Zeug_innen:
- Jeanette Re. (BKA, Ermittlungen zu Bahncards auf die Namen André und Susann Eminger)
- Ricarda We. (Kriminalbeamtin, Ermittlungen zu Bahncards auf die Namen André und Susann Eminger)
- Frank L. (Brandermittler, Brand Frühlingsstraße 26, asservierte Zigarettenkippen)
- Christian Bö. (BKA, Ausspähnotizen zu München und Zwickau)
An diesem Prozesstag sagen zunächst Ermittler_innen zu Ermittlungsdetails aus. Dabei geht es um Bahncards, Zigarettenstummel und Ausspähnotizen. Danach verliest der Angeklagte Ralf Wohlleben seine Aussage.
Im Publikum sitzen neun Personen aus der Neonazi-Szene, darunter Thomas Gerlach [zuletzt 151. Verhandlungstag], Steffen Richter, Karlheinz Statzberger, Petra Ka., Maximilian Le., Nico Me. und Marco Zi. Unten im Saal sitzt Jacqueline Wohlleben. Um 09:45 Uhr betreten Zschäpe, Wohlleben und Schultze den Saal. Wohlleben nimmt neben seiner Frau Jacqueline Platz, zuvor grüßt er nach oben in Richtung der Gruppe von Neonazis.
Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Erste Zeugin ist die BKA-Beamtin Jeanette Re. Götzl sagt, es gehe um Ermittlungen zu Bahncards betreffend Susann und André Eminger, hier um Ermittlungen bei der Commerzbank AG. Re. berichtet, dass zunächst das LKA Baden-Württemberg das Auskunftsersuchen gestellt habe, dann habe das BKA das Verfahren übernommen und die Commerzbank AG habe es direkt an das BKA beantwortet. Die Bank habe Kontoführungsdaten und Kopien der Legitimationspapiere übersandt. Es sei mitgeteilt worden, dass für André Eminger unter zwei Kundenstammnummern Konten geführt würden. Bei einem Kontokorrentkonto sei eine Frau Waltraud Sch. verfügungsberechtigt gewesen. Seit dem 07.06.2010 gebe es außerdem ein Kontokorrentkonto mit der Unterkontonummer 00. Es sei eine Gewerbeanmeldung bei der Eröffnung vorgelegt worden. Eminger sei seit dem 01.04.2010 selbstständig als Bauhelfer tätig gewesen. Die Eingänge auf dem Konto würden das auch zeigen, die Überweisungsgutschriften würden auf eine geschäftsmäßige Tätigkeit Emingers hinweisen, teilweise habe es auch Zahlungen der Firma D. in Zwickau gegeben. Bei den Ausgängen habe es Überweisungsausgänge gegeben auf ein Konto der Kreissparkasse Aue-Schwarzenberg, die als Privatentnahmen deklariert seien. Ansonsten gebe es Zahlungsvorgänge für Miete, sonstige Rechnungen, Telekommunikationszahlungen Zahlungskarteneinsätze u.a. im Einzelhandel, Überweisungen nach Bestellung im Einzelhandel.
Außerdem gebe es zwei Überweisungen an die Deutsche Bahn. Bei der einen habe im Buchungstext die Bahncardnummer der auf André Eminger lautenden Karte gestanden. Diese Karte sei im Wohnmobil gefunden worden. Zu der Bahncard lautend auf Susann Eminger habe es schon Ermittlungen des LKA Baden-Württemberg gegeben, es liege ein Vermerk vom 09.11.2011 vor. Dann berichtet Re. kurz zu den Konten auf der anderen Stammnummer, dass Eminger dort ein Depot eröffnet habe. Es seien 4.000 Euro in bar eingezahlt worden, dann seien Wertpapiere gekauft und diese seien in Tranchen von 1.000 Euro verkauft worden. Das sei dann mit kleinem Gewinn wieder auf das Kontokorrentkonto gutgeschrieben worden. Im Anschluss sei es jeweils zu Bargeldauszahlungen gekommen. [phon.] Nach der letzten Auszahlung hätten sich dann noch 38 Euro [phon.] auf dem Kontokorrent befunden, seitdem sei es umsatzlos.
NK-Vertreter RA Behnke fragt, ob es Untervollmachten auf dem Konto gegeben habe. Re. sagt, auf der ersten Stammnummer habe es für alle bestehenden und zukünftigen Konten eine Verfügungsberechtigung für Frau Waltraud Sch. gegeben, für die andere Nummer habe es keine Verfügungsberechtigung gegeben. Auf Frage, auf welche Weise die Überweisungen für die Bahncards erfolgt sind, sagt Re., dass dazu zu dem Zeitpunkt keine Einzelbelege vorgelegen hätten. Auf Frage, ob sie habe feststellen können, ob Frau Sch. Überweisungen oder Abhebungen getätigt habe von dem Konto, sagt Re., das Konto habe ausschließlich Bargeldzahlungen [phon.] gezeigt. Weil zum Zeitpunkt des Schreibens des Vermerks noch keine Einzelbelege vorgelegen hätten, sei es nicht klar, ob es der Inhaber oder die Verfügungsberechtigte gewesen sei. Um 10:02 Uhr wird die Zeugin entlassen.
