Am heutigen Verhandlungstag geht es vor allem um Auswertungen von Kartenmaterial und Ausspähnotizen, die in der Frühlingsstraße in Zwickau gefunden wurden. Zwei Beamt_innen des BKA, die mit der Auswertung der entsprechenden Asservaten betraut waren, werden nach Vorgehensweise und Ergebnissen befragt.
Zeug_innen:
- Detlev Ku. (ehemals BKA Meckenheim, zur Auswertung des in der Frühlingsstraße aufgefunden Kartenmaterials)
- Jeanette Pf. (BKA, zur Auswertung des in der Frühlingsstraße aufgefunden Kartenmaterials)
Der Prozesstag beginnt um 09:51 Uhr. Als Zeuge ist Detlev Ku. geladen. Der Zeuge war bis 31.07.2014 Vollzugsbeamter beim BKA Meckenheim und befindet sich aktuell im Ruhestand. Es geht um die Auswertung von Asservaten, Kartenmaterial und Adressdaten. Der Zeuge gibt an, im Brandschutt der Frühlingsstraße 26 in Zwickau seien eine DVD und ein USB-Stick jeweils mit Adressenmaterial gefunden worden. Dieses sei vom Technikbereich für die Recherche aufbereitet worden. Es seien 19 Adressen aus Kiel und ein Stadtplan der Stadt Kiel mit 19 Ziffern zusammengeheftet worden. Im Stadtplan seien zwei Rechtecke eingezeichnet gewesen, dazu habe es Vergrößerungen in den Koordinaten S1, links der Kieler Förde, wo der Landtag ist, gegeben und in S2, östlich der Kieler Förde, wo sich Werften und Wohnungen der Arbeiterschaft befinden. Der Auftrag sei gewesen, die Adressen auf DVD und USB-Sticks mit den Eintragungen von Kiel und mit Straftaten in Kiel abzugleichen. Er sei beauftragt, worden, sich mit den Adressenliste von 1-19 und dem Kartenmaterial aus Kiel zu befassen. Sie sollten prüfen, ob sich zu den Orten rechtsmotivierte Straftaten zuordnen ließen. Die Liste sei deckungsgleich mit Eintragungen in den Stadtplänen gewesen. Ein Abgleich der Adressen mit dem Infosystem der Polizei sei aber zunächst negativ verlaufen.
Im Kartenmaterial habe es Unterstreichungen und Pentagramme gegeben. Das Pentagramm sei ein uraltes Zeichen, was schon im Orient verwendet worden sei, oder im militärischen Bereich Kennzeichen militärischer Fahrzeuge. Für ihn sei das nicht erklärbar gewesen. Die Adressen seien Einrichtungen islamistischer, türkischer, aber was ihn erstaunt habe, auch christlicher Einrichtungen gewesen, die ja nicht so in das Aktionsspektrum im rechtsextremistischen Bereich gehörten. Weiter seien sieben Einrichtungen der CDU enthalten gewesen, was ihn schon etwas verwundert habe. Über die Ergebnisse der daktyloskopischen und die DNA-Untersuchung des LKA Kiel sei ihm nichts bekannt, da er wieder aus dem Bereich herausgenommen worden sei.
Es folgt die Inaugenscheinnahme der Asservate. Der Zeuge gibt als Datum den 04.09.2005 an, man sehe die Adressen von zwei islamistischen Kulturvereinen. Als Götzl ihn darauf hinweist, dass er zum zweiten Mal den Begriff “islamistisch” verwende, reagiert Detlev Ku.: “Ok, sagen wir so: orientalisch, osmanisch, von den Räumlichkeiten Nordafrika bis Naher Osten. Wir haben also mehrere Einrichtungen unserer Mitbürger, die eine andere Herkunft als das deutsche Volk haben.” [Große Empörung oben wie unten]. RA Klemke beschwert sich, dass Götzl nicht für Ruhe sorgt. Der Zeuge fährt in seinen Ausführungen fort. Man könne feststellen, dass die Mehrzahl der aufgeführten Anschriften möglicherweise Ziel eines rechtsextremistischen Handelns hätten sein können. Die erste Überprüfung hätte aber ergeben, dass diese Anschriften nicht Zielobjekt rechtsextremistischen Handelns gewesen seien, in welcher Form auch immer.
Ein weiteres Asservat wird in Augenschein genommen. Das sei zunächst die Gesamtübersicht der Karte der Stadt Kiel, gibt der Zeuge an. In beiden Rechtecken sei eine ähnliche Anzahl von Eintragungen zu sehen. Rechts seien starke Wohnbereiche der Arbeitnehmerschaft, während sich in dem nördlichen anderen Teil die Einrichtungen der Landespolitik befänden. Im Rechteck S1 seien teilweise Unterstreichungen und hinzugefügte Hausnummern zu sehen, diese hätten sie abfragen können. Der Zeuge weist auf den Eintrag “DKP” hin. Im Ausschnitt S2 seien auch Eintragungen von Ziffern zu sehen, die teilweise umkreist worden seien. Der Zeuge wiederholt sein Erstaunen über die Pentagramme, die er nicht habe deuten können.
