Kurz-Protokoll 215. Verhandlungstag – 1. Juli 2015

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An diesem Prozesstag sagt zunächst ein Kriminalbeamter aus, der eine CD mit Urlaubsfotos des NSU-Kerntrios auswertete. Darauf sind zahlreiche Bilder von ihren Urlauben mit dem Wohnmobil zu finden. Einige wurden später auch weiterverwendet. Danach sagt der ehemalige V-Mann-Führer von Carsten Szczepanski, alias „Piatto“, aus. Dieser gibt während seiner Aussage vor allem an, sich an wenig erinnern zu können.

Zeugen:

  • Gerhard Ze. (Kriminalbeamter, Auswertung einer CD mit Urlaubsfotos von Böhnhardt, Zschäpe, Mundlos)
  • Reiner Görlitz (LfV Brandenburg, V-Mann-Führer von Carsten Szczepanski)

Der Verhandlungstag beginnt heute erst um 11:13 Uhr. Erster Zeuge ist der Kriminalbeamte Gerhard Ze. Götzl sagt, Ze. sei nach Aktenlage befasst mit der Auswertung eines Asservats, einer CD und solle berichten. Ze.: „Wie Sie richtig sagen, ich war mit der Auswertung befasst, aber nicht mit Folgeermittlungen. Eine CD, beschrieben mit “Urlaub 04”, eine von 41 CDs insgesamt, die ich in einem Schwung zur Auswertung bekommen habe.“ Die seien allesamt sichergestellt worden in der Frühlingsstraße, in einer Sammelmappe. Die CD „Urlaub 04“ zeige auf 89 Bilddateien einen Aufenthalt des Trios in der Holsteinischen Schweiz. Die Bildserie beginne am 20.07. und ende am 06.08. Die 89 Bilder seien Urlaubsbilder. Die ersten Bilder seien die Anreise zum Campingplatz oder den -plätzen, datiert vom 20.07. und würden das Trio an einem Autobahnrastplatz oder Tankstelle zeigen. Die ersten Bilder eines Campingplatzes seien dann vom 22.07., der gleiche Platz sei auf den Bildern bis zum 24.07. Auffällig sei der Wohnwagen mit auffälligem Vorzelt und einer stoffeingefassten Terrasse, mannshoch. Am Tag später gebe es ein Bild vom Bornhöveder See.
Auf den nächsten Bildern, zwei Tage später, werde dann ein augenscheinlich neuer Wohnwagen gezeigt. Das sei ein Indiz, dass der Campingplatz gewechselt worden sein könnte. Dazu würden Bilder innerorts von Schönberg passen, die auch zweifelsfrei zuzuordnen seien. Auf zwei abschließenden Bildserien im August seien Aufenthalte in Kiel dokumentiert und in einem Naturirrgarten im Ort Probsteierhagen.
Ze. fährt fort, ein Kollege in seinem Büro habe einen anderen Datenträger ausgewertet und Flyer gefunden, die mit „Wette“ überschrieben gewesen seien. Über den Inhalt der Wette wisse er nichts, so Ze., aber es seien wohl die Worte „Cleaner“ und „Killer“, „Reiniger“ und „Mörder“ vorgekommen. Der Kollege habe die Bilder vom Urlaub gesehen. In den Flyer mit „Cleaner“ und „Killer“ seien Bilder eingearbeitet, die ihren Ursprung in der von ihm ausgewerteten Bilderserie hätten, Zschäpe sei in gleicher Haltung zu sehen wie im Urlaubsbild. Es folgt die Mittagspause bis 13:09 Uhr.

