Protokoll 245. Verhandlungstag – 24. November 2015

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An diesem Prozesstag sagen weitere Polizeibeamte zu und Ausspähnotizen des NSU aus. Dabei geht es u.a. um die Städte Bielefeld, Göttingen und Stralsund. Danach nimmt die GBA zu Anträgen Stellung und Richter Götzl lehnt den Antrag, Sturm, Stahl und Heer aus ihren Bestellungen als Pflichtverteidiger_innen zu entlassen ab.

Zeugen:

  • Markus Gr. (Kriminalbeamter, BKA Wiesbaden, Kartenmaterial und Ausspähnotizen des NSU)
  • David Ka. (Kriminalbeamter, BKA Berlin, Kartenmaterial und Ausspähnotizen des NSU)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:49 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl, dass der Zeuge Ka. noch nicht erschienen sei und man deswegen unterbreche. Um 10:01 Uhr geht es dann aber weiter mit dem Zeugen Markus Gr. Götzl sagt, es gehe um die Auswertung von Asservaten, insbesondere Kartenmaterial; Gr. solle zunächst berichten, womit er beschäftigt war, wie er vorgegangen ist und welche Ergebnisse es gab. Gr. sagt, er sei eingesetzt gewesen bei der zentralen Asservatenauswertung. Es habe sich herausgestellt, dass eine Menge Kartenmaterial dabei gewesen sei und Adresslisten in Bezug auf Banken und Sparkassen, Verbände, Vereine, öffentliche Einrichtungen, Privatpersonen. Er habe die Verzeichnisse sichten, wenn korrelierend zusammenbringen und mit einer Liste vergleichen sollen, die in elektronischer Form beim NSU sichergestellt worden sei: „‚Liste der 10.000‘ haben wir sie genannt. Eine Liste mit Personen, öffentlichen Einrichtungen etc. pp.“ Außerdem habe er das auch vergleichen sollen mit verfahrensrelevanten Tatörtlichkeiten. Sie hätten die Asservate nur in Bildform vorliegen gehabt, weil sie auch beschädigt gewesen seien durch Brand und Löschwasser. Gestützt auf diese Bildauswertung hätten sie sich Kartenmaterial und Verzeichnismaterial angeschaut und zusammengebracht.

Es sei überwiegend übereinstimmend gewesen mit den Institutionen in den Verzeichnissen, meistens seien es Banken und Sparkassen gewesen. Es habe überwiegend keine Übereinstimmung mit verfahrensrelevanten Tatörtlichkeiten gegeben, aber immer wieder Übereinstimmungen mit dieser Liste: „Zum Beispiel Stralsund, Banküberfall 2007, das fand sich in der Liste. Dann Liste und Kartenmaterial betreffend Hamburg. Die Verzeichnisliste, die mit Hamburg aufgefunden worden war, war komplett übereinstimmend mit der Liste der 10.000.“ Es folgt dann die Inaugenscheinnahme, für die Gr. nach vorn an den Richtertisch geht. Zum ersten Asservat, bestehend aus acht Blatt, sagt Gr., es handele sich um Asservatenmaterial bzgl. Stuttgart: „Da hatten wir einzelne Kennzeichnungen in Form einer Umkreisung von Straßen und Objekten und haben sie verglichen mit Objekten, die auf dieser Liste hier verzeichnet waren. Überwiegend Übereinstimmung, zum Beispiel Jägerstraße. Ich fang mal mit der Kronenstraße an: Hier auf der Verzeichnisliste unterstrichen und zusätzlich nochmal markiert. Und daraufhin haben wir verglichen, was sich in der Kronenstraße denn befinden sollte, das wurde allerdings weitergegeben an die Ermittler.“ Götzl fragt, ob Gr. eine Rückmeldung bekommen habe. Gr.: „Nein, wir waren nur zuständig für die Beschreibung. Das musste zügig gehen, weil die Erstauswertung beruhte darauf, dass hier möglicherweise weitere Anschlagsziele drauf sind.“

Gr. fährt mit der Werastraße in J11 fort: „Die mit einem Kreuz verzeichnet worden ist, die findet sich ebenfalls im Kartenmaterial, ebenfalls umkreist. Das ist also kein Zufall, dass das Verzeichnis Übereinstimmung aufweist mit dem Kartenmaterial. Auf diesem Kartenmaterial in Vergrößerung zu sehen.“ Die anderen beiden Straßen dürften ebenfalls auf der Übersichtskarte verzeichnet sein, so Gr.: „Hier haben wir z. B. die Kriegsberger Straße [vermutlich gemeint: Kriegsbergstraße], die auf die Kronenstraße zuläuft. Es befinden sich hier mehrere Objekte, öffentliche Einrichtungen etc. pp. Dann als letztes hier noch die Tuchmachergasse, die verzeichnet worden ist.“ Gr.: „Hier die Tuchmachergasse, die mit einem Kreuz versehen worden ist und sich ebenfalls auf der Karte befindet. Auf unseren Abbildungen war das etwas leichter, weil wir die Quadranten noch sehen konnten. Bei den Karten handelte es sich um einen ADAC-Stadtplan, der unten etwas verkokelt ist.“ Götzl: „Hat sich denn ein Verfahrensbezug ergeben?“ Gr.: „In diesem Fall wohl nicht. Erinnerlich ist mir lediglich, dass es wohl eine Übereinstimmung gegeben hat in Stuttgart mit dieser ‚Liste der 10.000‘.“

Dann geht Gr. die Blätter durch und sagt: „Dieses Asservat zeigt die Übersicht über die Adressen, bzw. ist das die Rückseite der ADAC-Karte. Diese Markierungen sind nochmal in einer Vergrößerung aufgeführt worden: Tuchmachergasse und in der Vergrößerung haben wir auch nochmal die Kronenstraße und einmal die Werastraße. Die Vorderseite zeigt eine ganz normale Karte mit Einkreisungen. Hier Einkreisung, hier und hier. Auch diese drei Einkreisungen sind auf den nächsten Bildern vergrößert dargestellt. Diese drei Punkte sind hier in der Vergrößerung nochmal dargestellt.“

