Am heutigen Verhandlungstag begründet Götzl zunächst erneut, warum der Senat ablehnt, für eine „sachgerechte Regelung der Verteidigung Zschäpe“ zu sorgen, den Haftbefehl gegen Wohlleben aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Daraufhin formuliert die Verteidigung von Wohlleben erneut einen Befangenheitsantrag gegen den Senat, dem sich die Verteidigung von Zschäpe anschließt. Der einzige Zeuge ist der zum wiederholten Mal geladene Mario Brehme.
- Zeuge: Mario Brehme (Neonazi, ehem. THS-Mitglied, Erkenntnisse zu Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, Wohlleben)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung verkündet Götzl einen Beschluss: „Mit dem Beschluss vom 13.10.2015, mit dem die Anträge, die Hauptverhandlung auszusetzen, für eine sachgerechte Regelung der Verteidigung Zschäpe zu sorgen, den Haftbefehl gegen Wohlleben aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen, abgelehnt wurden, hat es sein Bewenden.“ Dann gibt Götzl die Begründung der Gegenvorstellung der Verteidigung Wohlleben (236. Verhandlungstag) wieder. Danach verliest er zur Begründung des Senatsbeschlusses: Die RAe Heer, Stahl und Sturm bewerteten in ihren Entpflichtungsanträgen vom 20.07.2015 das Verteidigungsverhältnis zur Angeklagten Zschäpe. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass ihnen eine sachgerechte Verteidigung der Angeklagten nicht mehr möglich ist. Wie bereits in der Verfügung vom 20.07.2015 ausgeführt, stellen diese Bewertungen keine konkreten, hinreichenden und nachgewiesenen Anhaltspunkte dafür dar, dass das Vertrauensverhältnis im Mandatsverhältnis so nachhaltig gestört ist, dass die sachgerechte Ausübung des Mandats unmöglich wäre. So wurde z.B. lediglich unsubstantiiert vorgetragen, man könne nicht mehr „optimal“ oder „lege artis“ verteidigen. Der Vortrag beschreibt nicht einmal in groben Umrissen die Umstände, die dazu führen könnten, dass eine sachgerechte Verteidigung durch die drei Antragsteller nicht mehr möglich sein sollte.
In der Folgezeit haben die drei Verteidiger auch weiterhin aktiv am Verfahren teilgenommen und im Sinne einer Verteidigung der Angeklagten agiert. Zschäpe hat bei der StA München I Strafanzeige gegen die RAe Heer, Stahl und Sturm erstattet. Diesem Umstand an sich kommt keine entscheidende Bedeutung zu, da dadurch in erster Linie das Vertrauensverhältnis der Verteidiger zu ihrer Mandantin berührt ist. Auf die Anzeige der Angeklagten, der die StA München I keine Folge geleistet hat, haben die RAe Heer, Stahl und Sturm mit Zurückhaltung und Sachlichkeit reagiert. RAin Sturm und RA Stahl haben darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf ihre Person ein konkreter und nachvollziehbarer Vorwurf von Seiten der Angeklagten nicht erhoben worden sei. RA Heer hat ausgeführt, dass er die Verschwiegenheit nicht verletzt habe. Eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses liegt vor diesem Hintergrund nicht vor.
Am 07.10.2015 stellten Heer, Stahl und Sturm diverse Anträge, die Zschäpe vorab nicht zur Kenntnis gebracht und auch nicht mit ihr abgestimmt worden waren. Dieser Umstand stellt keinen Grund dar, der eine sachgerechte Verteidigung unmöglich macht. Ein Verteidiger ist der Beistand des Angeklagten und nicht dessen Vertreter. Diese Aufgabe verlangt von ihm, sich allseitig unabhängig zu halten und, wo er in das Verfahren eingreift, dies in eigener Verantwortung und unabhängig, d.h. frei von Weisungen, auch des Angeklagten, zu tun. Da der Verteidiger somit frei von Weisungen des Angeklagten agieren kann, besteht im Hinblick auf die hier konkret gestellten Anträge auch keine Informations- und Abstimmungspflicht vor der Antragstellung. In einer Gesamtschau aller von der Angeklagten, den Verteidigern Heer, Stahl, Sturm und Grasel jetzt und in der Vergangenheit vorgebrachten Umstände kann eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses nicht festgestellt werden, so dass eine sachgerechte Verteidigung durch die RAe Heer, Stahl, Sturm weiterhin gewährleistet ist.
Im angegriffenen Beschluss wurde folgende Feststellung getroffen: „Zwischen der Angeklagten und den drei genannten Pflichtverteidigern hat seit Beginn ihrer Tätigkeit im Ermittlungsverfahren bis jedenfalls etwa Mitte des Jahres 2015 eine intensive Kommunikation im Zusammenhang mit dem Verfahren stattgefunden.“ Die Gegenvorstellung trägt vor, es sei nicht ersichtlich, wie der Senat eine derartige Feststellung treffen konnte. Die Feststellung des Senats beruht auf Wahrnehmungen während der Hauptverhandlung. Seit Beginn der Hauptverhandlung am 06.05.2013 bis etwa Mitte des Jahres 2015 konnte beobachtet werden, dass Zschäpe regelmäßig mit ihren Verteidigern Gespräche führte. Wohlleben-Verteidiger RA Klemke beantragt, eine Abschrift des Beschlusses zu erhalten und die Verhandlung für 20 Minuten zu unterbrechen. Es folgt eine Pause bis 10:16 Uhr. Nach der Fortsetzung sagt Klemke: „Die Verteidigung Wohlleben beantragt, die Hauptverhandlung für anderthalb Stunden zu unterbrechen für einen unaufschiebbaren Antrag. Es folgt eine Pause bis 11:57 Uhr.
Danach verliest Klemke ein Ablehnungsgesuch [Befangenheitsantrag] gegen den kompletten Senat: Wohlleben stützt das Ablehnungsgesuch auf den in der heutigen Hauptverhandlung verkündeten Senatsbeschluss, an dem die abgelehnten Richter mitgewirkt haben. Die abgelehnten Richter bewerteten die Entpflichtungsgesuche der Rechtsanwälte Heer, Stahl, Sturm vom 20.7.2015 zu Unrecht einschränkend. Zschäpe hat einen Anspruch auf nicht irgendeine Verteidigung, sondern auf eine sachgerechte Verteidigung. Im Übrigen bewerten die abgelehnten Richter die von den RAen Heer, Stahl, Sturm vorgebrachten Gründe zur Rücknahme der Bestellung als unsubstantiiert, sie blenden völlig aus, dass Heer, Stahl, Sturm eine weitergehende Begründung mangels Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht nicht möglich gewesen ist.
Weiter bewerten die abgelehnten Richter das Verhalten der drei Verteidiger in der Folgezeit dahin, dass diese im Sinne einer Verteidigung der Angeklagten agiert hätten. Ob dies zutrifft, kann nur eingeschätzt werden, wenn man das Verteidigungsziel und die Verteidigungsstrategie kennt. Da dies bei den abgelehnten Richtern nicht der Fall sein kann, handelt es sich dabei um eine Spekulation ohne jegliche Grundlage. Die abgelehnten Richter meinen, dass der Anzeige Zschäpes gegen Heer, Stahl, Sturm keine entscheidende Bedeutung zukomme, da dadurch in erster Linie das Vertrauensverhältnis der Verteidiger zu ihrer Mandantin berührt sei. Dies ist offenkundig unrichtig. Ein Mandant, der Vertrauen zu seinen Verteidigern hat, würde diese unter keinen Umständen in laufender Hauptverhandlung anzeigen, weil er damit die Effektivität der eigenen Verteidigung zerstört. Die abgelehnten Richter meinen, dass die Unabhängigkeit des Verteidigers die RAe Heer, Stahl, Sturm hinsichtlich des Antrages vom 07.10.2015 von ihrer Informations- und Abstimmungspflicht entbunden habe. Dies ist falsch. Gemäß § 11 BORA [=Berufsordnung für Rechtsanwälte] ist der Verteidiger berufsrechtlich verpflichtet, den Mandanten über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten. Das Stellen von Prozessanträgen durch Heer, Stahl, Sturm stellt eine solche wesentliche Maßnahme dar.
Richtig ist, dass der Verteidiger Beistand und nicht Vertreter des Angeklagten ist und somit frei von Weisungen des Angeklagten verteidigen kann. Dies enthebt ihn jedoch nicht von der Berufspflicht zur unverzüglichen Information des Mandanten. Mit keinem Wort gehen die abgelehnten Richter darauf ein, dass die mangelnde Information der Angeklagten Zschäpe vor der Antragstellung am 07.10.2015 offenbart, dass auch seitens Heer, Stahl, Sturm keine Kommunikation mehr mit Zschäpe stattfindet. Die Pflicht des Verteidigers weisungsfrei zu verteidigen und Anträge zu stellen, enthebt ihn nicht von der Informationspflicht. Genügen die Verteidiger nicht einmal dieser Informationspflicht, kann von einer Kommunikation der Verteidiger mit der Angeklagten als Grundlage einer sachgerechten Verteidigung keine Rede mehr sein. Der Angeklagte Wohlleben ist berechtigt, einen Ablehnungsantrag auf den Beschluss vom heutigen Tage zu stützen. Die unzulässige Einschränkung der Verteidigungsfähigkeit Zschäpes berührt auch die Rechtsstellung des Angeklagten Wohlleben, denn er ist der Beihilfe zu Haupttaten angeklagt, die der Angeklagten Zschäpe zur Last gelegt werden.
Die dargestellten Erwägungen der abgelehnten Richter sind abwegig und offensichtlich willkürlich. Sie erwecken bei Wohlleben den begründeten Anschein, dass die abgelehnten Richter den Beschluss ausschließlich ergebnisorientiert begründet haben und hierzu sogar geltendes Recht, nämlich § 11 BORA, stillschweigend suspendieren wollen. Aus der Begründung des Beschlusses muss ein vernünftiger Angeklagter zu der Schlussfolgerung kommen, dass die abgelehnten Richter das Verfahren um jeden Preis fortsetzen wollen. Dies berechtigt ihn, zu besorgen, dass die abgelehnten Richter ihm und seiner Sache nicht mehr unparteilich und unvoreingenommen gegenüber stehen.