Danach geht es weiter mit der Einvernahme des Zeugen Reiner Görlitz. Görlitz trägt einen grauen Kapuzenpullover. Er setzt die Kapuze während der Aussage nicht ab, vermutlich trägt er unter der Kapuze zusätzlich eine Perücke. Nach der Personalienfeststellung sagt Götzl: „Zunächst würde mich interessieren: Führung des V-Mannes Carsten Szczepanski. Wie ist das abgelaufen und welche Angaben haben Sie in diesem Zeitraum, insbesondere 1998 von ihm gegebenenfalls bekommen?“ Görlitz schweigt zunächst und sagt dann: „Also, die Informationen wurden im Rahmen von Treffen erhoben. Hierbei wurde umfangreiches Informationsmaterial aus der rechtsextremistischen Szene angenommen und darüber hinaus habe ich Einzelschilderungen zu Sachverhalten schriftlich verfasst und die Angelegenheit in Form einer Deckblattmeldung der Auswertung vorgelegt.“ Götzl: „Haben Sie Informationen bekommen, die beispielsweise Jan Werner betreffen, Blood & Honour Sachsen, wo es um Flucht von Personen ging? Können Sie sich an solche Informationen, Bereich Thüringen erinnern, hatten Sie solche Informationen von Szczepanski bekommen?“ Görlitz: „Ja, grob berichtete er von drei sächsischen Skinheads, die sich nach Südafrika absetzen wollten, zwei männliche Personen und eine weibliche. Im weiteren Verlauf wurde bekannt, dass eine Antje Probst ihre Personalien der weiblichen Person zur Verfügung stellen wollte und Jan Werner eine Waffe besorgen sollte, um Geld für diese Reise nach Südafrika zu beschaffen. Das waren so die Kernaussagen.“
Götzl sagt, er wolle auf einzelne Deckblattberichte eingehen und nennt zunächst eine Meldung vom 19.08.1998. Vorhalt: Laut Antje Probst sind drei sächsische Skinheads, zwei Männer und eine Frau auf der Flucht vor der Polizei; dieser Fall sei medienbekannt. Görlitz: „Ja.“ Götzl: „Gab es denn da jetzt von Seiten Herrn Szczepanskis Zusatzinformationen, im Hinblick auf die angesprochenen Personen?“ Görlitz: „Nein, sonst wären sie vermerkt worden.“Götzl hält vor: Die Drei, von denen einer anonym Artikel für „White Supremacy“ geschrieben habe, wollen sich innerhalb von drei Wochen mit gefälschten Pässen nach Südafrika absetzen. Görlitz: „Das ist das was ich aufgeschrieben habe. Darüber hinaus wurde nichts bekannt.“
Götzl geht zu einer weiteren Deckblattmeldung über, diese sei vom 09.09.1998: Einen persönlichen Kontakt zu den drei sächsischen Skinheads soll Jan Werner haben; Jan Werner soll zur Zeit den Auftrag haben, die drei Skinheads mit Waffen zu versorgen. Götzl: „Was sagen Sie dazu?“ Görlitz: „Das ist mir so bekannt geworden und ich habe es so aufgeschrieben.“ Götzl: „Ist denn in dem Zusammenhang von Szczepanski auch eine Information gekommen über die Art und Weise, wie die Waffen finanziert werden sollen?“ Görlitz: „Nein.“ Vorhalt: Gelder für diese Beschaffungsmaßnahme soll die Blood & Honour-Sektion Sachsen bereitgestellt haben, die Gelder stammen aus Einnahmen von Konzerten und CD-Verkauf. Görlitz: „Damals war die Information so.“
