An diesem Verhandlungstag stellt zunächst RA Heer einen Antrag, der auf die Entpflichtung von NK–RA Wilms Bezug nimmt. Dann sagt Tom Turner erneut zur Kameradschaft Jena aus. Es geht auch noch einmal um Videos, die Gewaltausübung propagieren. Turner revidiert hier seine Aussage, er habe diese gemeinsam mit der Kameradschaft angesehen. Dieses mal sagt er aus, er hätte sie zu einem späteren Zeitpunkt mit anderen Leuten gesehen.
Zeug_innen:
- Tom Turner (Mitbegründer der KS Jena, ehem. Sänger der Jenaer Neonaziband „Vergeltung„, Erkenntnisse zu Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt, Wohlleben, Gerlach)
- Yvonne D. (Lebensgefährtin von Tom Turner)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:50 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung verliest RA Heer für sich und seine Kolleg_innen Sturm und Stahl einen Antrag. [Beate Zschäpe dreht sich in Richtung ihres neuen Verteidigers RA Grasel und spricht mit diesem.] Es geht bei dem Antrag Heers um den mittlerweile entpflichteten NK-Vertreter RA Willms und die offenbar nicht existente Nebenklägerin „Meral Keskin“. Zunächst schildert Heer den prozessualen Ablauf aus seiner Sicht [u.a. 232. Verhandlungstag].
[Zum Fall Ralph Willms und zur nicht existenten Nebenklägerin „Meral Keskin“ siehe unsere Stellungnahme: http://www.nsu-watch.info/2015/10/es-ist-nicht-nur-ein-strafprozess/ und die Stellungnahme der Initiative Keupstraße ist überall: http://keupstrasse-ist-ueberall.de/medienwirbel-um-die-nebenklage-stellungnahme-der-initiative-keupstrasse-ist-ueberall/]
Zur „Vorbereitung etwaiger weiterer Prozessanträge bzw. -gesuche“ beantragt Heer dann, dass der Vorsitzende sich dienstlich dazu äußern möge, 1. welches bzw. welche Mitglieder des erkennenden Senats mit der Vorbereitung der Beschlussfassung betreffend die Nebenklage von „Keskin“ befasst war bzw. waren; 2. ob er bereits vor der ersten Veröffentlichung in „Spiegel Online“ bzw. dem Antrag von RA Willms vom 02.10.2015 über Erkenntnisse verfügte, dass das von Willms vorgelegte Dokument gefälscht sein könnte; 3. ob Willms der Aufforderung des Vorsitzenden nachkam, sich am 232. Hauptverhandlungstag und am darauf folgenden Tag zu erklären und ggf. mit welchem Inhalt. Außerdem beantragt Heer, dass die Richter Götzl, Lang und Kuchenbauer, die an dem Zulassungsbeschluss bzgl. der NK von „Keskin“ mitgewirkt hätten, sich dienstlich dazu äußern, 1. ob ihnen auffiel, dass in dem für „Keskin“ vorgelegten Dokument die Formularfelder betreffend die Angaben der Personalien des Patienten, der Krankenkasse, der Versichertennummer, der Vertragsarztnummer, der Diagnoseschlüssel sowie der Befunde und Therapie fehlten;
2. welchen der in dem Antrag von Willms nebst Anlage dargelegten, einander jedoch ausschließenden Sachverhalte, nämlich einerseits, dass sich „Keskin“ zum Zeitpunkt der Explosion vor einem Restaurant befunden habe und andererseits, sie sei während eines Barbierbesuches verletzt worden, der Entscheidung zugrunde gelegt wurde; 3. warum sie diese Diskrepanz sowie den Widerspruch zwischen dem Vortrag von Willms hinsichtlich der seinem Antrag vom 23.04.2013 beigefügten Anlagen und den tatsächlich beigefügten Anlagen ggü. Willms nicht hinterfragten; 4. ob sie Recherchen hinsichtlich der Niederschrift der von Willms behaupteten Vernehmung von „Keskin“ durch das Polizeipräsidium Köln unternahmen und ggf. mit welchem Ergebnis; 5. weshalb sie die seitens des GBA angeregten Nachermittlungen nicht vornehmen ließen. Außerdem beantragt Heer die RAe Schön und Reinecke aufzufordern, sich zu dem Sachverhalt zu äußern.
Götzl: „Wann ist Ihnen denn die Diskrepanz aufgefallen, vielleicht können Sie sich dazu äußern?“ Heer: „Es liegt nicht in unseren Aufgaben als Verteidiger, irgendetwas zu überprüfen. Diese
Aufklärung sollte im Interesse aller Beteiligten sein. Im Interesse aller redlichen Nebenkläger, ich gehe davon aus, dass hier nur noch redliche Nebenkläger sitzen bzw. deren Vertreter.“ Zschäpe-Verteidiger RA Grasel: „Ich würde um eine kurze Unterbrechung bitten, weil die Mandantin bisher keine Kenntnis von dem Antrag hatte.“ Götzl fragt Heer, ob das stimme, dass Zschäpe nichts davon gewusst habe. Heer: „Es gibt Bedingungen, unter denen eine vorherige Rücksprache nicht möglich ist. Wir haben Sie darauf hingewiesen, dass wir keine Möglichkeit hatten [phon.].“ Götzl: „Aber Sie hätten Herrn Grasel oder die Mandantin doch kontaktieren können!“ Heer: „Wenn Sie diese Frage stellen, dann hätte ich noch ganz andere Fragen. Ich weiß nur nicht, ob die Hauptverhandlung der Ort interner Beratungen der Verteidigung ist. Damals sind Hauptverhandlungstage ausgefallen, um den neuen Verteidiger einzuarbeiten, diese Einarbeitung hat nie stattgefunden. An uns liegt das nicht. Das nur andeutungsweise.“
NK-Vertreter RA Scharmer: „Ich gehe davon aus, dass der Senat den KHK Le., der die Nachermittlungen angestellt hat zu Frau „Keskin“, dass der Senat den hört, davon gehe ich aus. Das ist auch im Interesse der Nebenklage Kubaşik, dass das aufgeklärt wird. Ob es einen Anspruch gibt auf die Abgabe dienstlicher Erklärungen zu einzelnen Beweiserhebungen während der laufenden Beweisaufnahme, das würde ich bezweifeln.“ Götzl: „Herr Rechtsanwalt Schön, wollen Sie sich dazu äußern?“ RA Schön: „Nein, wir geben keine Erklärungen dazu ab.“ Götzl: „Ich würde jetzt gerne mit der Beweisaufnahme fortfahren, die Zeugen warten.“ Grasel sagt, er benötige eine Besprechungspause. Götzl: „Sie brauchen es unbedingt sofort? Dann unterbrechen wir bis 10:30 Uhr.“