Dann werden Gr. nach und nach die weiteren Asservate vorgelegt, die er durchgeht und kommentiert. Bei den ersten zwei Blättern handele es sich um einen Kartenauszug von Eisenach. Man sehe das Copyright-Datum und den Routenplaner, aus dem das ausgedruckt sei, so Gr. Zu sehen seien auch rote Markierungen, rote Fähnchen; diese erhalte man direkt mit den Ausdruck aus dem Programm. Gr.: „Handschriftlich findet sich wohl ‚Dr. Moritz-Mitzenheim-Straße‘, was da weiter ermittelt wurde, kann ich nicht sagen.“ Ansonsten handele es sich im Wesentlichen um Banken, Commerzbank AG und andere. Beim zweiten Blatt handele es sich um eine handgefertigte Skizze wie ein Grundriss mit Räumen, auch entsprechend bezeichnet mit „Büro“. Und es seien die Böhnerstraße, Bendastraße, Humboldtstraße aufgeführt [die Straßennamen beziehen sich vermutlich auf Gotha]. Dann sei noch ein zweiter Grundrissbereich zu sehen. Wem dieser zugeordnet werden kann, könne er nicht sagen, die Ermittlungen seien von anderen durchgeführt worden. Interessant sei, dass die Schubertstraße“ hier mit „Querstrich Polizei“ verzeichnet worden sei. Im oberen Bereich seien außerdem Tagesangaben mit Uhrzeiten und auf der rechten Seite ebenfalls Zeitangaben.

Es werden die nächsten drei Blatt in Augenschein genommen. Gr. führt aus, dass es sich um eine Kartenübersicht von Göttingen handele, Ausdruckdatum 02.04.2006. Ein großer Ausdruck und dann die Bereiche „S1“, „S2“ markiert. Auch hier seien diese Sterne mit ausgedruckt und versehen mit handschriftlichen Ziffern. Die Bereiche „S1“ und „S2“ seien dann vergrößert dargestellt, hier sehe man „S1“ mit Ausdruckdatum 3.4.2006. Gr.: „Und dann z. B. Stern mit Nummer 90 und handschriftlich ‚MdL‘.“ Gr. zeigt weitere Markierungen und sagt, hier gebe es einen Zusatz: „Landst“, vermutlich für Landstraße. Dann geht er zu dem Bereich „S2“ über. Hier sehe man ebenfalls Sterne und Straßennamen, die handschriftlich ergänzt worden seien. Götzl legt die nächsten zwei Blätter auf. Hier sei eine Adressliste mit Ausdruckdatum 03.04.2006 zu sehen, so Gr. Es handelt sich um Personen und Verbände, Vereine, religiöse Gemeinschaften, durchnummeriert von 82 bis 90, überwiegend mit Sternen gekennzeichnet. Gr. sagt, hier sehe man den Namen einer Privatperson: Fi., H. [Name von der Redaktion abgekürzt]. Die Sterne könne man mit ausdrucken. Korrelierend zur Adressliste gebe es die Übersichtskarte, bei der es wieder zwei separate Bereiche gebe, und die einzelnen Ziffern seien hier ebenfalls noch schwach erkennbar, es seien außerdem handschriftliche Eintragungen gemacht worden.

Bei den nächsten Blättern handele es sich, so Gr., um eine Liste mit Banken und Sparkassen in Greifswald, ein Ausdruck, wie man ihn bei Routenplanern ausdrucken kann. Es sei kein Ausdruckdatum zu sehen. Und passend zu den Adressen gebe es den Kartenausdruck von Greifswald, in dem die Banken und Sparkassen zumindest „straßentechnisch“ erfasst seien. Gr. sagt, es gebe wieder eine Großübersicht, gekennzeichnet mit „S1“, „S2“, „S3“, und z. T. seien hier schon die Banken gekennzeichnet: Sparkasse Vorpommern, Dresdner Bank, Volksbank als Beispiele. Die Bereiche gebe es dann nochmal vergrößert. Und es gebe weitere Adresslisten von Banken und Sparkassen.

Bei den nächsten Blättern geht es um Kartenmaterial von Rostock, auch wieder in Teilbereiche aufgegliedert, auch hier seien wieder Banken aufgeführt: „Man sieht Vereins- und Westbank und generell sind Banken aufgeführt.“ Und wie bei den anderen Beispielen auch seien die Einzelbereiche vergrößert worden. Das Ausdruckdatum sei 20.08.2006 [phon.] über „map&route“. Die Bankennamen seien hier auch mit ausgedruckt und mit einem Stern versehen. Und dann gebe es die Adresslisten dazu, z.T. mit Zusätzen wie „einmal“ versehen. Zu den nächsten Blättern sagt Gr., hier sehe man wieder einen entsprechenden Ausdruck, das Ausdruckdatum sei hier nicht ersichtlich: „Innenstadtbereich und mit ausgedruckt die einzelnen Banken, diesmal nicht mit einem Stern, sondern einem Dreieck. Zum Beispiel Stern Buchholz [phon.], der hier nochmal in vergrößerter Form vorliegt.“ Auch hier seien Banken mit Markierung ausgedruckt und dazu eine Adressliste mit den entsprechenden Banken. Götzl: „Welcher Ort?“ Gr.: „Auf Schwerin bezieht sich dieses Material, sorry.“ Götzl legt die nächsten Blätter auf und Gr. sagt, es sei eine Übersicht von Banken und Sparkassen: „In der Aufnahme hier spiegelt sich eine Hülle, in der sich das Asservat zum Teil verbacken hat.“

