Zeug_innen:
- Jeanette Re. (BKA, Ermittlungen zu Bahncards auf die Namen André und Susann Eminger)
- Ricarda We. (Kriminalbeamtin, Ermittlungen zu Bahncards auf die Namen André und Susann Eminger)
- Frank Le. (Brandermittler, Brand Frühlingsstraße 26, asservierte Zigarettenkippen)
- Christian Bö. (BKA, Ausspähnotizen zu München und Zwickau)
An diesem Prozesstag sagen zunächst Ermittler_innen zu Ermittlungsdetails aus. Dabei geht es um Bahncards, Zigarettenstummel und Ausspähnotizen. Danach verliest der Angeklagte Ralf Wohlleben seine Aussage.
Im Publikum sitzen neun Personen aus der Neonazi-Szene, darunter Thomas Gerlach, Steffen Richter, Karlheinz Statzberger, Petra Ka., Maximilian Le., Nico Me. und Marco Zi. Unten im Saal sitzt Jacqueline Wohlleben. Um 09:45 Uhr betreten Zschäpe, Wohlleben und Schultze den Saal. Wohlleben nimmt neben seiner Frau Jacqueline Platz, zuvor grüßt er nach oben in Richtung der Gruppe von Neonazis.
Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Erste Zeugin ist die BKA-Beamtin Jeanette Re. Götzl sagt, es gehe um Ermittlungen zu Bahncards betreffend Susann und André Eminger, hier um Ermittlungen bei der Commerzbank AG. Sie sagt, es sei mitgeteilt worden, dass für André Eminger unter zwei Kundenstammnummern Konten geführt würden. Es gebe es zwei Überweisungen an die Deutsche Bahn. Bei der einen habe im Buchungstext die Bahncardnummer der auf André Eminger lautenden Karte gestanden. Diese Karte sei im Wohnmobil gefunden worden.
Es folgt die Zeugin Ricarda We. Auch bei dieser Zeugin geht es um die Bahncards auf die Namen Susann und André Eminger. We. sagt, dazu habe sie Kontakt aufgenommen mit der Konzernsicherheit der DB, diese habe die entsprechenden Unterlagen zu den Bahncards übersandt. Der Antrag zur Erstellung einer Partner-Bahncard sei am 08.05.2009 [phon.] gestellt worden auf den Namen „Susann Eminger“ mit einem Bild von Beate Zschäpe und auf den Namen „André Eminger“ mit einem Bild von Uwe Böhnhardt. Auf die Frage, ob dazu ein Ausweis vorgelegt werden müsse, habe, so We., die DB geantwortet, das sei grundsätzlich erforderlich, aber es würden keine Kopien angefertigt und es könne sein, dass ein Mitarbeiter im Reisezentrum nach eigenem Ermessen darauf verzichtet.
Danach wird der Brandermittler Frank Le. gehört. Götzl: „Es geht uns um eine unbekannte Person mit der Bezifferung 17. Mir geht es darum, was Sie dazu sagen können, inwiefern Sie dann als Spurenbeamter damit befasst waren, worum es sich handelt, welches Material, welches Asservat und wo es gegebenenfalls aufgefunden wurde.“ Le. sagt, es handele sich um einen Müllbeutel, der von der Kriminaltechnik der PD Zwickau in den Keller des Hauses Frühlingsstraße 26 verbracht worden sei. Er habe einen Kriminaltechniker, Herrn Kr., beauftragt, die gesamte Durchsuchung der Türen, Fenster einschließlich Außengelände [phon.] zu tätigen. Vor dem Haus sei ein Müllbehälter vorgefunden worden, darin sei ein Müllbeutel vorhanden gewesen. Den hätten sie in den Keller des Hausgrundstücks 26 verbracht, dort sei der Inhalt ausgebreitet worden, um die darin befindlichen Zigaretten zu trocknen, weil die Asservate teilweise feucht gewesen seien.
Dann geht es mit dem Zeugen Christian Bö. weiter. Götzl sagt, es gehe um die Auswertung von Kartenmaterial, Bö. solle berichten, inwiefern er damit befasst gewesen sei, was ggf. die Auswertung ergeben habe. Bö. sagt, es handele sich um Kartenausschnitte, teilweise von Landkarten, und eine Adressliste mit 78 Adressen, händisch durchnummeriert von 1 bis 88, wobei 10 bis 19 fehlen würden. [phon.] Es gehe u.a. um München. Hinzufügen wolle er noch, dass bei der Liste zu München die Adressen in Computerschrift seien und handschriftlich nummeriert seien. Außerdem gebe es handschriftliche Notizen dazu, manchmal Haken, aber auch „guter Fluchtweg“ oder „möglicherweise Hinterhof“ [phon.]. Götzl fragt, ob zu Taten ein Bezug feststellbar gewesen sei. Bö.: „Ich kann dazu sagen, dass kein direkter Tatbezug festgestellt werden konnte.“
Danach sagt Wohllebens Verteidigerin Schneiders, dass sie eine Erklärung abgeben wolle. Auf Nachfrage von Götzl, ob es sich um eine Einlassung Wohllebens handele, sagt sie, es gehe zunächst nur um eine Erklärung der Verteidigung. Dann verliest sie eine Version eines zuvor bereits auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichten Statements. Wohlleben, so Schneiders, befinde sich seit vier Jahren in U-Haft, seit Mai 2013 laufe die Hauptverhandlung. Schultze und Gerlach hätten Wohlleben schwer belastet, um ihre eigene Rolle herunterzuspielen. Mehrere Zeugen hätten Wohlleben geschadet. Ihr Mandant müsse einige Dinge klarstellen, um dem seine Sicht der Geschehnisse entgegenzustellen. Es handele sich bei der Einlassung um einen „Akt der Notwehr“ gegen „Lügen und Unterstellungen“.
