An diesem Verhandlungstag sagen Polizeibeamt_innen zum Handy und einer Festplatte des Computers von Holger Gerlach und zu Aliaspersonalien von Uwe Mundlos aus. Sowohl das Handy als auch die Festplatte wurden u.a. nach Hinweisen zu Gerlachs rechter Gesinnung durchsucht. Diese wurden in Form von Bildern und Musik auch gefunden.
Zeug_innen und Sachverständige:
- Dr. Oliver Peschel (Rechtsmedizinischer SV, Gefährdung des Zeugen F.K., Überfall auf einen Edeka am 18.12.1998, heute nur Entlassung des SV)
- Christian Pi. (BKA Meckenheim, Auswertung eines Handys von Holger Gerlach)
- Peggy Me. (Kriminalbeamtin, Auswertung der Festplatte eines Computers von Holger Gerlach)
- Ellen Ga. (BKA Meckenheim, Ermittlungen zu Aliaspersonalien von Uwe Mundlos)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Es erfolgt die Entlassung des SV Dr. Oliver Peschel. Danach folgt der Zeuge Christian Pi. vom BKA Meckenheim. Götzl sagt, es gehe um die Auswertung eines Asservates, eines Handys „Sony Ericsson“. Pi.: „Ich war in der Asservatensachbearbeitung tätig, sollte Gegenstände katalogisieren und sichten, eine Grobauswertung durchzuführen. Das Mobiltelefon Sony Ericsson wurde gefunden im Wohnobjekt des Herrn Gerlach. Ich habe es äußerlich beschrieben und über die Fachdienststelle die Kontaktdaten, Anrufe und Multimedia-Dateien auslesen lassen. Die Kontaktdaten des Telefonbuches des Mobiltelefons, da habe ich zu jeder Telefonnummer eine Anschlussinhaberzusammenstellung machen lassen und für mich relevante Namen in einem Vermerk zusammengefasst. Also Personen, die als Zeugen wichtig sein könnten. Ich habe Bilder und Audiodateien gesichtet und relevante Dateien in einem Vermerk erfasst. Und ich habe mir die SMS und MMS angeschaut und relevante Sachen in einem Vermerk zusammengefasst. Das ganze ging dann an den Personensachbearbeiter.“
Götzl bittet Pi. im Einzelnen darauf einzugehen. Pi.: „Ich habe die Kontaktdaten durchsucht nach Personen und festgestellt, dass diverse Familienangehörige eingespeichert waren. In den SMS ist mir eine Einladung eines ‚Bassis‘ zu einem Konzert in Mailand Ende November aufgefallen. Anhand der Bands offensichtlich ein Rechtsrockkonzert. Das habe ich als Indiz für die rechte Gesinnung des Handybesitzers notiert und weil sich der Handybesitzer da möglicherweise im Ausland aufhält [phon.]. Dann wurde eine SMS empfangen von einem Peter Lo., der erkundigte sich nach dem Wohlbefinden des Handybesitzers. Der Handybesitzer hat zurückgeschrieben, dass ein weiser Mann mal an die Rathauswand geschrieben habe, dass nur Scheiße braun sei und ‚Neger‘ auch. [phon.] Ein Indiz für die rechte Gesinnung. Weiterhin wurde noch am 05.11. eine SMS an das Handy geschickt, die nicht mehr angezeigt wurde, von einem Manuel Be., worin er den Handybesitzer warnte, dass, wörtlich, ‚die Bullen‘ vor seiner Haustür stehen. Weiter diverses rechtes Bildmaterial, Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz, dann Hakenkreuz und Reichsadler. Das hab ich ebenfalls notiert. Dann waren auch Audiodateien auf dem Handy, teilweise Witze und Lieder von der Band ‚Gigi und die braunen Stadtmusikanten‘, welche ebenfalls rechtsgerichtete Musik produzieren.“
Götzl: „Können Sie sich erinnern, ob bei den Telefonnummern und Kontakten auch der Name Heise eine Rolle gespielt hat?“ Pi.: „Kann ich mich nicht erinnern. Wenn, dann habe ich es aufgeschrieben.“ Götzl hält dann den Namen „Heise“ und eine 0171-Mobilnummer vor. Pi.: „Wenn ich die da aufgeschrieben habe, war sie so im Telefonbuch gespeichert. Der Zeuge wird entlassen.