Gr. nennt die Kleine Parower Straße in Stralsund und sagt, es sei „zwei mal“ bzw. „zwei Stern“ [phon.] zu lesen. Gr.: „Hier zu lesen ‚Sparkassen‘ [phon.], ebenfalls mit dem Vermerk ‚zwei mal‘ oder ‚zwei Stern‘ [phon.]. Dann hier Namen mit dem Zusatz ‚SPD‘ als Partei und ‚MdL‘ als ‚Mitglied des Landtages‘. Und handschriftliche Vermerke, hier oben Zahlen und hier handschriftliche Aufzeichnungen, schlecht zu lesen. Dann, ebenfalls Stralsund. Das ist jetzt ohne die Hülle hier besser zu erkennen.“ Hervorzuheben sei die Kleine Parower Straße in Stralsund, da müsse es sich um die Orte der Banküberfälle 2006 und 2007 handeln. Gr.: „Das war der Bereich Stralsund. Also verfahrensrelevante Bezüge: zwei.“ Dann geht es um Wismar. Gr.: „Die Aufteilung ist überwiegend gleich bei diesen Asservaten.“ Wieder geht es um Banken und Sparkassen. Gr. nennt das Ausdruckdatum 20.8.2006. Zuletzt geht es um ein Asservat zu Wohnwagenvermietern im Bereich Bad Klosterlausnitz und Umgebung. Auch hier ein Kartenausdruck und dazu der Ausdruck von Adressen von Wohnwagenvermietern. Handschriftlich sei einmal vermerkt:“ Thüringen“ und „Gibt es nicht mehr“. Die entsprechende Nummer sei durchgestrichen. Die Angaben würden mit der Karte korrelieren. Das sei ausgedruckt aus dem Internet und auch wieder gekennzeichnet mit einzelnen Fähnchen.

NK-Vertreterin RAin Wierig: „Sind Ihnen noch weitere Symbole bei der Auswertung auf den Karten aufgefallen?“ Gr.: “ Nein, konkret nicht.“ Wierig: „Herzsymbole oder Smileys mit Sonnenbrillen?“ Gr.: „Nein.“ Der Zeuge wird entlassen.

Es folgt die Einvernahme des Zeugen David Ka. Götzl sagt, es gehe um die Auswertung von Asservaten, Kartenmaterial, ihn interessiere, wie Ka. vorgegangen sei, welche Materialien vorgelegen hätten, welche Ergebnisse, ggf. ob Ka. selbst zusätzliche Ermittlungen durchgeführt habe. Ka. sagt, das sei am 01.12.2011 gewesen, da seien ihm und anderen Kollegen Fotos von sichergestellten Computerausdrucken zur Auswertung vorgelegt worden, die in der ausgebrannten Wohnung der Frau Zschäpe aufgefunden worden seien. Er selbst habe Ausdrucke zu den Städten Münster, Kassel und Bielefeld gehabt: „Das waren Kartenausdrucke, ähnlich wie man sie heute von Google-Maps und damals von Routenplanersoftware sich ausdrucken konnte. Im Detail weiß ich nicht mehr genau, was dargestellt war, ich habe aber meine Vermerke geschrieben und da bin ich mir sicher, das war auch so, wie ich es da gesehen habe.“ Er erinnere sich noch, dass es Adresslisten zu jeder Stadt gegeben habe, die er habe auswerten sollen. Und diese Adresslisten seien handschriftlich mit Zahlen versehen gewesen. Die Adressen selbst seien computerausgedruckt gewesen. Und diese Adressen hätten sie abgeglichen mit einer Liste, die auf einem USB-Stick gefunden worden sei.

Sämtliche Adressen auf den Ausdrucken seien auch in der Liste enthalten gewesen: Politiker, Parteibüros, muslimische Einrichtungen, jüdische Einrichtungen oder christliche. Die Ausdrucke selber seien laut aufgedrucktem Datum am 03. und 04. April 2006 gedruckt worden: „Und in dieser Zeit, am 4. und am 6. April, wenn ich mich recht erinnere, fanden zwei Morde statt, der eine in Kassel und der andere in Dortmund, das habe ich auch in den Vermerken niedergeschrieben, wo ich vermutet habe, dass es einen Zusammenhang gab, dass man vielleicht in die anderen Städte weiterreisen wollte. Der Tatort in Kassel war aber in den Karten nicht enthalten. Auf den Karten waren auch Sternchen und Markierungen, die zu den auf den zugehörigen Adresslisten enthaltenen Adressen passten. Weiter habe ich diese Dokumente nicht ausgewertet, ich habe sie auch nur als Fotos gesehen. Ich bin dann ein paar Wochen später in einen anderen Bereich gewechselt, so dass ich mit dem Verfahren nichts mehr zu tun hatte.“

Es folgt dann die Inaugenscheinnahme der Fotos der Asservate. Zu den ersten drei Blättern sagt Ka., das sei die Adressliste zu Bielefeld. Die Zahlen seien handschriftlich ergänzt und die Adressen seien alle in der genannten Datei enthalten gewesen. Wie man sehen könne, sei das stark zerknittert und beschädigt, das könne seiner Meinung nach durch Wassereinwirkung gewesen sein, dass die Tinte verwischt wurde, die Druckerschwärze auf die Rückseite übertragen wurde, seiner Interpretation nach durch Löschwasser. Zu den nächsten Fotos sagt Ka., das sei auch alles Bielefeld, es handele sich um Kartenausschnitte. Unterstrichen sei hier z. B. die Windelsbacher Straße [phon., gemeint evtl. „Windelsbleicher Straße“] und Hausnummern eingetragen. Ka. nennt zwei Nummern und sagt, das entspreche auch den eingetragenen Adressen, wobei die Zahlen nicht zwingend den Örtlichkeiten entsprechen müssten, aber die Straßen würden stimmen.

