Kurz-Protokoll 230. Verhandlungstag – 23. September 2015

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Am heutigen Verhandlungstag ist der Sachverständige des BKA, Herr Dr. Proff geladen, der im Rahmen der Ermittlungen eine Reihe von DNA-analytischen Gutachten erstellt hat, die er nun vorstellt.

Sachverständiger:

  • Dr. Carsten Proff (BKA, SV für forensische DNA-Analytik, diverse Gutachten zum NSU-Komplex)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:43 Uhr. Es folgt die Vernehmung des Sachverständigen Dr. Proff.

[Alle gutachterlichen Angaben im Folgenden, insbesondere Zahlenangaben, phonetisch. Der Verständlichkeit halber wurden Ausführungen des Gutachters an einigen Stellen zusammengefasst, die Asservate nicht immer explizit einzeln genannt.]

Götzl: „Mir geht es jetzt vor allem um Vergleichspersonen und Muster, die Ihnen zur Verfügung standen.“ SV Proff führt aus, dass die DNA-Muster der Vergleichspersonen zum Teil durch das LKA Thüringen (Muster von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe), durch das BKA und das LKA Baden-Württemberg übermittelt worden seien. Die übrigen Muster seien bei ihnen erstellt worden. Anschließend stellt SV Proff die Methodik der Untersuchung ausführlich dar. Der erste Schritt der standardisierten Verfahren sei die Spurensuche und -sicherung. Mit Softwareunterstützung würden die Daten ausgewertet: Bekannte DNA-Fragmente würden zur Hilfe genommen und mit bekannten Merkmalen in der Bevölkerung verglichen.
Götzl: „Dann gehen wir nach den verschiedenen Gutachten vor: das Gutachten vom 25.05.2012. Es geht um zwei Impfpässe, zwei einzelne Blätter und Schreiben, Überweisungsträger.“
Der SV stellt im Folgenden ausführlich die in der Liste aufgeführten Spuren und die Übereinstimmung der Merkmalssysteme dar. Es geht um die Vorderseite einer Faltinfopost der Deutschen Bahn, den rechten Tragegurtriemen eines Rucksacks und einen Zipper am Reißverschluss der großen Öffnung eines Rucksacks. Es folgen eine Reihe anderer Spuren, die mit hohen Wahrscheinlichkeiten Beate Zschäpe zugeschrieben werden könnten. Der SV schlussfolgert aus der Darstellung der Liste, dass praktisch kein Zweifel daran bestehe, dass die genannten Anhaftungen hauptsächlich von Beate Zschäpe hinterlassen wurden.
Götzl: „Dann zum Gutachten vom 10.01.2013, eine Schuh-Untersuchung.“ In diesem Gutachten seien, so Proff, Abriebe eines Paares Lederhalbschuhe untersucht worden. Die Abriebe, die angefertigt wurden, seien dabei von verschiedenen Stellen genommen worden, zum Beispiel von den Schnürsenkeln. Es habe eine Mischspur festgestellt werden können, in der sich Merkmale von Beate Zschäpe, Susann Eminger, Andre Eminger und der unbekannten Person 418 befanden. Bei Person 418 handele es sich um ein leibliches Kind von Susann Eminger und André Eminger.
Es folgt die Vorstellung eines weiteren Gutachtens. Für dieses Gutachten habe der SV verschiedene Abriebe, Zellstofftücher, eine graue Trainingshose, sowie Abriebe dieser Hose untersucht. Die Zellstofftücher wurden in der Hosentasche des rechten Beins gesichert, außerdem wurden auf der Innenseite der Hose Haare abgesammelt, die in die Analyse eingegangen sind. Des weiteren wurden Abriebe angefertigt von vermutlichen Blutantragungen an der Hose.