Es folgt eine Pause bis 10:37 Uhr. Danach sagt Grasel: „Ich möchte feststellen, dass weder mir noch Frau Zschäpe der Antrag zuvor bekannt war. Anscheinend wurde zwar der Senat vorher in Kenntnis gesetzt, eine Information von mir oder der Mandantin hat nicht stattgefunden. Zu der Behauptung von Herrn Heer, dass keine Einarbeitung von mir ins Verfahren stattgefunden habe: Das ist unzutreffend.“ Am Abend des 13.07.2015 habe, so Grasel, eine zweistündige Besprechung mit allen drei Kollegen in seiner Kanzlei stattgefunden. Auch in der Folgezeit sei des öfteren über das Verfahren gesprochen worden. Die Behauptung, es habe keinerlei Abstimmung stattgefunden, sei haltlos: „Im Übrigen möchte ich anmerken, dass ich die drei Kollegen gebeten habe, mir ihre Mitschriften der Hauptverhandlung auszuhändigen. Dem wurde nicht entsprochen.“ Heer: „Auch wenn das an Würdelosigkeit kaum noch zu überbieten ist: Selbstverständlich habe ich dem Kollegen Grasel nicht unterstellt, er habe sich nicht ins Verfahren eingearbeitet. Ich weiß ja nicht, wie er seine Zeit verbringt. Ich habe auch nicht gesagt, es hätte keine Abstimmung stattgefunden. Ich habe nur gesagt: Dem Zweck des Unterbrechungsbeschlusses, dem Zweck einer vernünftigen Abstimmung und Inkenntnissetzung des Kollegen, dem wurde nicht entsprochen, und das lag nicht an uns. Mehr habe ich dazu nicht gesagt.“
Es folgt die Einvernahme des Zeugen Tom Turner. Götzl: „Ich habe ergänzende Fragen. Wir hatten über die Kameradschaft Jena gesprochen, Finanzierung, Mitgliedsbeiträge.“ Turner: „Ich habe das jetzt nicht ganz verstanden.“ Götzl: „Wir sprachen über die Kameradschaft Jena und Erhebung von Geldern bei Mitgliedern, die Frage der Finanzierung. Da hatte ich Sie gefragt, was finanziert werden sollte, da ging es um Spuckis, Plakate, Flugblätter und dass für Demofahrten Geld in der Kasse war. Gab es noch weitere Unternehmungen, die finanziert werden sollten?“ Turner: „Nee, das war genau so wie ich es gesagt habe, soweit ich mich erinnere.“ Götzl: „Eine Nachfrage zu André Kapke. Sie hatten angegeben: ‚ein engagierter Typ, der was bewegen wollte‘. Was wollte er bewegen?“ Turner: „Dass er halt jemand war, der vorne dran war, wenn es was zu organisieren gab, Demonstrationen, Fahrten zu Konzerten, solche Sachen eben.“ Götzl: „Und bei Ralf Wohlleben sei es ähnlich gewesen. Können Sie das noch näher ausführen?“ Turner: „Auch nicht viel anders, wie ich das eben beim Herrn Kapke gesagt habe.“
Götzl: „Zu Frau Zschäpe hatten Sie angegeben, sie hätte gesagt, wenn ihr etwas nicht passte. Können Sie ein Beispiel schildern, haben Sie eine Situation in Erinnerung?“ Turner: „Beim besten Willen nicht.“ Götzl: „Es ging auch um die Person Uwe Böhnhardts das letzte Mal. Sie hatten angegeben, ‚er bekam was in den falschen Hals und wirbelte gleich los‘. Was ist mit ‚wirbelte gleich los‘ gemeint?“ Turner: „Was gibt’s denn da nicht zu verstehen, das ist ein impulsiver Typ halt gewesen. Wir waren sowieso nicht die dicksten Freunde, wir haben uns früh kennengelernt, aber auch früh gemerkt, dass wir nicht so zueinander passen. Da gab es sicherlich auch mal das ein oder andere Streitgespräch zwischen uns, aber wie das halt so ist, zusammen rumhängen mit so unterschiedlichen Charakteren und so.“
Götzl: „Wir hatten uns auch über Videos aus Skandinavien unterhalten, und da hatten Sie das letzte Mal angegeben, dass Sie Videos angesehen hatten, aber es sei einstimmig gewesen, dass das ‚für uns einen Spur zu hart ist‘. Welche Art von Videos haben Sie sich da angeschaut?“ Turner: „Die Videos nannten sich ‚Kriegsberichter‚, das war so etwas wie MTV für Leute wie uns damals. Da waren halt so, was weiß ich, so Berichte von bewaffneten Gruppen so. Ich habe zu Hause nochmal nachgedacht. Ich glaube, von der Zeit her geht das gar nicht, die sind so ’97 rausgekommen oder ’98, da hatte ich schon mit denen nichts mehr zu tun. Das habe ich ein bisschen verhauen oder so.“ Götzl: „Was wollen Sie sagen?“ Turner: „Dass ich das verwechselt habe oder zeitlich durcheinander gehauen.“ Götzl: „Was haben Sie durcheinander gebracht?“ Turner: „Die Videos nannten sich ‚Kriegsberichter‘, da waren Interviews von Bands aus England, Deutschland etc., da waren auch Videobeiträge dabei, wie Typen auf Plastikpuppen geschossen haben, wie die das bei der Bundeswehr machen, wo sie bei Übungen auf Ziele schießen. Nur dass das keine Bundeswehrsoldaten waren, sondern Skinheads. Aber ich meine, dass ich das zeitlich durcheinander gehauen habe, denn die Videos waren ’97/’98, da hatte ich mit denen gar nichts mehr zu tun, so ein Zeitfenster. Gut, dass man das durcheinander bringt, kann schon mal passieren.“ Götzl: „Nichts mehr damit zu tun?“ Turner: „Mit der KS J hatte ich nichts mehr zu tun.“
