. Dieser Satz, Einhaltung der Verschlusssachenanweisung, ist in Stein gemeißelt. Und dann kann man auch sagen: Jetzt alles sagen und der Polizei offen legen und so weiter und so fort.“
Götzl sagt, Bliwier solle konkret und genau vorhalten. Bliwier hält aus dem Telefonat vom 09.05.2006 vor: Hess: Versuchen Sie nur wie gesagt – es ist, äh, soweit es geht die Ruhe zu bewahren, alles zu sagen, was Sie eben wissen, was Sache ist, gell, ich mein gut konnte ja gar nicht anders sein von unserer Seite, haben Sie ja auch dem Staatsanwaltschaft, der Polizei gesagt: Wenn die was wissen wollen, das kriegen Sie auch von hier, das ist kein – kein Problem. Sind natürlich eher der Meinung, dass das alles entlastend ist. Dann fragt er: „Trifft es zu, dass zu diesem Zeitpunkt die Information über die VMs, die VMs indirekt zu vernehmen, nicht von Ihrer Dienststelle übermittelt worden war?“ Hess: „Ja.“ Bliwier: „Dieses Gespräch vom 30.06.: Es soll so gewesen sein, dass Sie erklärt haben sollen, dass eine Vernehmung der Quellen ‚das größtmögliche Unglück für das LfV bedeuten würde‘.“ Hess: „Ja.“ Bliwier: „Das haben Sie so geäußert?“ Bliwier sagt in einem Vermerk von We. zu der Besprechung sei Hess so wiedergegeben, dass es für einen „fremden Dienst“ ja ein Leichtes sei, den Dienst lahmzulegen, man müsste nur eine Leiche daneben legen. Bliwier: „Sind Sie richtig wiedergegeben?“ Hess: „Theoretisch ja.“ Bliwier fragt, was Hess damit meine. Hess: „Eine Theorie, die ich geäußert habe. Einer kann die Quellen in einen Sachverhalt reinziehen. Im Ausländerbereich, ist ja gerade aktuell, da ist man dann blind. Und wenn der nächste Anschlag kommt, da möchte ich nicht weiterdenken.“
Bliwier: „Sie meinen aber nicht, dass ein ausländischer Dienst Herrn Yozgat zu Herrn Temme gelegt hat?“ Hess: „Nein, eine theoretische Erörterung.“ Bliwier: „Aber es war ja keine theoretische Überlegung. Wo war denn in dieser Situation Raum für theoretische Überlegungen? Die Polizei wollte doch die Offenlegung der Quellen.“ Götzl: „Wo ist denn jetzt die Frage?“ Bliwier: „Der Zeuge antwortet nicht drauf, ich nehme das zur Kenntnis.“ Bliwier: „Es gibt eine E-Mail von Herrn Scha., dass an dem Freitag ein Gespräch von MK Café und LfV stattgefunden hat, und er schreibt, dass man von Ihnen verlangt habe die Möglichkeit staatsanwaltlicher Vernehmungen der V-Personen und Einsicht in die Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfung des Tatverdächtigen. Sie habe das zurückgewiesen. Hat die Polizei irgendwann mal Einsicht in die Sicherheitsakte des Landesamts bekommen?“ Hess: „Meiner Erkenntnis nach Nein. Geht gesetzlich wohl auch nicht. Das hängt ja damit zusammen, mit dem Tatvorwurf. Ich habe ja vorhin schon gesagt, mir haben die Fakten nicht ausgereicht. Und die Polizei kam nicht weiter. Und man darf auch nicht vergessen, das ganze Verfahren wurde ja auch eingestellt.“