Die Frage des NK-Vertreters RA Matt, ob neben der Auswertung des Kartenmaterials auch Ortsbesichtigungen stattgefunden hätten, verneint der Zeuge. NK-Vertreter RA Daimagüler möchte genauere Angaben zu der Aussage, dass diese Adressen nicht Zielobjekt rechtsextremistischer Straftaten gewesen seien. Detlev Ku. führt aus, die Abfrage im Datensystem der Polizei sei von 2005 bis zum Datum der Berichtsfassung 2011 erfolgt. Es habe sich keine Straftat gegen diese Objekte oder Personen in diesen Objekten feststellen lassen. Daimagüler will wissen, ob mit den Betreiber_innen der Einrichtungen, den Vorsitzenden der Vereine etc. gesprochen worden sei. Darüber und über weitere Ermittlungen lägen ihm keine Erkenntnisse vor, berichtet der Zeuge. Auch die Frage, ob die Personen informiert worden seien, dass sie auf der Liste stünden, kann der Zeuge mangels Informationen nicht beantworten. Es sei Eilbedürftigkeit gegeben gewesen, ob für die 19 Anschriften in Kiel rechtsextremistische Straftaten vorgelegen hätten, was nicht der Fall gewesen sei. Schriftliche Nachfragen beim LKA Kiel seien durch die EG Trio eingeleitet worden, darüber sie ihm nichts bekannt, da er wieder abgezogen worden sei. Um 10:13 Uhr wird der Zeuge entlassen. Die NK–RA Matt und Daimagüler behalten sich eine 257-Erklärung vor. Götzl unterbricht die Sitzung um 10:14 für eine viertelstündige Pause.
Die Verhandlung geht weiter mit der Fortsetzung der Befragung der Zeugin Jeanette Pf., BKA. Götzl fragt die Zeugin nach der Vorgehensweise bei der Auswertung von Kartenmaterial und Asservaten u.a. bezüglich Chemnitz, Dortmund, Greifswald, Ludwigsburg, Münster, Plauen. Die Zeugin gibt an, das Kartenmaterial von Stuttgart und Dortmund, das sie ausgewertet habe, sei eine Adhoc-Aktion gewesen. Tagsüber hätten sie die Markierungen auf den Karten gesehen. Nach dem normalen Arbeitstag seien sie daraufhin in der Nacht vom 30.11. auf 01.12. hereingerufen worden, um das Kartenmaterial im Hinblick auf eine Gefährdungslage nochmal anzuschauen. Vielleicht gebe es ja noch ein NSU-Mitglied. Sie unterstreicht, es handle sich also nur um eine Erstauswertung.
Das weitere Kartenmaterial, das sie vorstellen wolle, habe ihr Kollege La. ausgewertet, er sei mittlerweile verstorben. Sein Vorgehen sei sehr ähnlich zu ihrem gewesen. Sie hätten das Kartenmaterial als Lichtbilder vorliegen gehabt. Sie hätten die Markierungen mit google-Maps abgeglichen und mit den Örtlichkeiten der sog. 10.000er-Liste abgeglichen. Dann seien diese Vermerke an die regionalen Einsatzabschnitte gegangen, die sie in der Regel vor Ort abgeklärt hätten. Mit Ausnahme des Asservats 2.7.68 in Chemnitz habe sie sich nur um die Erstauswertungen gekümmert. In Chemnitz habe sie sich die Örtlichkeiten auch vor Ort anschauen dürfen. Den Bericht habe sie nachgereicht, der sei ursprünglich im Nachfolge-”Unbekannt”-Verfahren geschrieben worden. Es folgt die Inaugenscheinnahme eines Kartenausschnitt von Chemnitz.
Jeanette Pf. führt aus, ihr Kollege La. habe in seinem Bericht schon sehr viele Sparkassen und Banken festgestellt. Sie hätten sich aber vor Ort vor allem die Punkte angeschaut, die sie sich nicht hätten erklären können. In der Sparkasse Paul Bertz-Straße [phon.] habe es 2003 einen Banküberfall gegeben. Bei google-maps sei bei dem markierten Punkt jedoch keine Sparkasse mehr erkennbar gewesen. Die Orte seien nach wie vor nicht erklärbar: Das sei ein großes Solarfeld, aber da habe kein türkischer Imbiss oder etwas, das als Tatort in Betracht gekommen sei, gestanden. Der ganze Bereich hier sei eine Kleingartenanlage. Auch ein Versteck hätten sie nicht feststellen können. An der Kolonie sei ihnen nichts Besonderes aufgefallen. Sie zeigt weitere Punkte, für die sie sich nicht hätten erklären können, warum diese markiert worden seien: Ein Penny und ein Baumarkt an einer Kleingartenanlage; eine größere Wohnsiedlung; eine Sparkassenfiliale in der Vladimir-Sugorsky-Straße. Der Stadtplan sei zudem nass geworden und es sei zu Durchdruckspuren gekommen, so dass manchmal nicht klar sei, ob das Originalmaterial oder eine Durchdruckspur zu sehen sei. Es seien Punkte auch in teilweise sehr ländlichen Gegenden markiert worden, die mit der Stadt Chemnitz nicht zu tun hätten. Da sei keine Bank, da seien nur Stadtteilchen mit ein paar Häusern.