Vorhalt: Vor ihrer Flucht nach Südafrika soll das Trio einen weiteren Überfall planen, um mit dem Geld Deutschland verlassen zu können. Görlitz: „Das wird er so gesagt haben.“ Er verneint, noch zusätzliche Details in Erinnerung zu haben. Götzl: „Haben Sie eine Information bekommen, welchen Artikel der Angehörige des Skinhead-Trios geschrieben haben soll?“ Görlitz: „Nein.“ Vorhalt: Ein Angehöriger des sächsischen Skinheadtrios hat den Artikel auf Seite 26 der Publikation „White Supremacy“ verfasst. Götzl: „Was sagen Sie dazu?“ Görlitz: „Wenn das so aufgeschrieben wurde, dann war es so. Ich kann mich daran nicht erinnern.“
Götzl: „Diese Informationen, über die wir schon gesprochen haben: Besorgen einer Waffe durch Herrn Werner. Haben Sie da weitere Informationen in der Folge von Szczepanski bekommen?“ Görlitz: „Ist mir nicht erinnerlich, nein.“ Vorhalt: Am Rande des Konzerts erfuhr die Quelle, dass Jan Werner bei seinen Versuchen, die drei Flüchtenden aus Thüringen mit Waffen zu versorgen noch nicht erfolgreich war und die Versuche fortsetzt. Görlitz: „Das wird er so erzählt haben.“
Götzl sagt, es gehe ihm noch um eine Deckblattmeldung vom 14.10.1998: Betreff Skinheadzusammenschlüsse, B&H, Erkenntnisse aus dem Oktober 1998; eine Quelle B/2 berichtete: am 10.10.1998 habe in Wilsdruff eine Mitgliederversammlung von B&H Sachsen stattgefunden; der Quelle seien Thomas Starke, Antje Probst, Jan Werner, Mucke, Laschi und Michael Probst bekannt gewesen; als Gäste sollen Carsten Szczepanski und Ulf Schäfer sowie zwei Personen aus Thüringen an der Beratung teilgenommen haben. Görlitz: „Das habe ich gelesen, ja.“
RA Nahrath: „Diese Information, wurde die von Ihnen oder der Dienststelle weitergeleitete an Ermittlungsbehörden?“ Nach kurzer Pause sagt Görlitz: „Sekunde. Ich erinnere mich nur an eine Geschichte, dass irgendwie Thüringen, ähm, dass verabredet wurde, dass der Verfassungsschutz Thüringen das LKA Thüringen informiert.“ Nahrath fragt, wer wen informiere, Brandenburg das TLfV und das dortige LKA. Görlitz: „In irgendeiner Besprechung, nebulös.“ [phon.] Nahrath: „Wer war denn beteiligt an der Besprechung?“ Görlitz: „Unter anderem soll ich da auch beteiligt gewesen sein.“ Auf Frage, ob er sich nicht erinnere, wer die Besprechung geleitet hat, sagt Görlitz, er könne sich an die Besprechung gar nicht erinnern. Nahrath fragt, ob Szczepanski auch in anderem Auftrag als Quelle für das Amt unterwegs gewesen sei, bspw. das Gründen von Kameradschaften. Görlitz sagt, Szczepanski habe mehrere Aufträge gehabt. Nahrath: „Welche?“ Görlitz: „NPD, Kameradschaften, Musikszene.“ Nahrath: „Nur als Informationsbeschaffer oder auch mit dem Auftrag, Funktionen zu übernehmen?“ Görlitz: „Informationen zu beschaffen.“ Nahrath: „Hatte er den Auftrag, Aktionen anzuregen, Demonstrationen?“ Görlitz: „Nein.“
Dann fragt NK-Vertreter RA Hoffmann, ob es in dem Zeitraum 1997 bis 2000 irgendwelche Besonderheiten bei der Betreuung von Szczepanski gegeben habe. Görlitz: „Ich weiß nicht, was Sie unter Besonderheiten verstehen.“ Hoffmann: „Wie war denn seine Situation, Haft, ich will nicht alles vorgeben. Wie war seine Lebenssituation?“ Görlitz: „Er war 1997 in Haft, ja. Und 1998 teilweise hatte er Freigänge.“ Hoffmann: „Auf welche Art und Weise hat er dann in dieser Zeit Informationen beschafft?“ Görlitz: „Durch Briefverkehr, Sprecher, wenn er Besuch bekam von Szeneangehörigen.“ Hoffmann: „Noch andere Arten und Weisen, wie er an Informationen gelangt ist?“ Görlitz schweigt kurz und sagt dann: „Im Rahmen seiner Freigänge hat er Veranstaltungen besucht.