Bliwier: „In dem Vermerk vom 30.06. steht, darum sei das LfV mit einer Sicherheitsüberprüfung beschäftigt, weil am 24.07. die Suspendierungsfrist abläuft. Was haben Sie für eine Überprüfung vorgenommen?“ Hess: „Alle von Temme eingestandenen Verfehlungen wurden bewertet. Nach meiner Meinung ist die Suspendierung fortgesetzt worden.“ Bliwier: „Hat es da eine Anhörung von Temme gegeben im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung?“ Hess: „Das weiß ich nicht. Ich meine, er wäre nochmal befragt worden, bin mir aber nicht sicher.“ Bliwier: „Gehört zur Sicherheitsüberprüfung auch die Frage, ob er sich im Internetcafé dienstlich oder privat aufgehalten hat? War das sicherheitsrelevant?“ Hess: „Jetzt muss ich auf das Sicherheitsüberprüfungsgesetz von Hessen verweisen, dass Daten nur verwendet werden können, wenn es um Straftaten geht. Herrn Temme wird aber keine Straftat vorgeworfen, so dass ich keine Auskunft gebe über die Sicherheitsüberprüfung des Herrn Temme. Er ist ja hier nicht angeklagt. Aus Gründen, dass ich das hessische Sicherheitsüberprüfungsgesetz so sehe, dass ich keine Auskunft geben darf.“
Bliwier: „Haben Sie geklärt, ob Temme dienstlich oder privat im Café war?“ Hess: „Sicherheitsüberprüfungsmäßig sage ich dazu nichts mehr. Dienstlich hat es natürlich eine Rolle gespielt, wo er war und weswegen er dort war. Er hätte da nicht sein dürfen, das ist der weitaus größere Vorwurf.“ Vorhalt aus der E-Mail von Scha., Landespolizeipräsidium: Die den LfV-Vertretern erläuterten Verstöße wurden von diesen runtergespielt, es bestand von den LfV-Vertretern kein Interesse an Kooperation: „Wir haben es hier doch nur mit einem Tötungsdelikt zu tun.“ Wohlleben-Verteidiger RA Klemke beanstandet den Vorhalt, es sei etwas ausgespart worden. Bliwier: „Da steht noch: ‚Stellen Sie sich vor, was ein Vertrauensentzug für den Menschen Temme bedeutet.'“ Hess: „Also, das Erste, würde ich mal behaupten, kann ich nie gesagt haben, weil es nicht meinem Naturell entspricht. Ich habe nicht ’nur‘ von einem Tötungsdelikt gesprochen. Ich habe schon im Untersuchungsausschuss gesagt, dass dieser Mord natürlich auch den Herrn Temme mitgenommen hat. Ich glaube, das kam auch im Telefonat zum Ausdruck, weil er den jungen Mann auch kannte.“
Bliwier: „Ich will das nicht kommentieren. Ich frage noch zu einer weiteren Mail von Herr Scha. vom 04.07. Da teilt KD Hof. mit, dass das Landesamt mittlerweile beide Gesuche abgelehnt hat: keine Vernehmung und kein Einblick in die Akte. Erinnern Sie das auch so?“ Nun beanstandet Zschäpe-Verteidiger RA Stahl, es bestehe kein Sachzusammenhang. Bliwier erwidert, Stahl solle einfach das Beweisthema lesen, es gehe auch um die Frage, ob es zu einer Behinderung der Ermittlungsarbeit gekommen sei. Stahl hält die Beanstandung aufrecht. Es folgt eine kurze Debatte um die Zulässigkeit der Frage. Danach fragt Götzl Bliwier: „Ihre Frage war, ob er eine Erinnerung an den zeitlichen Ablauf hat?“ Bliwier bejaht das und es folgt eine Pause bis 17:27 Uhr. Danach verkündet Götzl, dass die Frage zugelassen ist. Hess antwortet: „Kann ich Ihnen nicht mehr sagen, wie der zeitliche Ablauf war. Nach dem Sicherheitsüberpüfungsgesetz dürfen die Daten nur in bestimmten Fällen verwendet werden.“