Im unteren Bereich des linken Hosenbeines habe es mehrere rote Anhaftungen gegeben. Mit einem UV-Test habe Blut nachgewiesen werden können. Sechs davon angefertigte Abriebe hätten ein vollständiges weibliches DNA-Muster ergeben, das vollständig mit den Merkmalen der Michèle Kiesewetter übereinstimme. Am Tascheneingriff der Hose sowie im Inneren des Hosenbundes hätten sich Mischspuren gefunden, in denen sich Anteile des Uwe Mundlos gefunden hätten, so dass dieser als Mitverursacher nicht ausgeschlossen werden könne. Auch im inneren vorderen Bereich des rechten Hosenbeins hätten sich Spuren gefunden, die zum Teil zwar an der Nachweisgrenze lägen, aber Übereinstimmungen mit Uwe Mundlos aufwiesen. Die abgesammelten Haare seien in die Analyse gegeben worden: Ein Haar von der Innenseite der Hose habe Merkmale ergeben, die vollständig mit denen des Uwe Mundlos übereinstimmten (16 Merkmalssysteme, Häufigkeit 1:27 Trilliarden). Bei weiteren Haaren hätten Merkmale des Uwe Mundlos nachgewiesen worden können, aber für Berechnungen hätten sich die Spuren nicht geeignet. Uwe Mundlos könne nicht ausgeschlossen werden. Bei den Zellstofftüchern aus den Taschen an der Vorderseite der Hose gebe es Antragungen, bei denen es sich nicht um Blut handele. Es habe sich bei der Untersuchung ein vollständiges Muster ergeben, das mit dem von Uwe Mundlos übereinstimmt, so dass kein Zweifel bestehe, dass die Anhaftungen von ihm stammen. Götzl: „Wir werden unserer Mittagspause einlegen bis 12:45 Uhr.“
Nach der Pause geht es um ein weiteres Gutachten. Das sei das erste Gutachten, das in dieser Sache erstellt worden sei, führt der Gutachter aus. Es sei um die Analyse von verschiedenen Waffen, Patronen, Pumpguns und ähnlichem gegangen. Die Asservate seien in keinem guten Zustand gewesen, z.T. verrostet, brandverändert. Es seien Haare abgesammelt und Abriebe angefertigt worden, auch von vermuteten Blut- und Gewebeantragungen. Außerdem seien daktyloskopisch sichtbar gemachte Kontaktspuren untersucht worden. Im Verlauf wurden die von den Beteiligten beantragten Spuren durchgegangen.
Die Pumpgun zeige ein vollständiges DNA-Muster, das mit dem des Uwe Böhnhardt übereinstimme. Daneben seien Mischungen von zwei Personen auf Abzug und Abzugsbügel gefunden worden, die durch die Merkmale von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos erklärt werden können. Die Pumpgun zeige ein vollständiges DNA-Muster, das mit dem des Uwe Böhnhardt übereinstimme. Daneben seien Mischungen von zwei Personen auf Abzug und Abzugsbügel gefunden worden, die durch die Merkmale von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos erklärt werden können. Für diese beiden Spuren und auch für eine Spur von der Laufmündung seien Likelihood-Berechnungen durchgeführt worden. Es sei 620 Milliarden mal wahrscheinlicher, dass Uwe Mundlos Mit-Spurenverursacher ist, als dass es zwei unbekannte Personen seien. Für Uwe Böhnhardt ergebe sich ein Wert von 2,9 Trillionen. Bei der Winchester Pumpgun hätten an den verschiedenen Entnahmestellen Mischspuren von zwei Personen festgestellt werden können. Die Likelihood-Berechnungen hätten ebenfalls ergeben, dass es 620 Milliarden mal wahrscheinlicher sei, dass Uwe Mundlos Mit-Spurenverursacher ist, als dass es zwei unbekannte Personen seien. Für Uwe Böhnhardt ergebe sich ein Wert von 2,9 Trillionen.
Götzl: „Dann kämen wir zu dem Gutachten vom 12.08.2015.“ Im Folgenden stellt der SV eine Reihe von Spuren auf Briefumschlägen und den sogenannten NSU-Frühlings-DVDs dar. Hier seien in einem ersten Schritt Berührungsvorgänge sichtbar gemacht worden. Für den Briefumschlag hätten sich zwei Kontaktspuren ergeben, die jeweils Mischspuren mehrerer Personen aufwiesen, die jedoch nicht weiter zuordenbar gewesen seien. An der Innenseite der DVD-Hülle sei das Teilmuster einer unbekannten Person P7 [phon.] festgestellt worden. Bisher sei dieses Muster nicht zugeordnet worden. Auch bei weiteren Mischspuren sei die unbekannte Person P7 [phon.] als Mitverursacherin nicht auszuschließen. An weiteren Bekenner-DVDs, Briefumschlägen und DVD-Hüllen hätten sich Mischspuren mehrerer Personen gefunden. Uwe Böhnhardt könne hier als Verursacher nicht ausgeschlossen werden. An einer DVD-Hülle sei ein vollständiges DNA-Muster des Uwe Mundlos nachgewiesen worden.