Jeanette Pf. setzt ihre Aufzählung der unerklärlichen Markierungen fort: eine Gefügelfarm ein paar Kilometer außerhalb von Chemnitz; ein kleines Örtchen; ein Kleingarten, eine Brauerei, gegenüber ein Sportplatz; ein Vorort von Chemnitz, ein Supermarkt, bei dem bei der Befragung der Bewohner_innen kein Bezug zum NSU-Verfahren hätte hergestellt werden können; ein Gewerbegebiet, das durch eine Bahnlinie abgetrennt sei; Markierungen um Stelzendorf; eine Sparkassenfiliale; eine Wohnstraße mit einer kleinen Eisdiele; eine weitere Sparkassenfiliale; der Eingang zu einer Kleingartenanlage. Hier hätten sie erfahren, dass Parzellen leergestanden hätten, aber ein Bezug zum NSU hätte nicht hergestellt werden können. Unerklärbar auch die Markierungen eines kleinen Vororts, eines großen Friedhofs mit einem rosa Punkt, wo ein Denkmal für die Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg stehe. Bei der Markierung eines Getränkemarktes seien sie sich nicht einig gewesen, denn das sei eine Einfallsstraße nach Chemnitz rein gewesen. La. habe geschrieben, es hätte auch eine Eisdiele sein können. Vor Ort hätten sie aber gesehen, dass es ein kleines Denkmal für einen Widerstandskämpfer aus dem Ersten Weltkrieg gewesen sei.
Im Innenstadtbereich von Chemnitz könne sie nicht mehr jeden Punkt erklären. Es seien viele Banken markiert worden. Ein Punkt sei ein leerstehendes Geschäftsgebäude gewesen, die Schilder hätten auf einen Armyshop hingewiesen, der vorher dort gewesen wäre.
Bei einem weiteren Punkt hätten sie sich nicht erklären können, ob der vielleicht mit der Ausspähung der Bank zusammengehangen habe, dort sei aber auch einmal ein Tattooshop gewesen. Einige Punkte seien Banken gewesen. Die Zeugin zählt weitere Punkte auf: ein Erholungsgebiet, ein Industriegebiet, ein leerstehendes Baumarktgebäude. Vielleicht hätten man da das Wohnmobil bei einem Überfall abstellen können, aber das sei reine Spekulation. Ein Punkt kennzeichne die Sparkassenfiliale Sandstraße 37, die heute so nicht mehr existiere. Sie sei ein oder zwei Mal überfallen worden, was Böhnhardt und Mundlos zugerechnet werde. Die zeige wahrscheinlich den Fluchtweg an. Das sei aber ihre Interpretation. Den Punkt in der Eulbarer Hauptstraße [phon.] hätten sie sich angeschaut, aber auch nicht erklären können.
Es folgt die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder zu Chemnitz aus dem Vermerk der Zeugin. Pf. gibt an, sie hätten sich 22 Markierungen angeschaut. Die Zeugin wiederholt die gerade genannten Orte und Einschätzungen. Die Begehung der Örtlichkeiten und Befragungen hätten keine Hinweise auf Tatorte oder Verbindungen zum NSU gegeben. Sie korrigiert, auf dem großen Friedhof sei ein Denkmal im Gedenken an die Bombenopfer 1944, vorher habe sie fälschlicherweise Erster Weltkrieg gesagt. Der kleine Stein erinnere an den Mord einem Antifaschisten. Bei dem leerstehenden Waffengeschäft ergänzt sie, neben dem Eingang sei ein kleines Graffiti zu sehen gewesen, ein Indiz, dass es sich mal um einen Szeneladen gehandelt haben könnte. Sie habe den ehemaligen Inhaber ermittelt, aber die Personen sind sonst nicht im Verfahren aufgetaucht.
Es folgt die Inaugenscheinnahme weiterer Asservatenfotos. Dieses Asservat, so die Zeugin, habe ihr Kollege La. ausgewertet. Das sei eine Karte der Stadt Greifswald, die von den Tourismusbüros gratis verteilt werde. Ihr Kollege La. habe mit den Markierungen nicht wirklich was anfangen können. Ein regionaler Einsatzabschnitt habe die Markierungen dann aber ganz gut einordnen können: Das Ostseeviertel, ein Plattenbaugebiet aus den 50er und 80er Jahren, beim kleinen Kreuz ein Einkaufszentrum und unten die Sparkassenfiliale Ostpommern, Rigaerstraße. Das große Kreuz sei der Innenhof jener Plattenbausiedlung. Von dort habe man eine super Sicht auf die Sparkasse in 30 oder 40 Meter Entfernung. Die Interpretation sei gewesen, dass von dort die Filiale Rigaer Straße ausgespäht worden sei. Bei der Markierung an der Ecke Burgstraße sei auch nach einer Begehung vor Ort nicht klar, warum der Punkt gekennzeichnet worden sei
Es folgt die Inaugenscheinnahme des Materials, das sich auf Ludwigsburg bezieht. Pf. sagt, der Kollege habe eine Markierung in der Asberger Straße festgestellt. Dort habe er potentielle Tatorte gefunden, u. a. ein türkisches Restaurant. Bei dem Abgleich mit der 10.000er Liste des NSU ist ein türkisch-islamischer Verein verzeichnet worden. Allerdings seien keine Auffälligkeiten dort festgestellt worden.