Dann verliest Wohlleben seine Einlassung:
[…] Persönliche Verhältnisse: Geboren und aufgewachsen bin ich in Jena. […] 2002 lernte ich auch meine Frau Jacqueline kennen. 2004 bekamen wir unsere Tochter [1] und 2005 heirateten wir und zogen nach Jena-Winzerla. 2006 kam unsere Tochter [2] zur Welt. 2008 zogen wir in den Stadtteil Jena-Ost, wo ich bis zu meiner Festnahme wohnte. […]
Mein politischer Werdegang: Interesse an Politik hatte ich seit frühester Kindheit. Die Entwicklungen in der damaligen DDR waren auch für mich prägend. […] Die gewünschten Veränderungen traten durch die Wende nicht ein. So kam es, dass auch ich mich zusammen mit Freunden an den Montagsdemonstrationen, die auch in Jena stattfanden, beteiligt habe. Nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung von BRD und DDR versuchte man irgendwie mit den neuen Verhältnissen zurecht zu kommen. Dazu gehörte auch, dass man sich einem politischen Lager zugehörig fühlte. Das war selbstredend noch weit entfernt von gefestigten politischen Ansichten. Da ich schon immer einen großen Nationalstolz empfand, der integraler Bestandteil der DDR-Erziehung war, fand ich keinen Grund, diesen plötzlich abzulegen. Im Gegenteil. Ich wunderte mich über ehemalige Freunde, die plötzlich die Meinung vertraten, dass jeder, der eine BRD-Fahne schwenkt, ein Nazi sei. Da ich anderer Meinung war, ist es nicht verwunderlich, dass ich mich dem Teil der Jugend zugehörig fühlte, der heute als rechts bezeichnet wird. Dies drückte sich durch das Hören bestimmter Musik wie „Böhse Onkelz“ oder das Tragen von Kleidung wie „Chevignon“ und „Replay“ aus.
1992 oder 1993 fand eine Wahlkampfveranstaltung einer nationalen Partei statt, mglw. NPD oder DNP. Ich hatte eher zufällig davon erfahren. […] Allerdings bestand bei mir damals kein Interesse an der Mitgliedschaft in einer Partei. Ab 1994 begann ich, auch aufgrund meiner intensiven Freundschaft zu André Kapke, öfters Veranstaltungen zu besuchen. Neben einem Konzert und den Stammtischen in Rudolstadt oder Schwarza ab 1995 auch Demonstrationen. Außerdem kam auch meine Mitgliedschaft in der Kameradschaft Jena hinzu. Die lokale Szene teilte sich in Skins und Scheitels auf. Während für erstere Musik und Alkohol wichtig waren, war es bei den Scheitels mehr das Interesse an Politik. Ich selber sah mich als Scheitel und wurde auch als solcher wahrgenommen.
1999 gingen große Teile derer, die sich als THS verstanden, in die NPD. Dabei hatte der Thüringer Landesverband damals keinen guten Ruf, auch wegen verschiedener umstrittener Personen. Deshalb war ich verwundert, als plötzlich Tino Brandt vor mir stand, mir einen Mitgliedsantrag vor die Nase hielt und sagte: Hier ausfüllen und unterschreiben, Kapke ist auch schon Mitglied. Mir war natürlich klar, dass hier einem möglichen THS-Verbot entgegengewirkt werden sollte. […] Brandt meinte, ich könnte als Landesschulungsleiter kandidieren. Ich willigte ein und wurde überraschend auch gewählt. Eine der durchgeführten Schulungen war übrigens die Brauchtumsschulung mit Edda Schmidt im Jahr 2000 in der Froschmühle, wo ich selbstverständlich auch die ganze Zeit anwesend war. In Jena musste noch ein NPD-Kreisverband gegründet werden. Vorsitzender wurde Carsten Schultze, ich wurde sein Stellvertreter. Allerdings gab es Stimmen, die bezweifelten, ob er aufgrund seines jungen Alters der Richtige sei. Deswegen wurde ich gebeten, auch dieses Amt zu übernehmen, was ich auch tat. Nicht jeder hatte ein Interesse daran, seinen Namen im Zusammenhang mit der NPD wiederzufinden. Arbeitsplatzverlust, Probleme in Schule, Studium, Lehre wären noch die kleinsten möglichen Folgen gewesen. Es war also mitunter nicht immer ganz einfach einen Vorstand zu wählen. Auch ich hatte aufgrund eines Brandanschlags 1998 vor meinem Wohnhaus Bedenken, aber ich war als Landesvorstand bekannt [phon.], so dass es letztendlich auch egal war.