Götzl: „Ja, in welchem Rahmen haben Sie sich die Videos dann angesehen?“ Turner: „Sicher mit Kollegen. Sie werden das nicht mehr hören können, wenn ich sage: Keine Ahnung. Aber es ist ja schon 17 Jahre her oder 18. In der KSRA Hösl: „Die Freundschaft zu Herrn Schultz, wie hat das ausgesehen, Kontakte, Intensität?“ Turner: „Naja, ich kannte den Schultz halt so von Dorfdiscos so, da haben wir uns das erste Mal getroffen bzw. kennengelernt. Und als Schultz mit Liebau zusammen den Szeneladen eröffnet hat bei uns in Jena, hat sich das verfestigt.“ Hösl: „Wie sah das aus?“ Turner: „Wie halt eine Freundschaft aussieht, man ist zusammen in Urlaub gefahren, ich habe zeitweise bei ihm gewohnt, mit seinem Vater war ich gut bekannt, seinen Schwestern.“ Hösl: „Wie oft gesehen?“ Turner: „Eine Zeit lang habe ich da gewohnt. Danach mit Unterbrechungen eins, zwei im Monat. [phon.]“ Hösl: „Und sonst wie oft?“ Turner: „Als ich nicht mehr dort gewohnt habe, auch öfters, auch regelmäßig im Laden, dass man den trifft.“ [phon.] Hösl: „Freizeitaktivitäten?“ Turner: „Ja, wir sind zusammen an die Ostsee gefahren oder den Vater besucht, als der noch gelebt hat.“ Hösl: „Haben Sie mit dem Herr Schultz von den Personen aus dem Kreis am meisten zu tun gehabt?“ RA Klemke beanstandet die Frage als suggestiv. Nach kurzer Debatte sagt Hösl: „Er kann ja nein sagen, dass es nicht die Person war, mit der er am meisten Kontakt hatte. Aber ich kann die Frage vorschieben: Wie umfangreich war der Kontakt zu Herrn Schultz?“ Turner: „Wie man halt so – haben Sie einen besten Freund? Wie man da halt zusammen rumhängt.“
Hösl: „Regelmäßig heißt ja nur ‚wiederkehrend‘, mich interessieren die Abstände zwischen den Treffen im Durchschnitt.“ Turner: „Wenn ich nicht bei ihm gewohnt habe, habe ich ihn fast täglich am Laden getroffen.“ Hösl: „Können Sie was zum Freundeskreis des Herrn Schultz sagen? Mich interessiert ob Herr Schultz auch mit Herrn Wohlleben bekannt war?“ Turner: „Solange wie Schultz den Laden hatte und solange ich mit ihm befreundet war, hat der Name Wohlleben nie eine Rolle gespielt. Ich habe den weder dort gesehen noch hat der Schultz mal was zu dem gesagt.“ Hösl: „Und Böhnhardt und Mundlos und Schultz, kannten die sich?“ Turner: „Klar kannten die sich, wie man sich halt kannte, aber die hatten nichts miteinander zu tun.“ Hösl: „Und zu Herrn Wohlleben? Kannten die sich auch, weil man sich kannte?“ Turner: „Wie jetze, ich habe das doch gerade gesagt?“ RA Klemke: „Ersichtlich soll der Zeuge hier zu Spekulationen aufgefordert werden.“ Hösl: „Ich halte daran fest. Es geht einfach darum, ob er weiß, ob Schultz Wohlleben kannte.“ Turner: „Schultz wusste schon mit dem Namen Wohlleben was anzufangen, so wie man sich halt in der Stadt vom Hörensagen kannte.“ Hösl: „Wissen Sie, ob die sich persönlich kannten?“ Turner: „Ich habe den Wohlleben da nie rumhängen sehen. Also, der Schultzi war mein bester Freund. Und der Name Wohlleben ist nie gefallen.“ [phon.] Hösl: „Haben Sie die mal zusammen gesehen?“ Turner: „Nein, natürlich nicht, ich habe die nicht zusammen gesehen.“
Hösl: „Vorhin war von den Videos die Rede, Sie haben das zeitlich nach hinten verschoben ins Jahr ’97/’98. Nach einem Buch, was mir auszugsweise bekannt ist, das heißt ‚Rechtsrock‘, sind solche Videos schon im Jahr 1996 veröffentlicht worden und aufgetaucht.“ Turner: „Ich will mich nicht festlegen, aber außerdem gab es da 1 und 2, vielleicht habe ich Teil 2 zuerst gesehen.“ Hösl: „Haben Sie diese Videos vielleicht mit dem Herrn Schultz angeguckt?“ Turner: „Nein, nee, Schultz war – ob ich das mit dem Schultz angeschaut habe? Wie gesagt, weiß nicht mehr.“ [phon.] Hösl: „Wissen Sie, ob der Herr Liebau den Herrn Wohlleben kannte?“ Turner: „Also den Wohlleben kannte jeder von uns, vom Hörensagen mindestens.“ Hösl: „Und was ist mit Liebau und Böhnhardt und Mundlos?“ Turner: „Keine Ahnung, ob der die kannte. Ich habe die nie zusammen im Laden gesehen. Ich kann keine Kontakte bestätigen, meines Erachtens gab es die nicht.“
RA Klemke: „Sie sagten gerade: ‚Schultz wusste schon was mit dem Namen Wohlleben anzufangen.‘ Woher wissen Sie das?“ Turner: „Den Wohlleben kannte jeder in der Stadt.“ Klemke: „Ja, woher wissen Sie, dass Schultz den Wohlleben kannte?“ Turner schweigt etwas und sagt dann: „Bestimmt haben wir uns mal darüber unterhalten.“ Klemke: „Vorher sagten Sie, dass der Name Wohlleben nie eine Rolle gespielt hat. Die Äußerung, dass der Name nie gefallen ist, steht der Aussage gegenüber: Ich werde mich mit dem unterhalten haben darüber.“ Turner: „Also, z. B. das Fest der Völker, das hat der Wohlleben organisiert.“ Klemke: „Wann war denn das erste Fest der Völker?“ Turner: „Vielleicht so 2007. Und in dem Zusammenhang. Ansonsten gab es keine Verbindung zwischen denen.“ Klemke: „Okay, danke.“
NK-Vertreterin RAin Lunnebach sagt, Turner sei zu den Videos habe der Vorsitzende beim letzten Mal einen Vorhalt gemacht. Vorhalt: Wie sollte der Kampf geführt werden? – Durch Flugblätter und Demonstrationen. Es gab hin und wieder mal Diskussionen zur Bildung einer militanten Organisation, wenn man sich Videos über die rechte Szene aus Skandinavien angeschaut hat. Lunnebach: „Und beim letzten Mal hier sagten Sie: ‚Das ging uns zu weit.‘ Wen haben Sie mit ‚uns‘ gemeint?“ Turner: „Wie ich das vorher gesagt habe, dass ich das zeitlich durcheinander gehauen habe. Das konnte zeitlich nicht sein, denn das war so ’97/’98.“ Lunnebach: „Was war ’97/’98?“ Turner: „Da bin ich der Meinung, dass ich die Videos zum ersten Mal gesehen habe. Und da hatte ich ja mit der KSJ gar nix mehr zu tun.“ Lunnebach: „In der Vernehmung kommt die Frage: ‚Was war das Ziel der KSJ? – Antwort: Unser Ziel war die Bekämpfung des Staates, letztlich bis zum Umsturz, um wieder eine nationale und sozialistische Gesellschaftsform zu schaffen. – Frage: Wie sollte der Kampf geführt werden?‘ Und dann kommt diese Antwort, die ich Ihnen gerade vorgehalten habe, dass man sich Videos angeguckt hat und diskutiert hat, ob man sich militant organisieren soll oder nicht.“