Danach sagt Götzl, dass man zunächst Ablichtungen von dem Antrag machen werde und dann jetzt auch die Mittagspause einlege. Zunächst jedoch sagt RA Heer: „Da den Kollegen Sturm, Stahl und mir berufsrechtswidriges Verhalten vorgeworfen wird, möchte ich klarstellen, dass ich sowohl Frau Zschäpe, als auch Herrn Rechtsanwalt Grasel und Frau Zschäpe am Morgen des Hauptverhandlungstages über den zu stellenden Antrag informiert habe.“ NK-Vertreter RA Bliwier sagt zum Antrag der Verteidigung: „Ich habe selten einen so substanzlosen Antrag hören dürfen.“ Aus allem, was vorgetragen worden sei, ergebe sich für Wohlleben keine Antragsberechtigung, es könne allenfalls zu einer Antragsberechtigung für Zschäpe führen. Bliwier weiter: „Wenn hier wieder Bezug darauf genommen wird, die Befangenheit ergebe sich daraus, dass der Senat für eine sachgerechte Verteidigung Zschäpe zu sorgen habe und dies nicht tue, dann muss Wohlleben vortragen, wie sich eine veränderte Verteidigung der Angeklagten Zschäpe auf ihn auswirken würde. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass der Antrag nur zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt wurde.“ Dann sagt RA Heer: „Ich bin gerade zu Recht darauf hingewiesen worden: Mir ist vorhin ein Fehler unterlaufen. Ich habe den Antrag verlesen in der letzten Woche und habe anschließend der Mandantin und dem Kollegen eine Kopie übergeben.“ Es folgt die Mittagspause, die einmal verlängert wird.
Um 13:35 Uhr geht es weiter. RA Grasel: „Frau Zschäpe schließt sich dem Befangenheitsantrag an und macht sich die Begründung, soweit sie sich auf ihre Person bezieht, zu eigen.“ Bundesanwalt Diemer sagt, er habe erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags, da die Verteidigung Zschäpes kein Grund für ein Ablehnungsgesuch Wohllebens bieten könne. Es könne aber auch als Frage der Begründetheit gesehen werden, daher empfehle der GBA aus Gründen der Revisionssicherheit, den Antrag dem zur Entscheidung zuständigen Spruchkörper vorzulegen und nach § 29 Absatz 2 StPO weiter zu verhandeln. Götzl: „Die Entscheidung über die Ablehnungsgesuche wird nach § 29 Absatz 2 StPO vorläufig zurückgestellt.“ Dann sagt Götzl, es gehe weiter mit der Fortsetzung der Einvernahme des Zeuge Mario Brehme [zuletzt 218. Verhandlungstag]. Der ist aber offenbar noch nicht da, deswegen wird die Verhandlung unterbrochen. Während der Pause betritt Brehme mit seinem Zeugenbeistand Böhmer den Saal.
Um 13:47 Uhr geht es weiter. Götzl: „Ich möchte mich für die Geduld bedanken. Ich rufe Ihnen die zuletzt erteilten Belehrungen in Erinnerung. Wollen Sie von sich aus zu den Punkten, die wir angesprochen haben, etwas Ergänzendes sagen?“ Brehme: „Zu welchem Punkt genau?“ Götzl: „Wir haben alle möglichen Punkte besprochen. Es ist nur die Frage ob Sie von sich aus was ergänzen wollen.“ Brehme: „Wenn mir was einfällt, ergänze ich.“ Götzl: „Interview mit einem Journalisten, ist Ihnen das noch bekannt?“ Brehme: „Sie meinen das Nichtinterview.“ Götzl: „Gibt es dazu etwas zu ergänzen, über das hinaus, was wir das letzte Mal angesprochen haben?“ Brehme schweigt. Götzl: „Das war eine Frage.“ Brehme: „Ja, ich habe überlegt. Nee.“ Vorhalt aus einer Erkenntnismitteilung: Der Jenaer Aktivist Ralf Wohlleben habe den THS-Aktivisten Brehme, Brandt und André Kapke in einem persönlichen Gespräch am 27.10.2000 mitgeteilt, dass er am 25.10.2000 von einem Stern Journalisten aus der Berliner Redaktion auf die drei Flüchtigen aus Jena angesprochen worden sei; er dokumentiere den Fall und sei an einem Live-Interview mit den Flüchtigen interessiert, für den Kontakt bzw. den Interviewtermin sei er bereit, 50.000 bis 60.000 DM für die Vermittlung zu zahlen; Wohlleben habe um Bedenkzeit gebeten, was von dem Stern-Reporter auch gleich akzeptiert worden wäre und mit ihm vereinbart, im telefonischen Kontakt zu bleiben. Götzl fragt nach der zeitlichen Einordnung. Brehme: „Die wird stimmen, ja. Ich wusste nicht, dass der Kontakt über Berlin stattfand, ich dachte Hamburg.“
Götzl: „Was sagen Sie im Hinblick auf Ralf Wohlleben zu diesen Informationen?“ Brehme: „In welcher Art jetzt kontaktiert wurde, weiß ich nicht, ich habe es erst erlebt, als es mitgeteilt wurde, dass das Angebot steht von Seiten des Stern.“ Götzl fragt, was das heiße, dass es mitgeteilt worden sei. Brehme: „Sie sagten, dass der Stern an Ralf Wohlleben herangetreten ist, möglicherweise über eine Zwischenperson, mir ist es erst geläufig ab dem Moment, wo Ralf Wohlleben uns das eröffnet hat.“ Götzl: „Haben Sie eine Erinnerung daran, in welcher Örtlichkeit das Gespräch stattgefunden hat, wie da abgelaufen ist?“ Brehme: „Nein, gar nicht.“ Götzl nennt nochmal die Daten 27.10. und 25.10.2000 und fragt, ob Brehme zu den Daten etwas sagen könne. Brehme: „Ich kann dazu nichts sagen, das scheint aber realistisch zu sein, man hat so etwas ja nicht am Telefon besprochen, deswegen kann es sein, dass das zwei Tage dauert, bis alle Ort und Zeit gefunden haben.“
Vorhalt: Während Kapke und Wohlleben durch die Höhe des finanziellen Gebots zur Annahme tendierten, sei es von Mario Brehme gleich als unsicher und politisch gewagt abgelehnt worden. Brehme: „In der BKA-Vernehmung vom März 2012 hat mir das BKA Gegenteiliges gesagt. So wie Sie es vorgelesen haben, habe ich es im Schäfer-Gutachten gelesen. Ich denke eher, dass ich es abgelehnt habe, weil mir die Gesamtumstände zu heikel erschienen.“ Götzl: „Wieso zu heikel?“ Brehme: „Die Verfolgungsstrategie des Staates für ein THS-Verbot war so weit fortgeschritten, dass wir keine weiteren Gründe liefern wollten, es zu vollziehen. Hätten wir das Interview durchführen lassen, hätte die Presse das Innenministerium vorgeführt, dann wäre das in Handlungsdruck gekommen und hätte gegen uns gehandelt. Lieber keine schlafenden Hunde wecken.“ Götzl bittet Brehme zu erklären, inwiefern das jetzt den THS berühre bzw. zu einem THS-Verbot führen solle. Brehme: „Alleine dadurch, dass das zwischen uns, also zwischen Brandt und mir verhandelt wurde.“
Götzl: „Was stand denn jetzt in Rede, wie waren die Vorstellungen wie das Ganze ablaufen sollte, worin sahen Sie dann die Gefahr?“ Brehme: „Erstens habe ich letztes Mal schon gesagt, dass über den Punkt Zwei sich erst unterhalten wird, wenn Punkt Eins geklärt ist. Also wir mussten nicht mehr klären, wie wir in Kontakt kommen können mit den Dreien. Punkt Eins, wir fanden das zu heikel. Die Vermittlung Interview ist nicht schlimm aus normaler menschlicher Sicht, aber in diesem Staat ist der Verfolgungsdruck so hoch.“ Götzl: „Wer sollte das Interview geben?“ Brehme: „Das Interview sollten die Flüchtigen geben.“ Götzl: „Und sollten Sie oder Ralf Wohlleben, Tino Brand eine Rolle spielen dabei?“ Brehme: „Das stand nicht zur Debatte, nein.“ Götzl: „Inwiefern ist dann der THS betroffen, wenn Sie, Tino Brandt, Ralf Wohlleben nicht auftreten?“ Brehme: „Alleine, dass Tino Brandt und ich involviert waren, das hätte gereicht. Die Presse stellt auch Kausalzusammenhänge her, die nicht unbedingt stimmen.“ Götzl: „Wären denn Sie oder Tino Brandt gegenüber der Presse in Kontakt getreten?“ Brehme: „Wir hatten keinen Kontakt, aber das wurde auch nicht thematisiert.“ Sie hätten nicht gewusst, was dem Stern-Journalisten übermittelt wird, gesagt wird, so Brehme weiter. Wohlleben sei nur Bote gewesen, möglicherweise habe er dem Stern-Reporter auch gesagt, dass sie das besprechen würden. [phon.]
Brehme: „Aus meiner Sicht ging es einfach darum, damals keine öffentliche Aufmerksamkeit an sich zu ziehen, und so ein Interview hätte Aufmerksamkeit an sich gezogen. Wir hätten auch Blumen verteilen und das filmen können, das hätte auch Aufmerksamkeit bedeutet und möglicherweise hätten sie den THS trotzdem verboten.“ Götzl fragt nach der Rolle Wohllebens für den THS. Brehme: „In dem Fall als Bote, einmal die Nachricht mit dem Angebot und einmal die Nachricht mit der Ablehnung.“ Götzl: „War Wohlleben im THS?“ Brehme: „Kann ich so nicht sagen.“ Götzl: „Ich frage nochmal nach, damit sie sehen, wo meine Schwierigkeiten liegen.“ Götzl sagt, einerseits sage Brehme dazu, ob Wohlleben im THS war, das könne er nicht sagen, Wohlleben sei nur als Bote aufgetreten, andererseits spreche Brehme aber von einer Gefährdung für den THS: „Wenn aber jetzt Ralf Wohlleben nach Ihrer Kenntnis mit dem THS nichts zu tun hatte, woher dann die Gefährdung für den THS?“ Brehme sagt, der THS sei seit Jahren ein Dorn im Auge des Innenministers und des LKA gewesen, die hätten nur darauf gewartet, dass der THS öffentlich auftaucht und die Gelegenheit genutzt. Schon 1996, 1997 habe es Äußerungen des LKA-Chefs und des Innenministers gegeben, exemplarisch damals Spiegel. Es habe keinen Hintergrund dafür gegeben, aber trotzdem sei so agiert worden.