An dieser Stelle unterbricht Wohlleben seinen Vortrag und bittet darum, dass das Bild „Golf.gif“ gezeigt wird. Das Bild von einem ausgebrannten PKW wird an die Leinwände projiziert. Wohlleben: „Das Foto zeigt den abgebrannten PKW Golf, der Tino Brandt gehörte, der vor meinem Haus abgebrannt wurde, Weihnachten 1998.“
[…] Im Jahr 2001 wurde ich dann, kurz vor der Enttarnung von Tino Brandt, Pressesprecher der Thüringer NPD. Brandt erzählte uns, damit meine ich die Mitglieder des Landesvorstands und mich, anfänglich noch, dass die Vorwürfe gegen ihn nicht zuträfen. Weil er dieses Dementi nicht selbst verbreiten wollte [phon.], wurde ich gebeten seinen Posten zu übernehmen. Als Brandt dann endgültig enttarnt war und alle Ämter niedergelegt hatte, wurde ich gemäß Satzung kommissarisch zum stellvertretenden Landesvorsitzenden berufen. […] 2010 entschied ich mich allein aus persönlichen Gründen zum Austritt aus der Partei. Ich beteiligte mich mehr an der Arbeit des „Freien Netz Jena“, welches 2009 aus dem „Nationalen Widerstand Jena“ hervorgegangen war. […]
Holger Gerlach habe ich meiner Erinnerung nach bereits vor der Wende gekannt. Wann und wo ich ihn kennenlernte, weiß ich allerdings nicht mehr genau. Dafür meine ich mich gut daran zu erinnern, dass ich Holger nach der Wende, so 1992/93, im Jugendclub „Treffpunkt“ wiedergetroffen habe und wir Kontakt hielten. […] Durch seinen Wegzug nach Hannover wurde unser Kontakt reduziert. Anfänglich fuhr ich noch ab und an nach Hannover, später sahen wir uns nur, wenn er mal in Jena war. Irgendwann nach der Geburt meiner Tochter [2] sagte mir Holger bei einem Besuch bei seiner Schwester, dass er Drogen nimmt. Ab da suchte ich gar keinen Kontakt mehr zu ihm, weil ich mit Drogen noch nie etwas am Hut hatte. […]
Uwe Böhnhardt muss ich so 1992 kennengelernt haben. Er war introvertiert und hatte einen trockenen Humor. Zudem habe ich ihn als jemanden in Erinnerung, der sein Geld gerne für Militaria-Artikel ausgegeben hat und sich für Waffen und Geräte, von der Axt bis zur Zwille, begeistern konnte. Z. B. hat er sich einen Wurfanker gekauft. Als ich ihn fragte, was er damit vorhabe, konnte er als Antwort lediglich mitteilen, dass er dieses Gerät gesehen hatte und haben wollte. Eine Verwendung hatte er beim Kauf offensichtlich gar nicht im Sinn gehabt.
Wann ich Uwe Mundlos kennenlernte, weiß ich nicht mehr, auch wo, kann ich nicht mehr sagen. Ich habe ihn als „Schwiegermuttis Liebling“ in Erinnerung. Er war humorvoll, sympathisch, redegewandt, kontaktfreudig. Dabei war es völlig egal, wo man gerade war, ob in einer Disko, auf einer Demo oder im Polizeigewahrsam.
Beate Zschäpe: Ich erinnere ich mich nicht mehr genau, wann und wo ich sie kennengelernt habe. Ich habe sie als jemanden in Erinnerung, mit dem man gut und lange reden konnte. Sie hatte Schlagfertigkeit und viel Witz. Durch ihre offene und direkte Art war sie mir persönlich sehr sympathisch. Ich erinnere mich z. B. an abendliche Gespräche – nicht inhaltlich – nachdem der Winzerclub für den Tag geschlossen hatte und es uns noch nicht nach Hause zog.
Carsten Schultze muss ich so 1997/98 kennengelernt haben, ich habe keine genaue Erinnerung. Ich weiß noch, was ich ihm sagte, als wir uns zufällig, 2005 oder 2006, an der Jenaer Hauptpost getroffen haben. Ich setzte ihn davon in Kenntnis, dass uns meiner Meinung nach in Jena einer wie er fehlen würde. Jemand, der selbstständig ist, junge Leute begeistern kann und mitzieht. Und genau das verbinde ich mit ihm. Er war ein lustiger und sympathischer Typ, mit dem ich gerne meine Zeit verbracht habe. Wenn er mich zu seinen JN-Treffen eingeladen hat, sah ich dort immer viele junge Leute, die ihm ihre volle Aufmerksamkeit schenkten und zu ihm aufblickten. Er fühlte sich meiner Meinung nach in dieser seiner Rolle wohl.