Turner: „Ja, wie gesagt, das habe ich … “ Lunnebach: „Ich hatte noch gar keine Frage gestellt, aber sagen Sie ruhig.“ Turner: „Ja, dann sind wir wieder bei der Sache, dass ich da den temporären Zusammenhang durcheinander gehauen habe. Aber in der Zeit, als ich mit der Kameradschaft Jena zusammenhing, waren Waffenbeschaffungen oder militante Unternehmungen nie ein Thema.“ [phon.] Lunnebach: „Aber das haben Sie doch jetzt gesagt in der Vernehmung.“ RA Klemke beanstandet den Vorhalt als falsch, er sei nicht vollständig vorgehalten worden. Klemke: „Man kann den Zeugen hier auch zu einer falschen Aussage verleiten.“ Lunnebach sagt, sie sei noch nicht fertig gewesen. Lunnebach fragt dann Turner: „Erinnern Sie sich, dass Sie das damals bei der polizeilichen Vernehmung so gesagt haben? Auf Aufforderung von Götzl hält Lunnebach den Abschnitt nochmal komplett vor. Vorhalt: Frage: Was war das Ziel des KSJ? – Antwort: Unser Ziel war die Bekämpfung des Staates, letztlich bis zum Umsturz, um wieder eine nationale und sozialistische Gesellschaftsform zu schaffen. – Frage: Wie sollte der Kampf geführt werden? – Antwort: Durch Flugblätter und Demonstrationen. Es gab hin und wieder mal Diskussionen zur Bildung einer militanten Organisation, wenn man sich Videos über die rechte Szene aus Skandinavien angeschaut hat. Dies war aber lediglich in einer euphorischen Stimmung und nicht ernsthaft. Über die Beschaffung von Waffen wurde in der Zeit als ich noch in der KSJ war, nicht gesprochen. Turner: „Natürlich erinnere ich mich, wie ich das gesagt habe.“ Lunnebach: „Und das ist auch richtig so?“ Turner: „Ja.“ Lunnebach: „Mit wem haben Sie das diskutiert?“ Turner: „Das habe ich vorher schon gesagt, dass ich das zeitlich durcheinander gehauen habe. Mit wem ich da drüber geredet habe, keine Ahnung, jedenfalls waren die Leute, mit denen ich darüber geredet habe, zu militanten Geschichten nicht bereit.“
Lunnebach: „Aber das Video ist schon 1996 veröffentlicht worden, das wäre ein Jahr, wo Sie noch der KSJ zugehörig waren. Sie sagten: Zum siebten Jahrestag des Mauerfalls hätten Sie eine Demo angemeldet. Haben Sie noch eine nähere zeitliche Einschätzung, wann diese Diskussionen stattgefunden haben über diese Videos? [phon.]“ Turner: „Das habe ich doch gerade gesagt.“ Klemke beanstandet die Frage, als Wiederholungsfrage. Götzl sagt zu Lunnebach, dass der Zeuge auf seine Antwort verwiesen habe. Lunnebach: „Wer hatte damals ein Videoabspielgerät zu dieser Zeit?“ Turner: „Ach, das waren so viele.“ Lunnebach: „Wissen Sie noch, welche Meinung Sie geäußert hatten in diesen Diskussionen?“ Turner: „Wozu jetze?“ Lunnebach: „Die Bildung einer militanten Organisation.“ Turner: „Ich fand’s nicht gut. Und heute nach wie vor nicht.“ Lunnebach: „Zu wem haben Sie das damals denn gesagt? Ich versuche herauszufinden, mit wem Sie damals gesprochen haben.“ Schneiders beanstandet die Frage als Wiederholungsfrage. Lunnebach: „Okay, es scheint kein Aufklärungsinteresse zu bestehen.“
RA Stolle: „Waren Sie mal mit Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe in Rostock?“ Turner: „Wir waren mal da, zu irgendeiner Silvesterparty.“ Stolle: „Was wissen Sie noch?“ Turner: „Wir haben Silvester gefeiert, Musik gehört, getrunken, später ein paar Knaller losgelassen.“ Stolle: „Wer ‚wir‘?“ Zschäpe, Mundlos und ich.“ Stolle: „Und Böhnhardt?“ Turner: „Böhnhardt war nicht dabei.“ Stolle: „Bei wem war denn diese Silvesterfeier?“ Turner: „Oh, ich weiß, dass wir dort waren, aber das ist zu lange her. Namen kann ich Ihnen nicht nennen.“ Stolle nennt die Namen Lars R. und Markus H. Turner: „Selbst wenn Sie mir die nennen, Nachnamen schon mal gar nicht, wenn dann Vornamen. Wie heißen die?“ Stolle wiederholt die Namen. Turner: „Ich habe nicht mal mehr ein Gesicht dazu.“ Stolle: „Über wen lief diese Fahrt nach Rostock, über Sie, über Frau Zschäpe oder über Mundlos oder über Dritte?“ Turner: „Das waren Konzertbekanntschaften.“ Stolle: „Von wem?“ Turner: „Mundlos, Frau Zschäpe und ich halt noch. Ich bin der Meinung, wir haben die über Konzerte kennengelernt.“ Stolle sagt, er wolle gerne zwei Fotos zeigen aus der Altakte der StA Gera in Zusammenhang mit der Vernehmung, aus der Götzl auch schon vorgehalten habe. Götzl: „Da müssten wir eine Unterbrechung machen, um die Akten zu holen. Dann machen wir gleich die Mittagspause und setzen fort um 12:30 Uhr.“ Es folgt die Mittagspause bis 12:40 Uhr.
Danach wird ein Foto in Augenschein genommen, das fünf Personen zeigt, augenscheinlich auf einer Feier. Stolle: „Erkennen Sie Personen auf dem Foto und wenn ja, wen?“ Turner: „Mundlos, ich und, äh …“ Turner macht eine Pause, dann sagt er: „Das ist, äh, ein Mädchen, die wir Ecke [phon.] genannt haben. Wie die mit richtigem Namen heißt weiß ich nicht. Das soll in Rostock sein?“ Stolle: „Wer waren jetzt Sie?“ Turner: „Ich bin der mit rotem T-Shirt.“ Stolle: „Als Sie in Thüringen vernommen worden sind, wurden Ihnen diese Fotos vorgelegt und Sie sagten, dass es in Rostock gewesen ist. Haben Sie jetzt eine Erinnerung, wo und bei wem das gewesen ist?“ Turner: „Damals war das Zeitfenster ja noch ein bisschen kleiner, dann wird das so gewesen sein. Aber diese zwei Jungs könnte ich nicht sagen, wer das ist, wenn der eine jetzt Matthias heißt und der andere, was weiß ich, Rokko, wenn Sie das sagen würden, ich könnte nicht sagen wer von den beiden so heißt.“ [phon.]
