Neue Anwälte für Wohlleben – in Vertretung

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Während sich die Berichterstattung auf das Verhältnis zwischen Beate Zschäpe und ihre alten und neuen VerteidigerInnen fokussiert, waren von der Öffentlichkeit unbemerkt zwei neue Anwälte für den Angeklagten Wohlleben da. und , beide einschlägig als Szene-Anwälte bekannt, vertraten RA Klemke und RA .

von NSU-Watch

Nicole Schneider und Olaf Klemke 2013 vor dem OLG. Wolfram Nahrath ist seit April 2015 Wohllebens dritter Pflichtverteidiger.  (c) Robert Andreasch

und 2013 vor dem OLG. Wolfram Nahrath ist seit April 2015 Wohllebens dritter Pflichtverteidiger. (c) Robert Andreasch

Der Prozess stolpert in die Sommerpause und am OLG sieht man in der letzten Verhandlungswoche bis September zwei neue, Antifaschist_innen jedoch bekannte, Gesichter: Am Montag, den 3. 8. 2015, und Dienstag, den 4. 8. 2015, waren als VerteidigerInnen von Ralf Wohlleben neben Nicole Schneiders die beiden Anwälte Andreas Junge (Berlin) und Jochen Lober (Köln) anwesend. Götzl sagte bei der Feststellung der Präsenz am Dienstag: “Verteidigung Wohlleben heute mit RA Lober statt RA Klemke und mit RA Junge statt RA Nahrath”. Wolfram Nahrath ist seit dem 28. April als dritter Pflichtverteidiger für Wohlleben beigeordnet.

Für beide Vertretungs-Anwälte ist es nicht die erste Tätigkeit im Umfeld der extremen Rechten. Zumindest bei Jochen Lober (Köln) beschränkt sich dies nicht nur auf seine Mandantschaft: Er selbst war in den 1990er Jahren Autor der radikal rechten Zeitschrift “Staatsbriefe” (München).

Jochen Lobers Klientel

Daneben gehörten immer wieder radikal rechte und neonazistische Akteur_innen bzw. Organisationen zu Lobers Mandantschaft. 2008 vertrat er die NPD-Funktionäre Markus und Matthias Pohl in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Rheine, die in eine DGB-Veranstaltung eingedrungen waren und diese gestört hatten. 2011 wurde Lober Rechtsbeistand von Andre Zimmer ( Bochum). 2012 vertrat Lober den Vorsitzenden von “Pro Köln”, Markus Beisicht (der den Bundestagsabgeordneten Volker Beck beleidigt hatte), in einem Strafprozess vor dem Amtsgericht Köln. Schon im Jahr zuvor hatte Lober (erfolglos) mitzuhelfen versucht, eine Feier von “Pro NRW” im Rathaus Gelsenkirchen-Buer durchzusetzen. Auch 2012 wurde Lober mehrfach für Neonazis aktiv und verteidigt Philipp N., der als zentrale Figur der Rechtsrock-Band „Flak“ galt, vor dem Kölner Landgericht. Seinem schließlich freigesprochenen Mandanten wurde dort vorgeworfen, am Rosenmontag 2011 in der Kölner Altstadt einen aus dem Irak stammenden Mann krankenhausreif geprügelt zu haben.
Ebenfalls 2012 vertrat Lober als Rechtsanwalt den NPD-Kreisverband Neustadt/Weinstraße beim VG Neustadt. Er scheiterte mit einer Klage gegen das Verbot von Trauermarschveranstaltungen 2011 in Haßloch bzw. Böhl-Iggelheim. 2013 verteidigte Lober einen Neonazi im Prozess um den brutalen Überfall auf eine Gruppe linker Flohmarktbesucher_innen in Wuppertal-Vohwinkel. Eine größere Gruppe mit Holzknüppeln bewaffneter Neonazis hatte im September 2011 auf mehrere Menschen eingeschlagen und diese teils schwer verletzt. Jochen Lober verteidigte schließlich auch einen Mandanten im Verfahren gegen den sog. “Freundeskreis Rade” (Landgericht Köln, 2013). Die Staatsanwaltschaft bezichtigte damals die Angeklagten, Mitglieder der neonazistischen Kameradschaft „Freundeskreis Rade“ zu sein und zahlreiche Straftaten – darunter auch brutale Gewalttaten gegen Migrant_innen und Linke –  begangen zu haben. 2014 verteidigte Jochen Lober den extrem rechten Verleger Wigbert Grabert in einem Prozess wegen Volksverhetzung. In dessen Tübinger “Grabert-Verlag” war ein Artikel erschienen, der die Gräuel im Konzentrationslager Buchenwald verharmlost und zum Teil geleugnet hatte.

