Kurz-Protokoll 231. Verhandlungstag – 24. September 2015

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Am heutigen Verhandlungstag wurde die Befragung des Sachverständigen des BKA, Herr Dr. Proff fortgesetzt. Außerdem beantwortet die Bundesanwaltschaft Anträge zur Hinzuziehung weiterer Unterlagen des Verfassungsschutzes Thüringen und Brandenburg.

Sachverständiger:

  • Dr. Carsten Proff (BKA, SV für forensische DNA-Analytik, diverse Gutachten im NSU-Komplex).

Heute ist Fototermin. Der Prozesstag beginnt um 09:47 Uhr. Es folgt die Fortsetzung der Vernehmung des Sachverständigen Dr. Proff.

[Alle gutachterlichen Angaben im Folgenden, insbesondere Zahlenangaben, phonetisch. Der Verständlichkeit halber wurden Ausführungen des Gutachters an einigen Stellen zusammengefasst, die Asservate nicht immer explizit einzeln genannt.]

Götzl: „Wir waren beim Gutachten vom 12.08.2015. Wir fahren fort auf Seite 37.“ Proff: „Das wird jetzt wieder etwas komplizierter. Ich würde gern beginnen mit diversen Socken die untersucht wurden. Bei all diesen Spuren ergab sich ein mit den Merkmalen der Beate Zschäpe übereinstimmendes Muster, 1:45 Quadrillionen. Als nächstes würde ich berichten wollen von einem Gürtelholster, hier ergab sich ein mit den Merkmalen des Uwe Mundlos übereinstimmendes Muster, 1:27 Trilliarden. Auch bei einer Boxershorts ergab sich ein mit Uwe Mundlos übereinstimmendes Muster, 1:27 Trilliarden. Bei beiden Mischspuren konnte auch ein Merkmal nachgewiesen werden, wie es Frau Zschäpe besitzt, sie ist als Verursacherin der Mischspur nicht auszuschließen.“
Der Sachverständige führt im Folgenden die im Gutachten weiterhin dargelegten Untersuchungen aus. An einem Slip seien Merkmale des Uwe Böhnhardt und der Beate Zschäpe gefunden worden. An einem weiteren Slip Merkmale von Uwe Mundlos und Beate Zshcäpe. In einem Strumpf Merkmale von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. An einem anderen Socken seien Merkmale gefunden worden, wie sie Frau Zschäpe besitze.
Außerdem seien Merkmale einer zweiten, unbekannten Person gefunden worden. Das Muster habe die Kennzeichnung P46 bekommen und sei bisher keiner Person zugeordnet worden. Bei allen anderen Spuren des Gutachtens sei die Konstellation so, dass eine Beteiligung von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos nicht ausgeschlossen werden könne.
Es sei außerdem eine Jacke mit Fleece-Innenteil untersucht worden. Bei der Person P18 die im Gutachten genannt werde, handele es sich um einen leiblichen Sohn von André Eminger und Susann Eminger. Am Kragen der Fleecejacke sei eine Mischspur von mehreren Personen gefunden worden. Hauptspurenverursacherin sei Beate Zschäpe. Außerdem gebe es Merkmale, wie sie André Eminger und P18 besitzen.
Auch an der Tasche der Außenjacke sei ein solches Mischspurenmuster gefunden worden. Hier seien auch Merkmale gefunden worden, wie sie Susann Eminger besitzt. Bei den übrigen Spuren in der Tabelle handele es sich um weitere Mischspuren: Hier kämen Frau Zschäpe, Herr Eminger, Matthias Dienelt und P18 als Spurenverursacher in Betracht. Schließlich sei noch eine Haarwurzel untersucht worden, die an einer Wolldecke gefunden wurde. Die Analyse der Wurzel habe die Merkmale von Frau Zschäpe ergeben. Die Untersuchungsergebnisse aus dem Bericht 6638 befassten sich mit einem Spielzeughubschrauber und 39 Zigaretten. Anhaftungen an einer Figur im Cockpit dieses Spielzeughubschraubers wiesen eine Mischspur von zwei Personen auf. Es handele sich um Merkmale von Frau Zschäpe und P18 – dem Sohn von André Eminger und Susann Eminger.
Die Zigaretten seien starker Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen, es seien jedoch immer dieselben Merkmale gefunden worden: Das Muster der unbekannten Person P17, das bisher keiner bekannten Person zugeordnet werden konnte.
Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Sie hatten erklärt, dass das Ergebnis Ihres Berichts nichts darüber aussagt, wie die Spur zustande gekommen ist. Können Sie was sagen, inwieweit DNA-Spuren ubiquitär sind, also Gegenstände in einem Dreipersonenhaushalt auch Spuren aufweisen, wenn sie nicht direkt mit der Person in Kontakt gekommen sind?“ Proff: „Ja, das wird seit ein paar Jahren aufgrund der besseren Sensitivität der Analyse in der Literatur diskutiert. Man spricht von Übertragung, wenn eine Person keinen direkten Kontakt zu einem Gegenstand hatte und die DNA durch andere übertragen wurde. Wenn Personen in einem Haushalt leben, kann man nicht ausschließen, dass Kleider aufeinander liegen, einer die Kleidung wäscht, jemand anders sie zusammenlegt und dass dabei DNA übertragen wird. Aber die Übertragung hängt von vielen verschiedenen Faktoren an: Es gibt Personen, die mehr DNA übertragen als andere, es hängt ab von der Feuchtigkeit der übertragenen Substanz, z. B eine blutgetränkte Hand fasst an ein Glas und eine andere Person fasst das Glas danach an und dann den Tisch, dann werden Sie mir zustimmen, dass wahrscheinlich die erste DNA am Tisch ist. Es ist abhängig davon, ob es sich um eine saugende oder um eine nicht-saugende Oberflächen handelt. Es ist entscheidend, ob man reibt oder nur eine kurze Berührung ausführt. Man sollte sich bei einer Spur also genau anschauen: Von wo soll die Person die DNA übertragen haben? Es kommt auch drauf an, wie schwach das Profil ist, ob viel DNA übertragen wurde etc.