Es wird ein weiteres Bild gezeigt, diesmal eine Außenaufnahme von zwei Personen. Turner: „Ich kenne die beiden, aber ich habe keine Erinnerung mehr an die Namen.“ Stolle fragt, welche Erinnerungen Turner an die Leute habe. Turner: „Lustige Jungs.“ Stolle: „Sind das die, die Sie in Rostock besucht haben?“ Turner: „Ich denke schon.“ Stolle: „Und die Örtlichkeit?“ Turner: „Keine Ahnung.“ Stolle: „Sie sprachen von einer Silvesterparty.“ Turner: „Ja, das sind die gewesen.“ Stolle: „Aber jetzt trägt der eine ein T-Shirt. Bleiben Sie bei Silvester? Oder gab es mehrere Fahrten?“ Turner: „Ich bin da ja nicht drauf. Ich war, glaube ich, wirklich nur einmal dort.“ Stolle: „Wissen Sie noch, in welchem Jahr das war, ungefähr, welches Silvester?“ Turner schweigt zunächst und sagt dann: „Festlegen möchte ich mich nicht, aber ich würde sagen, zwischen ’94 und ’96.“ Stolle: „Sagt Ihnen ein Waffenladen in Rostock was, ein Besuch in einem Waffenladen mit Uwe Mundlos?“ Turner: „Nein.“
RAin Von der Behrens: „Haben Sie in Ihrer Vernehmung beim BKA 2013, haben Sie dort beim Protokolldurchlesen Sachen durchgestrichen?“ Turner: „Nein.“ V. d. Behrens: „Henning Ha. [220. Verhandlungstag] aus Stadtroda, ist der Ihnen bekannt und wenn ja, hatte der Kontakt zur KSJ?“ Turner: „Henning Ha.? Das ist in Stadtroda so ein, also ich komme aus Stadtroda, seine Mutter war meine Deutschlehrerin, daher kenne ich den Typen, aber nicht in Verbindung mit Kameradschaft Jena.“ V. d. Behrens: „Haben Sie den mal im Winzerclub gesehen?“ Turner: „Nein.“V. d. Behrens: „Können Sie das ausschließen?“ Turner: „Ja, das schließe ich aus.“ V. d. Behrens: „Auf welcher Grundlage?“ Turner: „Weil der mit Leuten wie uns nichts zu tun hatte.“ V. d. Behrens: „Er hat hier in der Hauptverhandlung gesagt, dass er mal im Winzerclub war und Sie kennt.“ Turner: „Dann war er vielleicht an einem Tag da, wo ich nicht da war. Ich habe den nie gesehen dort.“ V. d. Behrens: „Gehörte zur Kameradschaft Jena auch Marc Rüdiger He.?“ Turner: „Ich kenne ihn, aber ob der dabei gewesen ist, phh.“ V. d. Behrens: „War der mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe befreundet?“ Turner: „Ja.“ V. d. Behrens: „In welcher Zeit?“ Turner: „So ’94 bis ’96, also ich kenne den He. so in der Verbindung, dass die Leute sich auch kannten.“ V. d. Behrens: „Kannte der auch Ralf Wohlleben und Holger Gerlach?“ Turner: „Ja, das erschließt sich dann ja dadurch.“
V. d. Behrens: „Sie sagten beim letzten Mal, dass es Informationen bei der Kameradschaft gab, wo es Konzerte gab, wo es Demonstrationen gab. Wer hatte diese Infos und woher kamen sie?“ Turner: „Das war so eine Mund-zu-Mund-Sache. Und Infotelefone gab es damals.“ V. d. Behrens: „Gab es da wen in der Kameradschaft, der zuständig war?“ Turner: „Zuständig war keiner, das hat man halt erfahren oder auch nicht.“ V. d. Behrens: „Woher?“ Turner: „Wer das damals genau war, kann ich nicht sagen.“ V. d. Behrens: „Die Infotelefone, haben Sie die auch mal angerufen?“ Turner: „Also wer die jetzt angerufen hat – ich wusste von der Existenz, dass es das gab, aber wer da jetzt angerufen hat, kann ich nicht sagen.“ V. d. Behrens: „Haben Sie sich aus Fanzines, Magazinen informiert?“ Turner: „Ja, wenn man mal eins in die Hand bekommen hat. Aber dass ich da jetzt hinterher war, so war’s nicht.“
V. d. Behrens: „Gab es Kreuzverbrennungen durch Mitglieder der Kameradschaft Jena oder woran Sie beteiligt waren?“ Turner schweigt lange. Dann sagt er: „Da müssten Sie mir vielleicht ein bisschen auf die Sprünge helfen.“ V. d. Behrens: „Haben Sie eine Erinnerung, dass Holzkreuze verbrannt wurden und Sie anwesend waren?“ Nach kurzem Schweigen sagt Turner: „Weiß ich jetzt nicht.“ V. d. Behrens macht einen Vorhalt aus einer Vernehmung von Turner vom 21. Januar 1997. Vorhalt: Ergänzend muss ich sagen, das Kreuzverbrennungen nur im Wald stattfanden, bei der Fliegerscheune, das Kreuzverbrennen war … Nachahmung vom Ku-Klux-Klan. V. d. Behrens: „Kommt da eine Erinnerung?“ Turner: „Ja, wenn Sie das so sagen.“ V. d. Behrens: „Woran erinnern Sie sich?“ Turner: „Dass wir aus Jux und Tollerei in der Fliegerscheune so ein Kreuz zusammen gezimmert haben und angebrannt haben.“ V. d. Behrens: „Wer war dabei?“ Turner: „Weiß ich nicht mehr.“ V. d. Behrens: „Mehrfach oder nur einmal?“ Turner: „Ich kann mich nur an das eine Mal erinnern und das auch nur schwach.“
V. d. Behrens: „Sagen Ihnen die Spitznamen ‚Kl.‘ und ‚Storchi‘ was?“ Turner: „Nein.“ V. d. Behrens: „André Kl., sagt der Ihnen was?“ Turner: „Das ist alles lang her. Ob der jetzt Kl. hieß?“ V. d. Behrens: „Simon Ri., alias ‚Storchi‘?“ Turner verneint das. V. d. Behrens: „Kennen Sie Jens Hä., der in der Band ‚Legion Ost‚ aus Gera gespielt hat?“ Turner: „Den kenne ich, ja.“ V. d. Behrens: „Hatte der Kontakt nach Nürnberg?“ Turner: „Das weiß ich nicht. Ich kannte den aus dem Gefängnis.“ V. d. Behrens: „Hatte der Kontakt zur Kameradschaft Jena?“ Turner: „Zu der Zeit, wo ich Kontakt hatte, habe ich den dort nie gesehen.“ V. d. Behrens: „Erinnern Sie sich an Konzerte in München oder Nürnberg, wo Sie zusammen mit Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe hingefahren sind?“ Turner: „Ich erinnere mich an Konzerte, aber nicht in München oder Nürnberg.“ V. d. Behrens: „In welchen Orten?“ Turner: „Bei Rudolstadt waren wir bei einem Konzert gewesen. Aber München und Nürnberg war ich auf jeden Fall nicht mit Mundlos und Zschäpe.“