KS Jena: Wann die KS Jena gegründet wurde und wo die Gründung stattgefunden hat, kann ich heute nicht mehr sagen. Ich habe auch keine Erinnerung mehr, wer die Idee hatte und welche Personen beteiligt waren. Ich verbinde mit der KS Jena auch nicht bestimmte politische Forderungen. Ich würde sie eher als Zusammenschluss beschreiben von Menschen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner: positives Bekenntnis zu Heimat und Herkunft. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir großartige politische Diskussionen geführt hätten. Was immer wieder ein Thema war, war die Forderung nach einem eigenen Jugendclub, darüber bestand Konsens. Ansonsten ging es bei den KS-Abenden um interne Dinge wie Mitgliedsbeiträge oder die Teilnahme an Veranstaltungen, aber auch Diskussionen, ob während der Sitzungen geraucht oder getrunken werden darf. Man war als KS Jena nicht völlig unpolitisch, aber man griff bei Flugblättern und Plakaten schon aus Kostengründen lieber auf professionell vorgedruckte Werke anderer nationaler Parteien oder Organisationen zurück. […] Uwe Mundlos hat sich nach meiner Erinnerung erst später in die KS eingebracht. Ich weiß aber nicht, ob als Mitglied. Beate Zschäpe habe ich ebenfalls nicht als Mitglied in Erinnerung. Wenn sie an Treffen teilgenommen hat, dann als Begleiterin von Uwe Böhnhardt. […]
Nationaler Widerstand Jena: Irgendwann sind die Aktivitäten der KS Jena eingeschlafen, was auch darauf zurückzuführen ist, dass man mehr und mehr unter dem Namen „THS – Sektion Jena“ agierte. Ein Gruppenname, der auf Tino Brandt zurückzuführen ist. Denn dieser erstellte in Eigeninitiative Aufkleber mit dieser Bezeichnung. 1998 oder 1999 wurde dann aus der KS Jena der „Nationale Widerstand Jena“, wobei auch diese Namensgebung auf Tino Brandt zurückzuführen ist. […]
Ich hatte schon Mitte der 90er Jahre nichts gegen Ausländer, sondern etwas gegen die Politik, die den massenhaften Zuzug von Ausländern nach Deutschland förderte. […] Nicht die Ausländer sind der politische Gegner, sondern die Politik der etablierten Parteien. […] Ausländer- bzw. Asylpolitik spielte eine untergeordnete Rolle. Es ging zunächst darum, dass nationale Positionen überhaupt erst einmal Gehör finden, das Totschweigen und die Repressionen zu durchbrechen. Keine von uns durchgeführte Demonstration befasste sich mit Asylpolitik. Dasselbe galt auch für Plakate oder Aufkleber. Einzig der von Tino Brandt initiierte Aufkleber „Bratwurst statt Döner“ war eine Ausnahme davon. Die einzige politische Aktion zur Ausländerpolitik war eine Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Diese Position vertrat damals auch die CDU/CSU. […]
THS: Auch beim THS habe ich keine Erinnerung mehr daran, ab wann dieser genau bestand. Es ist nicht ganz einfach zu definieren, was der THS letztlich war. Denn es konnte jeder, der es wollte, unter dem Namen agieren oder sich dem THS zugehörig fühlen. Es gab keine Mitgliedschaft. Was es gab, waren die Mittwochsstammtische, an denen jeder teilnehmen konnte, und Koordinierungstreffen Thüringer Gruppen, nicht nur THS [phon.]. Ich persönlich habe die Mittwochsstammtische als eine Art festen Anlaufpunkt in Erinnerung. Man wusste, dass man Gleichgesinnte aus vielen Ecken Thüringens trifft. Politik spielte eine eher untergeordnete Rolle. Ich könnte mich nicht entsinnen, dass da mal irgendwer eine Rede gehalten hätte. Das wäre vermutlich wegen der Lautstärke auch schwer möglich gewesen. Außerdem war es auch deshalb unsinnig, weil von einigen teilweise im hohen Maße dem Alkohol zugesprochen wurde. Es gab aber Informationen zu Veranstaltungen und Infomaterial. Tino Brandt brachte die „Nation & Europa“-Heftchen mit und einiges mehr. Diese Sachen wurden kostenlos weitergegeben. […]
Zusammengefasst: Unabhängig von den Treffpunkten besuchten wir – damit meine ich André Kapke, Holger Gerlach, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe – verschiedene politische Veranstaltungen, wobei ich heute nicht mehr weiß, ob immer alle genannten Personen dabei waren. Erinnerlich sind mir u.a. der Sandro-Weilkes-Marsch in Neuhaus, der Rudolf-Heß-Marsch in Worms oder das Münstermann-Gedenken in Aschaffenburg. Ich erinnere mich auch an die Teilnahme am Roeder-Prozess in Erfurt. Roeder war wegen Sachbeschädigung angeklagt. Er soll Informationstafeln anlässlich der Wehrmachtsausstellung in Erfurt mit dem Wort „Lüge“ versehen haben. Zu dem Bild, auf dem Uwe Böhnhardt schreiend zu sehen ist und ich hinter ihm bin, muss man sagen, dass linke Chaoten das Auto von Uwe Mundlos beschädigt hatten. Wir konnten nicht zurückfahren. Bei der Organisation der Rückfahrt, wurden wir mittels Steinwürfen von sogenannten Antifas angegriffen. Böhnhardt drehte sich um und hat etwas in Richtung der Steineschmeißer gerufen. Es gab auch unregelmäßige Zusammenkünfte mit Aktivisten anderer Städte: Volksfeste, Diskos, Badeausflüge, Geburtstagsfeierlichkeiten. [phon.] Ich erinnere mich auch an Urlaubsreisen, so an spontane Wochenendurlaube in der Tschechischen Republik. Neben Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren auch Holger Gerlach und Kay [St.] mal mit. Ich erinnere mich an einen Ungarn-Urlaub mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos, Holger Gerlach zum Balaton.