RA Stahl: „Ich würde gern eine kurze Erklärung abgeben: Die Vernehmung des Zeugen Pi. führt zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die Angaben des Angeklagten Gerlach im Ermittlungsverfahren und in der verlesenen Erklärung, was seine politische Haltung oder Gesinnung betrifft, wenig bis gar nicht glaubhaft waren. Ich bin mir nicht sicher, ob man mit der Nebenklage den Schuss gehen kann, dass die Angaben nur dann glaubhaft sind, soweit sie denn Frau Zschäpe belastet haben. [phon.] Aber für uns sind die Angaben nicht überraschend, eine Variantenbreite von Angaben, die er in den verschiedenen Vernehmungen gemacht hat. Die wenigen überprüfbaren Angaben von Herrn Gerlach führen oftmals zu dem Ergebnis, dass sie nicht validiert werden können. Dieses Ergebnis unterstreicht das deutlich.“
Es folgt die Zeugin Peggy Me. Götzl sagt, es gehe um die Auswertung einer Festplatte; Me. solle berichten. Me.: „Es handelt sich um eine Festplatte aus dem Tower, der Holger Gerlach zugeordnet wurde. Ich folgte der Ordnerstruktur bei der Auswertung, schaute mir alle Ordner an und fertigte einen Vermerk, was mir alles relevant für das Verfahren schien. Ich kann mich erinnern, dass ich persönliche Daten von Herrn Gerlach aufgefunden habe, Lebenslauf etc., hauptsächlich private Bilder. Es wurde auch vorrangig nach Kontaktpersonen von Herrn Gerlach gesucht und deswegen wurden viele Bilder von mir in den Vermerk aufgenommen, über Personen, die aufgrund der vielen Bilder zum näheren Umfeld Gerlach zählen dürften. Und von zu dem Zeitpunkt noch unbekannten Personen. Das ist das, was ich noch erinnere.“ Götzl: „Stichwort ‚Pressefest 2004‘.“ [Es geht um das „Pressefest“ der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“.] Me.: „Ja, da habe ich mehrere Lichtbilder in den Vermerk genommen, die Herrn Gerlach und Kontaktpersonen gezeigt haben. Weil der Ordner so benannt wurde, durch Recherchen im Internet konnte von mir rausgefunden werden, dass es zu dem Zeitpunkt so ein ‚Pressefest‘ in Sachsen gegeben hat.“
Götzl fragt, was Me. sonst noch in Erinnerung habe. Me.: „Eine Person, die ich öfters wiedererkannt habe auf Bildern, das war der Alexander Sch., der also ziemlich lange im Kontakt zu Gerlach gestanden haben muss, weil er immer wieder auf Bildern auftauchte.“ Götzl: „In welchem Zusammenhang?“ Me. sagt, es habe mehrere Bilder gegeben, auf denen auch „weißes Pulver“ zu sehen gewesen sei: „Und da war auch ein Bild, wo Gerlach und Sch. in der Küche mit mehreren größeren Häufchen von weißem Pulver fotografiert wurden.“
RAin V. d. Behrens: „Haben Sie auch Musik festgestellt?“ Me.: „Ja, da war sehr viel Musik drauf, das wurde alles durchgeschaut von mir. Da war überwiegend Musik von Bands drauf. [phon.] Die Namen erinnere ich nicht mehr, habe ich aber aufgeschrieben. Aber die Gesinnung von Herrn Gerlach stand fest zu dem Zeitpunkt und deswegen wurde das von mir nur kurz zusammengefasst.“ V. d. Behrens nennt die Bands „Eisregen“, „Stahlgewitter“, „Sturmtrupp“, „Commando Pernod“, „Race War“ und fragt dann: „Sind das die, die Sie gefunden haben?“ Me.: „Ja.“ V. d. Behrens: „Ist das nur eine Auswahl oder war das abschließend, die rechten Bands?“ Me.: „Das kann ich nicht erinnern, ob das beispielhaft war oder abschließend.“