Bliwier: „Ich glaube, das ist ein Missverständnis. Es ging um die Frage, dass zwei Ersuchen der Staatsanwaltschaft abgelehnt wurden: V-Personen werden nicht zur Vernehmung zu Verfügung gestellt und Akten nicht zur Einsicht gegeben. Wer trifft diese beiden Entscheidungen? Wer entscheidet letztendlich?“ Hess sagt, das sei eine schwierige Frage, das dürfe letztendlich, wie es dann auch geschehen sei, der Minister sein. Klemke beanstandet die Frage, denn der Zeuge habe mehrfach geantwortet, dass er nur zugearbeitet und letztlich der Amtsleiter entschieden habe. Bliwier: „Nächste Frage: Hatten Sie in dem gesamten Zusammenhang Vernehmung V-Personen Kontakt zum Innenministerium?“ Hess: „Da wurde das Innenministerium schon kontaktiert.“ Bliwier: „Meine Frage war, ob Sie, Herr Hess, Kontakt gehabt haben zum Innenministerium.“ Hess: „Das weiß ich nicht mehr.“ Bliwier sagt, es gebe ein weiteres Telefonat zwischen Herrn Ho., LfV Hessen, und Temme vom 21.07.2006; Ho. leite das Gespräch ein: „Wir sitzen hier zusammen mit dem Ministerium“. Bliwier: „Waren Sie zu dem Zeitpunkt auch mit im Ministerium?“ Hess: „Weiß ich nicht. Müssen Sie Herrn Ho. fragen.“
Bliwier: „Da rät Ho. zur Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens. Sagt Ihnen das irgendwas?“ Hess: „Ich weiß vom Hörensagen, das so etwas gelaufen sein soll, aber ich habe mit Disziplinarverfahren nichts zu tun, da kann ich nichts zu sagen.“ Bliwier: „Ich frage nur deshalb: 21.07. ist das Telefonat und Herr Ho. sagt zu Herrn Temme: ‚Und am Montagmorgen, da soll aber der Herr Hess Sie nochmal anrufen, am Montagmorgen müssen Sie nochmal hier runterkommen. Das ist also unbedingt notwendig. Denn auch für die sonstige, äh, Dauer und die ganzen Überlegungen, die da angestellt waren, da muss neu drüber nachgedacht werden in verschiedenen Punkten.'“ Hess: „Das kann ich nicht mehr sagen, um was es da gegangen ist.“ Bliwier: „Sagt Ihnen nichts?“ Hess: „Sagt mir nichts, nein.“ Bliwier: „Dann nochmal zu der Mail von Herrn Scha. Hat die Staatsanwaltschaft Kassel Ihnen gegenüber mal angekündigt, dass sie die VPs selbst ermitteln und vernehmen wird. Sagt Ihnen das was?“ Hess: „Ja, aber meine Erinnerung bezieht sich mehr auf eine Pressemitteilung eines Beteiligten am Untersuchungsausschuss des Bundes, dass die Polizei das vorgehabt haben soll.“ Bliwier: „Nach dieser Mail sollen Sie gesagt haben, dass man dies ruhig versuchen könne. Erinnern Sie solche Gespräch mit der Staatsanwaltschaft?“ Hess: „Kann ich mich nicht erinnern.“ Bliwier: „Letzte Frage: Ein Telefonat zwischen Ihnen und Herrn Temme aus dem Sonderband Temme Band 9. Wir haben den bei der Bundesanwaltschaft einsehen können. Da geht es um ein Gespräch zwischen Ihnen und Temme, da soll es um einen Spiegel-Artikel gehen. Erinnern Sie ein solches Telefonat?“ Hess: „Da müssten Sie mir sagen, um was es in dem Spiegel-Artikel geht.“ Bliwier: „Da steht, dass man ‚durchaus mit dem Artikel zufrieden sein kann‘.“ Hess: „Sagt mir nichts, müsste man den Spiegel-Artikel zu Rate ziehen.“