Es folgt die Zeugin Ricarda We. Auch bei dieser Zeugin geht es um die Bahncards auf die Namen Susann und André Eminger. We. sagt, sie sei zu dem Zeitpunkt, als sie den Vermerk geschrieben habe, noch beim BKA gewesen und sei mit Ermittlungen zu Beantragung und Bezahlung der beiden Bahncards beauftragt gewesen. Dazu habe sie Kontakt aufgenommen mit der Konzernsicherheit der DB, diese habe die entsprechenden Unterlagen zu den Bahncards übersandt. Der Antrag zur Erstellung einer Partner-Bahncard sei am 08.05.2009 [phon.] gestellt worden auf den Namen „Susann Eminger“ mit einem Bild von Beate Zschäpe und auf den Namen „André Eminger“ mit einem Bild von Uwe Böhnhardt. Auf die Frage, ob dazu ein Ausweis vorgelegt werden müsse, habe, so We., die DB geantwortet, das sei grundsätzlich erforderlich, aber es würden keine Kopien angefertigt und es könne sein, dass ein Mitarbeiter im Reisezentrum nach eigenem Ermessen darauf verzichtet. Zunächst sei als Adresse die ehemalige Meldeadresse des Ehepaars Eminger in der Hans-Soph-Straße in Zwickau angegeben gewesen. Dann sei das Ehepaar im März 2011 in die Adam-Ries-Straße gezogen und die Kontaktanschrift sei bei der DB geändert worden.
Es habe zwei Folge-Bahncards gegeben im Juni 2010 und im Juni 2011 und diese seien auch verschickt worden, laut Unterlagen an die jeweiligen Adressen. Die Bezahlung sei jeweils von Konten des André Eminger bei der Kreissparkasse Aue und später bei der Commerzbank Zwickau erfolgt. Götzl: „Zu dem Konto der Commerzbank Zwickau: Sind damals entsprechend Niederlegungen erfolgt über die Nummer?“ We. sagt, dazu könne sie nichts sagen, weil das bei ihnen getrennt gewesen sei mit den Finanzermittlungen. Sie habe nur die Information bekommen, dass das Konto auf André Eminger gelautet habe. Vorhalt: Zahlungen für beide Vertragskonten 2011 bei Konto Commerzbank, Inhaber: André Eminger. We.: „Genau.“ NK-Vertreter RA Behnke fragt, ob We. bei der Sparkasse Ermittlungen habe anstellen können, wer noch Zugang haben könnte zu dem Konto?“ We.: „Ich selbst nicht.“ Die Zeugin wird um 10:08 Uhr entlassen.
Danach wird der Brandermittler Frank L. [zuletzt 241. Verhandlungstag]gehört. Götzl: „Es geht uns um eine unbekannte Person mit der Bezifferung 17. Mir geht es darum, was Sie dazu sagen können, inwiefern Sie dann als Spurenbeamter damit befasst waren, worum es sich handelt, welches Material, welches Asservat und wo es gegebenenfalls aufgefunden wurde.“ L. sagt, es handele sich um einen Müllbeutel, der von der Kriminaltechnik der PD Zwickau in den Keller des Hauses Frühlingsstraße 26 verbracht worden sei. Er habe einen Kriminaltechniker, Herrn Kr., beauftragt, die gesamte Durchsuchung der Türen, Fenster einschließlich Außengelände [phon.] zu tätigen. Vor dem Haus sei ein Müllbehälter vorgefunden worden, darin sei ein Müllbeutel vorhanden gewesen. Den hätten sie in den Keller des Hausgrundstücks 26 verbracht, dort sei der Inhalt ausgebreitet worden, um die darin befindlichen Zigaretten zu trocknen, weil die Asservate teilweise feucht gewesen seien. Es sei unmittelbar neben der Kreissäge im Keller auf dem Betonfußboden ausgebreitet, worden. Am 12.11.2011 [phon.] sei der Tatort durch das BKA übernommen worden, wo die Tatortgruppe diese Gegenstände übernommen habe, u.a. den Müllbeutel, mit der Maßgabe der Aufnahme der Gegenstände. Durch den Kriminaltechniker sei der Hinweis nicht weitergegeben worden, dass der eigentliche Fundort nicht im Keller, sondern im Müllbehälter vor dem Haus war. Es werden dann dazu Lichtbilder in Augenschein genommen. L.: „Ich habe ja dem BKA eine Antwort geschrieben, zu dem Müllbeutel.“ Götzl: „Vielleicht erläutern Sie es einfach.“ Zum ersten gezeigten Bild sagt L.: „Hier liegt der Müllbeutel.“ Zum nächsten gezeigten Bild sagt er: „Das ist die Aufnahme am 05.11., da liegt der Müllbeutel noch nicht.“ Sie hätten den am Abend dahin gelegt, so L. [phon.] L. wird um 10:17 Uhr entlassen. Es folgt eine Pause bis 10:46 Uhr.