Götzl: „Wo haben Sie denn jetzt befürchtet, dass bei einem Kontakt Ralf Wohllebens zu dem Journalisten Sie oder der THS eine Rolle spielen könnten?“ Brehme: „Der Staat hat damals regelmäßig Vereine verboten, Parteien als Verein „herabgewürdigt und verboten.“ Irgendwann habe ein THS-Verbot im Raum gestanden und das hätten sie vermeiden wollen: „Ob jetzt der Herr Wohlleben Bote war oder wie in anderen Fällen andere Zwischenpersonen involviert waren, spielt keine Rolle.“ In einem anderen Fall hätten sei mit einem Journalisten zweimal gesprochen, er selbst sei zweimal erschienen, womit der Journalist nicht gerechnet habe. Jedes Mal wenn mit irgendeinem Kameradschafter ein Pressevertreter Kontakt aufgenommen habe, sei das an sie weitergeleitet worden. Götzl: „Warum sich jetzt Herr Wohlleben an Sie gewandt hat, ist das erörtert worden?“ Brehme: „Ich denke, ich bin die entsprechende Stelle damals gewesen zur Informationssammlung.“
Vorhalt: Nachdem der Stern-Reporter am 01.11.2000 in gleicher Sache für André Kapke unter seiner Festnetz-Rufnummer angerufen habe, seien Mario Brehme und Tino Brandt unterrichtet worden und hätten sich spontan mit Kapke zu einem Gespräch in einen Rudolstädter Café verabredet. Brehme: „Das habe ich auch so gelesen, ja.“ Er könne sich nicht daran erinnern, aber auch nicht ausschließen, so Brehme auf Frage. Vorhalt: André Kapke sei gemeinsam mit Jana A. zu der Verabredung gekommen. Brehme sagt, an den weiteren Namen könne er sich nicht erinnern. Auf Frage, ob er A. kenne, sagt er: „Mit Namen habe ich es nicht so.“ Auf Nachfrage sagt er, er kenne die bestimmt vom Sehen. Götzl: „War eine weibliche Person bei den Gesprächen über dieses Interview mal zugegen?“ Brehme: „Kann ich nicht sagen.“ Vorhalt: Bei dem Gespräch habe Mario Brehme die Aktion als politisch sehr gefährlich für den THS bezeichnet, weil allein schon durch die Kontaktherstellung man dem Staat einen Verbotsgrund liefere. Brehme: „Ist doch sehr vorausschauend.“ Vorhalt: Er und Tino Brandt lehnten deshalb auch weitere Kontakte mit dem Journalisten ab, auch wenn ein Kontakt, wie von Kapke vorgeschlagen, nicht in Deutschland, sondern in Weißrussland stattfinden könne. Götzl: „Gab es diesen Vorschlag mal?“ Brehme: “ Wir haben uns über andere freie Staaten nicht weiter unterhalten.“ Vorhalt: Kapke sei von dem Gesprächskreis aufgefordert worden, Brehmes Meinung Wohlleben mitzuteilen und die Kontakte zu dem Journalisten abzubrechen. Brehme: „Das ist realistisch, ja.“ Götzl entgegnet, dass es darum gehe, was Brehme in Erinnerung habe, um sein Wissen. Brehme: „Ich habe darüber kein hinausgehendes Wissen. Aber offensichtlich agiert er auch hier wieder nur als Bote.“
Brehme schweigt. Dann sagt er: „Also Wohlleben war nicht in der Führung beteiligt, vielleicht sollte man das dazu sagen, auch wenn ich das schon letztes Mal gesagt habe.“ Götzl fragt nach, was das bedeute. Brehme: „Er war weisungsgebunden, was daraus auch stark hervorgeht.“ Götzl: „Und inwiefern weisungsgebunden?“ Brehme: „Er konnte selbst keine Weisungen beschließen, die weitergegeben wurden. Wie das später in seiner demokratischen Partei war, weiß ich nicht.“ Brehme [in Reaktion auf eine von ihm anscheinend gehörte Reaktion aus dem Saal]: „Und wenn hier Zwischenfragen sind, bitte laut!“ Götzl: „Ich stelle jetzt die Fragen.“ Brehme: „Dann möchten Sie bitte für Ruhe sorgen.“ Götzl fragt, von wem Wohlleben Weisungen bekommen habe. Brehme: „Von Tino Brandt und mir.“ Götzl fragt nach sonstigen Personen. Brehme: „Sind mir nicht bekannt.“ Brehme und Götzl schweigen kurz. Dann sagt Brehme, er solle vielleicht darauf hinweisen, dass sie damals auch eine „Hetzgebühr“ von 500 DM für Journalisten gefordert hätten; die habe bei einem Interview gefordert werden sollen [phon.], „weil die Presse eh über die nationale Szene hetzen würde“. Auf Nachfrage sagt Brehme: „Wir wollten einschränken, dass jeder, der zur nationalen Szene gehört, ein Interview gibt, daher haben wir das verbreitet. Und so kam es dazu, dass auch bei Anfragen in anderen Landkreisen wir wieder erschienen.
Götzl fragt, ob es richtig sei, dass Teilnehmer des Gesprächs Brehme selbst, Brandt, Kapke und Wohlleben gewesen seien. Brehme: „An Ralf Wohlleben kann ich mich nicht erinnern. Also bei dem zweiten jetzt, bei dem ersten hat er das ja mitgeteilt.“ Götzl: „Ich möchte nachfragen: Möglicher Kontakt zu den Flüchtigen. Das war Thema beim letzten Mal. Da hatten Sie angegeben, dass über eine Kontaktaufnahme erst entschieden werden sollte, wenn man sich für das Interview entscheidet. Da will ich nachfragen: Welche Möglichkeiten der Kontaktaufnahme hätten denn bestanden?“ Brehme: „Es ging nur um das Ob des Interviews, das wurde abgelehnt.“ Götzl: „Haben Sie denn überhaupt eine Chance gesehen der Kontaktaufnahme?“ Brehme: „Es ging nur um das Ob.“ Götzl: „Darüber hatten wir gesprochen das letzte Mal. Die Frage war, ich wiederhole mich, ob man sich mit dem Ob überhaupt beschäftigen muss, wenn gar keine Möglichkeit bestünde.“ Brehme: „So war die Reihenfolge, erst das Ob, dann das Wie.“ Götzl: „Dann muss ich Sie fragen: Welche Rolle spielten denn die Flüchtigen im Bezug zum THS?“ Brehme: „Zum THS haben Sie direkt keine Rolle gespielt, aber befanden sich im Gesamtzusammenhang der nationalen Szene. Aber sie waren halt Flüchtlinge [phon., ggf. „Flüchtige“]: Also hat jeder versucht zu helfen. Hatten wir in der DDR [phon.] so gelernt, Flüchtlingen [phon., ggf. „Flüchtigen“] soll man helfen.“ Nach einer kurzen Pause sagt Brehme: „Wir haben sie auch immer wieder in Erinnerung gerufen bei den Kameraden, an Winter- und Sonnwendfeiern haben wir an sie erinnert.“
Götzl fragt, welche Rolle Wohlleben gehabt habe, woher die Weisungsgebundenheit komme. Brehme: „Sagen wir es mal so: Man kann das nicht durchsetzen, das entsteht irgendwann. Auch wenn Sie in andere Landkreise fahren, die Kameraden vor Ort nehmen das dann so wahr. Sie müssen entsprechend auftreten. Und die Informationen liefen ja auch bei uns zusammen, wieso sollten Kameraden aus der Reihe treten.“ Götzl: „Das habe ich jetzt einfach nicht verstanden. Bitte noch einmal erklären.“ Brehme: „Welchen Punkt haben Sie denn nicht verstanden?“ Götzl sagt, er habe es akustisch und inhaltlich nicht verstanden, Brehme solle es langsam nochmal erklären. Brehme: „In der damaligen Zeit gab es staatliche Aktivitäten, die darauf schließen ließen, dass der THS vor einem Verbot steht, dadurch, dass es das in anderen Bundesländern auch gab, dass Parteien und Vereine verboten wurden. Das wollten wir in Thüringen nicht so.“ Deswegen habe man versucht das zu steuern [phon.], alles was in der Öffentlichkeit steht und mit dem THS zu tun hat, zu verringern [phon.]. Es sei der Versuch gewesen, Auswüchse zu minimieren, auf Kameraden in anderen Landkreisen einzuwirken: „Weniger Körperverletzungen, weniger Straftaten. Jede kleine Körperverletzung, jede kleine Straftat wurde dem THS zugerechnet.“ Götzl: „Sie sagen ja: Alles was mit dem THS zu tun hat. Was hatten denn jetzt die Flüchtigen mit dem THS zu tun? Wenn es um ein Interview mit den Flüchtigen geht, was hat das mit dem THS zu tun?“ Brehme: „Weil Tino Brandt und ich zwischengeschaltet waren, alleine dadurch.“ Götzl fragt, wie das denn an die Öffentlichkeit hätte geraten sollen. Brehme: „Weil die sich nicht daran halten, weil die Presse immer alles nach außen trägt.“ [phon.]