Dann fragt RA Kienzle: „Sie sind vorhin schon gefragt worden, von wem Sie als Poststelle Ihre Informationen bekommen haben. Möglicherweise war das ein Missverständnis. Wer hat Ihnen zugearbeitet, von wem haben Sie die Informationen bekommen?“ Hess: „Von den zuständigen Stellen.“ Kienzle: „Wer waren die?“ Hess: „Das kommt drauf an, wer von der Frage betroffen war.“ Kienzle: „Haben Sie eine konkrete Erinnerung an konkrete Informationen, die Sie bekommen haben?“ Hess: „Wenn die Beschaffung betroffen war, ist die Beschaffung gefragt worden, wenn die die Verwaltung betroffen war, die Verwaltung.“ Kienzle fragt, wen Hess bei der Beschaffung gefragt habe. Hess: „Das geht an den Leiter. Wie die das beantworten, ist deren Sache.“ Kienzle: „Ich war noch nie in einer Behörde tätig. Lief das alles schriftlich?“ Hess: „Wenn so eine Anfrage der Polizei kommt, dann kommt die ins Vorzimmer der Amtsleitung, da werden die unwichtigen Dinge in die Referate gegeben. Die wichtigen Dinge werden dem Amtsleiter vorgelegt und dann ging das zu mir. Ich habe das weitergeleitet an die zuständige Abteilung. Wie die das geregelt hat, war mir egal, Hauptsache, ich bekomme eine vernünftige Antwort an mich zurück. Und ich habe die Antwort an die Polizei geschickt.“ Kienzle: „Was genau haben Sie da als Antwort bekommen?“ Hess: „Zum Beispiel die Frage: War er an diesen Mordtatorten gewesen? Da hat sich dann rausgestellt: Nein, er hat da einen Lehrgang besucht. Das fällt bei uns dann in die Zuständigkeit der Personalverwaltung. Also hat die die Bitte bekommen, Nachweise rauszusuchen, dass Temme an diesem Tag anwesend war bei dieser Veranstaltung, von der Abrechnung, Protokolle etc. Dann habe ich das bekommen und der Polizei weitergeleitet. Und dann hat sich so manches geklärt.“
Kienzle: „Also rein papiermäßig, keine Gespräche?“ Hess: „Gespräche gab es auch. Da hat die Polizei angerufen, da hab ich das dann auch telefonisch weitergegeben an den entsprechenden Abteilungsleiter. Und ich habe es der Polizei entweder mündlich oder schriftlich zukommen lassen.“ Kienzle: „Nur darum geht es mir doch: Mit wem haben Sie gesprochen?“ Hess: „Mit wem kann ich nicht mehr sagen.“ Kienzle: „Von wem sind Sie als Poststelle eingesetzt worden?“ Hess: „Von Herrn Irrgang.“ Kienzle: „Haben Sie eine inhaltliche Kontrolle der Antworten aus dem Amt vorgenommen?“ Hess: „Nee, höchstens mal gefragt, ob man das nicht offen machen kann. Wenn was vertraulich ist, ob man das nicht NfD [= Nur für den Dienstgebrauch] herunterstufen kann. Um die Polizei zufrieden zu stellen. Denn mein Bestreben war, der Polizei möglichst schnell und viel die Sachen zu geben, weil ich mir versprochen habe, dass das Ermittlungsverfahren schnell eingestellt wird.“ Kienzle sagt, beim Bundestags-UA habe Hess noch gesagt, er habe die Dinge entgegengenommen und geguckt, ob sie plausibel sind; jetzt sage er, er habe keine Inhaltskontrolle vorgenommen. Hess: „Ja, ob es im Sinne der Polizei beantwortet wurde. Das ist neun Jahre her. Ich habe keine Beispiele mehr. Plausibel heißt: Die Polizei stellt eine Fragen und Plausibilitätsprüfung heißt: Ist diese Antwort jetzt auch zufriedenstellend für die Polizei.“