Dann geht es mit dem Zeugen Christian Bö. weiter. Götzl sagt, es gehe um die Auswertung von Kartenmaterial, Bö. solle berichten, inwiefern er damit befasst gewesen sei, was ggf. die Auswertung ergeben habe. Bö. sagt, es handele sich um Kartenausschnitte, teilweise von Landkarten, und eine Adressliste mit 78 Adressen, händisch durchnummeriert von 1 bis 88, wobei 10 bis 19 fehlen würden. [phon.] Es gehe u.a. um München. Dabei handele es sich um Ausdrucke auf A4-Papier, also mglw. aus einem Kartenprogramm, mit handschriftlichen Vermerken. Es gebe einen Gesamtausschnitt von München und sechs einzelne Abschnitte, handschriftlich mit „S1“ bis „S6“ versehen, die dann einzeln ausgedruckt seien. Das korreliere mit der Adressliste. [phon.] Zu Zwickau in Sachsen gebe es einen Innenstadtabschnitt und einen nördlichen Abschnitt. Dort gebe es schwarze Markierungen an bestimmten Straßen: Kosmonautenstraße, Karl-Marx-Straße [phon.]. Die seien handschriftlich gefertigt mit Filzstift o.ä. Es seien keine Ausdrucke, sondern Landkarten, so Bö. Es gebe, glaube er, auch Brandspuren. Bei einem Asservat seien im südlichen Bereich kleine Bereiche mit „P“ markiert und eingerahmt. Aufgabe der Auswertung sei gewesen, eine Inhaltsangabe zu fertigen und herauszufinden, ob die Adressen in der Liste mit den Adressen in den Karten [phon.] übereinstimmen und diese wiederum mit der Adressliste des NSU übereinstimmen.
Bei München seien alle in den Adresslisten vorhanden, so Bö., bei Zwickau nicht. Hinzufügen wolle er noch, dass bei der Liste zu München die Adressen in Computerschrift seien und handschriftlich nummeriert seien. Außerdem gebe es handschriftliche Notizen dazu, manchmal Haken, aber auch „guter Fluchtweg“ oder „möglicherweise Hinterhof“ [phon.]. Götzl fragt, ob zu Taten ein Bezug feststellbar gewesen sei. Bö.: „Ich kann dazu sagen, dass kein direkter Tatbezug festgestellt werden konnte.“ Er gebe aber zu bedenken, dass es Taten sowohl in München als auch in Zwickau gegeben habe. Bei den Asservaten zu München habe zu keiner der Tatörtlichkeiten ein Bezug hergestellt werden können. Seines Wissen sei der Ausdruck im Juni 2005 erfolgt, was zum Mord an Boulgarides passen könne, aber es würden sich keine Adressen finden, die mit Tatörtlichkeiten übereinstimmen.
Es folgt die Inaugenscheinnahme von Fotos des stark angekokelten Asservates zu Zwickau. Zunächst wird das gesamte Asservat gezeigt, dann folgen Vergrößerungen, auf denen Bö. Markierungen zeigt. Bö. nennt die Kosmonautenstraße, die eingerahmt sei, den Bereich der Leipziger Straße, der Brückenstraße. Das sei alles mit dem gleichen Stift markiert worden. Dann sehe man auf dem nächsten Foto die Karl-Marx-Straße und nochmal den Bereich Kosmonautenstraße und am linken Rand die Breitscheid-Straße, großflächig, keine genaue Adresse, sondern ein größerer Bereich. Dann geht es um das nächste Asservat. Bö. sagt, es gehe um einen Teilausschnitt einer Straßenkarte, dort würden sich blaue Markierungen mit „P“ finden. Es folgt die Inaugenscheinnahme von Fotos eines weiteren Asservates. Bö. sagt, das fehle im Vermerk vom 01.12.2011, es handele sich um das Gebiet um Zwickau, eine Wanderkarte oder Straßenkarte, aber es seien keine handschriftlichen Notizen ersichtlich gewesen. Götzl geht zum nächsten Asservat über. Bö. sagt, es handele sich eine Adressliste, wie angeführt: „Wobei die Seite mit 10 bis 19 dabei ist, die wurde mir damals nicht vorgelegt. Wobei einzelne von den Punkten auf der Karte eingezeichnet gewesen sind. [phon.]“ Bö. sagt, er fange mit der ersten Seite an. Insgesamt seien es 88 Adressen, händisch markiert, bei 10 bis 19 gebe es wie gesagt keine handschriftlichen Markierungen.