1996 war ich mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Kay [St.] am Aufhängen des Puppentorsos beteiligt. Beate Zschäpe war nach meiner Erinnerung nicht dabei. Unsere damaligen Aussagen bei der Polizei sind insoweit richtig, was den Aufenthalt bei der Geburtstagsfeier in Schwarzbach und die Heimfahrt betrifft. Wir waren nach meiner Erinnerung noch kurz in Beate Zschäpes Wohnung und haben diese dann wieder verlassen. Beate blieb zu Hause. Wir sind dann mit dem PKW von Uwe Mundlos zur Brücke gefahren. Ob die Puppe da schon im Auto lag, weiß ich nicht mehr. Mein Tatbeitrag war das Schmierestehen und das Abhören des Polizeifunks. Mir ist nicht erinnerlich, ob ich zum damaligen Zeitpunkt schon wusste, dass mit der Puppe eine Bombenattrappe verbunden werden sollte. Das war eine Reaktion auf eine Absichtserklärung von Jenaer Journalisten, die angekündigt hatten, nicht mehr über die rechte Szene zu berichten [phon.]. Wir wollten sie zwingen, über uns zu berichten. Der Besuch von Ignatz Bubis, des damaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in der BRD, spielte dabei keine Rolle. Danach kam es zu einer Hausdurchsuchungswelle. […] Um die Anzahl der Beschlagnahmungen so niedrig wie möglich zu halten, kam Uwe Böhnhardt auf die Idee, eine Garage oder einen Garten zu mieten, wo man dann solche Sachen lagert. Eine solche Vermietung ist nirgendwo verzeichnet, weshalb aus seiner Sicht die Sachen dort sicher waren. Ich hatte bislang weder Probleme mit Hausdurchsuchungen, noch Dinge, die man dort hätte lagern müssen. Daher hatte ich kein Interesse. Irgendwann habe ich erfahren, dass Uwe Böhnhardt eine Garage an der Kläranlage gefunden hat. Ich muss mindestens einmal dort gewesen sein für eine Reparatur am Fahrzeug von Uwe Böhnhardt. […] Ich habe keine Koffer öder Ähnliches gesehen. [phon.] Aus meiner Sicht war das eine ganz normale Garage.
Für mich hat auch das sonstige Verhalten von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nie Anlass gegeben zu vermuten, dass die mal dazu fähig sein könnten, schwere Straftaten zu begehen, schon gar nicht gegen Ausländer, weil diese für uns nicht Thema waren. […]
Was die Bombenattrappen im Stadion und auf dem Nordfriedhof und die Briefbombenattrappen anbelangt, weiß ich nicht mehr, ob ich damals unmittelbar davon Kenntnis hatte. Jedenfalls wurde nicht drüber gesprochen, weil prinzipiell nicht über so etwas gesprochen wurde. Man ging davon aus, dass die Szene mit Spitzeln durchsetzt ist. Da ich zu keiner Zeit für einen staatlichen Dienst als Spitzel gearbeitet habe, habe ich auch nicht nachgefragt [phon.]. Bzgl. der Bombenattrappe am Theaterhaus weiß ich nicht mehr genau, wann und von wem ich erfahren habe, dass das auf Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zurückzuführen ist. Ich glaube, es wurde mir bei einem Treffen nach dem Untertauchen von einem der Uwes erzählt. Ich erinnere mich, dass mir irgendwann mal gesagt wurde, dass das TNT nur dabei gewesen sei, um Aufmerksamkeit zu provozieren. Das passte, denn sie mochten es ja zu provozieren. So als zuerst Uwe Mundlos und später auch Uwe Böhnhardt plötzlich mit einer Art braunen Uniform unterwegs waren. Ich hatte Kenntnis, dass die beiden Uwes die Puppe aufgehängt und die Bombenattrappe am Theater hingestellt haben. Nach meiner Auffassung handelte es sich um Provokationen, mit denen keine Menschen getötet oder verletzt werden sollten. Von daher kam ich nie auf den Gedanken, dass die beiden Uwes zu solchen Straftaten fähig sein könnten, wie sie hier angeklagt sind.
Nach dem Untertauchen: Am 26. Januar 1998 gab es mehrere Durchsuchungsaktionen. Uwe Böhnhardt konnte den Ort verlassen. Was er dann konkret gemacht hat, weiß ich nicht. Mir ist auch nicht erinnerlich, wer zu mir kam, und mich fragte, ob man mein Auto haben könne. Ich weiß, dass es darum ging, vorerst die Stadt zu verlassen. Sicher wurde mir auch von der Durchsuchung berichtet und dass man vorhat, erstmal zu verschwinden. Es war durchaus üblich, seinen PKW zu verleihen. Zumal ich als Ersatz das Auto von Uwe Mundlos bekam. […] Was sich in den darauffolgenden Tagen abspielte, weiß ich auch nicht mehr. Ich weiß nur, dass der PKW von Mundlos plötzlich weg war. […]
Es gab ein Telefonzellensystem, das schon früher angewendet wurde. […] Es kam zu verschiedenen Telefonaten. Zu Inhalten könnte ich nur Vermutungen anstellen. Genaue Erinnerungen habe ich nur daran, dass ich mehrmals die Mutter von Uwe Mundlos aufsuchen sollte, was ich auch tat. Mit welchen Anliegen, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich, dass ich nicht nur mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt telefoniert habe, sondern am Anfang auch mit einer unbekannten männlichen Person. An Telefonate mit Beate Zschäpe erinnere ich mich nicht. Auch mit welcher Regelmäßigkeit, erinnere ich nicht. Am Anfang wurde immer beim aktuellen Telefonat der nächste Termin ausgemacht. Später bekam ich eine Funknummer, um mich anzukündigen, und dann die Nummer einer Telefonzelle. [phon.] Ich erinnere mich, dass Jürgen Helbig eine Zeit lang seinen Anschluss und seinen Anrufbeantworter zur Nachrichtenübermittlung zur Verfügung stellte. Telefonisch habe ich von den Uwes erfahren, dass mein PKW mit einem Defekt liegen geblieben ist, wo das Auto steht und wo der Schlüssel versteckt ist. Sie wären in Hannover gewesen und fast von der Polizei geschnappt worden. Man habe sie laufen lassen. Danach hätten sie sich andere Kennzeichen besorgt. […]