Kienzle: „Woher wussten Sie, ob das zufriedenstellend ist?“ Hess: „Das kann man einschätzen und außerdem stand ich ja mit denen in Kontakt.“ Kienzle: „Gab es noch andere institutionalisierte Stellen, die für diese Geschichte zuständig waren?“ Hess: „Nein, die gab es nicht. Was andere für Kontakte gepflegt haben, zur Polizeiführung und so was, da habe ich keine Ahnung.“ Kienzle hält vor, dass Hess im Telefonat vom 09.05. zu Temme sage: Also, soweit ich, ich hier, hier mitbekommen habe, ist, ist, sagen wir mal, so oder hat sich die, die Frage gestellt, Sie können sich auch nochmal überlegen, äh, ab, ab wann auf der Außenstelle bzw. Sie als Person mit der Frage, äh, konfrontiert worden sind oder mitbekommen haben, da sind in der Bundesrepublik, das war also teilweise – weiß ich jetzt nicht – vor den Geschehnissen in Kassel, nach dem Geschehnis, sind da Morde passiert … – Temme: Mhm. – Hess: „Und, äh, ab, ab wann ist Ihnen, äh, äh, klar geworden, dass Sie sozusagen, ja, ob nun bewusst oder unbewusst, das müssen Sie dann schreiben, äh, einen, ja, einen mitbekommen haben. Oder, oder, oder, sagen wir mal, an, an – an einem Tatort anwesend waren. Kienzle: „Sie haben vorhin gesagt, Sie haben das mit Temme erörtert aufgrund einer Anfrage der Polizei?“ Hess: “ Ja.“ Kienzle: „Können Sie sich erinnern, in welcher Form diese Anfrage herangetragen wurde?“ Hess: „Das war dieser Fragenkatalog, schriftlich.“ Kienzle: „Uns liegt ein Katalog vom 26.04.2006 vor.“ Hess: „Dann war’s der, ja.“ Kienzle: „Haben Sie eine Erinnerung wie die Polizei diesen Fragekatalog eingestuft hat?“ Hess: „Nein.“
Kienzle: „Da steht ‚vertraulich‘ drüber.“ Hess: „Das ist keine Einstufung, eine VS-Einstufung [= Verschlusssacheneinstufung] ist das nicht. Da gibt es entsprechende Vorschriften. Sie können auf Ihr Privatpapier einen Geheimstempel drauf machen, das hat keine Bedeutung [phon.].“ Kienzle: „Was meint aus Ihrer Sicht die Polizei, wenn Sie drüber schreibt: ‚Sag‘ es nicht jedem“. Also: vertraulich.“ Götzl: „Woher soll der Zeuge das wissen?“ Hess: „Ich sage, es ist keine Verschlusssache, es ist nur als solche zu behandeln.“ Kienzle: „Warum haben Sie sich für berechtigt gehalten, das mit dem Beschuldigten in der Mordsache zu erörtern?“ Hess: „Um mögliche Rückfragen der Polizei mir zu ersparen.“ Kienzle: „Mögliche Rückfragen zu was?“ Hess: „Hat er sich sonst noch geäußert … zu diesen ganzen Taten hab ich erst frühestens dann und dann erfahren. Das kann zur Aufklärung der Frage der Polizei dienen.“
Kienzle: „Hat Temme diese Fragen beantwortet?“ Hess: „Weiß ich nicht. Das war nur als Anregung gedacht, das mal zu überlegen. Es passiert oft, dass, wenn Sie eine Frage gestellt bekommen, dann wird nur genau das beantwortet, was die Frage beinhaltet, und dann ist das Erstaunen groß, weil man das Drumrum vergessen hat. Und es war die Anregung: Was könnte mit der Frage in Zusammenhang stehen, was der Polizei weiterhilft.“ Kienzle: „An wen richtete sich der Fragenkatalog der Polizei nach Ihrem Verständnis?“ Hess: „Ich meine, der wäre ans LfV gerichtet gewesen.“ Hess bejaht die Frage, ob damals noch polizeiliche Ermittlungen gegen Temme gelaufen seien. Kienzle: „Haben Sie eine Idee, warum die Polizei das nicht Temme direkt gefragt hat?“ Götzl: „Wollen Sie Spekulationen erfragen?“ Kienzle nimmt die Frage zurück.