“ Hoffmann: „Haben Sie mit ihm ausgesucht, was für Veranstaltungen er besuchen sollte?“ Görlitz: „In Absprache mit der Behörde, ja, hat er Aufträge erhalten.“ Hoffmann fragt, ob Görlitz in Absprache mit der Behörde Szczepanski gezielt in den Bereich Sachsen geschickt habe. Görlitz schweigt zunächst wieder. Dann sagt er: „Gezielt wurde er nicht nach Sachsen geschickt. Ich meine, wenn Sie verstehen, klar: bleib dran, versuche weiter Informationen über das Trio zu erhalten. Dann hat er natürlich Auftrag erhalten, nach Sachsen zu fahren.“
V. d. Behrens: „War Ihnen der Umstand, dass es drei Personen aus Thüringen gibt, bei denen Rohrbomben gefunden worden waren und die im Januar 1998 untergetaucht waren, war Ihnen der Umstand bekannt, bevor Szczepanski die entsprechenden Meldungen gemacht hat?“ Görlitz: „Nein.“ V. d. Behrens: „Gab es im Frühjahr 1998, also vor den Meldungen von Szczepanski, von der Spitze Ihres Hauses, Herrn Förster, Warnungen vor einer neuen Gefahr des Rechtsterrors, insbesondere am Beispiel der drei Bombenbauer aus Jena?“ Görlitz: „Ich kann mich nicht erinnern.“ V. d. Behrens sagt, die Abgeordnete Högl habe im Bundes-UA aus einer Agenturmeldung, einem Interview Försters mit der dpa vom 14.03.1998, vorgehalten. Dort habe, hält v. d. Behrens vor, Förster gesagt, es gebe in der rechten Szene Personen, die bewaffnet und zu schweren Straftaten bereit seien, dies beschränke sich nicht nur auf durchgeknallte Einzeltäter wie Kay Diesner, es würden zunehmend Waffen und Sprengstoff entdeckt, z. B. den Fund von vier Bomben in Jena. V. d. Behrens: „Kommt eine Erinnerung, dass das in Ihrem Haus Thema war: Gefahr des Rechtsterrorismus, vier Rohrbomben gefunden?“ Görlitz: „Nein, mir kommt keine Erinnerung.“
V. d. Behrens fragt, ob Görlitz bekannt sei, ob Szczepanski eine SMS auf seinem Handy erhalten habe von Jan Werner am 25.08.98 mit dem Inhalt: „Was ist mit den Bums“. Görlitz: „Das ist mir bekannt geworden, ja.“ V. d. Behrens: „Nachträglich, nicht damals?“ Görlitz: „Nein, nachträglich.“ V. d. Behrens „Haben Sie das Handy von Carsten Szczepanski ausgewertet?“ Görlitz: „Nein.“ V. d. Behrens fragt, ob Görlitz das Handy, wenn Szczepanski vom Ausgang zurück in die JVA musste, in Verwahrung genommen habe. Görlitz: „Ja.“ V. d. Behrens: „Haben Sie mit dem Handy irgendetwas anderes getan, außer es zu verwahren?“ Görlitz: „Was meinen Sie bitte?“ V. d. Behrens fragt, ob Görlitz Verbindungsnachweise oder SMS oder was auch immer, gelesen habe, es der Auswertung gegeben habe. Görlitz: „Nein.“
V. d. Behrens: „Ist Ihnen in Erinnerung, dass das Handy gewechselt wurde, weil die Nummer in einer TKÜ festgestellt wurde mit Anschluss auf das Innenministerium?“ Görlitz: „Es sind zwei neue Handys erworben worden. [phon.]“ V. d. Behrens: „Hatte das was zu tun mit der SMS: ‚Was ist mit den Bums‘?“ Görlitz: „Nein.“ V. d. Behrens: „War das am gleichen Tag, an dem das Handy ausgetauscht wurde?“ Görlitz: „Am 25.08. ist das laut Aktenlage passiert, aber alles in Absprache mit der Behörde.“ V. d. Behrens: „Da ist das Handy ausgetauscht worden, am 25.08.?“ Görlitz: „Nein, am 25.08. sind neue Handys gekauft worden.“ Der Verhandlungstag endet 17:15 Uhr.

Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/07/01/01-07-2015/