Götzl erwidert, dass aber doch Brehme und Brandt gar nicht mit dem Journalisten im Kontakt gewesen seien. Brehme: „Ich habe nie einen Journalisten gesehen, der sich an Absprachen hält.“ Götzl: „Aber er hatte doch keine Informationen über Sie, der Kontakt lief nur über Herrn Wohlleben. Sein Kenntnisstand war der Kontakt mit Herrn Wohlleben.“ Brehme: „Der Kenntnisstand war möglicherweise, dass der Journalist wusste, dass der THS zwischengeschaltet war.“ Götzl: „Hatten Sie dafür irgendwelche Anhaltspunkte?“ Brehme: „Naja, dadurch, dass er gesagt hat, er muss es besprechen lassen: Also ist schon jemand dazwischen geschaltet, sonst hätte Ralf Wohlleben gleich zu dem Journalisten sagen können, ja klar, 60.000 DM nehme ich gerne mit.“ Götzl: „Zu der Frage, welche Möglichkeiten der Kontaktaufnahme bestanden. Hatten Sie Kenntnisse über mögliche Kontaktaufnahmen zu den Flüchtigen?“ Brehme: „Nein.“ Götzl fragt, ob sonst jemand bei dem ersten Gespräch Kenntnisse dazu gehabt habe. Brehme: „Ich hätte den Kontakt nur Tino Brandt zugerechnet. Also wenn es einer schafft, dann nur Tino Brandt.“ Götzl sagt, Brehme solle das erläutern. Brehme: „Wenn jemand Kontakt zu Personen oder Gruppen hergestellt hat, dann war es meistens Tino Brandt. Ich hätte die Kontaktaufnahme nur Brandt zugetraut.“ Götzl: „Mir geht es um konkrete Kenntnisse bezüglich Kontakt oder Kontaktmöglichkeiten zu den Drei.“ Brehme: „Nee, keiner von den Beteiligten.“
Götzl: „Wir hatten das letzte Mal, auch zum Thema THS, besprochen, wer dazu gehörte. Sie hatten gesagt, Ihnen falle niemand ein, aber Sie würden das nachholen. Was können Sie dazu sagen?“ Brehme: „Ich kann dazu sagen, dass dem THS teilweise von außen zwischen 70 und 400 Personen zugerechnet wurden, und die ganze Szene wurde damals vom Staat mit 400 eingeschätzt. Und zum THS rechne ich Tino Brandt und mich.“ Götzl: „Sie wären die Führungskräfte, haben Sie gesagt.“ Brehme: „Also zumindest liefen die Informationen zentral bei uns zusammen.“ Götzl fragt nach Mitgliedern des THS aus Jena. Brehme: „Für Jena war ich nicht zuständig.“ Götzl: „Aber Sie können dennoch Informationen dazu haben.“ Brehme: „Da liegen mir keine Informationen zu vor.“ Götzl und Brehme schweigen. Dann sagt Brehme: „Sie nehmen mir das vielleicht nicht ab, aber insbesondere die Frau Zschäpe war nicht autorisiert, für den THS zu sprechen. Wir haben uns übel drüber aufgeregt, dass Frau Zschäpe in Jena eine Demo angemeldet hat unter dem Namen ‚Initiative Thüringer Heimatschutz‘.“ Götzl: „Wer hat sich aufgeregt?“ Brehme: „Letztendlich Brandt und ich. Man muss den Begriff einheitlich verwenden. Und daran sieht man, dass es keine Autorisierung gab, weil sie den Begriff falsch verwendet hat, sonst hätte sie den Fehler mit der ‚Initiative‘ vorne dran nicht gemacht. [phon.]“ Götzl: „Haben Sie das gegenüber Frau Zschäpe angesprochen?“ Brehme: „Ich gehe davon aus.“ Auf Nachfrage sagt Brehme: „Ich gehe nur davon aus, weil es mich damals gestört hat.“
Götzl fragt, ob Brehme Informationen habe, wie es zu der Anmeldung kam. Brehme: „Nein, gar nicht.“ Götzl: „Welche Rolle hat Beate Zschäpe in Bezug zum THS gespielt?“ Brehme: „Sie kannte Brandt und mich.“ Götzl: „Können Sie trotzdem noch ausholen: Wie sah die Struktur des THS aus?“ Brehme: „Es gab eine zentrale Meldestelle, das waren Tino Brandt und ich. Bei uns wurden Informationen gemeldet und wir haben auch drum gebeten, dass Informationen kamen. Das klappte auch recht rege.“ Götzl: „Zentrale Meldestelle? Was heißt das?“ Brehme: „Wenn irgendwas Auffälliges war, wurde das uns gemeldet. Also z.B. der Bundestag beschließt Auslandseinsatz der Bundeswehr im Balkan für ein Jahr, wir erfahren, die LKWs aus den Kasernen werden für zwölf Jahren abgemeldet, also es dauert länger.“ [phon.] Götzl: „Wer war der Kreis der Meldenden?“ Brehme: „Ganz Thüringen.“ Götzl fragt, wer alles weisungsgebunden gewesen sei. Brehme: „Alle, die erkannt haben, dass man nicht wahllos agieren kann, haben Informationen gemeldet und waren dann auch weisungsgebunden. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann man vorwärts kommen.“ Götzl fragt, ob zu den Weisungsgebundenen auch Zschäpe gezählt habe. Brehme: „Ich hätte das gerne gehabt, dass wir Einfluss auf alle Kameraden haben, aber es war nicht immer so. Ich war weisungsgebunden gegenüber Tino Brandt, er gegenüber der GdNF [Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front; Neonazi-Kaderorganisation].“
Götzl sagt, es gehe ihm um konkrete Personen: Wohlleben, Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos. Brehme: „Wenn wir was angesprochen haben, haben die das bestimmt umgesetzt. Sie müssen sich das so vorstellen: Sie hatten Anfang der 1990er in Thüringen eine nicht vernetzte Szene. Und erst im Laufe der Zeit konnten wir die Gruppen aus Thüringen an einen Tisch kriegen. Und jeder, der erkannt hat, dass wir thüringenweit etwas auf die Beine stellen, hat sich verpflichtet gefühlt, uns Informationen zur Verfügung zu stellen.“ Brehme: „Wie war es mit Holger Gerlach?“ Brehme: „Also Holger Gerlach rechne ich der gesamten Szene noch weniger zu, mehr so als Randerscheinung. Wir waren mal auf einer Sommersonnwende im Raum Erlangen, da war er mit. Ich erinnere mich daran, weil wir ihn kurzfristig mitgenommen hatten. Wir brauchten einen, der den Platz füllt, weil wir Gebühr gezahlt hatten. Das weiß ich noch, weil das über mein Konto ging. Das lief bei der Sparkasse in Rudolstadt. Da haben wir dann jemand aus der Randszene genommen, der zufällig Zeit hatte, das war dann in dem Fall Holger Gerlach.“
Götzl: „Und Carsten Schultze?“ Brehme sagt, der sei später gekommen, sei jünger, mit dem habe er weniger zu tun gehabt. Auf Frage, ob er das zeitlich einordnen könne, sagt Brehme: „Weiß nicht. Ich denke mal, etwa ab 2000.“ Götzl: „Gab es denn im Bereich des THS Bezeichnungen im Sinne von Sektionen?“ Brehme: „Tino Brandt und ich hatten das nicht geschaffen, aber ich weiß, dass die einzelnen Landkreise, die einzelnen Kameradschaften sich so genannt haben. Das war mehr eine Eigenbezeichnung. Also, insbesondere gab es keine Sektionsführer.“ Vorhalt aus einem Bericht des BKA vom 28.11.2011: Nach Erkenntnissen des TLfV aus dem Jahr 2000 lag die Verantwortung der oben benannten Sektionen bei folgenden Personen: 1. Sektion Saalfeld-Rudolstadt unter Leitung von Tino Brandt und Mirko Eb. 2. Sektion Jena Leiter/Führer: Ralf Wohlleben, Carsten Schultze. Brehme: „Also, ich habe diese Quellenmeldung nicht verfasst.“ Götzl: „Hat Ralf Wohlleben eine leitende Funktion in der Sektion Jena gehabt?“ Brehme: „Diese Darstellung deckt sich ja nicht mal mit der Darstellung im Schäfer-Bericht.“
Dann sagt Brehme in Bezug auf die Vertreter_innen des GBA: „Was gibt es da zu lachen auf der roten Seite? Sorgen Sie bitte für Ruhe auf dieser Seite.“ Götzl: „Sie sprechen nur mit mir! Mir geht es nicht drum, dass Sie mir mitteilen was im Schäfer-Bericht vermerkt ist. Ich frage Sie, was Sie wissen.“ Brehme: „Diese Darstellung so stimmt nicht.“ Vom Tisch des GBA fällt ein Namensschild herunter. Brehme sagt: „Darf ich Ihnen behilflich sein?“ Dann steht er auf und stellt das Schild wieder auf den Tisch des GBA. Götzl fragt Brehme: „Wer war der THS?“ Brehme: „Also, Tino Brandt und ich.“ Götzl: „Und André Kapke?“ Brehme: „Über das Eigenverständnis von Tino Brandt kann ich nichts sagen.“ Götzl erwidert, das habe er nicht gefragt, sondern nach Kapke. Brehme: „Ich rechne dem THS nur Tino Brandt und mich zu.“
Götzl fragt, wie die KSJ und der THS zueinander gestanden hätten. Brehme: „Kameradschaften waren von Haus aus freie Kameradschaften, entstanden aus der unvernetzten, unorganisierten Szene. Die unterlagen starker Fluktuation. Die Mitglieder kamen mit 16 und gingen zwischen 18 und 21. Das hat der damalige Innenminister auch damals so wiedergegeben, dem kann ich mich anschließen. Waren parteipolitisch nicht gebunden, man unterstützte damals alle nationalen Parteien. Die Kameradschaften kamen und gingen und waren immer sehr führungsorientiert. Wenn die Führungsperson weggezogen ist, ging die Kameradschaft wieder zurück.“ Götzl fragt, wie es bei der KSJ und THS in Bezug auf die Personen gewesen sei. Brehme: „Wir wollten das vermeiden mit dem Rückzug. Wir haben das Konzept der ‚goldenen Brücke‘ entwickelt, dass die Kameraden, die gegangen sind, dann mit Ende 20 zurückkommen können ohne Ansehensverlust.“ Götzl: „Wir machen jetzt mal eine Pause.“ Brehme: „Sehr gerne.“ Es folgt eine Pause bis 15:08 Uhr.