Die BAW nimmt im Anschluss Stellung zu zwei weiteren Anträgen. Die erste Stellungnahme von OStAin Greger bezieht sich auf einen Antrag vom 16.09.2015, in dem die Beziehung weiterer Unterlagen der VS-Behörde Brandenburg beantragt wurde. Die BAW führt aus, dass die Beiziehung weiterer Unterlagen der VS-Behörde aus Aufklärungsgesichtspunkten nicht geboten sei. Es bestehe auch kein Anlass, anhand der beizuziehenden Unterlagen, die Glaubwürdigkeit der Zeugen Meyer-Plath, Görlitz und Szczepanski zu überprüfen. Die Überprüfung von Zeugen sei kein Selbstzweck. Es bestünden keine tragfähigen Anhaltspunkte, dass Görlitz über weitergehendes Wissen verfüge oder nach Vorhalten weiterer Meldungen zur Aufklärung der Taten beitragen könne. Görlitz sei als Beweismittel insofern überhaupt nur von Bedeutung, dass er die damaligen Erkenntnisse von „Piatto“ entgegengenommen und in Deckblattmeldungen niedergelegt habe. Weitere Erkenntnisse habe er nicht, das habe er wiederholt dargelegt. Szczepanski habe keine Erinnerungen mehr gehabt, auch nach Vorhalten nicht.

Die zweite Stellungnahme, ebenfalls von OStAin Greger verlesen, bezieht sich auf einen Antrag zur Beiziehung weiterer Deckblattmeldungen der VS-Behörde Thüringen. Es handele sich um einen Beweisermittlungsantrag, die Aufklärungspflicht gebiete die Beiziehung nicht. Die Antragsteller erwarteten sich weitere Erkenntnisse zu B&H, zur Struktur, zu zwei Konzerten, zu Namen von B&H Thüringen, zu Kennverhältnissen Degners und KS Jena, zu Teilnehmern von B&H-Strategietreffen, zum White Supremacy-Heft, zur Band Vergeltung, Combat 18 und zu Degners Adressbuch. Sämtliche dieser Informationen seien für die angeklagten Taten, die Angeklagten und wie sie zu bestrafen sind, ohne Relevanz. Der Verhandlungstag endet um 11:58 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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