RA Langer: „Sie sagten, Sie seien mit Andreas Schultz an die Ostsee gefahren und hätten den Vater besucht?“ Turner: „Nein, ich bin mit ihm an die Ostsee in den Urlaub gefahren, den Vater haben wir in Potsdam besucht.“ Langer: „Welche Orte haben Sie bei Reisen an die Ostsee aufgesucht?“ Turner: „Warnemünde.“ Langer: „Das war alles?“ Turner: „Warnemünde, Stralsund, das war’s.“ Langer: „In welchem Zeitraum?“ OStA Weingarten beanstandet die Frage wegen angeblich fehlenden Bezugs zum Verfahren. Langer sagt, dass Turner auch in Stralsund gewesen sei. [In Stralsund gab es zwei Überfälle des NSU.] Götzl: „Soll das eine Erklärung sein? Wollen Sie mir es erläutern? Im Übrigen weise ich auf das Beweisthema hin.“ Langer: „Ich halte die Frage für zulässig, weil es durchaus relevant sein kann, wann Schultz in Stralsund gewesen ist und ob es Zeiträume betrifft in denen dort andere Vorgänge stattgefunden haben.“ Götzl: „Ja dann fragen Sie das!“ Langer: „Ich wollte ja erstmal fragen, in welchem Zeitraum.“ Götzl: „Meinetwegen fragen Sie, aber bitte beachten Sie die Grenze.“ Auf die Frage, wann diese Reise gewesen sei, sagt Turner: „’97, ’98, im Sommer.“ Langer: „War außer Ihnen und Schultz noch jemand dabei?“ Turner: „Schultz und ich waren im Urlaub in Stralsund, sind danach zu seinem Vater gefahren nach Potsdam.“
NK-Vertreter RA Kuhn: „Wissen Sie, ob Jürgen Länger einen Hans-Ulrich Mü. kennt oder kannte?“ Turner: „Nein.“ Kuhn: „Wissen Sie, ob Länger um den Jahrtausendwechsel eine Reise in die Schweiz unternommen hat?“ Turner: „Der Länger ist immer rumgereist.“ Kuhn: „Haben Sie Erkenntnisse von einem Schweizer Aufenthalt?“ Turner: „Nein.“ Kuhn: „Hat Länger oder Herr Theile Ihnen gegenüber mal einen Schweizer Staatsbürger erwähnt?“ Turner: „Theile schon mal gar nicht und Länger auch nicht. Theile kenne ich persönlich gar nicht, nur aus den Erzählungen von Länger.“ Kuhn: „Haben Sie sich nach 1998 mal mit Tibor Re. über das Untertauchen der Drei unterhalten?“ Turner: „Auf keinen Fall.“
RA Narin: „Sie berichteten beim letzten Mal, dass Uwe Böhnhardt einen Kumpel von Ihnen im Kinderheim besucht hatte. Können Sie noch sagen, wer diese Person war?“ Turner: „Also wir nannten den immer Monty [phon.]. Aber wie der mit bürgerlichem Namen hieß, keine Ahnung. Ich kannte den Monty [phon.], und irgendwann kam der mit dem Böhnhardt angelatscht.“ Narin: „Kennen Sie einen Christian Schö.? War der das vielleicht?“ Turner: „Nein.“ Narin: „Waren Sie mal mit Mundlos oder Zschäpe in Baden Württemberg?“ Turner: „Nein.“ Narin: „Kennen Sie Personen aus der rechten Szene in Baden-Württemberg?“ Turner: „Nein.“ Narin: „Barbara ‚Uschi ‚Ei. oder Hans Schm., Waffen-Schm. wurde er genannt?“ Turner: „Nein.“ Narin: „Sie erwähnten eine Gaststätte in Saalfeld-Gorndorf, wo mittwochs Kameradschaftstreffen stattgefunden hätten. Wer war aus Jena mit dabei?“ Turner: „Wenn ich da war, dann noch Mundlos, vielleicht Zschäpe, vielleicht, ja, aber, wie gesagt, das kann ich jetzt nicht mehr genau sagen. Aber es muss jemand gewesen sein, der ein Auto hatte.“ Narin: „Wissen Sie, ob der Mittwoch einen besondere Bedeutung hatte in der Szene damals?“ Turner: „Das war so ein Bergfest, also Mitte der Woche.“ Narin: „Spielte Neuheidentum eine Rolle, germanische Mythologie?“ Turner: „Wenn, dann muss es an mir vorbeigegangen sein.“ RAin Link: „Der He., Sie sagten: ‚Er kannte Ralf Wohlleben und Holger Gerlach, das erschließt sich daraus ja.‘ Wieso?“ Turner: „Weil wir uns immer im selben Club getroffen haben, wo dieselben Leute waren.“
Dann fragt der psychiatrische SV Prof. Dr. Saß: „Beziehungen in der Gruppe Mitte der 90er Jahre damals: Sie schilderten selbst, dass Sie mit Böhnhardt kein so gutes Verhältnis hatten. Haben Sie beobachtet, wie das Verhältnis zwischen Böhnhardt und Uwe Mundlos war?“ Turner: „Anfangs ein bisschen frostig, dann scheinen sie sich ja ganz gut miteinander verstanden zu haben.“ Saß: „Gab es auch mal Meinungsverschiedenheiten, Auseinandersetzungen zwischen den beiden?“ Turner: „Das ist alles im Rahmen geblieben. Am Anfang war die Beziehung nicht so gut, dann ist sie zwischen den beiden gewachsen.“ Saß: „Und Mundlos und Frau Zschäpe?“ Turner: „Als ich die kennengelernt habe, waren die liiert.“ Saß: „Wie war der Umgang der beiden miteinander?“ Turner: „So wie man miteinander umgeht, wenn man ein Paar ist.“ Saß: „Gab es da mal Konflikte?“ Turner: „Bestimmt, aber nicht vor mir oder den anderen.“ Saß: „Kamen mit den anderen auch mal Themen auf wie Schule, Ausbildung, Beruf, Vorstellungen, was man mal machen will?“ Turner: „Kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Es wird sicherlich solche Gespräche gegeben haben, aber da ist mir nichts in Erinnerung geblieben. Aber wir waren alles junge Menschen, na klar haben wir geredet, wie es weitergeht.“ Saß: „Was wurde da gesagt?“ Turner: „Das war jetzt verallgemeinerisiert von mir.“ Saß: „Haben sie noch konkrete Erinnerungen, was der eine oder andere geäußert hat?“ Turner: „Nein.“
NK-Vertreterin RAin Başay macht einen Vorhalt aus einer Vernehmung von Tibor Re. Demnach solle Zschäpe am Tag, bevor sie sich gestellt habe, bei André Kapke gewesen und Tibor Re. habe gesagt: Vorhalt: Dem sei das zu heiß gewesen, habe ihr geraten, sich zu stellen. Das soll ein Mitarbeiter von OBI gesagt haben, der bei der Gruppe Vergeltung gespielt habe. Wohlleben-Verteidiger Klemke beanstandet: „Das ist gar nicht festgestellt, ob der das gesagt hat.“ Başay: „Richtig, er soll es bei der polizeilichen Vernehmung gesagt haben. Sie haben ja gesagt, Sie waren in der Band Vergeltung. Haben Sie bei OBI gearbeitet?“ Turner: „Natürlich nicht. Wo ich in der Band gespielt habe, hat niemand bei OBI gearbeitet.“ Başay: „Und danach?“ Turner: „Das weiß ich nicht, da war ich nicht mehr da.“