Götzl: „Dann setzen wir fort. Haben Sie denn jemals mit Ralf Wohlleben über das Thema Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele gesprochen?“ Brehme: „Ich kann mich an so was mit Ralf Wohlleben nicht erinnern, da er für so etwas nicht sehr verständig war. Er hat Gewalt immer abgelehnt. Insofern war es kein Thema. Das war auch bekannt.“ Götzl: „Dann müssten Sie ja doch gesprochen haben.“ Brehme: „Nein, man bekommt ja mit, wer Gewalt einsetzen würde und wer nicht, das konnte ich irgendwann einordnen. Z. B. in Saalfeld-Rudolstadt gab es Leute, die Gewalt befürwortet haben, aber bei ihm war klar, dass er das ablehnt. Ich habe auch an Kameraden in Saalfeld-Rudolstadt bestimmte Informationen nicht weitergegeben.“ Götzl fragt nochmal, ob Brehme mit Wohlleben darüber gesprochen habe. Brehme: „Nein, aber Sie bekommen im Laufe der Zeit mit, wer Gewalt befürwortet und wer nicht. Und sie konnten Personen zurechnen, Leute, die würden Gewalt einsetzen. Und da habe ich Informationen zurückgehalten.“
Er habe z.B., so Brehme, die Adresse von der Person herausgefunden, die das Postfach der Antifa Rudolstadt betreibt. Das habe er nicht weitergegeben, damit es bei der Person nicht eskaliert. Götzl: „Waren Sie bei Gesprächen dabei, wo mit Ralf Wohlleben über Gewalt gesprochen wurde?“ Brehme: „Es würde mich wundern, weil die Mehrzahl Gewalt abgelehnt hat. Anders gesagt: Es wäre mir aufgefallen, wenn er Gewalt befürwortet hätte.“ Brehme sagt auf Nachfrage, er habe keine Erinnerung daran, dass Wohlleben das Wort ergriffen und Gewalt befürwortet hätte. Götzl: „Und an Diskussionen überhaupt mit ihm?“ Brehme: „Es gab eine Diskussion: ‚Wenden wir Gewalt an, ja oder nein?‘ Da hat er sich nicht hervorgetan.“ [phon.] Auf Nachfrage sagt Brehme: „Sie haben einen Stammtisch und da werden Ihnen die Reifen aufgestochen. Da stellt sich die Frage, wie gehen Sie mit den Tätern um.“ Götzl fragt, wann das gewesen sei. Brehme: „Zwischen 1995 und 2000 mehrfach, u.a. damals beim Stammtisch in Rudolstadt. Da hatten wir nur eine Örtlichkeit.“
Götzl fragt nach Diskussionen um Gewalt in Bezug auf Mundlos und Böhnhardt. Brehme: „Ich habe nichts gehört, dass ihnen Gewalt angedroht wurde.“ Götzl: „Und Frau Zschäpe?“ Brehme: „Ich habe nichts gehört, dass ihr Gewalt angedroht wurde“. Götzl: „Es ging um die Frage, ob von Seiten Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt Gewalt angewendet wurde.“ Brehme: „In meinem Beisein haben Sie nicht Gewalt angewendet, auch nicht viel drüber gesprochen. Und sie hoben sich von den anderen Kameraden dabei nicht [?] ab.“ [phon.] Götzl: „Was heißt das jetzt?“ Brehme: „Wir hatten Gewalttäter in den Reihen, da können Sie sich vorstellen, dass das öfter Thema war. Im Übergang von der Anti-Antifa Ostthüringen zum THS waren 1995 die Viktimisierungsvorgänge abgeschlossen, und irgendjemand hat das ja durchgeführt. Das war schon Thema in Saalfeld-Rudolstadt.“ Götzl: „Inwiefern haben sich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bei solchen Diskussionen eingebracht?“ Brehme: „Weder bei den Vorfällen noch den Diskussionen.“ Götzl: „Und Ralf Wohlleben?“ Brehme: „Auch nicht. Holger Gerlach und Carsten Schultze auch nicht. Carsten Schultze war ja eh später.“
Götzl: „Beim letzten Termin haben wir schon gesprochen über das Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe untereinander. Sie hatten gesagt, dass Beate Zschäpe auf Stammtischen gewesen sei, aber keine Entscheidungsträgerin, dass sie das auch gar nicht wollte. Woher wissen Sie Letzteres?“ Brehme: „Wir hatten auch Kameradinnen, die kamen zu mir, wie sie sich weiter einbringen könnten, in welche Partei eintreten. Solche oder ähnliche Äußerungen kamen von ihr nie.“ Götzl: „Jetzt hatten Sie die Anmeldung der Demo mit ‚Initiative Thüringer Heimatschutz‘ angesprochen, die Sie geärgert hat.“ Brehme: „Ja, das hat mich schon geärgert, weil die Wortwahl [phon.] nicht richtig war.“ Götzl: „Aber das ist ja schon eine Initiative von Beate Zschäpe.“ Brehme: „Sie hat sich bei uns nicht hervorgetan, sie war nicht Entscheidungsträgerin. Sie hatte die Demo in Jena angemeldet. Sie müssen dazu wissen, alle unsere Demonstrationen damals wurden verboten. Die letzte Demo, die ich angemeldet habe, gegen Demonstrationsverbote, wurde auch verboten.“ Götzl: „Aber die Entscheidung, eine Demonstration anzumelden ist wohl getroffen worden. “ Brehme: „Wir hatten Demos in Saalfeld, Gera, Jena und verschiedenen anderen Städten angemeldet und nirgendwo ist eine genehmigt worden. Da haben wir das ausgelagert. Erst später, aufgrund des Parteienprivilegs haben wir es dann geschafft, auch mal eine Demonstration genehmigt zu bekommen.“
Götzl sagt, es gehe ihm noch um eine andere Äußerung aus der letzten Einvernahme, da habe Brehme gesagt, dass Wohlleben im Laufe der Jahre in eine verantwortungsvolle Position geraten sei mit der Enttarnung von Brandt, da sei ein Machtvakuum entstanden und Wohlleben habe versucht, Brandt zu ersetzen: „Was ist damit gemeint?“ Brehme sagt, nach seiner Kenntnis sei Wohlleben Stadtteilrat geworden, vertrete die Bürger im Parlament, das sei ja eine verantwortungsvolle Position. An Tino Brandt sei vorher von allen Kreisen berichtet worden, dann sei der 2001 weggefallen und es seien Vertrauensbrüche entstanden, weil niemand mehr gewusst habe, wer auch VS-Spitzel ist. Dadurch sei ein Organisationsvakuum entstanden, und da seien andere Personen rein getreten, auch Wohlleben, aber nicht an vorderster Stelle. Es habe keine Person mehr gegeben, der alle vertraut haben und die auch bundesweit Ansehen hatte. Es habe ab dem Zeitpunkt kein geordnetes Vorgehen mehr gegeben, die einen seien in die NPD gegangen, in die Parlamente und hätten sich da engagiert, die anderen hätten sich aus der Szene zurückgezogen. Götzl: „Wer ist diese andere Person?“ Brehme: „Mit Namen habe ich es nicht so.“ Götzl sagt, dann solle Brehme die Person beschreiben. Brehme: „Wenn ich Fotos sehe, erkenne ich sie bestimmt.“ Götzl: „Sie können die Person namentlich nicht benennen?“ Brehme: „Mit Namen weiß ich nicht, nee.“
Götzl fragt, was mit „Machtvakuum“ gemeint sei und damit, dass Wohlleben versucht habe, Brandt zu ersetzen. Brehme: „Jeder sah seine Chance, in der Struktur nach oben zu kommen.“ Götzl: „Und welchen Weg hat Ralf Wohlleben genommen?“ Brehme: „Er ist in die demokratische Ebene gegangen, der Weg in die Parlamente.“ Götzl: „Was ist damit konkret gemeint: demokratische Ebene?“ Brehme: „Na, die Mitgliedschaft in der NPD.“ Götzl fragt, wie sich das im Bereich des THS ausgewirkt habe, dass ab Mai 2001 Tino Brandt weggegangen sei. Brehme: „Nachdem Brandt weggegangen ist, habe ich ab Mai 2001 die Abschlussverhöre geführt mit Brandt. Letzten Endes ist der THS danach erstmal inaktiviert worden.“ Götzl: „Erst einmal, und dann?“ Brehme: „Zunächst.“ Götzl: „Wie ging es weiter?“ Brehme: „2004, 2005 haben wir ihn wieder aktiviert, in anderer Struktur, das haben wir dann später wieder eingestellt.“ Das sei vielleicht 2006 gewesen, so Brehme auf Frage. Götzl fragt, wer da die Personen gewesen seien, wer in der Führungsebene gewesen sei. Brehme: „Wir hatten jeden Landkreis am Tisch damals, aber nach meinem Kenntnisstand möglicherweise auch weitere VS-Spitzel.“ Götzl: „Und Ihre Rolle?“ Brehme: „Ich habe das organisatorisch wieder geleitet.“
Götzl: „Hatte denn jetzt mit dem Weggang Tino Brandts Ralf Wohlleben nochmal eine Funktion im Rahmen des THS?“ Brehme: „Vorher nicht und dann auch nicht, nein. Mit der Inaktivierung des THS im Sommer 2001 sind andere Strukturen in den Vordergrund getreten. Wir wollten die Szene ja zur Bewegung bringen und stattdessen entstanden andere Subkulturen.“ Auf Nachfrage sagt Brehme: „Die Blood & Honour-Bewegung hat natürlich versucht Einfluss zu gewinnen.“ Götzl: „Haben Sie da eine Rolle gespielt?“ Brehme: „Nein. Ich muss sagen, dass das als Aktionsform für uns nicht akzeptabel war. Organisationen, die englische Namen haben, waren für uns nicht unterstützenswert. Gerade bei Begrifflichkeiten verstümmelt die Bedeutung, wenn man sie in anderen Sprachen ausdrückt. [phon.] Der THS hat sich ja auch für Umweltschutz eingesetzt und für die Erhaltung der deutschen Sprache.“ Nach kurzem Schweigen sagt Brehme: „Also auf den Punkt gebracht: Vor 2001 hatte Blood & Honour in Thüringen keinen Status.“ Götzl: „Und nach 2001?“ Brehme: „Kann ich nichts drüber sagen.“ Götzl: „Kannten Sie Personen aus Thüringen, die in Verbindung zu Blood & Honour standen, Mitglieder waren?“ Brehme: „Ja, sicher.“ Götzl: „Wen?“ Brehme: „Würde ich bestimmt auf Fotos erkennen.“ Götzl fragt nach Namen. Brehme: „Namen fallen mir nicht ein, aber es fallen mir Personen ein, die im Verdacht stehen, VS-Spitzel gewesen zu sein.“
Götzl: „Von wem sprechen Sie?“ Brehme: „IM Hagel oder VM Hagel.“ Götzl: „Kannten Sie die Person?“ Brehme: „Sicherlich, ja.“ Götzl: „Unter welchem Namen?“ Brehme: „Unter einem Spitznamen, denke ich.“ Götzl: „Ja, bitte, unter welchem?“ Brehme: „Kann ich so nicht mehr wiedergeben. Ich weiß nur, er war mir nicht vollständig namentlich bekannt, sondern nur mit Spitznamen. Das war aber nichts Unübliches, dass uns Kameraden aus anderen Orten nur mit Spitznamen bekannt waren. Nur in Saalfeld-Rudolstadt kannten wir die Kameraden mit Namen, Wohnort, teilweise Elternhaus usw. Da konnten wir jeden zurückverfolgen, aus welchem sozialen Umfeld er stammte. Aber außerhalb nicht.“ Götzl: „Sagt Ihnen Marcel Degner etwas?“ Brehme: „Wie gesagt, mit Namen habe ich es nicht so.“ Götzl: „Ich frage, ob Ihnen der Name etwas sagt.“ Brehme: „Ich habe den Namen jetzt gelesen im Laufe der Zeit, aber ob das die Person ist, die ich jetzt im Auge habe, weiß ich nicht.“
Götzl: „Sagt Ihnen ein Spiel ‚Pogromly‚ etwas?“ Brehme: „Ja.“ Götzl: „Was?“ Brehme: „Ich habe mich damals drüber aufgeregt, über die Wortwahl, die fand ich falsch, das spricht sich schwer aus. Ich dachte, um ein Massenspiel zu werden, ist das unpraktisch, müsste man das anders machen. Ich hätte noch ein O eingefügt, das hat wohl platzmäßig nicht geklappt.“ Er bejaht, es selbst mal gespielt zu haben, das sei, denke er, im Sommer 1998 gewesen. Götzl: „Mit wem und wo?“ Brehme: „Mit einem Kameraden.“ Götzl: „Das ist keine Antwort auf meine Frage.“ Brehme: „Der hat auch einen Spitznamen, Seifi [phon.].“ Götzl fragt nach dem Familiennamen. Brehme: „Weiß nicht, wie der geschrieben wird, aber phonetisch Se.“ Er verneint die Frage, ob noch jemand dabei gewesen sei. Götzl: „Woher hatte er das Spiel?“ Brehme: „Ich denke, von Brandt.“ Götzl: „Wie kommen Sie zu der Aussage?“ Brehme: „Reine Vermutung.“ Götzl: „Wie kommen Sie auf die Vermutung?“ Brehme: „Ich hatte es nicht von Brandt, Seifi [phon.] hatte es nicht von mir, er konnte es also nur von Brandt haben. [phon.] Es war im Umlauf, aber nicht viele. Ich denke, es waren Probespiele und es ging auch wieder weg von uns. Wir haben es gespielt, getestet, den Spielwert getestet und dann ging es weg von uns.“ Götzl: „Hatten Sie Informationen, woher das stammte?“ Brehme: „Nein, da gab es keine Informationen. Es sollte wohl im Verkauf 100 DM kosten und angeblich wäre es in Spanien produziert worden.“ Götzl: „Woher stammte diese Information?“ Brehme: „Gute Frage. Von Brandt.“ [phon.]