Um 11:25 Uhr geht es weiter mit der Zeugin Ellen Ga. Götzl sagt, es gehe um Asservate mit Bezug zum Namen Bu. und darum, inwiefern Ga. mit den Auswertungen befasst gewesen sei und mit welchem Ergebnis. Ga. sagt, sie fange mit dem Asservat 2.9.5 und dem Vermerk vom 30.11.2011 beginnen: „Ich bekam das Asservat zur Auswertung in Fotografie, denn es lag bei der Kriminaltechnik. Ich habe es zusammen mit 2.9.181 ausgewertet, denn die beiden Asservate sind weitgehend übereinstimmend. 2.9.5 trägt aber mehr Eintragungen. Es handelt sich um Teile einer Geburtsurkunde, aufgefunden im Brandschutt Frühlingsstraße. 28 mal 20 cm, wird mal DIN A 4 gewesen sein, die linke und untere Seite sind abgerissen oder verkohlt.“ Es handele sich um eine Geburtsurkunde der DDR aus 1978, in die Geburt von Max-Florian Bu. beurkundet werde. Ga. nennt Geburtsdatum und -ort von Bu. Dann nennt sie die auf der Urkunde aufgeführten Namen der Eltern von Max-Florian Bu. Ga.: „Im Ganzen sieht es so aus, als würde auf der Rückseite ein detaillierter Lebenslauf entstanden sein von jemandem, der versucht, sich die Daten einzuprägen. Die Handschrift stammt mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit von Uwe Mundlos. Physikalische Untersuchungen zeigten, dass Asservat 2.9.181 eine Kopie ist der Originalurkunde und 2.9.5 wiederum eine Kopie von 2.9.181.“
Götzl: „Dann würden wir zu dem weiteren Themenbereich kommen.“ Ga.: „Ja, der zweite Vermerk von 2012, die Zusammenstellung der bis dahin bekannten Asservate, die darauf hindeuten, dass die Personalie Max-Florian Bu. als Aliaspersonalie verwendet wurde. Ich habe mir alle Asservate zusammengesucht, nur den kleinsten Teil davon habe ich selbst ausgewertet.
Ich stelle die Asservate nach Themenbereichen vor: Zum einen das Ursprungsasservat ist der Reisepass 1.7.2.0, dieser Reisepass wurde am 07.09.1998 ausgestellt auf den Namen Max-Florian Bu., fünf Jahre gültig, also bis 2003. Und er zeigt das Bild des Uwe Mundlos. Ein Gutachten hat festgestellt, dass das Lichtbild den Uwe Mundlos zeigt und nicht den Max-Florian Bu. Bu. hat in seiner Einvernehmung mitgeteilt, dass er 1998 seinen Personalausweis dem Uwe Mundlos gegeben habe, damit dieser sich einen Reisepass ausstellen lassen könne. Die auf dem Pass befindliche Unterschrift konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit Mundlos zugeordnet werden, anhand des Original-Passausstellungsantrags. Dort befindet sich die Originalunterschrift, anhand der man das Gutachten macht. Der Pass wurde unter Vorlage eines Personalausweis auf den Namen Max-Florian Bu. beantragt, ein echter Ausweis, er hat später damit einen Personalausweis neu beantragt. Weiter wurde eine Geburtsurkunde aus 1978 vorgelegt, wie wir sie eben hatten. In seinen Vernehmungen hat Bu. dazu ausgesagt, dass er sich nicht erinnern könne, aber er könne nicht ausschließen, die Geburtsurkunde übergeben zu haben. Weiter ist auf dem Passantrag zu erkennen, dass ein anderer Abholer kam. Der oder die haben ‚im Auftrag‘ unterschrieben, wir konnten nicht ermitteln, wer den Reisepass abgeholt hat. In den Archiven ist keine Vollmacht gewesen und ein Schriftgutachten hat leider zu keinem Ergebnis geführt, weil die Schrift nur wenige Merkmale aufweist.