Es muss kurz nach dieser Reparatur gewesen sein, als ich das erste Mal nach Chemnitz gefahren bin, um mich mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu treffen. Den genauen Termin muss ich telefonisch ausgemacht haben. Ich weiß nicht mehr, ob mit einem der beiden Uwes oder mit einer anderen Person. Auf jeden Fall war vorgegeben, dass ich in der Nähe einer Tankstelle kurz vor Chemnitz auf eine Person warte, die mich dann anspricht. Diese Person, ein Glatzkopf, kam dann auch. Er forderte mich auf, in seinen VW Polo einzusteigen, was ich auch tat. […] Wir haben dann meiner Erinnerung nach eine Altbauwohnung in Chemnitz aufgesucht. Dort habe ich Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe das erste Mal nach ihrem Verschwinden wiedergesehen. Was gesprochen wurde, erinnere ich nicht, nur noch eine kleine Wohnung mit einem Schlauchzimmer hinter einem Wohnzimmer. Weitere Personen, außer den Dreien, mir und dem Fahrer waren nicht anwesend. Was die Transporte von Jürgen Helbig anbelangt, habe ich ihn weder gefragt noch gebeten, mir zu helfen. Die Telefonate gingen zunächst über Helbigs Telefonanschluss. Er bot mir seine Hilfe von sich aus an. Ich habe keine Erinnerung, was er transportiert hat. Ausschließen kann ich seine Vermutung, dass es sich irgendwann mal um eine Waffe gehandelt hat. Das vermutet er nur wegen der Ermittlungen. [phon.] Die meisten Sachen kamen von Böhnhardts Eltern. […]
Irgendwann Anfang 1999 kam es zu einem weiteren Treffen zwischen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe und mir. Es waren keine weiteren Personen anwesend [phon.]. Telefonisch wurden mir Zeitpunkt und Ort genannt, und dass ich aufpassen solle, nicht verfolgt zu werden. Mit welchem PKW ich gefahren bin, weiß ich nicht mehr, nicht mein eigener. Das Treffen sollte dazu dienen, von Beate Zschäpe eine Vollmacht für eine anwaltliche Vertretung zu bekommen. Ausschließen kann ich nicht, dass auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt entsprechende Vollmachten übergeben haben. Vage erinnere ich mich, dass ich mal bei RA Thaut war. Es ging um die Selbstgestellung von Böhnhardt. Mglw. war Frau Böhnhardt dabei. [phon.] Bei dem Treffen mit den Dreien, das in einem Park in der Nähe von einem Einkaufszentrum stattfand, gab es noch ein persönliches Gespräch zwischen Uwe Böhnhardt und mir. Er äußerte den Wunsch, dass ich mich nach einer scharfen Pistole umhören solle. Wenn es ginge mit Munition. Es sollte eine Pistole und kein Revolver sein. Als ich ihm entgegnete, dass ich mich nicht auskenne, sagte er sinngemäß, ich solle nur darauf achten, dass es ein deutsches Fabrikat ist. Wenn er sie nicht gebrauchen könne, würde er sie wieder verkaufen können. Auf Frage nach der Bezahlung sagte er, ich könnte mal bei Tino Brandt anfragen. Ich habe ihn gefragt, wozu er eine scharfe Waffe bräuchte. Böhnhardt hat mir klar gemacht, dass er nicht mehr in Haft gehen würde und sich eher selbst erschießen würde. […]
Irgendwann übernahm Carsten Schultze die Telefonate. […] Welche Aufgaben konkret an wen vermittelt wurden, kann ich nicht mehr sagen, auch nicht, zu welcher Zeit. Es gab aber jedenfalls den Auftrag, in die Wohnung Zschäpe einzubrechen, um persönliche Unterlagen zu sichern. Diesen Einbruch hat Carsten Schultze durchgeführt. Jürgen Helbig stand Schmiere. Das hat mir Carsten Schultze erzählt. Einen Teil der Sachen haben Carsten Schultze und ich hinter der „Fliegerscheune“ vergraben. Den anderen Teil haben wir in der Saale versenkt. Des weiteren gab es den Auftrag, ein Motorrad zu stehlen. Der Typ wurde vorgegeben. Ich vermutete, dass die Teile verkauft werden sollten. Das Motorrad sollte irgendwohin gebracht werden. Ich habe mit Carsten Schultze, wie bestellt, ein Motorrad MZ ETZ 150 gestohlen. Es sprang nicht an und wir haben es in einem Gebüsch bei einer Autobahnbrücke versteckt. Später wollte ich entweder alleine oder zusammen mit Carsten Schultze nochmal zu dem Motorrad, es war aber nicht mehr da.
Dann gab es immer wieder die Frage nach finanzieller Unterstützung und die Unterbringung im Ausland war ständig im Gespräch. Kurz nach dem Untertauchen kamen immer noch Gelder zusammen, aber im Laufe der Zeit reduzierte sich das fast auf Null. Wie genau die Gelder zu den Untergetauchten kamen, kann ich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Zu dem behaupteten Kredit kann ich nur sagen, dass ich zu der Zeit nicht kreditwürdig war. Das ergibt sich auch aus den Finanzermittlungen. Weitere Gelder außer den 500 DM von Tino Brandt habe ich für die Drei nicht entgegengenommen. Das hat nach meiner Erinnerung immer André Kapke gemacht. Die Gelder für die Spiele haben nach meiner Erinnerung Jürgen Helbig und André Kapke weitergeleitet. Aus Geldgeschichten habe ich mich immer rausgehalten, weil es in der Szene immer wieder Streit wegen Geld gab. Es gab immer Gerede, man würde sich selbst bereichern. Bestes Beispiel ist, als André Kapke einmal Geld abhanden kam.