Dann auf der folgenden Seite die Adresse von einem Landtagsmitglied, mit Anschrift, da finde sich die Notiz: „Privat, guter Fluchtweg“. Die 27 sei ebenfalls mit Haken versehen. Auf der folgenden Seite sei ein SPD-Büro in Moosach mit Haken versehen und eine „Außenstelle 2“ mit Fragezeichen, weil vielleicht nicht klar gewesen sei, um was es sich handelt. Auf der nächsten Seite würden sich zwei Haken finden, bei „Deutsch-Türkische Freundschaft Föderation e.V.“ sowie „Deutsch-Türkischer Kulturverein e.V.“ Bö. geht weiter die Seiten durch und nennt „Muslim e.V.“; „Muslime helfen e.V.“ und dann „Pasing Türkischer Kulturverein“ Da finde sich eine Notiz. Bö.: „‚Komplett türkisches Eckhaus, Dienst- und Änderungsschneiderei‘. Wenn ich das richtig entziffere.“ Dann nennt Bö.: „Deutscher Alevitenbund e.V.“ und „Verein Türkisch-Islamischer Kultur“. Bei letzterem finde sich die Notiz: „Inder, Gemüseladen“. Auf der Seite mit den Nummern 68 bis 77 seien zwei Adressen händisch ergänzt: Die Adresse von einem Mitglied des Bundestages, mit der Notiz: „Sehr gute Lage, Zugang im Garten“ und „Islamisches Kulturzentrum“ mit der Notiz: „Hinterhof“ Auf der letzten Seite finde sich ein Haken beim „Türkisch-Islamischen Verein Allach“. Bei „Kreisverband“ sei ergänzt „SPD“, die Öffnungszeiten und „klein, wie Salzgitter“. Auf der letzten Seite, mit der Adresse 88, finde sich keine handschriftliche Notiz. Danach werden die Kartenausschnitte von München in Augenschein genommen, zuerst die komplette Übersicht von München, die am 05.06.2005 [phon.] ausgedruckt worden sei. Auf der seien die sechs Bereiche S1 bis S6 in rechteckiger Form markiert. Dann folgen die einzelnen Ausdrucke. Bö. sagt, wie man sehe, seien hier die einzelnen Symbole mit Zahlen belegt. Diese Adressen seien in der Liste enthalten und auch in den Adresslisten des NSU, die damals vorgelegen hätten. Bö.: „Jetzt, wo ich die Seite 10 bis 19 gesehen habe, gehe ich davon aus, dass diese Adressen auch verzeichnet sind.“ Zum Bereich „S1“ sagt Bö., dass hier z.B. der „Verein zur Förderung des Islam“ markiert sei. Dann geht er die einzelnen Karten durch. Um 11:07 Uhr wird Bö. entlassen.
Danach sagt Wohllebens Verteidigerin Schneiders, dass sie eine Erklärung abgeben wolle. Auf Nachfrage von Götzl, ob es sich um eine Einlassung Wohllebens handele, sagt sie, es gehe zunächst nur um eine Erklärung der Verteidigung. Dann verliest sie eine Version eines zuvor bereits auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichten Statements. Wohlleben, so Schneiders, befinde sich seit vier Jahren in U-Haft, seit Mai 2013 laufe die Hauptverhandlung. Schultze und Gerlach hätten Wohlleben schwer belastet, um ihre eigene Rolle herunterzuspielen. Mehrere Zeugen hätten Wohlleben geschadet. Ihr Mandant müsse einige Dinge klarstellen, um dem seine Sicht der Geschehnisse entgegenzustellen. Ihre Kollegen und sie hätten ihm dazu geraten auszusagen. Es sei notwendig diesen Schritt zu gehen, weil über Beweisanträge allein wesentliche Tatsachen nicht eingeführt werden könnten. Wohlleben werde Fragen aller Verfahrensbeteiligten beantworten, aber Fragen, die nur dem „Szenevoyeurismus“ dienen würden, würden beanstandet. Es handele sich bei der Einlassung um einen „Akt der Notwehr“ gegen „Lügen und Unterstellungen“.
Danach wird eine kurze Pause bis 11:27 Uhr eingelegt. Dann verliest Wohlleben seine Einlassung:
[Wohlleben verliest seine Einlassung sehr schnell. Die folgende Wiedergabe, die auf mehreren Mitschriften von „NSU-Watch“-Mitarbeiter_innen basiert , steht daher unter Vorbehalt.]
Mit meiner folgenden Aussage schildere ich die Sachverhalte, an die ich eine Erinnerung habe und die Verfahrensrelevanz haben. Ich habe darauf Wert gelegt, nur zu berichten, was ich auch tatsächlich erinnere. Auf Vermutungen, Schlüsse, Bilder im Kopf habe ich fast gänzlich verzichtet oder sie kenntlich gemacht. Ich habe den Weg der Verlesung einer schriftlichen Erklärung gewählt, weil ich aufgrund der vierjährigen Haftzeit, eineinhalb Jahre in Isolationshaft, Konzentrationsschwierigkeiten habe. Ich habe Wortfindungsstörungen und stottere gelegentlich. Ich führe dies auf die Haftbedingungen zurück. Mir ist aufgefallen, dass manche Dinge erst nach längerem Überlegen oder durch Akteneinsicht wieder in Erinnerung kamen.