Es folgt die Inaugenscheinnahme einer großen des Karte Verkehrsverbund Mittelsachen, außerdem einer Karte aus Plauen. Auch das habe, so Jeanette Pf., der Kollege La. ausgewertet. Auf den Blättern des Verkehrsverbunds Mittelsachsen seien keine Markierungen festgestellt worden. Zu diesen Blättern könne sie auch nichts sagen. Unter der Asservatennummer habe es einfach zwei Dinge gegeben, nämlich hier den Stadtplan von Plauen. Im Straßenverzeichnis seien insgesamt fünf Straßen markiert: Bahnhofstraße und Bahnhofsplatz und drei weitere. Mit Ausnahme des Bahnhofsplatzes seien die Markierungen aus dem Straßenverzeichnis auch auf dem Stadtplan verzeichnet. Auf dem Kartenmaterial wurden zehn Markierungen festgestellt, neun davon Banken und Sparkassen. Nur eine nicht. Im Vermerk des Kollegen La. stehe, welche. Götzl unterbricht um 11:15 Uhr und setzt gleich die Mittagspause an.
Die Verhandlung wird um 12:23 Uhr fortgesetzt. Es folgt die Inaugenscheinname weiterer Asservatenfotos, zu sehen sind an den Rändern ziemlich verbrannte Stadtpläne. Die Zeugin beginnt, sie sei sich nicht sicher, ob sie nicht eine etwas bessere Aufnahme gehabt hätten. Auch dieses Asservat habe der Kollege La. ausgewertet. Auf diesem Stadtplan von Stuttgart habe er sechs Markierungen gesehen, die erste hätte sie aber nicht finden können, sie habe nur fünf Markierungen gefunden. Vier seien mit “P” eingezeichnet worden, es handele sich dabei – das habe die regionale Überprüfung bestätigt – um Polizeidienststellen, wie ein Revier oder eine Einsatzhundertschaft. Die Polizeidienststelle in der Mönchshaldenstraße habe es nur bis Ende 2004 gegeben, dadurch könne man vielleicht eine zeitliche Einordnung vornehmen. Ein Kreuz sei im Stadtplan verzeichnet, das sei vermutlich eine Firma. Die Kolleg_innen vor Ort hätten aber unterschiedliche Firmen ermittelt, man könne es nicht genau sagen. Auf einem weiteren Blatt sehe man mehr oder weniger den gleichen Kartenausschnitt. Auf der Rückseite sei der Großraum Stuttgart ohne Markierungen. Es handele sich um die zehnte Auflage des Plans, die habe so ab 1997 gegeben, er sei also schon älter.
Es folgt die Inaugenscheinnahme eines weiteren Asservats. Das habe sie in dieser Nachtaufgabe selbst gemacht, so Pf. Ein recht verbrannter Stadtplan und ein Straßenverzeichnis. Im Straßenverzeichnis habe es vier Markierungen gegeben Tuchmachergasse, Verastraße, Kronenstraße und Wilhelmsplatz. Der S-Bahnhof Bad Cannstadt sei nur auf dem Plan markiert, nicht im Straßenverzeichnis. Bei einem Abgleich mit der 10.000er-Liste seien immer Büros von Politiker_innen herausgekommen, zwei jeweils von CDU und SPD. Aber da sei natürlich eine ganze Straße markiert und nicht eine Hausnummer.
Es folgt die Inaugenscheinnahme eines weiteren Asservats. Pf. gibt an, hier handele es sich um das Straßenverzeichnis von Zwickau, das von Kollege La. ausgewertet worden sei. Da habe es keinen eigentlichen Stadtplan dazu gegeben. Markiert seien Bahnhofsstraße, Längenfelderstraße, Ernst-Grube-Straße, Werdauerstraße und die Ziegleistraße. Der google-Abgleich und die Begehung vor Ort hätten teilweise keiner Erklärungen gebracht. Unter den angegebenen Adresse sei beispielsweise ein Zahnarzt oder eine Bank drin, ein Industriegebiet mit vielen Möglichkeiten und die Hausnummer in der Ernst-Grube-Straße sei nicht existent. Und unter anderem sei auch ein Fahrradladen eingekreist worden.
Es folgt die Inaugenscheinnahme eines weiteren Asservats. Pf. gibt an, es handele sich um einen verbrannten Stadtplan von Dortmund. Die Erstauswertung habe sie selbst gemacht. Neben dem Stadtplan seien sieben Kartenausdrucke von Dortmund sichergestellt worden. Bei ihrer Vorbereitung auf den Gerichtstermin habe sie gesehen, dass sie hier nur sieben Markierungen festgestellt hätte, tatsächlich seien es aber elf. Es sei die Ringofenstraße markiert und die Schürhoferstraße, daneben stehe “Laden”. Im Asservat 2.12.269, das sie beim letzten Gerichtstermin vorgestellt habe, sei die Adresse auch vermerkt gewesen. Die Zeugin zeigt auf einen Adresse, dort sei der evangelischen Ausländerverein, die genaue Bezeichnung wisse sie nicht. Bei einer anderen Adresse habe der Abgleich mit der 10.000er Liste bei der Nummer 256 auf einen islamisch-türkischen Verein hingewiesen.