Zum Thema Ausland war von Südafrika und Amerika die Rede. Ich erinnere mich, dass Thorsten Heise als Ansprechpartner im Gespräch war, und dass Holger Gerlach sich darum bemühte. Aber warum das nicht geklappt hat, weiß ich nicht. […] Beate Zschäpe wollte nicht ins Ausland. Uwe Böhnhardt war rechtskräftig verurteilt und für ihn kam aus meiner Sicht nur eine Flucht ins Ausland in Betracht. Ich erinnere mich, dass ich für die Vermittlung von Telefonaten mit der Familie Böhnhardt und Tino Brandt zuständig war. Bei der Familie Böhnhardt warf ich Zettel mit Telefonzelle und Zeitpunkt in den Briefkasten. Telefonische Kontakte zwischen Uwe Mundlos und dessen Eltern stellte ich nicht her. Hier übermittelte ich persönlich Nachrichten, zum Beispiel Grüße, und dass es ihm gut gehe, an seine Mutter. Uwe Mundlos hatte die Befürchtung, dass sein Vater zur Polizei geht. Brandt informierte ich persönlich. […] Woran ich eine Erinnerung habe, ist ein geplantes Treffen von Familie Böhnhardt und mir mit Uwe Böhnhardt. Aus diesem wurde aber nichts, weil Uwe Böhnhardt zu große Bedenken hatte. Er ging davon aus, dass seine Eltern und ich überwacht werden.
Carsten Schultze erklärte irgendwann seinen Rückzug. Somit übernahm ich dann wieder, wenn auch beschränkt, den Kontakt. Ich nutzte ausschließlich Telefonzellen. […] Viele direkte Telefonate gab es nicht. Erst mit dem Auffliegen von Tino Brandt als Spitzel gab es wieder Redebedarf. Ich sagte einem der Uwes, dass ich nicht derjenige sein möchte, wegen dem sie gefunden werden. Es bewegte sich weder etwas wegen einer Rückkehr der Drei über RA Eisenecker noch bzgl. einer Flucht ins Ausland und ich bat darum, den Kontakt einzustellen. Man wollte sich nur noch ein letztes Mal mit mir treffen. Kurz nach Brandts Enttarnung bin ich mit dem Zug nach Zwickau gefahren. Wer mich am Bahnhof abholte, weiß ich nicht mehr. Wir sind in einen Park in der Nähe des Bahnhofs gelaufen. Das beherrschende Thema war die V-Mann-Tätigkeit von Brandt. Sie fragten mich, ob ich davon ausgehe, dass Brandt etwas zum Aufenthaltsort der Drei verraten hätte. Dazu konnte ich nichts sagen, hielt es aber für möglich. Aus der Frage schloss ich, dass Brandt es wusste. Ich ging davon aus, dass man sie hätte finden können. [phon.] Mir wurde noch gesagt, dass man derzeit überlege, dass sich Beate alleine stellt und die anderen erstmal versteckt bleiben.
Zu den Anklagevorwürfen: Die BAW wirft mir vor, dass ich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bei der Organisierung ihres Lebens im Untergrund behilflich gewesen sei. Dies soll ich als „steuernde Zentralfigur der gesamten Unterstützerszene“ mindestens bis 2001 getan haben. Diese Behauptung ist unzutreffend und beruht auf Spekulationen. Dies zeigt auch die Beweisaufnahme. Keiner der sogenannten Chemnitzer Unterstützer kannte und kennt mich persönlich. Sicherlich habe ich einen gewissen Beitrag geleistet, v.a. die Flucht vereinfacht, z.B. indem ich ihnen meinen PKW gegeben habe. Allerdings ist es aus meiner Sicht garantiert nicht so, dass man, im Gesamtkontext betrachtet, hierdurch eine maßgebliche Organisierung ihres Lebens im Untergrund erkennen kann. Ich habe mir die Unterstützungsleistungen nicht selber ausgedacht, sondern wurde von den Uwes darum gebeten. Es ist nicht so, dass ich „Mittelsmänner“ gebeten habe, Aufträge vorzutragen, sondern diese haben das von sich aus gemacht auf Wunsch der Uwes. […] Was die Waffenbeschaffung durch den Angeklagten Carsten Schultze angeht: Es hat mich stark gewundert, dass er so viele wichtige Details vergessen hat. Insbesondere die Tatsache, dass ihm durch mich oder die beiden Uwes bekannt war, dass ich schon vor ihm den Auftrag hatte, eine Waffe zu beschaffen. Wegen Überwachung und Strafverfolgung wollte ich keine Waffe besorgen. Ich wollte auch nicht am Suizid von Böhnhardt schuld sein. Das sagte ich aber niemandem. Schließlich wurde Carsten Schultze beauftragt; dies sagte mir einer der Uwes am Telefon. [phon.] […]
Wenn mir die BAW weiter vorwirft, der Angeklagte Schultze habe von mir 2.500 DM erhalten, weise ich dies zurück. Wie die Finanzermittlungen ergeben haben, war ich damals gar nicht im Stande, eine derartige Summe aufzubringen. […]
Das Überbringen der Waffe durch Carsten Schultze zu mir [phon.]: Carsten Schultze hatte von mir keinen Auftrag, mir die Waffe zu zeigen. Ich kenne mich mit Waffen nicht aus. Außerdem hatte ich damals das Gefühl einer permanenten Überwachung. Ich fühlte mich auch in meiner Wohnung überwacht. […] Deswegen war ich überrascht [phon.], als er mit einer Waffe vor der Tür stand. Ich war verärgert, dass er eine Waffe zu mir gebracht hat. Was gesprochen wurde, habe ich nicht mehr in Erinnerung. [phon.] Ich weiß noch, dass wir uns die Waffe im toten Winkel meiner Wohnung, im Essbereich, angesehen haben. Ich weiß nicht mehr, wer die Waffe auspackte. Ich war über den Schalldämpfer überrascht. Aus reiner Neugier habe ich den Schalldämpfer aufgeschraubt. Ich habe mit Sicherheit nicht extra Handschuhe geholt. Für mich war der Schalldämpfer ein einfaches Zubehörteil, so wie bei Schreckschusswaffen ein Leuchtkugelaufsatz an Silvester [phon.]. Ich habe auch zu keiner Zeit Überlegungen angestellt, wofür er eingesetzt werden könnte. Er war einfach da. An die von Carsten Schultze geschilderte Situation, wonach ich mit einem Lächeln im Gesicht die Waffe auf ihn gerichtet hätte, kann ich mich nicht erinnern. Ich erinnere mich aber an die Waffe, an den Zustand mit aufgeschraubtem Schalldämpfer. Der Schalldämpfer war definitiv kürzer als die Waffe und dicker als der Schalldämpfer, den ich in den Akten gesehen habe. Er war auch ziemlich schwer, ähnlich schwer wie die Waffe. An ein auffälliges Außengewinde bei der Pistole kann ich mich ebenfalls nicht erinnern. Die Pistole habe ich klobiger als die Ceska in den Akten in Erinnerung.