Persönliche Verhältnisse: Geboren und aufgewachsen bin ich in Jena. Das Verhältnis zu meinen Eltern möchte ich als normal beschreiben, wobei ich die Erziehung mitunter als streng empfand. Das führte 1992 auch dazu, dass ich von zu Hause ausgerissen bin. In dem Zusammenhang kam ich kurzzeitig in einem Jugendheim unter, wo mir das eigene Zimmer und die Ausbildungsmöglichkeit als Tischler gefiel. Deshalb hatte ich den Wunsch, längere Zeit in einer solchen Einrichtung zu verbleiben. In Absprache mit meinen Eltern und dem Jugendamt kam ich in ein Kinder- und Jugendheim nach Gera, wo ich bis 1993 in einer Wohngruppe mit Betreuung lebte. Danach zog ich wieder bei meinen Eltern ein, zu denen ich weiterhin ein normales Verhältnis pflegte und die ich auch am Wochenende besuchte. Bis 1997 bewohnte ich mit meinen Eltern und meiner Schwester eine Dreiraumwohnung in Lobeda-Ost. 1997 bezog ich eine Altbauwohnung in Jena-Göschwitz, aus der ich aufgrund einer Sanierungsmaßnahme 1999 ausziehen musste. Ich bekam ein Wohnungsangebot in Jena-Winzerla. Dort wohnte ich bis zum Auszug 2002. Mein neuer Wohnsitz wurde dann die Jenaische Straße 25 in Lobeda. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Begriff „Braunes Haus“ nicht auf die Kreativität der Bewohner zurückzuführen ist, sondern auf die politische Linke in Jena. Wir bevorzugten „Hausgemeinschaft Zu den Löwen“ und den Zusatz „Wohn- und Schulungsobjekt“. 2002 lernte ich auch meine Frau Jacqueline kennen. 2004 bekamen wir unsere Tochter [1] und 2005 heirateten wir und zogen nach Jena-Winzerla. 2006 kam unsere Tochter [2] zur Welt. 2008 zogen wir in den Stadtteil Jena-Ost, wo ich bis zu meiner Festnahme wohnte.
Meine schulische Ausbildung begann ich 1981 auf der „Polytechnischen Oberschule Rosa Luxemburg“ in Jena. 1990 besuchte ich die „POS Julius Schaxel“, 1991 die „Fichte-Schule“. Nach Berufsvorbereitungsjahren und einer abgebrochenen Ausbildung zum Verkäufer fand ich erstmal Arbeit in einem Reinigungsunternehmen. Ob ich dort gekündigt habe oder gekündigt wurde, weiß ich nicht mehr. Neben einer einmonatigen ABM in der Jugendwerkstatt Jena machte ich eine überbetriebliche Ausbildung im Lager eines großen Möbelhauses in Rothenstein. Die Lehre habe ich 1998 erfolgreich abgeschlossen. Weil ich der Übernahme in eine Filiale in einem anderen Bundesland nichts abgewinnen konnte, war ich dann wieder arbeitslos. Über eine Qualifizierungsmaßnahme fand ich eine Anstellung als Verkäufer in einem Teppichfachmarkt, erst in einer Filiale in Jena, später in Hermsdorf. Das Arbeitsverhältnis endete 2000. Ich hatte inzwischen ein gesteigertes Interesse für Computer entwickelt und versuchte, in diesem Bereich etwas zu finden. Das war nicht einfach ohne belegbare Vorkenntnisse. Es brauchte Überzeugungsarbeit, bis mir das Arbeitsamt gestattete, an einem Eignungstest teilzunehmen. Es ging darum, ob man die Voraussetzungen mitbringt für eine Umschulung zum Fachinformatiker oder nur zum Netzwerktechniker. Ich zeigte meine Eignung zum Fachinformatiker. 2003 konnte ich die Ausbildung erfolgreich abschließen. Es gelang mir nicht, eine Anstellung zu finden, was auch mit meinen politischen Aktivitäten begründet wurde. So sagte mir ein Arbeitgeber nach einem Praktikum, dass sich sogenannte Linke bei einem Kunden gemeldet hätten. Er hätte kein Problem mit meinen Ansichten, wolle aber nicht, dass seine Firma in den Fokus vermeintlicher antifaschistischer Aktivitäten gerät. Ich habe bis 2007 an Weiterbildungen teilgenommen. Dann habe ich einen Arbeitsplatz als Feinelektroniker bekommen, den ich bis zu meiner Festnahme behielt.
Mein politischer Werdegang: Interesse an Politik hatte ich seit frühester Kindheit. Die Entwicklungen in der damaligen DDR waren auch für mich prägend. Ich verfolgte mit Freunden den Rücktritt von Erich Honecker am Radio. Wir hofften, dass wir ein freies Leben führen könnten. Insbesondere die Ausreisewelle ging an niemandem von uns spurlos vorbei. Ich hatte 1988 meine erste große Liebe gefunden, die dann aber 1989 in den sogenannten Westen zog. Die gewünschten Veränderungen traten durch die Wende nicht ein. So kam es, dass auch ich mich zusammen mit Freunden an den Montagsdemonstrationen, die auch in Jena stattfanden, beteiligt habe. Nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung von BRD und DDR versuchte man irgendwie mit den neuen Verhältnissen zurecht zu kommen. Dazu gehörte auch, dass man sich einem politischen Lager zugehörig fühlte. Das war selbstredend noch weit entfernt von gefestigten politischen Ansichten. Da ich schon immer einen großen Nationalstolz empfand, der integraler Bestandteil der DDR-Erziehung war, fand ich keinen Grund, diesen plötzlich abzulegen. Im Gegenteil. Ich wunderte mich über ehemalige Freunde, die plötzlich die Meinung vertraten, dass jeder, der eine BRD-Fahne schwenkt, ein Nazi sei. Da ich anderer Meinung war, ist es nicht verwunderlich, dass ich mich dem Teil der Jugend zugehörig fühlte, der heute als rechts bezeichnet wird. Dies drückte sich durch das Hören bestimmter Musik wie „Böhse Onkelz“ oder das Tragen von Kleidung wie „Chevignon“ und „Replay“ aus.