Auf dem nächsten Blatt finde sich ein weiterer Ausschnitt von Bielefeld. Wieder nennt Ka. die markierten Nummern. Es finde sich auch noch einen Adresse in der Sedanstraße und die dazugehörige Nummer markiert auf der Liste. Dann sagt Ka., dass es sich bei Markierungen etwa um den „Türkischen Kultur- und Solidaritätsverein“ handele oder um das „Islamische Kulturzentrum“ [phon.]. Die Adresse in der Sedanstraße sei in den Listen, soweit er das sehe, nicht enthalten. Neben der Nummer 47 stehe „MdB“, vermutlich „Mitglied des Bundestags“, das decke sich mit der entsprechenden Nummer in der Liste. Ob die Person tatsächlich MdB ist oder war, sei ihm nicht bekannt. Und dann gebe es noch eine Nummer 9: „Am Stadtholz, Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“, das korreliere mit der ausgedruckten Liste, Nummer 9. Dann finde sich hier die nächste Seite „Bielefeld S1“, hier sei das Ausdruckdatum der 03.04.2006: „Soweit ich weiß sind alle Karten von Bielefeld an dem Datum ausgedruckt worden.“ Zur nächsten Seite sagt Ka., hier könne man zumindest noch „04.2006“ erkennen, er vermute, dass es auch am gleichen Tag ausgedruckt worden ist. Ebenso vermute er das beim Ausdruck „Bielefeld S4“, wo man nur noch „06“ am Ende erkennen könne.

Bei „Bielefeld S1“ gebe es wieder Markierung mit „MdB“ in der Arndtstraße, das decke sich mit der Adressliste. Ka.: „Leider kann man auf diesen älteren Dokumenten die Straßen nicht mehr hundertprozentig erkennen, aber ich habe es online nachgeschaut, es ist tatsächlich ein Abbild des Stadtplans von Bielefeld.“ Ka. geht weitere Markierungen durch, nennt u.a. ein Büro der CDU und bei „S3“ den RCDS [=Ring Christlich-Demokratischer Studenten]. Zum nächsten Bild sagt Ka.: „Und hier noch eine Übersichtskarte von Bielefeld, hier sind handschriftlich Rahmen gezogen, die den zuvor gezeigten Ausdruckausschnitten entsprechen, nur in verkleinerter Form.“ Ka. erläutert dann, woran man erkennen kann, dass es sich bei den Rahmen in der Übersichtskarte um die Bereiche der zuvor gezeigten Kartenausschnitte „S1“ etc. handele. Zu erkennen seien auch hier die in den zuvor gezeigten Ausschnitten eingetragenen Nummern. Dann sagt Ka., dass er in ähnlicher Weise auch bei den anderen Asservaten vorgegangen sei.

Götzl nennt die nächsten Asservatennummern und legt dem Zeugen die Aktenseiten vor. Ka.: „Hier geht es um Adressen, die sich in Münster befinden. Wiederum nur Fotografien, die Originale lagen mir zu keiner Zeit vor. Hier die handschriftlich notierten 100 bis 105 und 91 bis 99, auch diese Adressen waren in der Adressliste, die digital vorlag, enthalten.“ Zum nächsten Foto sagt er, es handele sich um die Rückseite eines Asservats, wo sich der Abdruck einer anderen Seite durchgedrückt habe, vermutlich durch Löschwasser. Man sehe die Straßen und Namen alle spiegelverkehrt. Das Kartenmaterial zu Münster sei ebenfalls sehr stark beschädigt. Zu einem Foto sagt Ka., das sei die Innenstadt von Münster, hier seien ebenfalls handschriftliche Kästen gezogen, die sich in den vergrößerten Ausdrucken entsprechend wiederfinden würden. Ka. erläutert, das gleiche für die nächsten Seiten. Ka. nennt die verschiedenen Markierungen im Stadtplan von Münster: die Jüdische Kultusgemeinde [phon.], der CDU-Kreisverband Münster, das Bistum Münster. Ka. „Also ganz unterschiedliche Einrichtungen und Adressen.“

Zu den nächsten Fotos sagt er: „Die weiteren Ausdrucke in diesem Bereich sind sehr schlecht zu erkennen. Das könnte sogar das selbe Asservat sein, nur von unterschiedlichen Dienststellen aufgenommen.“ Ihm habe damals allerdings nur eine Ablichtung der Asservate vorgelegen: „Wobei ich nicht sagen, kann, die von der Tatortgruppe des BKA oder die hier mit dem gelben Rahmen von anderen Kollegen.“ Es handele sich aber offenbar um das selbe Asservat zu Münster „S1“. Ka.: „Münster S2. Kann man auch in dieser Übersichtskarte finden, kann man auch anhand des Straßenverlaufs sich erschließen.“ Wieder nennt Ka. Markierungen in Münster: Verband der Islamischen Kulturzentren, Deutscher und Türkischer Kulturverein, Türkisch-Deutscher Kulturverein, Türkischer Arbeiter- und Studentenverein Münster. Zu den nächsten Asservaten sagt Ka., hier sehe man die Adressliste zu den Kartenausdrucken von Kassel, ausgedruckt am 03.04.2006. Den Tag könne man zwar nicht erkennen, aber er gehe davon aus, dass es am selben Tag war, weil es auch von einer Klammer zusammen gehalten worden sei. Auch zu Kassel habe es eine größere Übersicht gegeben, so Ka., handschriftlich mit kleinen Rechtecken versehen, die zu den vergrößerten Karten passen. Zu einer Adresse in der Humboldtstraße sagt Ka., die Nummer 40 sei gekennzeichnet mit einem roten Stern und daneben stehe geschrieben: „MdB“.