Nach einer Pause stellt der SV diverse weitere Spuren von den DVDs vor. An mehreren DVD-Außenringen hätten Mischspuren mehrerer Personen festgestellt werden können und Merkmale, wie sie Uwe Böhnhardt besitzt, der als Spurenmitverursacher nicht auszuschließen sei. Es seien außerdem Teilmuster mit einer Mischspur mehrerer Personen mit Merkmalen wie sie Uwe Mundlos besitzt, festgestellt worden.
Die Untersuchung von zwei ausgedruckten Stadtplänen mit handschriftlichen Notizen habe folgendes ergeben: Der Stadtplan von Arnstadt weise eine Mischspur auf, die Merkmale enthält wie sie Uwe Mundlos besitzt. Außerdem sei eine Mischspur gefunden worden, die als Hauptkomponente das Muster einer unbekannten Person P35 enthält. Diese sei bis heute nicht zugeordnet worden. Der Stadtplan von Erfurt weise ein vollständiges Muster, das mit Uwe Mundlos übereinstimme, auf.
Auf der Rückseite eines Überweisungsträgers sei eine Mischspur mehrerer Personen gefunden worden. André Eminger könne als Mitverursacher nicht ausgeschlossen werden. Sofern ein Zwillingsbruder in Betracht komme, könnten diese Personen natürlich nicht voneinander getrennt werden. Auf den Unterlagen bezüglich eines Zahlungsverkehrs mit der Deutschen Bank für einen Herrn Dienelt sei ein Muster, das im Wesentlichen mit den Merkmalen des Uwe Mundlos übereinstimme, gefunden worden. Ebenso auf einem Kassenbeleg. Verschiedene Schreiben, eine Commerzbank Service-Card und eine Kartenhülle wiesen darüber hinaus Merkmale auf, wie sie Uwe Mundlos und Beate Zschäpe besitzen. Auf verschiedene Asservaten, wie Bahncards, dem Übergabeprotokoll für eine Wohnung, dem Protokoll einer Schlüsselübergabe, einer Nebenkostenabrechnung, einer Warmwasserabrechnung und einer Lastschriftermächtigung seien vollständige sowie Teilmuster, wiederum mit den Merkmalen von Beate Zschäpe gefunden worden.
Ebenso auf einer Quittung der Deutschen Post AG sowie auf einem Vordruck für einen Überweisungsschein. Auf einem mehrseitigen Mietvertrag mit Matthias Dienelt habe ein mit den Merkmalen des Uwe Mundlos übereinstimmendes Muster und eine Mischspur von Uwe Mundlos und Beate Zschäpe festgestellt werden können. Eine Bahncard, ausgestellt auf „Max Burkhardt“, habe eine Mischspur mehrerer Personen ergeben, es seien Merkmale nachgewiesen worden wie sie Uwe Böhnhardt besitzt. Auf einem Stadtplan mit handschriftlichen Markierungen habe sich ein mit Uwe Mundlos übereinstimmendes Teilmuster ergeben. Eine Plastikhülle mit Din A4-Blättern, die eine Zeugenvernehmung dokumentieren, weise ein vollständiges Muster des André Eminger auf. Der SV weist erneut auf die Zwillingsproblematik hin.
Anschließend stellt der SV die Untersuchung von schwarzen Sturmhauben, grauschwarzen Socken und auch Trekkingsocken dar. Auf einer Haube sei ein mit den Merkmalen des Uwe Böhnhardt übereinstimmendes DNA-Muster festgestellt worden, auf einer anderen ein mit den Merkmalen des Uwe Mundlos übereinstimmendes Muster. Auf zwei Socken hätten sich Muster, die mit Uwe Mundlos übereinstimmen, gefunden, auf zwei anderen Socken Mischspuren mehrerer Personen mit Merkmalen wie sie Uwe Böhnhardt besitzt. Der Verhandlungstag endet um 15:11 Uhr.

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