An diesem Prozesstag sagt als einziger Zeuge ein BKA-Beamter aus, der die Videoaufzeichnungen der vom Kerntrio selbst installierten Kameras in der gemeinsamen Wohnung in der Frühlingsstraße beschreibt. Anschließend wird die Aussage von Michael See alias V-Mann „Tarif“ verlesen. [Im Kurz-Protokoll wird die durchaus spannende Aussage nicht wiedergeben, sie ist im Protokoll des Tages zu finden.]
Zeuge:
- Achim St. (BKA Wiesbaden, Aufnahmen der vom NSU in der Wohnung Frühlingsstraße 26 in Zwickau angebrachten Überwachungskameras)
Der Prozesstag beginnt 10:09 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl, man komme zunächst zur Verlesung eines Behördengutachten zu DNA-Spuren. In diesem geht es um DNA-Spuren, die im Wohnmobil gefunden worden. Zum Einen geht es um die Identifizierung der Leichen, dabei werden als Vergleichsmaterial Mundschleimhautabstriche von Holger Gerlach und den Eltern von Uwe Böhnhardt herangezogen. Zum Anderen geht es um DNA-Spuren auf Gegenständen, die im Wohnmobil gefunden wurden: eine Wasserspritzpistole, mit Ruß behaftet; Plüschbär, mit Ruß behaftet; Kindersandale (Clog), rußbehaftet; Spielzeugpuppe mit Sprachfunktion, rußbehaftet.
Befund: An der Wasserpistole wurden Spurenvermischungen festgestellt, die jeweils die Merkmale des Musters A und/ oder B sowie wenige weitere Merkmale anderer Personen enthalten. Am Plüschbär wurden Vermischungen festgestellt, die von mindestens drei Personen verursacht wurden, aufgrund der Vielfalt für Vergleichsuntersuchungen nicht geeignet. Kindersandale: Zum einen das DNA-Identifizierungsmuster einer weiblichen Person, Muster C, außerdem Vermischungen, die Muster der Person A und/oder B enthalten. An der Spielzeugpuppe wurden Vermischungen detektiert, die den bisherigen Mustern nicht zugeordnet werden konnten. Das Muster des Holger Gerlach wurde an keiner Spur festgestellt. Aussagen zur Elternschaft: Statistisch ist der Verursacher der entsprechenden Spuren mit einer Wahrscheinlichkeit von 99.9999 Prozent der leibliche Sohn von Jürgen und Brigitte Böhnhardt.
Nach der Verlesung erklärt NK-Vertreterin RAin von der Behrens: „Ich wollte festhalten, warum wir beantragt hatten, das zu verlesen: Am Kinderschuh gibt es eine weibliche DNA. Die Zeugin Michele Ar. [vgl. 217. Verhandlungstag] hat ausgesagt, dass an der Anmietung des Wohnmobils ein Mädchen dabei war, zu dem Erwachsene gehören, das nicht identifiziert ist. Das heißt, es gibt ein Kind aus einem Kreis von Unterstützern, die bisher nicht verfahrensbekannt sind.“
Dann folgt die Einvernahme des Zeugen Achim St. St. berichtet, er habe Asservate ausgewertet. Es handele sich um zwei Festplatten und ein Aufnahmegerät: „Die durch die Kriminaltechnik zur Verfügung gestellten Videoaufzeichnungen wurden von mir gesichtet. Weitere Nachforschungen wurden von mir nicht angestellt, ich habe lediglich dokumentiert, was auf den Videodateien zu sehen ist.“ Götzl: „Was hat die Sichtung ergeben?“ St.: „Die Sichtung von EDV 02 hat ergeben, dass in der Wohnung Frühlingsstraße 26 vier Videokameras an vier Stellen angebracht waren: Aus einem Fenster zur Frühlingsstraße hin, durch den Türspion und zwei Kameras zum rückwärtigen Hauseingang, einmal aus einem Küchenfenster und einmal aus dem Zimmer, das bei uns als ‚Katzenzimmer‘ bezeichnet worden ist. Die vier Kameraeinstellungen waren auf dem Videomaterial sichtbar, teilweise konnten auch Personen und Bewegungen auf den Kamerabildern nachvollzogen werden.“
Dann werden Videosequenzen in Augenschein genommen. An die Leinwände werden die Aufnahmen der vier Kameras in einem viergeteilten Bildschirm projiziert. Die erste Sequenz zeigt vermutlich Zschäpe, beim Wäschabhängen im Hof, wobei sie sich mit einer Person unterhält. Es ist zu sehen, wie sie die Wohnung verlässt und wieder betritt. Es folgt die Inaugenscheinnahme einer weiteren Sequenz. Götzl nennt das Datum: Mittwoch, 26.10.2011. Götzl: „In Ihrem Vermerk ist angegeben: ‚An der Frühlingsstraße ist ein weißes Wohnmobil geparkt, welches die Kameraeinstellung im Blick hat.'“[Die vier Kameraeinstellungen sind dunkel, links oben ist unter einer Straßenlaterne ein Wohnmobil zu erkennen.] St.: „Hier sieht man jetzt, dass ein Wohnmobil parkt. Oben links, die Kamera, die zur Frühlingsstraße zeigt. Man sieht das weiße Wohnmobil unmittelbar vor dem Anwesen Frühlingsstraße 26 stehen.“