Götzl: „Thema Waffen. Haben Sie selbst Erfahrungen mit Waffen?“ Brehme: „Ich habe gedient, ja.“ Götzl: „Haben Sie an Schießübungen teilgenommen?“ Brehme: „Sicherlich.“ Götzl: „Bei welchen Gelegenheiten?“ Brehme: „Bei der Bundeswehr, beim Schützenverein.“ Götzl: „Kam es auf der Südafrika-Reise auch zu Schießübungen?“ Brehme: „Das kann möglich sein, ja.“ Götzl: „Wir haben hier André Kapke gehört, der hat hier angegeben, dass dort auf Blechbüchsen geschossen worden wäre, Sie und er.“ Brehme: „Kann möglich sein.“ Götzl: „Konkrete Erinnerung?“ Brehme: „Nein. Aber wenn es eine Möglichkeit gab, habe ich sicher nicht Nein gesagt. Wer rastet, der rostet.“ Von Senat und GBA gibt es keine Fragen. Götzl möchte der Verteidigung Wohlleben das Fragerecht erteilen, zuvor sagt aber Brehme ungefragt: „Eine Sache noch zu den Schießübungen: Ich habe mehrfach gelesen, dass Brandt an Schießübungen teilgenommen hätte, das kann ich ausschließen, auch nicht in Milbitz [phon.], auch nicht auf einem Grundstück in Kahla.“ RAin Schneiders bittet um eine kurze Unterbrechung zur internen Besprechung. Um 15:55 Uhr geht es weiter.
RA Nahrath: „Wie war Ihre Haltung zur Presse und Medien?“ Brehme: „Anfangs natürlich neutral-positiv, aber die Erfahrungen der damaligen Zeit haben dazu geführt, dass wir uns weiter zurückgezogen haben.“ [phon.] Nahrath: „Darf ich daraus schließen, dass sich eine ablehnende Haltung entwickelte?“ Götzl: „Das ist eine Suggestivfrage.“ Nahrath: „Ziehe zurück. War es bei Tino Brandt auch so mit der Haltung wie von Ihnen beschrieben?“ Brehme: „Ja. Aber Brandt wollte auch im Mittelpunkt stehen, hatte einen Haus- und Hofjournalisten.“ Er verneint, dessen Namen zu kennen. Brehme bejaht, dass er gesagt habe, Brandt und er selbst seien der THS gewesen und bei ihnen sei die zentrale Meldestelle gewesen. Nahrath: „Von wem kam die Idee?“ Brehme: „Von wem die Idee kam, kann ich nicht sagen, aber die Notwendigkeit ergab sich.“ Es habe die Erfahrung gegeben, dass Informationen oft versackten. Daher habe er selbst die Informationssammlung übernommen und die Verwendung habe Brandt übernommen. Daher habe der auch den Haus- und Hofjournalisten gehabt. Nahrath fragt, ob Brehme Informationen weitergeleitet habe und wenn ja an wen. Brehme: „Ich habe vorher abgewogen. Wenn ich die Gefahr sah, dass Körperverletzungen oder Viktimisierungsprozesse drohten, dann nicht.“ [phon.] Nahrath: „Hatte Tino Brandt Zugang zu Ihren Infos?“ Brehme: „Er brauchte mich nur fragen.“ Nahrath: „Hat er das gemacht?“ Brehme: „Ja.“
Nahrath: „Sie waren weisungsgebunden gegenüber Brandt?“ Brehme: „Ja, er war Vorgesetzter in der Hierarchie, deswegen habe ich Informationen an ihn weitergeleitet.“ Nahrath: „Hat er Ihnen mal Weisungen erteilt?“ Brehme: „Sicherlich.“ Nahrath fragt nach Beispielen. Brehme sagt, er wisse keine. Nahrath fragt, ob Brehme von Brandt Informationen bekommen habe, ob die Bombenattrappen der rechten Szene zugeordnet wurden. Brehme: „Die wurden nur von der Presse der rechten Szene zugeordnet.“ Nahrath: „Und aus Ihrem Kreis?“ Brehme: „Da wurde ja in Saalfeld-Rudolstadt jemand dafür verurteilt.“ Nahrath: „Missverstanden. Haben die Informationsgeber Ihnen mitgeteilt, wer das der rechten Szene zuordnet?“ Brehme: „Hätte so sein können.“ Nahrath: „Gab es bei Ihnen, Brandt und anderen eine andere Bezeichnung für Blood & Honour?“ Brehme: „Es gab noch die Jugendorganisation, aber die haben wir Blood & Honour zugeordnet.“ Nahrath: „Gab es eine spöttische Abkürzung?“ Brehme: „Meines Wissens nicht. Mich hat nur der englische Name gestört. Hätten wir eine Skinheadbewegung gebraucht, hätten wir die selbst gegründet.“
Wohllebens RA Klemke: „Sind Ihnen Informationen bekannt geworden, dass gezielt Gewalt gegen Ausländer eingesetzt wurde?“ Brehme: „Solche Informationen wären an mich gekommen, kamen aber keine. Weder als Weisung noch als später Meldung.“ Klemke: „Demonstrationen angemeldet, die seien alle verboten worden. Gab es auch Themenbezeichnungen, mal ein Motto, was sich befasste schwerpunktmäßig mit Ausländer- oder Asylpolitik?“ Brehme: „Konkret kann ich mich nicht erinnern, kann aber sein. Unter meinem Namen nicht.“ Brehme: „Haben Sie Kenntnis davon?“
Brehme: „Nein.“ Klemke: „Sagt Ihnen der Spucki, Aufkleber ‚Bratwurst statt Döner‘ etwas?“ Brehme: „Wir hatten mehrere, die Erstellung hat Brandt gemacht. Wir hatten erst Aufkleber von anderen Organisationen mit deren ViSdP, dann mit ‚Anti-Antifa Ostthüringen‘ und THS jeweils mit eigenem ViSdP. Dabei auch das genannte.“ Klemke fragt, ob bei der ‚Anti-Antifa‘ oder beim THS. Brehme: „Beides. Die Motive wiederholten sich.“ Klemke fragt, ob man den von anderen übernommen habe oder er eine Eigenkreation gewesen sei. Brehme: „Brandt hat das eingebracht. Weiß nicht, ob das andere Gaue auch verwendet haben, die Franken vielleicht noch, aber ich vermute, das war eine Thüringer Erfindung.“ Klemke: „Sie hatten vorhin erwähnt, dass Herr Wohlleben in Bezug auf das nicht zustande gekommene Interview mit dem Stern zweimal die Rolle eines Boten gespielt habe. Erstes Gespräch, wo Herr Wohlleben beteiligt gewesen sei: Hat Herr Wohlleben sich irgendwie in Bezug auf dieses Interview geäußert?“ Brehme sagt, er habe keine Erinnerung, er habe nur gelesen, dass Wohlleben dafür war.
NK-Vertreterin RAin Lunnebach: „Haben Sie seit dem Auffliegen …“ Brehme unterbricht: „Ihren Namen bitte!“ Lunnebach: „Haben Sie seit dem Auffliegen des NSU …“ Brehme will den Namen von Lunnebach wissen. Götzl: „Jetzt fragt die Rechtsanwältin Lunnebach.“ Der Zeuge ist in der Zwischenzeit aufgestanden und hat sich in die Richtung der NK gedreht, er wolle „in die Augen schauen“. Dann setzt er sich wieder und sagt: „Ich kann jedem in die Augen schauen, ich weiß nicht, ob die Nebenkläger das können [phon.], die Reihen lichten sich ja.“ Der Zeuge fragt weiter nach dem Namen. Götzl teilt es ihm noch einmal mit. Der Zeuge schreibt etwas auf. Auf Frage, was er aufgeschrieben habe: „Ihren Namen.“ Lunnebach: „Hatten Sie Kontakt zu Frau Schneiders seit dem Auffliegen des NSU?“ Brehme bejaht das. Lunnebach: „Welchen Kontakt zu Frau Schneiders hatten Sie seit dem Auffliegen des NSU?“ Brehme: „Frau Schneiders ist mir aus dem Vorfeld bekannt aus Jena. Aus ihren Jenaer Studentenjahren. Und nach dem Auffliegen des so genannten NSU habe ich sie, ich denke, einmal getroffen.“ Lunnebach: „Wollen Sie mir das schildern?“ Brehme: „Ich denke, wir hatten telefonisch Kontakt miteinander und dann haben wir uns getroffen.“ Lunnebach: „Haben Sie über den Prozess gesprochen?“ Brehme: „Nein.“ Lunnebach: „Worüber?“ Brehme: „Über Kinder.“ Lunnebach: „Und seit der Zeugenladung haben Sie nicht mehr mit ihr gesprochen?“ [phon.] Brehme: „Korrekt.“
Lunnebach: „Und zu Herrn Klemke?“ Brehme: „Wurde mir auch bei diesem Gespräch vorgestellt.“ Lunnebach: „Wann war das?“ Brehme: „Ich denke, so 2012.“ Lunnebach: „Wo war das?“ Brehme: „Ich denke, in einer Gastwirtschaft oder Hotel oder so.“ Lunnebach: „Sie haben sich mit Herrn Klemke und Frau Schneiders in einer Gastwirtschaft getroffen und da haben Sie über Kinder gesprochen?“ Brehme: „Ja.“ Lunnebach: „Und über den Prozess nicht?“ Brehme: „Richtig.“ Lunnebach: „Und Rechtsanwalt Nahrath, haben Sie den getroffen seit Auffliegen des NSU?“ Brehme: „Herr Nahrath ist mir namentlich bekannt von früher. Ihn hab ich so nicht getroffen, kann mich nicht dran erinnern.“ Lunnebach: „Sie haben zum THS gesagt, dass er aus zwei führenden Mitgliedern bestand, Ihnen und Tino Brandt?“ Brehme: „Richtig.“ Lunnebach: „Und auf die Nachfrage nach den Mitgliedern sind Sie eine Antwort schuldig geblieben.“ Brehme: „Tut mir leid.“ Lunnebach: „Meine Frage, ich weiß, dass es eine Wiederholungsfrage ist: War Ralf Wohlleben Mitglied des THS?“ Brehme „Es gab keine Mitglieder des THS.“ [phon.] RA Klemke beanstandet die Frage, es sei eine Wiederholungsfrage mit Ankündigung, das sei Missachtung des Gerichts.