Der Reisepass diente als Legendierung für weiteren Objekte. Im Wohnwagen wurde noch gefunden: die Servicecard der Commerzbank auf den Namen Max Bu., Gültigkeit bis Dezember 2012. Das Konto wurde nach unseren Ermittlungen 2000 mit eben diesem Reisepass eröffnet. Und die auf dem Lebenslauf befindlichen Aufschriften ‚PIN‘ mit den zwei Nummern gehören ebenfalls zu dieser Servicecard. Zu diesem Konto wurden sowohl in der Frühlingsstraße Unterlagen gefunden, Schreiben der Bank, alle an Max-Florian Bu. mit Anschriften, die er tatsächlich genutzt hat. Bei Max-Florian Bu. wurden zu diesem Konto Kontoauszüge von 2006 und 2011 gefunden. In seiner Vernehmung gab er an, dass er Kenntnis hatte von diesem Konto, und dass er 2009 von seinem Privatkonto aus einen Saldo ausgeglichen habe. Weiter wurden im Wohnmobil Bahncards gefunden: 1.7.7.0, 2010-2011, trägt ein Lichtbild, welches gemäß Gutachten Uwe Mundlos zeigt. 1.7.12.0, 2011-2012, ohne Lichtbild, auch auf Max-Florian Bu.
Weiter wurde der Name Max-Florian Bu. für Wohnungsanmietungen benutzt: Mietvertrag für die Heisenbergstraße 6 zwischen der Vermieterin und einem Max Bu., ausgewiesen damals auch mit dem Reisepass.“ Zu dieser Wohnung habe sich in der Frühlingsstraße ein Überweisungsträger für die Miete dieser Wohnung gefunden, so Ga. weiter. Max-Florian Bu. sei dort nie wohnhaft gewesen, sondern die Wohnung sei von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe benutzt worden. Im Brandschutt der Frühlingsstraße seien außerdem die Asservate 2.12.421 und 2.12.422, Lohn- und Gehaltsabrechnungen des Max-Florian Bu. eines Arbeitgebers in Chemnitz von Dezember 1999 bis Februar 2000 und eines Arbeitgebers in Dresden, Februar 2000 bis April 2000 gefunden worden. Das korrespondiere mit der Anmietung in der Heisenbergstraße 6 ab 01.07.2000. Es sei möglich, dass diese Abrechnungen der Bonitätsdarstellung gedient haben. In der Frühlingsstraße seien außerdem ein Untermietvertrag Asservat 2.12.427 zwischen Max Bu. und Matthias Dienelt von 2003 gefunden worden. Es gehe daraus nicht hervor, um welche Wohnung es sich handelt, aber es sei bekannt, dass Dienelt die Wohnung Polenzstraße angemietet habe und untervermietet habe an Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe.
Ga. weiter: „Dann wurde der Name auch benutzt bei Urlauben. Es findet sich im Wohnmobil eine so genannte Ostseecard der Insel Fehmarn. Den Beleg bekommen Sie, wenn Sie da Urlaub machen, dass Sie die Kurtaxe bezahlt haben. Damit bekommen Sie Ermäßigungen, können umsonst an den Strand. Die Ostseecard ist ausgestellt auf Max Bu. ab 07.07.2011, die Anmeldung zu dieser Ostseecard fand sich in der Frühlingsstraße. Genau zu dem Zeitpunkt waren Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe auf dem Campingplatz Wulfener Hals auf Fehmarn. Weiter die Anmeldung für einen Stellplatz auf dem Campingplatz Wulfener Hals für den 07.07.2007, auch da ist ein Urlaub belegt in diesem Zeitraum. Weiter in der Frühlingsstraße: Eine Voranmeldung für einen geplanten Urlaub 2012, Mai bis Juni, auf dem Campingplatz Regenbogen in Göhren auf Rügen, auch da wurde ‚Max Bu.‘ benutzt. Insgesamt ergeben die Ermittlungen zu den Urlauben, dass seit 2003 der Name Max Bu. bei Buchungen für Urlaube genutzt worden ist.“
Ga.: „Insgesamt kann man feststellen, dass all diese Asservate belegen, dass die Personalie Max-Florian Bu., oder später Max Bu., seit 1998 durchgehend bis 2011 als Aliaspersonalie benutzt worden ist. Und alle Ermittlungen deuten darauf hin, dass diese Personalie genutzt worden ist durch Uwe Mundlos.“ Der Verhandlungstag endet um 12:09 Uhr.
Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.
Die vollständige Version des Protokolls ist hier zu finden.