Götzl: „Wir kommen nunmehr zum Asservat EDV 08. Was lässt sich da von Ihrer Seite zu diesem Asservat sagen?“ St.: „Dabei handelt es sich auch um eine Festplatte, Größe 80 GB, Marke ‚Western Digital‘. Die wurde in der Brandwohnung Frühlingsstraße 26 von der KPI Zwickau sichergestellt. Auf der Festplatte waren Aufzeichnungen von 2010 und 2011 in nicht-chronologischer Reihenfolge abgespeichert.“ Götzl: „Und zu den Kameraeinstellungen?“ St.: „Kameras 1 und 2 sind im Vergleich zum vorherigen Asservat getauscht. Kamera 1 am Türspion, Kamera 2 am Fenster des Wohnzimmers Blickrichtung Frühlingsstraße, Kamera 3 und 4 unverändert Blick in den Hinterhof. Kamera 3 Richtung Lilienweg, Kamera 4 mit Blickrichtung Veilchenweg.“
Dann wird ein Video vom Dienstag, den 08.03.2011 in Augenschein genommen. St. erläutert, was zu sehen ist: „Zeitstempel: 16:43 Uhr. Im Hinterhof steht ein dunkler PKW, dem mehrere Personen entstiegen sind. Oben öffnet sich die Wohnungstür. Die Angeklagte Zschäpe erhält Besuch von einer weiblichen Person mit zwei Kindern.“
Götzl: „Dann könnten wir springen zum Bereich 17:15 Uhr.“ St. „Jetzt öffnet sich die Wohnungstür auf Kamera 1 und die Kinder bekommen offensichtlich die Schuhe angezogen. Zwei Kinder und beide Frauen, eine ist Frau Zschäpe, bei der anderen könnte es sich um Susann Eminger handeln, die vier Personen verlassen dann das Haus. Man sieht aber gleich auf den Kameras 3 und 4, wie die Personen das Haus verlassen und alle vier in den Wagen einsteigen. Beide Kinder sitzen hinten, mutmaßlich Frau Zschäpe auf dem Beifahrersitz und die weitere weibliche Person, vermutlich Frau Eminger, fährt das Fahrzeug und gegen 17:18 Uhr verlässt das Fahrzeug den Hinterhof Richtung Veilchenweg.“
Götzl sagt, es gehe nun um Aufzeichnungen vom 18.12.2010, Bereich 15:09 Uhr.“ St.: „Hier sehen wir rechts auf Kamera 4, wie sich eine Person zu Fuß nähert, den Hinterhof betritt und klingelt, nach oben schaut, offensichtlich irgendwas aus dem Briefkasten rausholt und wieder reinsteckt. Die Person steht an der Klingel, an der Hauseingangstür, er kennt sich aus, blickt nach oben zur Kamera. Er scheint zu wissen bei welcher Wohnung er klingelt. Dann wird ihm aufgemacht, er verschwindet im Haus, ihm wird oben geöffnet, Frau Zschäpe steht in der geöffneten Wohnungstür und begrüßt den männlichen Besucher.“ [Es handelt sich um Matthias Dienelt.]
Götzl: „Dann springen wir in den Bereich 15:32 Uhr.“ St.: „Die Wohnungstür wird von innen geöffnet. Frau Zschäpe und der männliche Besucher verlassen die Wohnung mit Leergut [phon.]. Zwei weitere männliche Personen [Mundlos und Böhnhardt] verbleiben in der Wohnung, verabschieden die zwei und machen in der Wohnung sauber. Unten auf Kamera 4 sieht man, wie Frau Zschäpe und der männliche Besucher das Haus verlassen und in Richtung Veilchenweg sich zu Fuß entfernen. Laut Zeitangabe 15:33 Uhr.“ Götzl: „Dann 17:54 Uhr bitte.“ St.: „Auf Kamera 2, Blickrichtung Frühlingsstraße, ist nun zu sehen, wie sich ein Fahrzeug langsam nähert und letztendlich geparkt wird unmittelbar vor der Frühlingsstraße 26. Der Besucher von vorhin und Frau Zschäpe kommen zurück. Die haben eingekauft oder irgendwelche Sachen dabei. Der Besucher geht wieder ins Treppenhaus und verlässt mit einer männlichen Person die Wohnung. Geht nach draußen, auf Kamera 4 zu sehen, die beiden laufen zum Fahrzeug, das in der Frühlingsstraße abgestellt ist. Das Fahrzeug wird geöffnet und offensichtlich der Einkauf aus dem Wagen genommen. Dann gehen die Personen wieder vom Fahrzeug den Weg zurück zum Hauseingang auf die Rückseite, Kamera 4, genau 18 Uhr laut Zeitstempel.“
Götzl: „Aus welchem zeitlichen Bereich lag denn jetzt insgesamt Videomaterial vor?“ St.: „Es hat die Jahre 2010 und 2011 betroffen.“ Vorhalt aus St.s Vermerk: Laut angezeigtem Zeitstempel aus dem Zeitraum zwischen dem 22.09.2010 und dem 27.10.2011. St.: „Ja.“ Der Verhandlungstag endet um 14:53 Uhr.
Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/10/20/20-10-2015/
Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.