1992 oder 1993 fand eine Wahlkampfveranstaltung einer nationalen Partei statt, mglw. NPD oder DNP. Ich hatte eher zufällig davon erfahren. Also wartete ich auf dem Jenaer Markt. Als sie ankamen und mit dem Aufbau begannen, versuchte ich mich irgendwie mit einzubinden. Letztendlich durfte ich dann ein Plakat hochhalten. Mich hat es damals beeindruckt, wie organisiert alles ablief. Allerdings bestand bei mir damals kein Interesse an der Mitgliedschaft in einer Partei. Ab 1994 begann ich, auch aufgrund meiner intensiven Freundschaft zu André Kapke, öfters Veranstaltungen zu besuchen. Neben einem Konzert und den Stammtischen in Rudolstadt oder Schwarza ab 1995 auch Demonstrationen. Außerdem kam auch meine Mitgliedschaft in der Kameradschaft Jena hinzu. Die lokale Szene teilte sich in Skins und Scheitels auf. Während für erstere Musik und Alkohol wichtig waren, war es bei den Scheitels mehr das Interesse an Politik. Ich selber sah mich als Scheitel und wurde auch als solcher wahrgenommen.
1999 gingen große Teile derer, die sich als THS verstanden, in die NPD. Dabei hatte der Thüringer Landesverband damals keinen guten Ruf, auch wegen verschiedener umstrittener Personen. Deshalb war ich verwundert, als plötzlich Tino Brandt vor mir stand, mir einen Mitgliedsantrag vor die Nase hielt und sagte: Hier ausfüllen und unterschreiben, Kapke ist auch schon Mitglied. Mir war natürlich klar, dass hier einem möglichen THS-Verbot entgegengewirkt werden sollte. Es dauerte nicht lange – ich glaube, wir hatten damals noch nicht mal einen eigenen Kreisverband -, da kam es schon zu neuen Landesvorstandswahlen und Brandt suchte händeringend Leute. Auch auf mich hat er länger eingeredet und es stellte sich für mich die Frage, welche Aufgabe ich da übernehmen sollte, weil ich bisher niemand war, der Ämter oder Funktionen bekleidet hatte, und es mir auch nicht zutraute. Brandt meinte, ich könnte als Landesschulungsleiter kandidieren. Ich willigte ein und wurde überraschend auch gewählt. Eine der durchgeführten Schulungen war übrigens die Brauchtumsschulung mit Edda Schmidt im Jahr 2000 in der Froschmühle, wo ich selbstverständlich auch die ganze Zeit anwesend war. In Jena musste noch ein NPD-Kreisverband gegründet werden. Vorsitzender wurde Carsten Schultze, ich wurde sein Stellvertreter. Allerdings gab es Stimmen, die bezweifelten, ob er aufgrund seines jungen Alters der Richtige sei. Deswegen wurde ich gebeten, auch dieses Amt zu übernehmen, was ich auch tat. Nicht jeder hatte ein Interesse daran, seinen Namen im Zusammenhang mit der NPD wiederzufinden. Arbeitsplatzverlust, Probleme in Schule, Studium, Lehre wären noch die kleinsten möglichen Folgen gewesen. Es war also mitunter nicht immer ganz einfach einen Vorstand zu wählen. Auch ich hatte aufgrund eines Brandanschlags 1998 vor meinem Wohnhaus Bedenken, aber ich war als Landesvorstand bekannt [phon.], so dass es letztendlich auch egal war.