Ich habe Carsten Schultze nicht beauftragt, die Waffe nach Chemnitz zu bringen. Ich gehe davon aus, dass er das selbst mit den beiden Uwes ausgemacht hat. Eine Einbindung von mir wäre sinnlos gewesen. Ich weise in aller Deutlichkeit die Unterstellung der BAW zurück, ich hätte bei der Beschaffung und Weiterleitung der Waffe damit gerechnet, dass damit ideologisch motivierte Tötungsdelikte begangen werden und mir sei das wegen meiner eigenen Einstellung recht gewesen. Wie ich schon ausführte, ging ich davon aus, dass Uwe Böhnhardt die Waffe ausschließlich für sich wollte, um sich im Falle einer Festnahme selbst zu töten. Egal wie man den Begriff Rechtsextremismus definieren will, Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele lehnte ich zu jeder Zeit und bis heute ab. Diese Haltung war im nationalen Lager bekannt. […]
Meine Ablehnung von Gewalt umfasst erst recht die Ablehnung von Morden. [phon.] Ich ging zu jedem Zeitpunkt davon aus, dass sich meine Freunde den Behörden stellen oder die Flucht ins Ausland antreten. An schwere Straftaten habe ich keine Gedanken verschwendet. Ich habe nicht damit gerechnet, dass man sich in so einer Situation einem zusätzlichen Fahndungsdruck aussetzt. Die Drei wollten ja nicht geschnappt werden. […]
Im Folgenden verliest Wohlleben den Aufruf zum „Fest der Völker“ 2005, wie er auf diversen neonazistischen Websites veröffentlicht worden war. Dann lässt Wohlleben eine Videodatei „xeno.mp4“ abspielen. [Es handelt sich um eine Version eines Videos der neonazistischen Gruppe „Media pro Patria“. „Media pro Patria“ fertigte meist Videos, in denen verschiedene Neonazis in unterschiedlichen Einstellungen Propagandatexte in die Kamera sprechen, oft mit Musik unterlegt. Im Video „Xenophobie“ wird „Ethnopluralismus“ propagiert. Es richtet sich an andere Neonazis, die vorgeblich davon überzeugt werden sollen, keine „Ausländerfeinde“ zu sein. Die Argumentation im Video ist letztlich aber rassistisch.] Danach setzt Wohlleben mit der Einlassung fort: Waffenlieferung über Gerlach: Mit aller Deutlichkeit weise ich die Behauptung von Holger Gerlach zurück, dass ich ihm eine Pistole übergeben hätte, damit er sie zu den beiden Uwes bringt. Holger Gerlach hat lediglich bei mir übernachtet, wenn er in Jena war. Uwe Böhnhardt bat auch Holger Gerlach, eine Waffe zu besorgen. Das hat mir entweder Holger Gerlach oder Uwe Böhnhardt gesagt. […] Wie alle anderen habe auch ich vom Thema NSU erst im November 2011 aus den Medien erfahren. Unerklärlich ist mir, dass der Staat trotz beinahe lückenloser Überwachung und Durchsetzung mit Spitzeln nicht in der Lage gewesen sein soll, die Drei aufzuspüren. Ich bin nicht schuldig im Sinne der Anklage. Ich bin entsetzt darüber, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos derart kaltblütig Menschen getötet haben sollen. Es war mir unvorstellbar, dass sie zu solchen Taten im Stande waren. Ich habe bis heute keine Erklärung, warum sie es getan haben. Ich kann es kaum glauben und habe kein Verständnis dafür. Ich war mit ihnen über Jahre befreundet, nur deshalb habe ich sie bei ihrer Flucht unterstützt. [phon.] Ich hätte es besser nicht getan. Hätte ich damals geahnt, dass sie einmal Menschen töten würden, hätte ich ihnen nicht geholfen. Ich bedauere jede Gewalttat, durch die Menschen getötet oder verletzt werden. Den Angehörigen der Opfer gilt mein Mitgefühl. Der Verhandlungstag endet um 14:52 Uhr.
Hier geht es zur vollständigen Version des Protokolls.
Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.