In der Liste sei dann die Nummer 40 aufgeführt mit „Rü., G.“ [Name von der Redaktion abgekürzt]. Ob der tatsächlich MdB sei, wisse er nicht, so Ka. Es finde sich eine weitere Adresse markiert mit „MdB“, die sich auch in der Liste finde. Eine weitere markierte Adresse mit „MdB“ finde sich ebenfalls in der Liste: We., M. [Name von der Redaktion abgekürzt]. Ka.: „Wie gesagt, schlecht zu erkennen. Wie die Adresse genau lautet, weiß ich nicht. Dann nennt Ka. weitere markierte Einrichtungen: Türk Kadinlar Birligi, Islamisches Kulturzentrum Kassel, Deutsch-Türkischer Treff Dostlar, Jüdische Gemeinde in Kassel. Dann sagt Ka., unter „Kassel S2“ finde sich eine Markierung mit handschriftlich „Bundeswehr“. Als nächste Adresse finde sich die Katholische Ausländerseelsorge mit der 35 markiert. Zum nächsten Foto sagt Ka.: „Hier ‚Kassel S4‘, findet sich in der Übersicht hier in der Mitte, überlappt sich zum Teil mit den anderen Blättern. Auch diese Sachen wurden alle am 3. bzw. die Kasselübersicht offenbar am 02.04.2006 ausgedruckt.“ In der Liste finde sich zu den Markierungen: Iranischer Flüchtlingsrat, der Verein für den Bau und die Unterstützung der Moschee in Kassel, der CDU-Kreisverband Schwalm-Eder. Zu „Kassel S5“ nennt Ka. das „Türkische Kulturzentrum Kassel“ und eine Adresse in der Holländischen Straße, das „Islamische Kulturzentrum“. Zum letzten Ausdruck „Kassel S1“ sagt Ka., es finde sich die Adresse der CDU in Kassel und der Türkisch-Islamische Kulturverein Mattenberg. Ka.: „Ja, so habe ich das auch vor vier Jahren ausgewertet und niedergeschrieben.“ Die Einvernahme von Ka. ist um 11:35 Uhr beendet. Götzl legt die Mittagspause ein. Um 12:44 Uhr geht es weiter.

OStA Weingarten verliest für den GBA eine Stellungnahme zu den Beweisanträgen vom 242. Verhandlungstag. Der Senat habe auf die Anträge hin bereits drei Zeugen geladen, dem wäre der GBA nicht entgegengetreten. Im Übrigen nehme der GBA weitgehend ablehnend Stellung. Dem Antrag auf Inaugenscheinnahme von Lichtbildern etc. sei nicht nachzukommen. Die Aufklärungspflicht gebiete nicht, jede politische Betätigung ab 2004 im Einzelnen zu überprüfen. Gerlach habe die Teilnahme an zwei rechtsextremistischen Demonstrationen 2005 bereits eingeräumt. Die mglw. bedeutsame Frage, ob er aus politischer Überzeugung oder freundschaftlicher Verbundenheit an diesen Demonstrationen teilgenommen hat, lasse sich anhand von Bildern und der Einvernahme des Einsatzleiters nicht feststellen. Zur Einvernahme der Zeugin Ar., die bekunden solle, dass sich auf einer Festplatte gelöschte Paulchen-Panther-Bilder befunden haben, könne man nicht sagen, dass gelöschte Bilder auf einer Festplatte eines Angeklagten keine Bedeutung haben, wenngleich man auch nicht sagen könne, was daraus geschlossen werden kann. Der GBA trete dem nicht entgegen, alternativ könne aber auch der Ermittlungsbericht verlesen werden.

Soweit der Antrag gestellt sei, festzustellen, wann diese Dateien gelöscht wurden, sei er abzulehnen, weil das laut BKA nicht eindeutig festzustellen sei. Im Übrigen habe eine erneute Untersuchung des Asservats ergeben, dass der Rechner letztmals am 03.11.2011 um 21:17 Uhr [phon.] genutzt worden sei und damit ein aussagekräftiges Löschdatum auszuschließen sei. Der Bericht werde zur Akte nachgereicht. Zum Antrag bzgl. der Antwortschreiben der Geheimdienste sagt Weingarten, die Antwort des BfV werde nachgereicht, im Übrigen sei der Antrag abzulehnen: Zum einen würden bereits umfassende Erkenntnismitteilungen der Nachrichtendienste zu Holger Gerlach vorliegen. Hinsichtlich des LfV Niedersachsen seien die mitgeteilten Erkenntnisse vollständig in den Akten. Seinerzeit noch als vertraulich eingestufte Erkenntnisse seien nun in den Akten vollständig enthalten. Der MAD verfüge nicht über Erkenntnisse zu Gerlach.

Betreffend die Verbindungen des Angeklagten Gerlach zu : Bei dem Antrag auf Beiziehen der Gefangenenbriefkartei JVA Wolfenbüttel 2001 und zu ermitteln, ob noch beschlagnahmte Briefe vorhanden sind, handele es sich um Beweisermittlungsanträge. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern ein derartiger Briefwechsel Rückschlüsse auf eine Indiz- oder Hilfstatsache [phon.] erbringen solle. Angesichts der bei Gefangenenpost offensichtlichen Postkontrolle gebiete es die Aufklärungspflicht nicht, die BAW mit der Suche zu beauftragen. Es sei von vornherein nicht zu erwarten, dass diese Briefe geheimhaltungsbedürftige Inhalte enthalten. Die Anträge zum Adressbuch Heises und dem Kontakthalten mit Heise seien aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Die Antragsteller wollten den Schluss ziehen, dass Gerlach einen intensiveren Kontakt zu Heise hatte als eingeräumt, und in einem Umfeld agiert habe, das Gewalt befürwortet hat. Die Feststellung eines mglw. engeren Kennverhältnisses zu Heise erlaube aber keine Rückschlüsse auf den Tatvorsatz des Angeklagten Gerlach.