An dieser Stelle unterbricht Wohlleben seinen Vortrag und bittet darum, dass das Bild „Golf.gif“ gezeigt wird. Das Bild von einem ausgebrannten PKW wird an die Leinwände projiziert. Wohlleben: „Das Foto zeigt den abgebrannten PKW Golf, der Tino Brandt gehörte, der vor meinem Haus abgebrannt wurde, Weihnachten 1998.“ Dann fährt Wohlleben fort:
Außerdem hatte ich festgestellt, dass mir die Parteiarbeit liegt und wir dadurch eine ganz andere Wahrnehmung erfuhren. Durch die guten Kontakte von Brandt, hatten wir auch fast immer aktuelles Infomaterial vorrätig. Im Jahr 2000 wurde bekannt, dass der Ortsteil Winzerla einen Ortschaftsrat erhalten soll. Dies war für mich ein bisher völlig unbekanntes Gremium. Ich habe mich dann über die Arbeit eines Ortschaftsrats informiert und erfahren, dass die Hürden, an einer solchen Wahl teilzunehmen, relativ gering sind. Es bedarf lediglich einer Person aus dem Stadtteil, die den Kandidaten schriftlich vorschlägt. Ich habe den Entschluss gefasst, an dieser Wahl teilzunehmen. Ich sah dies als gute Möglichkeit, mich mit Parlamentsarbeit vertraut zu machen und außerdem an der Stadtteilarbeit [phon.] mitzuwirken. Vorgeschlagen hat mich Carsten Schultze. Es gab im Vorfeld verschiedene Veranstaltungen, wo man sich vorstellen konnte. Auch hier erinnere ich mich, dass Carsten Schultze mehrfach dabei war. Trotz massiver Stimmungsmache linker Gruppen wurde ich in den Ortschaftsrat gewählt. Dort machte ich darauf aufmerksam, dass es mir nicht darum geht, Parteipolitik zu betreiben, wo diese völlig unangebracht ist. Wichtig war mir Kinder- und Jugendarbeit und die Außendarstellung des Stadtteils, der oft „Ghetto“ genannt wurde. So habe ich z. B. zusammen mit dem Ortsbürgermeister und anderen Ortsteilräten verschiedene Treffpunkte von Jugendlichen aufgesucht und Gespräche geführt. Es ging u.a. um die Frage, warum sie nicht die bestehenden Freizeitangebote nutzen. Es wurden auch mal Spielplätze sauber gemacht und einiges mehr. Es wurde gemeinsam ein Bürgerbüro mit Sprechzeiten eingerichtet und eine neue Internetseite erstellt.
Woran ich mich auch erinnere, war ein Treffen mit dem sogenannten Ausländerbeirat der Stadt Jena. Es ging dabei um die Vorstellung dieser Institution. Im Nachgang kam es noch zu einem persönlichen Gespräch zwischen der Vorsitzenden und mir. Weil dieses ziemlich vorurteilsbeladen ablief, machte ich ihr ein Gesprächsangebot. Es ging um ein Treffen zwischen Mitgliedern des Ausländerbeirats und des NPD-Kreisverbands. Trotz anfänglicher Zusage und einer Nachfrage von mir, fand die Zusammenkunft nie statt. Die Begründung war, dass man uns kein Podium bieten wolle. Ob ich diese Information direkt von der Vorsitzenden hatte oder von einem Mitglied des Beirats, einem Türken, mit dem ich mich privat getroffen hatte, weiß ich nicht mehr. Im Jahr 2001 wurde ich dann, kurz vor der Enttarnung von Tino Brandt, Pressesprecher der Thüringer NPD. Brandt erzählte uns, damit meine ich die Mitglieder des Landesvorstands und mich, anfänglich noch, dass die Vorwürfe gegen ihn nicht zuträfen. Weil er dieses Dementi nicht selbst verbreiten wollte [phon.], wurde ich gebeten seinen Posten zu übernehmen. Als Brandt dann endgültig enttarnt war und alle Ämter niedergelegt hatte, wurde ich gemäß Satzung kommissarisch zum stellvertretenden Landesvorsitzenden berufen. Nachdem ich 2002 aus dem Ortschaftsrat Winzerla ausscheiden musste, weil ich meinen Wohnsitz nach Altlobeda verlegt hatte, kandidierte ich dort 2004 für den Ortschaftsrat. Auch hier gelang mir der Einzug, allerdings musste ich mein Mandat aufgrund eines erneuten Wechsels des Wohnsitzes wieder abgeben. Auch bei Bundes- und Landtagswahlen trat ich wiederholt als Kandidat in Erscheinung. Mitglied des NPD-Landesvorstands blieb ich bis 2008. Hierbei bekleidete ich verschiedene Ämter. U.a. war ich für Neue Medien zuständig und hatte das „Referat Familie und Bevölkerung“ inne. 2010 entschied ich mich allein aus persönlichen Gründen zum Austritt aus der Partei. Ich beteiligte mich mehr an der Arbeit des „Freien Netz Jena“, welches 2009 aus dem „Nationalen Widerstand Jena“ hervorgegangen war.
Zu den einzelnen Personen: Es ist immer schwierig, wenn man Menschen beurteilen muss. Zumal ich mit meiner Menschenkenntnis auch nicht immer richtig lag. Alle Einschätzungen sind meiner persönlichen Subjektivität geschuldet.