Bei einem eingezeichneten “P” hätte der Abgleich mit der Liste ebenso wenig einen Treffer erzielen können wie bei der Stockener Straße. In der Leostraße sei ein Verein, die genaue Bezeichnung wisse sie nicht. Ihr Kollege Gl. hab das Asservat sorgfältiger ausgewertet. Für die die Heimstraße habe der Abgleich den Treffer ergeben: Marco Bü., SPD- oder CDU-Abgeordneter, das wisse sie jetzt nicht. Karl-Marx-Str. sei die Anschrift einer Politikerin, Mitglied des Landtags, der Name sei ihr jetzt entfallen. Ein Doppelname. Markiert sei die Rahner Straße, das sei die Anschrift einer weiblichen Politikerin und ein Kreuzchen mit der Bezeichnung “Kiosk”. In der Parzivalstraße sei ein Verein oder Kulturzentrum. Auf dem anderen Asservat sei die Rahner Straße gekennzeichnet. Für die Markierung Hallesche Straße hätten sie beim Abgleich keine Übereinstimmung feststellen können.
Es folgt die Inaugenscheinnahme eines weiteren Asservats. Neben der Straßenkarte seien, so die Zeugin, auch einzelne Kartenausdrucke mit unterschiedlichen Ausdruckdaten sichergestellt worden. Jeanette Pf. nimmt eine chronologische Reihenfolge vor. Bei einem Vermerk habe sie das Datum zunächst nicht lesen können, ihr Kollege Gl. habe aber den 30.05.2005 identifiziert. Der Ausschnitt zeige die Dortmunder Nordstadt. Handschriftlich sei vermerkt worden, was markiert worden sei: Westhofenstraße “türkisches Bildungszentrum”. Es seien, so glaube sie, fünf oder sechs Kulturzentren oder religiöse Vereine markiert gewesen. In der Auswertung habe sie das Kreuz in der Uhlandstraße übersehen. Alles Vereine. Interessant sei die Überschrift: “Wohngebiet wie Mühlheim Köln”, was augenscheinlich ein Verweis auf die Keupstraße in Köln sei. Sie sei nicht persönlich in der Nordstadt Dortmund gewesen, aber sie glaube, es sei ähnlich dort, mit einem hohen Ausländeranteil.
Das Asservat 2.12.268 müsse in Verbindung gesehen werden mit 2.12.269. Bei ihrem letzten Termin habe sie die Postkarte vorgestellt und den Schluss dargelegt, dass sie von Ausspähungsreise vom 19.09. – 22.09.2005 ausgangen seien. In dem Zusammenhang seien diese Ausdrucke zu sehen. Die Zahl vier hier sei der türkische Imbiss in der Uhlandstraße. Die Rahner Straße oder die Schürhofer Straße seien eben auf dem Asservat markiert gewesen. Das Asservat 2.12.271 sei am 28.03.2006 ausgedruckt worden, da seien die Uhlandstraße und die Goethestraße markiert. Das darauffolgende seit quasi das gleiche, nur ein bisschen größer, allerdings stehe da “gutes Objekt, geeigneter Inhaber an der Kreuzung Uhlandstr/Goethestraße”. Also ein paar Monate später habe man die Karte mit diesem Punkt noch einmal ausgedruckt. Diese beiden Kartenausdrucke seien vom 03.04.2006, dem Vortag des Mordes an Mehmet Kubaşık, überschrieben mit “Dortmund CDU zwei mal” und “CDU einmal”. Das stimme auch: Friedensplatz, das sei die CDU im Rat Dortmund. Die Zeugin zeigt auf einen Punkt und gibt an, das sei die Adresse des Kreisverbands der CDU und im Dornröschenweg sei der der Sitz der CDU-Politikerin Br. [phon.] mit dem Zusatz Landtagsbüro.
Es folgt die Inaugenscheinnahme eines weiteren Asservats. Auf dieses Asservat habe sie sich nicht vorbereitet, da das ihr Kollege Ka. ausgewertet habe. Ihr Kollege La. habe noch das 282 ausgewertet, das seien elf Papierschnipselchen gewesen. Wenn man quasi hier diese Karte auseinandergerissen hätte, da seien so kleine Sternchen und daneben handschriftlich insgesamt fünf Zahlen geschrieben 95, 96 und aus dem Hunderterbereich. Und diese Zahlen ließen sich jetzt hier dem zuordnen. Bei diesem Asservat, auf das ich sich nicht vorbereitet habe, falle jedoch auf, es sei am 03.04.2006 ausgedruckt worden, also am gleichen Tag wie die CDU-Listen.
Es folgt die Inaugenscheinnahme eines weiteren Asservats. Da sehe man ja nur die kleinen Zahlen, so Jeanette Pf., mittig das Sternchen und die 104. Damit sei die Zuordnung zur 104 hier möglich: der türkische Kulturverein. Da seien fünf Nummern drauf gewesen, die sich aber alle auf 2.12.200 finden: drei Vereine, Politiker_innen und diese Kaserne. Es folgt die Inaugenscheinnahme eines weiteren Asservats. Mit dem Asservat habe sie wirklich nichts zu tun gehabt, so die Zeugin. Es sehe von der Art aus wie das zerissene, mit den Sternchen. Man sehe das gleiche Vorgehen, 99, 97, im anderen Asservat kann man quasi nachlesen, was da markiert ist. Götzl bittet die Zeugin, Platz zu nehmen.