Insgesamt lasse die allgemeine Einstellung Heises keinen belastbaren Schluss auf den Vorsatz bei Gerlach zu. Bereits aufgrund der Einlassung des Angeklagten könne davon ausgegangen werden, dass er sich bis 2002 noch der neonazistischen Szene zugehörig fühlte. Zudem sage der Fund des Adressbuchs bei Heise nichts für die Zeit nach 2002 aus. Zu den Tonbändern sagt Weingarten, dass die Anträge aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung seien. Der Umstand, dass der bereits einvernommene Zeuge Brandt Erwägungen angestellt habe, dass der VS den THS als legale Organisation einer bewaffneten Organisation betrachten könne, sei eine Dritteinschätzung einer Dritteinschätzung [phon.]. Auch die Einschätzung Brandts der KS Jena als „verschworene Gemeinschaft“ von sechs Personen und als „NS-Kameradschaft“ und von Wohlleben als „NS-lastig“ seien bloße, nicht durch mitgeteilte Tatsachen gestützte Einschätzungen. Auch aus der Bemerkung Brandts, das „Unmengen von Geldern gesammelt worden sind“ werde der Senat keine Schlüsse ziehen können, die er nicht bereits zu ziehen in der Lage ist. Das gelte auch für die Spendengesamthöhe.

Eine erneute Einvernahme Brandts sei daher ebenfalls abzulehnen, ebenso mögliche weitere Vernehmungen von Trinkaus und Hubeny beizuziehen. Zu der Inaugenscheinnahme einer weiteren Tonbandaufnahme sagt Weingarten, dass dies auch wegen ihrer tatsächlichen Bedeutungslosigkeit abzulehnen sei. Der Umstand, dass Heise mit einem nicht identifizierten Gesprächspartner über die Beschaffung von Waffen und Gruppen, die sich „reichlich mit Waffen“ versorgen würden, gesprochen habe, könne den Senat nicht zu nachvollziehbaren Schlüssen bewegen.

Im Anschluss verliest Götzl den Beschluss, dass die Anträge, die jeweilige Bestellung Heer, Stahl, Sturm als Pflichtverteidiger zu widerrufen, abgelehnt sind. Götzl gibt zunächst noch einmal den gesamten prozessualen Hergang inklusive aller Entpflichtungsanträge von Heer, Stahl, Sturm und von Zschäpe selbst, der Beiordnung von Grasel und seiner Gespräche mit den verschiedenen Anwälten wieder. Dann führt er aus, dass bei Anwendung der Grundsätze für die Aufhebung der Bestellung eines Pflichtverteidigers die Anträge abzulehnen seien. Alle Verteidiger seien zunächst Wahlverteidiger gewesen und dann mit Zustimmung der Angeklagten zu Pflichtverteidigern bestellt worden. Der Zweck der Pflichtverteidigung, der Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, sei im vorliegenden Fall nicht ernsthaft gefährdet. Die Antragsteller behaupteten ein problematisches Binnenverhältnis, erläuterten dieses jedoch nicht.

Dem Senat sei lediglich bekannt, dass die Angeklagte Zschäpe und die Anwälte Heer, Stahl, Sturm bereits die Rücknahme der Entpflichtung beantragt hätten und seit etwa Juli 2015 während der Hauptverhandlung keine direkte Kommunikation zwischen Heer, Stahl, Sturm und Zschäpe stattfand mehr stattgefunden habe. Das führe aber nicht zur Gefährdung einer sachgerechten Verteidigung durch Sturm, Stahl, Heer. Die Antragsteller würden offen lassen, ob sie von RA Grasel oder der Mandantin informiert wurden, dass geplant sei, eine Erklärung vorzutragen. Sie würden lediglich vortragen, dem Senat sei bekannt, dass eine direkte Kommunikation mit Zschäpe derzeit nicht stattfinde und dass sie, die Antragsteller, in strategische Abstimmungen nicht eingebunden seien. Dem Senat sei lediglich das Fehlen der direkten Kommunikation der Anwälte und der Angeklagten in der Hauptverhandlung bekannt. Keine Kenntnis habe der Senat zur direkten und indirekten Kommunikation außerhalb der Hauptverhandlung und im Rahmen des unüberwachten Briefverkehrs.

Aufgrund der Mitteilungen von RA Borchert in den beiden Telefonaten sei aber davon auszugehen, dass Sturm, Stahl, Heer durch RA Grasel von den Absichten Zschäpes im Zusammenhang mit einer Erklärung in Kenntnis gesetzt wurden. Auch der Umstand der Vorenthaltung von Informationen durch Senat bzw. Vorsitzenden werde lediglich behauptet, treffe aber nicht zu. Denn der Vorsitzende habe die Prozessbeteiligten in der Verhandlung am 10.11.2015 umfassend informiert. Eine bzgl. Ob und Wann konkretisierte Entscheidung Zschäpes, Angaben zu machen, habe erst ab dem frühen Nachmittag des 09.11. vorgelegen. Beim ersten Telefonat mit RA Borchert am 31.08.2015 sei die Situation für alle Prozessbeteiligten die gewesen, dass eine Aussage Zschäpes möglich war. Diese habe nämlich in einem Schreiben mitgeteilt, sie trage sich durchaus mit dem Gedanken, etwas mitzuteilen. Somit hätten sich alle Verfahrensbeteiligte auf eine mögliche Aussage einstellen können. Weil bei dem Telefonat weder das Ob, noch das Wann festgestanden habe, habe sich an der Situation nichts geändert. Eine Veranlassung zur Mitteilung an die Verfahrensbeteiligten, insbesondere Sturm, Stahl, Heer habe zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden. Den Ausführungen im Antrag, das Ob der Erklärung habe schon zu diesem Zeitpunkt festgestanden, könne nicht gefolgt werden.