RA Top: „Was verbinden Sie mit dem Begriff ‚Kasseler Problematik‘?“ Hess: „Ohne nähere Umstände nichts.“ Top: „Gab es damals Besonderheiten bezüglich der Außenstelle in Kassel?“ Hess: „Ich bin nicht zuständig gewesen für die Außenstelle Kassel.“ Top: „Haben Sie mal mitbekommen, dass es Erwägungen gab, Außenstellen zusammenzulegen?“ Hess: „Kann ich nicht beantworten wegen der Aussagegenehmigung.“ RA Stahl beanstandet die Frage als nicht zur Sache gehörig. Götzl sagt, man komme da auch in den Bereich der Aussagegenehmigung. Top: „Das bezog sich lediglich auf das Telefonat Temme/ Fe.“ Götzl: „Sie müssen mir das nicht erklären. Stellen Sie einfach Fragen und wir schauen, ob sie zulässig sind.“ Top: „Sollte die Außenstelle Kassel damals geschlossen werden?“ Hess: „Das ist nicht von meiner Aussagegenehmigung gedeckt.“ Top: „Wie und von wem haben Sie das erste Mal von der Verhaftung Herrn Temmes erfahren?“ Hess: „Kann ich nicht mehr sagen, weiß ich nicht.“ Top: „Gab es nach der Verhaftung Temmes Gespräche im Landesamt?“ Götzl: „Können Sie das präzisieren? Das ist eine Wiederholungsfrage, darüber haben wir schon gesprochen.“ Top hat keine Fragen mehr.
Dann sagt RA Narin: „Sie sagten, als Geheimschutzbeauftragter seien Sie für die Verschlusssachenanweisung zuständig.“ Dem Zeugen wird eine Grafik zu den Ceska-Morden vorgelegt. Narin: „Kennen Sie die Grafik?“ Hess: „Kann ich nicht beantworten, weiß ich nicht.“ Narin: „Wenn ich als Stichwort gebe: Rundmail der Kollegin Pi. im März 2006, kommt da eine Erinnerung?“ Hess: „Kann ich nicht sagen, kenne die Mail nicht, ich habe im Untersuchungsausschuss Hessen davon erfahren.“ Narin: „Dann würde ich bitten das Schriftstück vorzulegen, da sind nämlich zwei Stempel oben. Kommt Ihnen das Schriftstück bekannt vor?“ Hess nimmt es in Augenschein und sagt dann: „Ich war nicht beschäftigt in diesem Bereich, kann ich nicht sagen.“ Narin: „Waren Sie für die Einstufung zuständig? Oben steht: ‚Amtlich geheimgehalten‘.“ Hess: „Das machen die Mitarbeiter selbstständig. Das ist die unterste Stufe, das so was nicht offen weitergegeben wird und nur an Personen weitergegeben wird, die berechtigt sind. Nur in besonderen Einzelfällen kann das Personen gegeben werden, die nicht berechtigt sind.“ Narin: „Unter dem Stempel steht: ‚amtlich geheimgehalten‘ und ‚VS [= Verschlusssache]- Nur für den Dienstgebrauch‘. Sind das nicht unterschiedliche Grade?“ Götzl sagt zu Narin, das sei gesetzlich geregelt und er könne erwarten, dass Narin sich als Jurist da auskennt. Hess: „Das ist bundesweit einheitlich geregelt.“
Vorhalt aus dem Schriftstück von Pi.: Seit 2000 gab es in München, Nürnberg, Hamburg und Rostock sieben Tötungsdelikte gegen Türken mit einem geschäftlichen Bezug … Gibt es Dinge, die VM dazu sagen können? Narin: „Ist Ihnen eine solche Rundmail bekannt geworden?“ Hess: „Dass so eine Rundmail rumging, habe ich beim Untersuchungsausschuss erfahren, vorher weiß ich es nicht mehr. Ich war in dem Bereich nicht zuständig. Nach der Verschlusssachenanweisung heißt es auch: Kenntnis nur wenn nötig. Ich darf also nur Kenntnis haben, wenn ich es für meine Arbeit brauche. Also darf ich von dieser Sache überhaupt keine Kenntnis haben.“ Narin: „Waren Sie auch für die Sicherheitsüberprüfung von Herrn Temme zuständig?“ Hess: „Ja, das macht der Geheimschutzbeauftragte.“ Narin: „Waren Ihnen Bezüge Temmes zum Rechtsextremismus bekannt vor dem Mord?“ Hess: „Ich sage das noch mal, nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz darf ich nichts dazu sagen. Es gibt nur eine Ausnahme: Im Untersuchungsausschuss darf es gesagt werden.“