NK-Vertreter RA Scharmer nimmt Bezug auf den Vermerk zu Dortmund, der in der Nacht vom 30.11. auf den 01.12 angefertigt worden sei mit der Annahme einer Gefährdungslage. Er will wissen, was der Anlass dafür gewesen sei oder welche Anhaltspunkte es gegeben habe. Jeanette Pf. gibt an, sie hätten die Markierungen und diese als Ausspähungen wahrgenommen. Was genau ihren Vorgesetzten dazu bewogen habe, sie wieder reinzuberufen, wisse sie nicht. Scharmer hakt nach, sie habe gesagt, es habe Unklarheit um ein mögliches weiteres NSU-Mitglied und eine mögliche Gefährdung der Orte gegeben. Das sei Spekulation, antwortet die Zeugin, sei aber die Sorge ihres Vorgesetzten gewesen. Auf die Frage, wer das gewesen sei, nennt die Zeugin Herrn F. RA Scharmer fragt dann zu den Punkten in Chemnitz, die sie nicht hätte zuordnen können. Er will wissen, ob sie überprüft habe, ob diese Punkte bspw. Parkplätze für Wohnmobile in der Nähe von Banken gewesen seien. Die Zeugin gibt an, das sei das Ziel gewesen, weswegen sie nach Chemnitz gefahren seien.
Sie habe jetzt einen Punkt im Kopf, wo ein Wendehammer gewesen sei, wo man mit einem Wohnmobil wenden könne. Aber andererseits falle man in diesen kleinen Orten sofort auf. Wenn man da mit einem Wohnmobil durchfahre, wüssten das zehn Nachbarn. RA Scharmer fragt nach einer Markierung in der Nähe der überfallenen Sparkasse, die sie nicht habe zuordnen können. Er will wissen, ob sie überprüft hätten, ob man da mit einem Wohnmobil hätte parken können. Sie hätten natürlich geschaut, gibt Jeanette Pf. an, ob es da eine Möglichkeit gegeben hätte, dass man sich da gut hinstellen kann. Weiter will Scharmer wissen, ob sie in Dortmund bei dem eingezeichneten “P” überprüft hätten, ob es sich um einen Parkplatz gehandelt hätte. Sie sei, so Jeanette Pf., nicht vor Ort gewesen und wolle daher nichts sagen. Sie habe auch an einen Parkplatz gedacht. RA Scharmer fragt weiter, ob sie überprüft hätten, ob die Markierungen auf Blitzer hätten hindeuten können. Das könne sein, gibt die Zeugin an, sie hätten alles angeschaut, mit einem freien Blick. Aber dass Blitzer an diesen Stellen gehäuft gewesen seien, könne sie nicht sagen. Die Frage, ob sie überprüft hätten, ob es da häufiger Verkehrskontrollen gegeben habe, verneint die Zeugin. Sie könne sich das an einigen Orten aber nicht vorstellen.
Scharmer fragt weiter, ob sie ermittelt hätten, wieviele der Kennzeichnungen bzw. ausgedruckten Orte sich in der Nähe des Tatorts Mallinckrodtstraße befunden hätten. Die Zeugin antwortet, bei 2.12.270 “Wohngebiet wie Köln Mühlheim” habe sie Angaben gemacht. Sie habe nochmal gelesen, was sie in der Nacht vor vier Jahren geschrieben habe. Sie wisse schon noch, dass derjenige, der diese Markierungen gemacht hat, wahrscheinlich schonmal in dem Gebiet gewesen sei. Scharmer bezieht sich dann auf die Anmerkung “gutes Objekt, geeigneter Inhaber an der Kreuzung Uhlandstr/Goethestr.” und will wissen, ob es Ermittlungen gegeben habe, ob ausspähende Personen wahrgenommen worden seien. Sie habe, so die Zeugin, nur die Erstauswertung gemacht und könne dazu nichts sagen. Auf die Frage von Scharmer, ob es zu Dortmund einen regionalen Einsatzabschnitt gegeben habe, antwortet Jeanette Pf., es habe einen zu NRW gegeben. Die Auswertung sei im UAZA gelaufen, sie sei dann aber zum Asservatenbereich gekommen, deswegen habe sie erst später wieder damit zu tun gehabt.
RA Scharmer fragt nach weiteren Überprüfungen in Dortmund, wer diese gemacht habe, ob in der Nähe der Markierungen Rechtsextremist_innen gewohnt hätten, z. B. Siegfried Borchardt, Sebastian Seemann oder Marco Gottschalk. Jeanette Pf. kann zu allem nichts sagen, da sie nicht zuständig gewesen sei. Als Kollegen vor Ort nennt sie Herrn Gl. Scharmer will wissen, ob es Hinweise auf Salzgitter gegeben hätte. Das habe sie, so die Zeugin, mal wo gelesen. Scharmer verweist auf Blatt 200 Tabelle “Ki., Gerda MdL,” in Dortmund Ewing “sehr gute Lage, Objekt ähnelt dem in Salzgitter, eine Frau”. Scharmer fragt, ob in Salzgitter etwas abgeklärt worden sei. Dazu habe sie, antwortet die Zeugin, keinen Überblick. Weiter will Scharmer wissen, ob es bei dem handschriftlichen Vermerk “Wohngebiet wie Mühlheim Köln” eine Auffälligkeit gegeben habe. Sie habe vermerkt, so Jeanette Pf., dass es sich augenscheinlich um eine andere Handschrift handele. Sie hätten es von der Kriminaltechnik abgleichen lassen. Die Asservate seien mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit von Uwe Mundlos geschrieben worden. Obwohl die Handschrift ein bisschen anders aussehe als auf der Karte. Schließlich will Scharmer noch wissen, ob die Festnahme Wohllebens unmittelbar vor der Tätigkeit in der Nacht vom 30.11. auf den 01.12.2011 eine Rolle für die Bewertung der Gefährdungslage gespielt habe. Dazu könne sie nichts sagen, erwidert die Zeugin. Um 13:04 Uhr wird die Zeugin entlassen. RA Scharmer behält sich ebenso wie andere eine Erklärung nach 257 vor.