Carsten Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Seit wann sind Sie verlobt?“ Turner: „Seit letztem Jahr, im Juni.“ Hösl: „Wann?“ Turner: „Vom 14. bis zum 18.“ Hösl: „Erinnern Sie die Umstände der Verlobung?“ Turner: „Ich habe am 14. Geburtstag, sie am 18.“ Hösl: „In welchem Rahmen hat das stattgefunden?“ Turner: „Zwischen uns und unserem Hund.“ Hösl: „Wo?“ Turner: „Bei uns zu Hause.“ Hösl: „Abends oder morgens?“ Turner: „Vom 14. bis zum 18. Viermal hell und viermal dunkel. Von morgens bis abends.“ Schultzes Verteidiger RA Pausch: „Kennen Sie noch Mittel, mit denen sich die Kameradschaft Jena nach außen dargestellt hat, außer den Spuckis?“ Klemke beanstandet, der Zeuge habe noch nichts von Spuckis erzählt. Pausch: „Ich kann das umstellen: Können Sie mir berichten, wie sich die Kameradschaft Jena nach außen dargestellt hat, propagandistisch, Medien im weitesten Sinne?“ Turner: „Ich denke, wir hatten alle einen Gauwinkel auf der Jacke. Sonst kann ich Ihnen da nicht weiterhelfen.“ Pausch: „Gab es bspw. Flugblätter, Plakate, Spuckis?“ Turner: „Das war mal ein Plan gewesen, ich war aber Gründungsmitglied und dann schnell verschwunden.“ Pausch: „Wie hat sich die Kameradschaft Jena dargestellt und wie lang war das sichtbar?“ Turner: „Ich habe die Frage nicht verstanden.“ Pausch: „Sie haben sich ja entfernt von der Kameradschaft Jena. Aber haben Sie noch Wahrnehmungen gemacht, wie und wie lange sich die Kameradschaft Jena nach außen dargestellt hat?“ Turner: „Kann ich nichts dazu sagen.“
Götzl: „Bitte kommen Sie nochmal nach vorne. N18, Blatt 64, das Vernehmungsprotokoll, das Sie betrifft. Schauen Sie sich die Seiten mal an. Sie sind ja gefragt worden ob Sie Streichungen vorgenommen haben.“ Turner nimmt das Protokoll am Richtertisch in Augenschein. Götzl: „Es findet sich eine Streichung. Meine Frage: Haben Sie die vorgenommen?“ Turner schweigt kurz und sagt dann: „Also ich habe das nicht durchgestrichen, sondern das war Herr, der mich vernommen hat.“ Götzl: „Sie haben das nicht durchgestrichen?“ Turner: „Nein, kann mich jetzt nicht dran erinnern.“ Götzl: „Und das Zeichen hier daneben?“ Turner: „Das ist mein Kürzel.“ Götzl: „Ja, können Sie sich erinnern, dass überhaupt eine Streichung vorgenommen wurden, sei es von Ihnen oder jemand anders?“ Turner: „Ja, das ist ja gemacht worden.“ Götzl: „Ja, haben Sie die veranlasst, gewollt?“ Turner: „Wenn das hier durchgestrichen ist und mein Kürzel dahinter, also die Streichungen, die hier vorgenommen worden sind, die wurden mit meinem Einverständnis vorgenommen, so ne.“ RA Hoffmann und RAin V. d. Behrens behalten sich Erklärungen vor.
Es folgt die Einvernahme der Zeugin Yvonne D. Götzl: „Uns geht es hier darum, ob Sie Erkenntnisse haben zu Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe, Holger Gerlach, Ralf Wohlleben, zur so genannten Kameradschaft Jena. Nicht ob Sie aus den Medien etwas erfahren haben, sondern um Erkenntnisse, die Sie unmittelbar oder durch Berichte von anderen gewonnen haben. Was können Sie uns denn dazu sagen?“ D.: „Gar nichts, ich kenne weder die Angeklagten noch die Kameradschaft Jena. Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich hier soll.“ Götzl: „Seit wann kennen Sie Herrn Turner?“ D.: „Seit vier Jahren.“ Götzl: „Hat er Ihnen was erzählt zu den genannten Personen?“ D.: „Von den Medien her hat er mal erwähnt, dass er die wohl kennt, aber da habe ich nicht nachgefragt.“ Götzl: „Haben Sie noch Einzelheiten in Erinnerung?“ D.: „Nein.“ Götzl: „Sind Fragen an die Zeugin?“ Niemand meldet sich. Um 13:20 Uhr wird die Zeugin entlassen.
Götzl weist RA Reinecke und RA Schön auf deren Nachfrage darauf hin, dass sich der Schriftsatz von RA Willms bereits in den Akten befinde. Danach nimmt Bundesanwalt Diemer zum Antrag von RA Heer Stellung auf dienstliche Erklärungen Stellung: „Diese Anträge können wir prozessrechtlich nicht einordnen. Die Nebenklage ist seinerzeit zugelassen worden, ordnungsgemäß begründet, ob richtig oder nicht, steht dahin. Dagegen gibt es die Möglichkeit der Beschwerde, das ist offensichtlich nicht gewollt.“ Soweit es um Vorgänge im Spruchkörper gehe, stehe dem ohnehin das Beratungsgeheimnis entgegen, so Diemer: „Deswegen sind die Anträge zurückzuweisen.“
RA Heer: „Ich würde nur kurz erwidern. Es gibt natürlich keine explizite Anspruchsgrundlage in der StPO. Wir leiten den Anspruch aber her aus allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, z.B. dem fairen Verfahren.“ Es gehe darum, zu entscheiden, wie man ggf. weiter prozessual verfahre. Heer: „Ich weise darauf hin, dass ich nicht gefragt habe, wie die Abstimmung zwischen den Richtern gelaufen ist, sondern nur das, was in den Anträgen steht [phon.]. Und ich denke, wir haben einen prozessualen Anspruch darauf.“ Götzl: „Und die Begründung dafür? Wenn ich einfach mal fragen darf.“ Heer: „Ich hab es doch gerade nochmals begründet, wir haben doch auch reingeschrieben,
wozu das dient, dass noch Anträge kommen könnten [phon.].“ Der Verhandlungstag endet um 13:25 Uhr.