Götzl sagt zu Lunnebach: „Wenn Sie nichts Neues reinbringen, erfolgt die Beanstandung zu Recht.“ Lunnebach: „Wenn hier Ruhe einkehrt, kann ich das erklären.“ Götzl: „Ich hab keine Unruhe reingebracht.“ Lunnebach: „Ich habe Rechtsanwalt Klemke gemeint.“ Götzl reagiert ungehalten. Lunnebach fragt Brehme: „Sie sagten, Ralf Wohlleben gehörte nicht zur Führung, er war weisungsgebunden. Gab es Personen, die Ihnen gegenüber weisungsgebunden waren, aber nicht Mitglieder des THS?“ Brehme: „Ja.“ Lunnebach hält vor, dass Brehme beim letzten Mal angegeben habe, nicht jede Struktur habe sich jedem Mitglied erschlossen, es habe Strukturen gegeben und einfache Mitglieder, ohne Verantwortung, aber ohne Einfluss, auf die einfache Teilnahme am Stammtisch könne man nichts geben. Lunnebach: „Dieser Antwort entnehme ich, es gab einfache Mitglieder, wer waren die?“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl beanstandet, es handele sich nicht um eine Frage, sondern um eine Erklärung. Lunnebach: „Ich knüpfe an die Antwort des Zeugen an, da spricht er von einfachen Mitgliedern des THS ohne Verantwortung, ich frage, wer das war.“
Götzl sagt zu Brehme: „Bitte antworten Sie.“ Brehme: „Damals stand der THS vor einem Verbot. Als Brandt aufflog, hat sich mir die Frage gestellt, ob ich der einzige bin, dem das Verbot zugestellt wird. Daraus ersehen Sie, dass ich keinen als Mitglied gesehen habe. [phon.] Die Teilnahme an Stammtischen, Demonstrationen implizierte keine Mitgliedschaft, es gab keine Mitgliedsbeiträge, Ausweise, Listen. Es war eine Art Netzwerk ohne Mitgliedschaften. Die Presseorgane und die Behörden haben dem THS-Mitgliedschaften angedichtet. [phon.]“ Lunnebach wiederholt den Vorhalt und fragt, was damit gemeint sei. Brehme: „Die Informationen sind bei mir zusammengeflossen. Wenn die Informationen bei mir und Brandt ankamen, sind die nicht bei jedem angekommen. Das mit den Sektionen kam nicht von uns.“ Lunnebach fragt, was dann mit „Mitglied“ gemeint sei. Brehme: „Ich meinte damit: Mitglied der Szene in Thüringen.“
NK-Vertreter RA Langer: „Zum Mitschreiben: Langer ist mein Name. Sie haben gesagt, 2004, 2005 sei der THS wieder aktiviert worden in anderer Struktur. Wer war jetzt Weisungsgeber und wer weisungsgebunden?“ Brehme: „Ich habe das ins Leben gerufen und geleitet. Wir haben versucht, gauweit alle Vereinigungen und Zusammenschlüsse an einen Tisch zu holen. Da war Brandt nicht dabei, weil er aufgeflogen war als Spitzel. Und man kann nicht dieselben Strukturen nutzen wie 1995. Das sind ganz andere Leute gewesen.“ Langer: „Wie war 2004/ 2005 die Rolle von Ralf Wohlleben und André Kapke?“ Brehme: „Die waren nicht eingebunden.“ Langer: „Haben Sie für den neuen THS 2004, 2005 einmal Erklärungen in der Öffentlichkeit abgegeben?“ Brehme: „Nein.“ Langer möchte aus einer E-Mail von Wohlleben an Brehme vorhalten, die auf einer Festplatte gefunden worden sei Klemke fordert, dass der Text zuvor herausgegeben werden müsse. Es folgt eine Unterbrechung zum Kopieren. Um 16:25 Uhr geht es weiter.
Vorhalt: Von Ralf Wohlleben an Mario Brehme, Betreff „10 Jahre THS-Erklärung“, 20.09.2004. Text: „Hallo Mario Ralf, da Du bisher auf Andrés E-Brief noch nicht geantwortet hast, möchte ich Dir zum im Betreff genannten Thema noch einmal schreiben. Wie Dir vielleicht aufgefallen ist, haben wir Deinen Artikel auch von der NPD-Hauptseite wieder entfernen lassen. Wir finden es eine ungehörige Frechheit, dass Du als Einzelperson im Namen des Thüringer Heimatschutzes schreibst. Wir haben aus diesem Grund vor, eine Erklärung zu veröffentlichen, in welcher wir erst einmal festhalten wollen, dass Du nicht im Namen des THS Erklärungen veröffentlichen darfst. Des weiteren wollen wir veröffentlichen, dass Du aufgrund Deines destruktiven Verhaltens in THS-Kreisen nicht mehr erwünscht bist.“ Langer: „Dann folgt noch mehr und am Ende: ‚Gruß Ralf‘. Sie sagten, dass Sie keine Erklärungen für den neuen THS abgegeben hätten?“ Brehme: „Ich habe keine Presseerklärungen abgegeben, das ist korrekt.“ Langer: „Nach Presseerklärungen hatte ich nicht gefragt.“ Brehme sagt, sonstige Erklärungen nach außen seien ihm nicht bekannt. Langer: „Sie sagten, Ralf Wohlleben und André Kapke seien nicht eingebunden gewesen in THS?“ Brehme: „Erschließt sich doch aus dem Brief.“ Langer: „Es sieht hier so aus, als würden Sie von denen gemaßregelt.“ Brehme: „Das ist das, was ich mit Machtvakuum meinte.“ Langer: „Also Sie bleiben dabei, dass die keine Rolle im THS spielten?“ Brehme: „Ja, wie sich aus der Email eindeutig ergibt.“
RA Narin: „Herr Zeuge, mein Name ist Narin.“ Im Publikum kommt kurz etwas Gelächter auf. Götzl fordert, das zu unterlassen. Narin: „Woher wussten Sie von der Absicht, den THS zu verbieten?“ Brehme sagt, das sei mehrfach vom Innenminister und vom LKA-Chef geäußert und gefordert worden, schon 1996/97 und später sei Thüringen in Zugzwang gekommen und es habe dort niemand zur Verfügung gestanden, den man ansonsten hätte verbieten können. Narin: „Seit wann wussten Sie, dass Brandt V-Mann war?“ Brehme: „Gute Frage. Pressemäßig habe ich es erfahren am 12.05.2001, es stand früh in der Zeitung und ab 08:00 Uhr wurde es im Radio verbreitet. Ich habe Brandt sofort kontaktiert, ihm gemeldet, welche Pressehetze gegen ihn vorgeht, habe mich abends mit ihm in Rudolstadt getroffen.“ In den folgenden Tagen habe es mehr in den Medien gegeben, in der Thüringer Allgemeinen, auch ein Anhörung im Landtag. Brehme: „Bis zu dem Zeitpunkt hat Brandt mir gegenüber jede Spitzeltätigkeit geleugnet. Er hat es mir erst gestanden am 18. Mai 2001. Zu dem Zeitpunkt waren die Pressemeldungen so erheblich, dass weder das Innenministerium noch Brandt es leugnen konnten.“
Narin fragt, ob es vorher mal Spekulationen gegeben habe. Brehme: „Es gab in den Jahren zuvor mal Presseberichterstattung …“ Brehme unterbricht sich und sagt: „Also, ganz ehrlich, das ist so nichts. Der Zeuge wird hier in seinem Rücken befragt und das ist für eine freiheitliche Zeugenbefragung kein Ausgangspunkt [phon.].“ Der Zeuge steht auf, dreht sich in Richtung NK und damit mit dem Rücken zum Gericht. Götzl fordert ihn auf, sich wieder hinzusetzen. Brehme: „Das geht so nicht, dann bauen Sie meinetwegen den Gerichtssaal um, ist mir egal.“ Dann sagt er: „Es gab Jahre vorher in Südthüringen einen Presseartikel. Da wurde Brandt als V-Mann bezeichnet. Daraufhin hat das Innenministerium, das weiß ich von Brandt aus den Abschlussverhören, alle Presseorgane nach Erfurt bestellt und sie angewiesen, darüber nicht zu berichten. Mit der Begründung: Die Sicherheit des Freistaates Thüringen ist in Gefahr. Damit hat auch niemand das Thema aufgegriffen. Brandt und eine weitere Person, damals aus Gera, stand da. Brandt hat das angesprochen und als reine Pressehetze abgetan. Das ist auch der Hintergrund, dass ich mich Mai 2001 gleich bei Brandt gemeldet habe, um ihm mitzuteilen, dass das wieder losgeht.“
Narin: „Wurden Sie während der Zeit bei der Bundeswehr mal vom MAD angesprochen?“ Brehme: „‚Angesprochen‘ ist gut. Ich wurde verhört, mehrere Stunden. Soll ich das darlegen?“ Narin: „Bitte.“ Brehme sagt, er sei am 01.07.1996 eingezogen worden nach Traunstein, und nennt die Einheit. Damals seien alle Wehrdienstleistenden angehalten worden, Verlängerungsanträge frühzeitig einzureichen. Damals sei die verkürzte Ausbildungszeit gewesen. Er habe diesen Antrag auch gestellt. Dann sei er draußen auf Übung gewesen und sei in die Kaserne gerufen worden, weil der Batteriechef ihn sprechen wolle. Brehme: „Der hat gleich den Raum verlassen. Es saßen zwei Personen in zivil da. Der eine hat nur Fragen gestellt, der andere nur mitgeschrieben. Die ersten 20 Minuten war nur Aufklärung, welche Aufgaben der MAD hat. In den restlichen Stunden [phon.] haben sie versucht, die Thüringer Szene zu erschließen. Die erste Frage war, ob ich Brandt kenne. Dazu habe ich wahrheitsgemäß gesagt, dass er nicht Angehöriger der Bundeswehr war und deswegen nicht in deren Aufgabengebiet.“ Narin fragt, ob Brehme auch zu den drei Untergetauchten befragt worden sei. Brehme: „Nein.“
Narin hält vor, dass es im Bericht der Schäfer-Kommission eine Frage an Brandt gebe, ob es weitere V-Leute gebe. Vorhalt der Antwort: Der MAD hatte auch einen V-Mann, der war aus Rudolstadt und machte Offizierslaufbahn. Narin fragt, ob Brehme die Offizierslaufbahn gemacht habe. Brehme: „Ich habe den Antrag gestellt auf Verlängerung [phon.], dann Offiziersanwärter, später auf Reserveoffizier, alle wurden nachteilig beschieden von 1996 bis bis 2000. Ich befand mich innerhalb der Wehrpflichtzeit immer mit den Offiziersanwärtern zusammen, denn ich wurde denen zugeteilt.“ Narin: „Waren Sie mal als Informant tätig für MAD oder Verfassungsschutz?“ Brehme berät sich mit seinen Zeugenbeistand. Narin wiederholt mehrfach: „Herr Zeuge?“ Klemke beanstandet die Frage, weil Brehme, wenn die Antwort positiv sein sollte, sie nicht beantworten könne mangels Aussagegenehmigung. Götzl: „Dann kann er das ja sagen.“ Brehmes Zeugenbeistand RA Böhmer: „Er kann die Frage nicht beantworten aus den genannten Gründen.“ Narin: „Wenn er nicht Informant war, dann kann er die Frage ohne Weiteres beantworten, deshalb beharre ich darauf.“ Götzl fragt nach Stellungnahmen zu der Beanstandung. OStA Weingarten: „Wir wissen nicht, ob der Zeuge die Frage beantworten darf oder nicht. Es besteht ja auch die Möglichkeit, dass er für die Beantwortung keine Genehmigung braucht, Selbstverständlich ist die Frage zulässig, wie darauf geantwortet wird muss er schon selber wissen.“ [phon.]