NK-Anwalt RA Daimagüler gibt eine 257-Erklärung zur Einvernahme des Zeugen Detlev Ku. ab. Die sog. 10.000er Liste enthalte 19 Adressen aus Kiel. Diese Liste sei eine der wenigen Möglichkeiten, das Denken, die Vorstellungen des untergetauchten Trios besser zu verstehen. Daher überrasche es, wie wenig mit diesen Listen gemacht worden sei. Dass der Zeuge, der ja im Bereich Staatsschutz tätig war, nicht zu unterscheiden wisse zwischen islamistisch und islamisch und über orientalische Ziele spreche, das verblüffe am Rande. Aber dass nicht der Versuch unternommen worden sei, diese überschaubare Liste besser zu verstehen, dass man sich nicht die Mühe gemacht habe, mit den betroffenen Personen zu sprechen, ob sie nicht möglicherweise Kontakt hatten mit Neonazis, ob es Neonazis in der Nachbarschaft gegeben habe oder Zwischenfälle, um zu schauen ob es nicht lokale Helfer_innen gegeben habe, das stehe in Kontrast zu dem, was die Polizei in diesem Verfahren immer sage: dass alles getan worden sei, die Sache aufzuklären.
NK-Verteter RA Hoffmann stellt den Beweisantrag, KHK B. und T., BKA, die den Zeugen Tom Turner laut Akte 2013 in Recklinghausen befragt haben, zu laden. Zu Wohlleben befragt, habe er angegeben: “Auch als wir über eine militante Organisation gesprochen haben, wurde nicht erwähnt, wo man sich Waffen beschaffen konnte.” Er habe diesen diesen Satz später gestrichen haben wollen. Zweitens beantragt RA Hofmann, die Videofilme “Kriegsberichter Vol. 1, Vol. 2 und Vol. 4” in Augenschein zu nehmen, hilfsweise einen Mitarbeiter, der beim BKA geführten “GEG Sound” zu den Ausgaben des Kriegsberichtermagazins zu befragen und Ausschnitte aus den beim BKA vorliegenden Originalkassetten vorzubereiten. In den Videos sei Propaganda der B&H-Bewegung enthalten, mit der für die Durchsetzung des bewaffneten Kampfes vorgegebenen leaderless resistance […] und einen gewalttätigen Rassismus geworben werde. Die Filmberichte enthielten auch Teile im Comicstil, unter anderem:
- Vol. 1, 29:04 Min.: Das gezeichnete Abbild eines vermummten Mannes mit Sturmgewehr
- Vol. 2., 6:37 Min: Ein gefesselter Schwarzen wird mit Schüssen ermordet . Danach wird das Lied “Zigger Zigger “ und “Shoot those fucking niggers” von “No Remorse” eingeblendet. Es folgen mehrere Mitschnitte von No remorse aus Anklam in Deutschland. Mehrfach werden sie von Adolf Hitler Einschnitten unterbrochen. Dann zeigt das Video die Gruppe mit dem Titel Barbecue in Rostock, hinterlegt mit ARD Berichten über die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen.
Ab Minute 21 [phon.] wird auf dem Bildschirm eine Person mit Halbglatze gezeigt, die in der antisemitischen NS-Rassenideologie mit einem Juden assoziiert werden: Langnase, Vampirzähne, Davidstern und Zusatz “Jewscum”. Ein Fadenkreuz erscheint, das auf der Stirn hin und herwandert, dann Schuss und Einschussloch auf der Stirn.
- Vol. 4: dunkelhäutige Menschen werden verächtlich, als nicht lebenswert gezeigt. Exemplarisch ist die Sequenz in der eine erhängte Person gezeigt wird (Minute 17).
Unter der Überschrift “Redwatch” zeigt der Film sechs Personen als “target 1-6” “Sammlung von Abschaum aus Dänemark, warum stattet Ihr ihnen nicht einen Besuch ab” und ein Kopfschuss wird angedeutet. Dazwischen: Zeichentrickfilm von einer Hinrichtung “Bullet in a head”. Unter dem Titel: “Selbstgemachtes C4 – Ein Rezept für das Überleben – Bomb the reds, bomb the jews, bomb the race traitors…”. Eine genaue Anleitung zum Bau von Sprengkörpern wird gezeigt. Nachfolgend wird ein Totenkopf “terrormachine C18” eingeblendet… Es folgt ein Bildwechsel. Dann ein mit Bomberjacke und Sturmhaube vermummte Person mit Pistole. Dann erneut der Totenkopf. “What have C18 done with all the money from the cds etc”, dann lädt der vermummte Mann die Pistole durch: “The war is coming”. Es folgt dann eine Werbung für die Veröffentlichung “the way forward “– “will prepare the movement for the next century”.