Narin: „Wissen Sie, ob Herr Temme im Rockermilieu verkehrt hat?“ Hess: „Ich kann mich nur wiederholen: Es gibt von mir keine weitere Aussage zu der Sicherheitsüberprüfung.“ Narin: „Sie sagten heute bei der Einvernahme: Andreas Temme habe dienstlich nicht in dem Internetcafé sein dürfen. Können Sie den Grund nennen?“ Hess: „Den kann ich Ihnen aber nur aus der Presse nennen.“ Narin sagt, es gehe ihm um das Dienstliche und das Wissen von Hess. Hess: „Ich habe nur erfahren, dass er dort nicht hätte sein dürfen.“ Narin: „Und warum?“ Hess: „Das muss mir keiner sagen. Seine zuständige Abteilung hat gesagt: Dort hat er nichts zu suchen. “ [phon.] Narin: „Wer war zuständig?“ Hess: „Weiß ich nicht mehr.“ Narin: „Die Dezernatsleiterin Beschaffung?“ Hess: „Weiß nicht mehr.“ Narin: „Abteilungsleiter?“ Hess: „Weiß nicht mehr.“ Er habe die Informationen entgegennehmen müssen, so Hess, von wem sie dann auch kommen, nicht sie mit Namen zu verknüpfen. Um 18:04 Uhr wird der Zeuge entlassen.
Danach verkündet Götzl, dass den Senat ein Schreiben der Zeugin Ge. [Ehefrau von Peter Anton Ge., zum Thema Beschaffung der Ceska] erreicht habe, dass sie voraussichtlich nicht kommen werde: „So dass wir mit dem Erscheinen nicht rechnen können.“ Der Verhandlungstag endet um 18:05 Uhr.
Das Blog nsu-nebenklage.de: „[Hess] behauptete, nicht gemeint zu haben, dass Temme vorher wusste, dass „sowas passiert“. Seine Erklärungen überzeugten aber überhaupt nicht, auch der Vorsitzende fragte mehrmals nach, meinte: „Naja, wenn der Betreffende weiß, dass da ein Mord passiert, ist der Rat ja probat.“ Auch ansonsten zeigten seine Telefonate mit Temme, dass auch für ihn allein der Schutz Temmes und des Landesamtes von Bedeutung war und die Aufklärung des Mordes – hinsichtlich dessen Temme damals immer noch Beschuldigter war – keinerlei Bedeutung hatte. […] Versuche der Polizei, „die feststellbare Unterstützungshaltung LfVH-Verantwortlicher für den Tatverdächtigen aufzuheben“, scheiterten an der Blockadehaltung u.a. des Zeugen Hess, der das Verhalten des Landesamtes gegenüber Temme auch heute im Gericht noch einmal langatmig rechtfertigte. [Die Vernehmung] machte erneut deutlich, dass das Landesamt seinerzeit die Ermittlungsarbeit der Polizei hintertrieb und dass die „Mauer des Schweigens“ bis heute aufrecht erhalten wird. […] Die Verteidigung Wohlleben stellte […] mehrere Beweisanträge. Sie verfolgt weiter ihre These, Wohlleben sei nicht „Zentralfigur“ der Unterstützer in Jena gewesen, und beantragte dazu die Vernehmung weiterer Nazi-Zeugen. […] Schließlich soll ein deutscher Waffenbesitzer aussagen, dass er illegal Waffen vom dem Inhaber des Waffengeschäfts erworben habe, von dem auch die Mordwaffe Ceska stammt. Auch der Verteidigung dürfte klar sein, dass selbst dann, wenn die Zeugen dies im einzelnen bestätigen, dies wenig an der klaren Beweislage zur Waffenlieferung durch Wohlleben und Schultze, zu Wohllebens Kenntnis von Ideologie und Gewaltbereitschaft des Trios und letztlich auch zu seiner eigenen ideologischen Ausrichtung ändern wird und es sich daher um verzweifelte Rettungsversuche handelt.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/06/24/24-06-2015/