Die schriftliche Fixierung einer Erklärung besage nichts darüber, ob diese Erklärung tatsächlich dann auch abgegeben wird. In dem Telefonat am 30.09.2015 habe RA Grasel mitgeteilt, dass eine Erklärung vermutlich am 10.11. abgegeben werden könne. Das sei also eine bloße Vermutung gewesen, nicht konkretisiert. Eine Veranlassung zur Mitteilung an die Prozessbeteiligten habe somit nicht bestanden. Am frühen Nachmittag des 09.11.2015 habe RA Borchert telefonisch mitgeteilt, dass Zschäpe über RA Grasel am 11.11.2015 in der Hauptverhandlung eine Erklärung abgeben wolle. Am Tag darauf habe der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nach der Feststellung der Präsenz und nach einem Disput mit RA Heer, ob ihm noch vor dem Vorsitzenden das Wort zu erteilen sei, die Verfahrensbeteiligten über die Entwicklung und den Sachstand hinsichtlich einer Erklärung Zschäpes informiert. Zusätzlich sei der Vorsitzende davon ausgegangen, dass Sturm, Stahl, Heer bereits davor informiert waren.

Borchert habe zunächst am 31.08. mitgeteilt, die Mitverteidiger würden informiert, und am 09.11. die Mitverteidiger seien informiert. Zudem habe der Vorsitzende RA Heer beim Gespräch am 28.10.2015 an RA Grasel verwiesen, es habe kein Anlass bestanden, davon auszugehen, dass Grasel eine Information verweigert. Eine ordnungsgemäße Verteidigung sei durch die Antragsteller weiterhin möglich. Unterschiedliche Auffassungen über das Verteidigungskonzept würden nicht ohne Weiteres zu einem Grund führen, der die Rücknahme einer Bestellung nötig machen würde. Die Angeklagte habe die Abgabe einer Erklärung angekündigt, eine sachgerechte Verteidigung sei dadurch nicht unmöglich. Die Antragsteller hätten genug Zeit gehabt, sich darauf einzustellen. Die Angeklagte habe bereits schriftlich mitgeteilt, dass sie sich durchaus mit dem Gedanken beschäftige, etwas auszusagen. Die Antragsteller hatten seitdem davon Kenntnis, dass eine Aussage für Zschäpe ein Thema war. Somit hätten sie seit längerem die für den Fall einer Aussage erforderlichen Anpassungen ihres Verteidigungsverhaltens durchdenken und planen können.

Unverzüglich nachdem Zschäpe habe mitteilen lassen, dass und wann sie eine Erklärung abgeben könne, seien alle Beteiligten darüber informiert. Die Erklärung werde nach Mitteilung von RA Borchert nicht vor dem 08.12. abgegeben Es bestehe also keine Gefahr, dass die Antragsteller aufgrund eines Informationsdefizits Gefahr laufen, Maßnahmen zu ergreifen, die Zschäpes Interessen zuwiderlaufen könnten. Anhaltspunkte, dass Heer, Stahl, Sturm zu einer Modifizierung ihrer Verteidigung persönlich oder fachlich nicht in der Lage wären, gebe es nicht. Bei der Gesamtschau könne von einer Unmöglichkeit einer ordnungsgemäßen Verteidigung durch Sturm, Stahl und Heer keine Rede sein. Konkrete, hinreichende und nachgewiesene Anhaltspunkte, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Antragstellern und Zschäpe so nachhaltig gestört
ist, dass, für den Vorsitzenden erkennbar, die sachgerechte Ausübung des Mandats unmöglich ist, seien nicht zu erkennen und nicht vorgetragen. Die Antragsteller würden vortragen, der Senat habe ihnen jegliche Informationen über die ihm offensichtlich seit längerem bekannte Absicht der Mandantin, die Verteidigungsstrategie grundlegend zu ändern, vorenthalten und gehe daher offenbar selbst von einem irreparabel zerrütteten Vertrauensverhältnis aus.

Die Antragssteller seien vom Vorsitzenden am 10.11. darüber informiert worden, dass die Angeklagte eine Erklärung abgeben könne. Dass nicht bereits vor diesem Termin eine Information durch den Vorsitzenden erfolgte, stelle ungeachtet des Meinungsstandes Zschäpes zur Abgabe einer Erklärung, unter keinen Umständen einen wichtigen Grund im Sinne einer endgültigen und nachhaltigen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses dar. Ein Handeln des Senats bzw. des Vorsitzenden sei ausschließlich relevant zwischen den Beteiligten, also in diesem Fall zwischen Sturm, Stahl, Heer und dem Gericht oder dem Vorsitzenden. Der Vorsitzende habe die Rechtsanwälte und die anderen Verfahrensbeteiligten über seine Kenntnis informiert. Es sei nicht ersichtlich, wie sich der Umstand, dass der Vorsitzende sie nicht eher in Kenntnis setzte, auf das Binnenverhältnis der Angeklagten zu ihren Verteidigern auswirken sollte und zu einer endgültigen und nachhaltigen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses führen sollte.

Ergänzend sei anzumerken: 1) RA Borcherts Funktion in den Telefonaten sei so aufgefasst worden, dass er für RA Grasel Mitteilungen übermittelte. 2) Nebenakten oder -verfahren würden nicht geführt. Aktenvermerke würden dann gefertigt, wenn eine Änderung der gegebenen Situation zu dokumentieren ist. Sofern die Situation gleich bleibe, seien Aktenvermerke nicht veranlasst. 3) Richter Kuchenbauer habe an dem Gespräch am 28.10. mit RA Grasel nicht teilgenommen. 4) Der Vortrag, der Senat flüchte sich in den Vorwand, der Vorsitzende sei gerichtsabwesend, sei nicht zutreffend. Eine Vorlage und Kenntnisnahme der Anfrage zum Inhalt des Gesprächs mit RA Grasel sei erst nach der Rückkehr des Vorsitzenden aus dem Urlaub am 09.11. erfolgt. Die Information der Verfahrensbeteiligten dann am Folgetag. 5) Der Vorwurf der Missachtung der geschäftsplanmäßigen Vertretungsregeln durch den Senat treffe nicht zu.