Klemke: „Der Zeugenbeistand hat die Erklärung abgegeben, dass er das mangels Aussagegenehmigung nicht beantworten kann.“ Götzl: „Das habe ich nicht gehört.“ Böhmer: „Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe, er kann die Frage aus den eben genannten Gründen nicht beantworten. Soll ich es noch einmal sagen?“ Götzl: „Sie müssen jetzt nicht mir so kommen.“ Böhmer werde hier auch höflich behandelt, so Götzl weiter, Böhmers Verhalten sei nicht in Ordnung. Böhmer: „Man muss nicht alles so aufbauschen.“ Götzl: „Ich bausche hier nichts auf.“ Brehme: „Ich bedanke mich für die Frage, das ist eine sehr wertvolle Frage. Möglicherweise gibt es andere Fragen aus diesem Bereich, daher bitte ich darum, Aussagegenehmigungen aller Geheimdienste der BRD einzuholen.“ Götzl: „Wir stellen diese Frage mal zurück. Gibt es weitere?“ Narin: „Bei wem soll ich die Genehmigung einholen?“ Brehme: „Bei allen Geheimdiensten der BRD.“ RA Stahl: „Der Zeuge hat eine Frage gestellt bekommen, die Bundesanwaltschaft hat gesagt, dass sie zulässig ist. Der Zeuge mag sie jetzt beantworten. Die Bühne, die sich der Zeuge hier herausnimmt, stört mich persönlich.“
Brehme und Böhmer beraten sich. Böhmer: „Die Frage wurde beanstandet, der Generalbundesanwalt hat Stellung genommen, jetzt muss das Gericht entscheiden. Gerade ist gesagt worden, die Frage wird zurückgestellt, was muss man da jetzt dazwischen gehen?“ Götzl: „So schnell sind wir nicht. Dann holen wir doch mal Stellungnahmen von den Verfahrensbeteiligten ein und dann schauen wir weiter. Herr Brehme, Sie sind jetzt nicht dran!“ Narin: „Ich halte die Frage weiterhin aufrecht.“ Götzl: „Sonst noch Stellungnahmen?“ Stahl: „Ich möchte das gerade ergänzen. Der Zeuge hat für mich erkennbar einen diebischen Spaß dran, Bemerkungen loszutreten, wie: ‚Holen Sie Erklärungen bei allen Geheimdiensten ein.‘ Es kann nicht richtig sein, was sich der Zeuge hier herausnimmt.“ Klemke: „Eben ist Gelegenheit gegeben worden, zur Zulässigkeit der Frage Stellung zu nehmen. Es geht nur um eins gerade: um die Zulässigkeit der Frage. Und von daher kann ich die Äußerung des Kollegen nicht nachvollziehen.“ Götzl: „Ja, ich habe den Zeugen so verstanden, dass er sich darauf beruft, dass er eine Aussagegenehmigung braucht.“ Narin: „Berufen Sie sich auf den Umstand, dass Sie eine Aussagegenehmigung brauchen, um auszusagen?“ Klemke: „Die Frage ist beanstandet. Im Übrigen hat der Zeuge diese Frage bereits beantwortet, dass er nämlich eine Aussagegenehmigung benötigt. Die Frage ist also beantwortet und von daher beanstande ich sie.“ Der Senat berät sich kurz untereinander.
Böhmer: „Der Zeuge hat nicht gesagt, er braucht eine Aussagegenehmigung. Ich habe für ihn gesagt, er kann die Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten unter dem Gesichtspunkt einer Aussagegenehmigung.“ Götzl:“ Nein: ‚aus den soeben genannten Gründen‘.“ Böhmer: „Unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Aussagegenehmigung kann er die Frage weder mit Ja noch Nein beantworten.“ NK-Vertreter RA Hoffmann: „Der Zeuge hat sich eben nicht in der notwendigen Form darauf berufen, dass er die Frage nicht beantworten kann. Sein Zeugenbeistand hat verwiesen auf die Angaben von Rechtsanwalt Klemke. Der Zeuge selbst hat deutlich gemacht, dass ihm das nicht wichtig ist, indem er gesagt hat, holen Sie Aussagegenehmigungen aller Geheimdienste ein. Er hat also nicht gesagt, dass er gegen eine Schweigeverpflichtung verstoßen würde, sondern deutlich gemacht, dass es ihm darum geht, das Gericht ins Bockshorn zu jagen.“ Klemke: „Der Zeuge muss sich nicht auf eine fehlende Aussagegenehmigung berufen, es ist Aufgabe des Gerichts, eine solche erforderlichenfalls einzuholen. Die fehlende Aussagegenehmigung führt nämlich zu einem Beweiserhebungsverbot.“ Böhmer: „Das Problem liegt darin, wenn er sagt, er braucht eine Aussagegenehmigung, dann hat er bereits bestätigt, dass er in staatlichen Diensten steht oder gestanden hat und eine nachdienstliche [phon.] Pflicht hat. Wenn er sie mit Nein beantwortet, kann es sein, dass er die Unwahrheit gesagt hat.“ [phon.] Es folgt eine Unterbrechung bis 17:11 Uhr. Danach sagt Götzl: „Herr Brehme, Sie müssen noch einmal erscheinen. Wir unterbrechen für heute.“ Brehme und Böhmer verlassen den Saal. Dann sagt Götzl: „Der morgige Termin, also der 15.10.2015, entfällt im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch.“ Der Verhandlungstag endet um 17:15 Uhr .
Das Blog „nsu-nebenklage“:
„Einziger Zeuge war […] Mario Brehme […]. Der präsentierte sich auch heute als überzeugter Neonazi, der frech und pseudo-wortgewandt auftrat. Inhaltlich gab er sich alle Mühe, den Fragen des Vorsitzenden auszuweichen, betrieb dies bis weit über die Grenze der Lächerlichkeit hinaus. So wiederholte er auf die Frage nach Mitgliedern des THS ständig, das seien nur er und der V-Mann Tino Brandt gewesen, mehr Mitglieder habe es nicht gegeben. Dabei beschrieb der Zeuge den THS als Unterorganisation der ‚Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front‘ (GDNF). THS-Chef Brandt sei dieser gegenüber weisungsgebunden gewesen, er selbst habe Anweisungen von Brandt erhalten, alle weiteren ‚Kameraden‘ im THS-Netzwerk, also in den lokalen Kameradschaften, die sich im THS vereinigten, seien ihnen unterstellt gewesen. Insbesondere Ralf Wohlleben stellte er zum einen als unbedeutenden Nazi dar, der nicht einmal Mitglied des THS gewesen sei, zum anderen als jemand, der Gewalt absolut abgelehnt habe. Die Unglaubhaftigkeit stand seiner Aussage insgesamt allerdings derart ins Gesicht geschrieben, dass dieser Versuch Wohlleben in Schutz zu nehmen scheitern muss. […] Ansonsten nutzte Brehme erneut jede Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, dass er weiterhin ein überzeugter militanter Neonazi ist. So antwortete er etwa auf die Frage, ob er an Schießübungen teilgenommen habe: ‚Wenn es die Möglichkeit gab, hab ich sicher nicht Nein gesagt. Wer rastet, der rostet.‘ Und an dem menschenverachtenden antisemitischen Spiel ‚Pogromly‘ hatte ihn nach seinen Angaben ‚die Wortwahl‘ aufgeregt, ‚Ich fand, der Name spricht sich schlecht aus‘, er sei daher für ein Massenspiel schlecht geeignet gewesen. ‚Ich hätte noch ein O eingefügt, aber das passte wohl platzmäßig nicht mehr.‘ […] Außerdem teilte der Vorsitzende zur Überraschung aller Beteiligten mit, dass der Verhandlungstag morgen […] ausfällt. Ganz davon abgesehen, dass es gegenüber den zum Teil weit angereisten Verfahrensbeteiligten ein sehr schlechter Stil ist, eine solche Entscheidung ganz am Ende der Verhandlung mitzuteilen: es ist keinerlei Grund ersichtlich, warum man den Termin morgen ausfallen lassen musste. […] [D]ie Strafprozessordnung erlaubt es ohne weiteres, nach einem Befangenheitsgesuch noch einen weiteren Tag weiter zu verhandeln. Es verstärkt sich mehr und mehr der Eindruck, dass das Gericht die Beweisaufnahme derzeit nur mit halber Kraft betreibt – über die Hintergründe hierfür ließe sich nur spekulieren.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/10/14/14-10-2015/