Andreas Junges Klientel

Auch der Berliner Rechtsanwalt Andreas (Klaus) Junge hat schon mehrmals eindeutiges Klientel vertreten. Mit dem Szene-Anwalt und letztem Bundesführer der 1994 verbotenen Wiking Jugend Wolfram Nahrath scheint eine jahrelange enge Zusammenarbeit zu bestehen.
So vertrat Junge 2010 zusammen mit Nahrath und dem Szene-Rechtsanwalt Carsten Schrank die Neonazis Ragnar Dam (aus Rostock, ehem. Berlin), Christian Fischer und Daniela K. in dem ersten Prozess gegen HDJlerInnen nach dem Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend (). Den dreien wurden mehrere Straftaten im Rahmen einer sogenannten „Rasseschulung“ in NPD-Räumlichkeiten in Georgsmarienhütte am 13. Januar 2007 vorgeworfen. Die Angeklagten kassierten dafür Haftstrafen auf Bewährung bzw. eine Geldstrafe. Auch Kay-Ole Klebe (Gründungsmitglied der JN Hamburg) wurde von RA Andreas Junge vertreten, Klebes Mittäter Thomas Wulff von Wolfram Nahrath. Klebe war zusammen mit Wulff in Hamburg mit einer Axt auf einen Mann losgegangen und hatte ihm zwischen die Beine getreten, als dieser 2011 ein NPD-Plakat vor seinem Laden entfernte.

Immer wieder fungiert Andreas Junge auch als Verteidiger Berliner Neonazis, zuletzt sprang er jedoch einem Neonazi als Rechtsbeistand bei, als dieser versuchte, sich als Opfer von Linken zu generieren und im Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten als Nebenkläger auftrat. Christian Schmidt (Vorsitzender der NPD Pankow und -Aktivist) hatte fünf Linke angezeigt und der folgende Prozess im April 2015 fällt in die unrühmliche Reihe absurder Ermittlungsarbeit des Berliner LKA gegen Antifaschist_innen, fußend auf neonazistischer Anti-Antifa-Strategie: Im Stadtteil Buch hatten im Anschluss an einen antifaschistischen Putzspaziergang mehrere Linke Neonazis, darunter Christian Schmidt, beobachtet und verfolgt, die die antifaschistischen Teilnehmer_innen abfotografiert hatten. Die Neonazis riefen die Polizei und behaupteten, sie seien angegriffen worden. Das LKA ermittelte anhand der von den Neonazis vorgelegten Bildern fünf Beschuldigte, darunter den Berliner Abgeordneten und ehemaliges Piraten-Mitglied Oliver Höfinghoff. Im Prozess wurde jedoch die Absurdität der Anklage deutlich, für die von Schmidt behaupteten Flaschenwürfen und Angriffe mit Fahnenstangen konnten keine Anhaltspunkte gefunden werden, zwei der Angezeigten waren nachweislich gar nicht in Buch bzw. Berlin gewesen. Während Schmidt vor Gericht keine gute Figur machte, erschien Andreas Junge an einem Verhandlungstag als Beistand vom „Nebenkläger“, konnte aber auch nicht verhindern, dass sich Christian Schmidt in Widersprüche verstrickte und auch von der Richterin als völlig unglaubwürdig bezeichnet wurde. Letztendlich wurden alle Angeklagten freigesprochen.

Dass diese beiden einschlägigen Szene-Anwälte im Münchner NSU-Prozess an der Seite vom Angeklagten Ralf Wohlleben erscheinen und seine Verteidiger Olaf Klemke und Wolfram Nahrath vertreten, ist ein weiterer Beweis für Wohllebens anhaltende tiefe Verwurzelung in der extremen Rechten. Seine Verteidigung setzt eindeutig nicht auf eine Distanzierung ihres Mandanten von der Neonazi-Szene.