RA Heer sagt, dass Götzl darauf hingewiesen habe, dass RA Borchert für RA Grasel Erklärungen übermittelt habe, und fragt: „Welche Verfahrensposition hatte Rechtsanwalt Borchert für Sie?“ Götzl: „Ich hatte mitgeteilt: ‚für RA Grasel Mitteilungen übermittelt‘.“ RA Heer: „Ja welche Verfahrensposition hatte er denn?“ Götzl: „Er hat seine Vertretung angezeigt.“ Heer: „Ja, seinerzeit, was ist das rechtlich, das kann ich nicht einordnen: ‚für RA Grasel Mitteilungen übermittelt‘ Würden Sie mir die Frage bitte beantworten?“ Götzl: „Ist das ein Antrag?“ RA Heer: „Ich bitte Sie mir die Frage zu beantworten: Welche Verfahrensposition hatte RA Borchert am 31.08.2015?“ Götzl [weigert sich offensichtlich auf die Frage zu antworten]: „Sind sonstige Erklärungen zunächst?“ NK-Vertreter RA Langer sagt, er verweise auf die Strafprozessvollmacht von Borchert, die sei in den Akten, da sehe er keine Einschränkung und könne keine Probleme erkennen. RA Heer: „Ich zitiere aus dem Schreiben von Borchert vom 21.07.2014: ‚beschränkt sich auf die Beratung, die Eingang in die Erklärung von Frau Zschäpe stattgefunden hat‘. Also er hat die eigentlich umfassende Vollmacht letztlich doch durch dieses Schreiben eingeschränkt.“

RA Stahl: „Ein anderer Aspekt, der mir auffällt: Sie konstatieren, dass im Sinne der nicht vorgetragenen Negativtatsachen das für den Senat nicht klar war, dass nicht doch möglicherweise Rechtsanwalt Grasel uns in Kenntnis gesetzt hat, ob und was erklärt werden kann oder soll. Ich meine, in der Gesamtschau ergibt sich sehr deutlich daraus, dass wir völlig ahnungslos von einer Verfahrenssituation waren, die zwischen Ihnen und einem bestellten Verteidiger von Frau Zschäpe erörtert wurden. Ich denke, das es nicht erforderlich ist, dass mehr Negativtatsachen erforderlich sind.“

Götzl: „Im Hinblick auf die Abgabe dienstlicher Stellungnahmen in Zusammenhang mit der Nebenklage ‚Meral Keskin‘ wird folgendes mitgeteilt: Mir lagen vor der ‚Spiegel Online‘-Veröffentlichung keine weiteren Erkenntnisse vor, die über den Akteninhalt hinausgehen. Die Beschlussfassung zur Nebenklage ist ausschließlich anhand der Aktenlage erfolgt.“ RA Stahl: „Bekommen wir entsprechende Ausführungen?“ Götzl: „Ja, können Sie gerne haben. Was noch aussteht, ist der von ihrer Seite beantragte Beschluss im Hinblick auf die Entscheidung des Vorsitzenden. Gibt es dazu noch Stellungnahmen? Das werden wir noch beraten.“
Götzl sagt, dann unterbreche man und setze 13:40 Uhr fort. Es entsteht etwas Unruhe im Saal. Götzl: „Von unserer Seite ist dann kein weiteres Programm mehr vorgesehen mit Ausnahme dieser Entscheidung.“ Es folgt eine Pause bis 13:46 Uhr.

Danach verliest Götzl den Beschluss, dass die Beanstandung der Verfügung des Vorsitzenden, dass weder er noch die Richter Lang oder Kuchenbauer dienstliche Stellungnahmen zur NK „Meral Keskin“ abgeben werden, zurückgewiesen wird. Das Beratungsgeheimnis verbiete eine Stellungnahme über die geschehene Mitteilung des Vorsitzenden hinaus. Der Verhandlungstag endet um 13:51 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“: „Das Befangenheitsgesuch Wohllebens wurde gestern wenig überraschend als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht konnte also heute weiterbehandeln – und schlug einmal wieder Zeit tot: Vormittags ließ es zwei BKA-Beamte die Ausspähnotizen zu diversen Städten in West- und Ostdeutschland darstellen. Das erbrachte zwar auch nicht mehr Erkenntnisse, als das reine Ansehen der Notizen erbrecht hätte – aber es dauerte immerhin 1 1/2 Stunden, so dass das Gericht danach erst einmal Mittagspause machen konnte.
Ausreichend gestärkt und erholt, lauschte das Gericht sodann der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft zu den Beweisanträgen der Nebenklage vom 28.10.2015 (Fazit wie immer (fast) alles irrelevant für unsere Anklage, der mögliche Aufbau terroristischer Gruppen im Umfeld des NSU tut ja hier nichts zur Sache), lehnte den Antrag der AltverteidigerInnen Zschäpes auf Entpflichtung vom 10.11.2015 ab, gab eine kurze Mitteilung zum Kenntnisstand des Gerichts betreffend die Nebenklage ‚Meral Keskin‘ ab und lehnte die Abgabe einer ausführlicherem Stellungnahme ab. Nach diesem schweren Tagwerk beendete das Gericht die Hauptverhandlung dann um 13:51 Uhr.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/11/24/24-11-2015/

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