Begründung des Antrags: Der Zeuge Tom Turner habe in seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt, der “Kampf soll durch Flugblätter und Demos geführt werden […] es gab hin und wieder Diskussionen über Militanz, wenn man sich Videos aus Skandinavien angeschaut hat [… ] aber nicht ernsthaft” [phon.]. In seiner Befragung am 17.10.2015 habe er angegeben, dass es sich bei diesen Videos um die sog Kriegsberichter-Videos gehandelt habe. Dann habe er gestutzt und vorgebracht, es könne gar nicht sein, dass er diese Videos gemeinsam mit den Mitgliedern der KS Jena angeschaut habe, denn sie seien ja erst 1997/98 erschienen. Diese Schlussfolgerung des Zeugen sei jedoch in Frage zu stellen. Seine Angabe sei unzutreffend, denn die ersten beiden Ausgaben seien 1996 erschienen. Zudem gäben seine Angaben Anknüpfungspunkte, die für eine orginäre Erinnerung sprächen. Er habe die Filme in den Rahmen von Gesprächen in der KS Jena zugeordnet. Also sei er einem Irrtum unterlegen oder wolle mit seiner Aussage den Angeklagten Wohlleben entlasten, das habe er auch schon in der Vergangenheit gemacht, als er einen Satz über Wohlleben in der polizeilichen Vernehmung ohne Begründung habe streichen lassen wollen.
In der Vernehmung am 16.03.2013 [phon.] habe der Zeuge angegeben: “Die Band bestand von 1995-97, zu dieser Zeit hatte ich Kontakt zu den KS Jena-Leuten. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe spielten sich zu der Zeit auf wie die SA der Neuzeit” Das gemeinsame Betrachten der Kriegsberichtervideos könne also noch bis 1997 stattgefunden haben. Das Betrachten von Filmen wäre ohnehin für einen Kameradschaftsabend wenig geeignet. Der Angeklagte Gerlach habe in seiner Vernehmung 2012 beim BGH angegeben, “seit den 1996er Jahren gab es Richtungsdiskussionen in der Szene zu Fragen der Bewaffnung, mit dabei waren die drei, Kapke und Wohlleben. Die drei waren Hardliner und haben den Standpunkt vertreten, dass man mehr machen müsse.”
Die sogenannten Kriegsberichtervideos seien nach Angaben des B&H-Aktivisten Bernd Peruch in den folgenden Jahren veröffentlicht worden: Vol.1 und 2 1996, Vol.3 1997, Vol. 4 Ende 1997. Damit ist davon auszugehen, dass es bei den hier in Rede stehenden Ausgaben des Kriegsberichtermagazins um diejenigen handelt, die der Zeuge Turner mit der KS Jena angeschaut und diskutiert hat. Die Angeklagten Zschäpe und Wohlleben seien zu dem Zeitpunkt Mitglieder der KS Jena gewesen. Aus dem rassistischen Motiv der Videos ergebe sich eindeutig, dass die Ermordung von Nicht-”Weißen” und Einwanderern begrüßt und der Einsatz von Bomben für zweckdienlich gehalten werde. Mitglieder der KS Jena, die Vol.4 gesehen hätten, müsse bekannt gewesen sein, dass B&H propagiert, Einnahmen von CDs und Konzerten für den bewaffneten Kampf zu verwenden. Götzl sagt zu, den Antrag zu kopieren und zur Verfügung zu stellen. BAW Diemer kündigt an, genau zu prüfen, inwieweit die Beweisaufnahme in dieser Hauptverhandlung erfolgen müsse.
Götzl gibt dann noch die Verfügung bekannt, dass die Anträge, wonach der Vorsitzende Richter, sowie die Richter Lang und Kuchenbauer sich dienstlich zu den Fälschungen im Zusammenhang mit der Nebenklage “Keskin” äußern sollten, abgelehnt werden. Es bestünden keine Anlässe für den Vorsitzenden Richter, dienstliche Erklärungen abzugeben. Den Richtern Lang und Kuchenbauer verbiete es das Beratungsgeheimnis, Erklärungen abzugeben. Ein gerichtlicher Beschluss für einen Eintritt in ein Nebenklageverfahren sei nicht notwendig. Ergehe dennoch ein gerichtlicher Beschluss, habe dieser nur Feststellungscharakter. Man gehöre zum berechtigten Personenkreis, wenn eine Straftat wenigstens möglich erscheine. Ob das Gericht einen Zulassungsbeschluss erlasse, habe nur deklaratorische Bedeutung. Die Sitzung wird um 13:34 Uhr beendet.
Auf dem Blog NSU-Nebenklage heißt es: “Der erste Zeuge heute, ein BKA-Beamter, hatte das in der Frühlingsstraße gefundene Kartenmaterial zu Kiel ausgewertet. Seine Vernehmung verlief in der Sache unspektakulär. In der Beschreibung der aufgelisteten Einrichtungen verwendete der Zeuge jedoch mehrfach den Begriff „islamistisch“, und auf Nachfrage des Vorsitzenden, was er damit meinte, grub er das Loch immer tiefer: „ich meine orientalisch, osmanisch…“, es gehe ihm um Institutionen, die Menschen vertreten, die „eine andere Herkunft haben als das deutsche Volk selbst.“ Auf die zu erwartenden Unmutsäußerungen im Saal und aus dem Publikum zeigte sich Wohlleben-Verteidiger einmal wieder als echter Rechts-Anwalt und empörte sich, der Vorsitzende möge bitte für Ruhe sorgen.”
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/10/22/22-10-2015/