Das Blog „nsu-nebenklage„: „Der Skandal um die scheinbar überhaupt nicht existierende Nebenklägerin Meral K., die bis zur vergangenen Woche von Rechtsanwalt Willms vertreten wurde, hat heute Eingang in die Hauptverhandlung gefunden. Nachdem der Vorsitzende die Nebenklägerin mehrfach als Zeugin geladen und massiv Druck auf ihren Rechtsanwalt ausgeübt hatte, mitzuteilen, wo sich seine Mandantin befindet, hat RA Willms inzwischen schriftlich erklärt, er sei getäuscht worden, seine angebliche Mandantin existiere gar nicht. Vielmehr sei ein weiterer Nebenkläger ihm gegenüber als Vermittler aufgetreten und habe sich von ihm Geld für die Vermittlung der Vollmacht für Meral K. zahlen lassen. Erst jetzt habe er festgestellt, dass seine Mandantin gar nicht existiere, und daher nunmehr Strafanzeige gegen den ‚Vermittler‘ gestellt. Auch dass das von ihm für seine Mandantin eingereichte Attest gefälscht war, sei ihm erst jetzt aufgefallen. Der Verhandlungstag heute begann mit einem Antrag der Verteidigung Zschäpe, die an der Entscheidung über die Zulassung der Nebenklage der Meral K. beteiligten Richter sollten dienstliche Erklärungen abgeben, wie es zu der Entscheidung kam, insbesondere dazu, ob bzw. ab wann sie das vorgelegte Attest als Fälschung erkannt hätten. Verklausuliert kündigte die Verteidigung damit eine mögliche Ablehnung der Richter wegen Befangenheit an, wohl mit der Begründung, dass diese ohne ausreichende Prüfung eine Nebenklägerin zugelassen hätten. Dieser Versuch, den Skandal zu Angriffen auf die Legitimität der Nebenklage zu nutzen und auch das Gericht anzugreifen, schlug aber gegen die Verteidigung zurück: denn Beate Zschäpe reagierte sichtlich überrascht auf den Antrag ihrer Verteidiger Heer, Sturm und Stahl. Der vierte Verteidiger Rechtsanwalt Grasel bat um eine Unterbrechung, um sich mit Zschäpe zu besprechen, und beschränkte sich dann auf die Mitteilung, er und Zschäpe hätten von dem Antrag bisher nichts erfahren. Damit begann eine Auseinandersetzung zwischen den Anwälten Heer und Grasel: Heer warf Grasel vor, nicht ins Verfahren eingearbeitet zu sein, Grasel beklagte sich, dass Heer, Stahl und Sturm sich Besprechungen verweigert und ihm ihre Mitschriften der bisherigen Beweisaufnahme nicht zur Verfügung gestellt hätten – insgesamt, wie auch Verteidiger Heer richtig feststellte, ein ‚an Würdelosigkeit kaum noch zu überbietendes‘ Schauspiel. Natürlich muss geklärt werden, ob hier tatsächlich in betrügerischer Absicht eine Nebenklageberechtigung vorgetäuscht wurde, und wer dies zu verantworten hat. Letztlich wird nun ja auch deutlich, dass die gründliche Beweisaufnahme solche Versuche aufdeckt. Sodann wurde ein Zeuge weiter vernommen, der Gründungsmitglied der Kameradschaft Jena gewesen war und bereits bei seiner letzten Vernehmung einiges zur Ideologie usw. ausgesagt hatte […]. In einer polizeilichen Vernehmung hatte der Zeuge von Diskussionen zur Bildung einer militanten Organisation berichtet, die entstanden seien, nachdem man sich Videos über die rechte Szene aus Skandinavien angeschaut habe. Diese Aussage hatte er bereits bei seiner ersten Vernehmung in München bestätigt. Heute gab er auf Nachfrage an, es habe sich dabei um die sogenannten ‚Kriegsberichter‘-Videos eines skandinavischen Blood and Honour-Vertriebs gehandelt. In den Videos, so der Zeuge, seien Ausschnitte von Konzerten, aber auch von durch Nazis durchgeführten Wehr- oder Sprengübungen gezeigt worden. Nun schränkte er aber ein, er habe sich wohl zeitlich vertan, diese Filme seien erst ab 1997/98 erschienen, daher müsse er sie wohl mit anderen Freunden gesehen haben. Allerdings konnte er keinerlei Angaben machen, um welche Freunde es sich dabei gehandelt habe. Er konnte auch nicht erklären, welche Umstände denn dann Auslöser für die Diskussionen innerhalb der Kameradschaft Jena zur Bildung einer militanten Organisation gewesen seien. Auch als ihm vorgehalten wurde, dass die ‚Kriegsberichter‘-Videos sehr wohl ab 1996 vertrieben wurden, reagierte er weiterhin abwehrend. Es wurde sehr deutlich, dass der Zeuge sich einerseits in der zeitlichen Einordnung des Geschehens schlicht getäuscht hat, andererseits aber auch sich und vor allem seine damaligen Kameraden schützen will. Diese Entlastungstendenz wurde auch an einem weiteren Punkt sehr deutlich. Der Zeuge wurde gefragt, ob er in der damaligen polizeilichen Vernehmung Streichungen vorgenommen hatte, was er verneinte. In der Vernehmung ist aber der Satz ‚Als wir über eine militante Organisation gesprochen haben, wurde nicht erwähnt, wo man sich Waffen beschaffen konnte‘, per Hand ausgestrichen, die Veränderung mit dem Namenskürzel des Zeugen bestätigt, und auf Vorhalt dieser Tatsachen bestätigte er, dass die Streichung ‚mit seinem Einverständnis‘ geschehen sei. Damals wollte er also offensichtlich nicht deutlich werden lassen, wie häufig die Durchführung gewalttätiger Aktionen Thema war, heute wollte er von den Diskussionen über solche Aktionen im Zusammenhang mit den gemeinsam angeschauten Videos nichts wissen. Der Frage, was er denn in der Vernehmung damals tatsächlich gesagt hat, wird noch weiter nachzugehen sein.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/10/07/07-10-2015/