Holger Gerlach habe ich meiner Erinnerung nach bereits vor der Wende gekannt. Wann und wo ich ihn kennenlernte, weiß ich allerdings nicht mehr genau. Dafür meine ich mich gut daran zu erinnern, dass ich Holger nach der Wende, so 1992/93, im Jugendclub „Treffpunkt“ wiedergetroffen habe und wir Kontakt hielten. Mit ihm verband mich der starke Drang nach Glücksspielen. Hiermit ist insbesondere die Zockerei an Spielautomaten gemeint, welche meiner Meinung nach teilweise schon pathologische Züge hatte. Bei mir reduzierte sich das mit meiner ersten eigenen Wohnung und dem Geschenk von Juliane Walther, einem eigenen Automaten. Holger hat damit noch länger gekämpft, wie er mir sagte. Durch seinen Wegzug nach Hannover wurde unser Kontakt reduziert. Anfänglich fuhr ich noch ab und an nach Hannover, später sahen wir uns nur, wenn er mal in Jena war. Irgendwann nach der Geburt meiner Tochter [2] sagte mir Holger bei einem Besuch bei seiner Schwester, dass er Drogen nimmt. Ab da suchte ich gar keinen Kontakt mehr zu ihm, weil ich mit Drogen noch nie etwas am Hut hatte. Ich habe ihn als jemanden in Erinnerung, der durch seine Tollpatschigkeit aufgefallen ist. Z. B. beim Go-Kart-Fahren, wo er, weil er Bremse und Gas verwechselte [phon.], Letzter wurde, oder als Kartenleser, wo er von einer „blauen Straße“ sprach und Uwe Mundlos ihm dann sagte: „Mensch, das ist ein Fluss.“
Uwe Böhnhardt muss ich so 1992 kennengelernt haben. Er war introvertiert und hatte einen trockenen Humor. Zudem habe ich ihn als jemanden in Erinnerung, der sein Geld gerne für Militaria-Artikel ausgegeben hat und sich für Waffen und Geräte, von der Axt bis zur Zwille, begeistern konnte. Z. B. hat er sich einen Wurfanker gekauft. Als ich ihn fragte, was er damit vorhabe, konnte er als Antwort lediglich mitteilen, dass er dieses Gerät gesehen hatte und haben wollte. Eine Verwendung hatte er beim Kauf offensichtlich gar nicht im Sinn gehabt.
Wann ich Uwe Mundlos kennenlernte, weiß ich nicht mehr, auch wo, kann ich nicht mehr sagen. Ich habe ihn als „Schwiegermuttis Liebling“ in Erinnerung. Er war humorvoll, sympathisch, redegewandt, kontaktfreudig. Dabei war es völlig egal, wo man gerade war, ob in einer Disko, auf einer Demo oder im Polizeigewahrsam.
Beate Zschäpe: Ich erinnere ich mich nicht mehr genau, wann und wo ich sie kennengelernt habe. Ich habe sie als jemanden in Erinnerung, mit dem man gut und lange reden konnte. Sie hatte Schlagfertigkeit und viel Witz. Durch ihre offene und direkte Art war sie mir persönlich sehr sympathisch. Ich erinnere mich z. B. an abendliche Gespräche – nicht inhaltlich – nachdem der Winzerclub für den Tag geschlossen hatte und es uns noch nicht nach Hause zog.
Carsten Schultze muss ich so 1997/98 kennengelernt haben, ich habe keine genaue Erinnerung. Ich weiß noch, was ich ihm sagte, als wir uns zufällig, 2005 oder 2006, an der Jenaer Hauptpost getroffen haben. Ich setzte ihn davon in Kenntnis, dass uns meiner Meinung nach in Jena einer wie er fehlen würde. Jemand, der selbstständig ist, junge Leute begeistern kann und mitzieht. Und genau das verbinde ich mit ihm. Er war ein lustiger und sympathischer Typ, mit dem ich gerne meine Zeit verbracht habe. Wenn er mich zu seinen JN-Treffen eingeladen hat, sah ich dort immer viele junge Leute, die ihm ihre volle Aufmerksamkeit schenkten und zu ihm aufblickten. Er fühlte sich meiner Meinung nach in dieser seiner Rolle wohl.
KS Jena: Wann die KS Jena gegründet wurde und wo die Gründung stattgefunden hat, kann ich heute nicht mehr sagen. Ich habe auch keine Erinnerung mehr, wer die Idee hatte und welche Personen beteiligt waren. Ich verbinde mit der KS Jena auch nicht bestimmte politische Forderungen. Ich würde sie eher als Zusammenschluss beschreiben von Menschen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner: positives Bekenntnis zu Heimat und Herkunft. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir großartige politische Diskussionen geführt hätten. Was immer wieder ein Thema war, war die Forderung nach einem eigenen Jugendclub, darüber bestand Konsens. Ansonsten ging es bei den KS-Abenden um interne Dinge wie Mitgliedsbeiträge oder die Teilnahme an Veranstaltungen, aber auch Diskussionen, ob während der Sitzungen geraucht oder getrunken werden darf. Man war als KS Jena nicht völlig unpolitisch, aber man griff bei Flugblättern und Plakaten schon aus Kostengründen lieber auf professionell vorgedruckte Werke anderer nationaler Parteien oder Organisationen zurück. Wenn man selber etwas produziert hat, dann meist in Schnippselform. Ein Schnippsel wurde z. B. beim Jenaer Weihnachtsmarkt vom Riesenrad runter geworfen: „Die KS Jena wünscht allen Jenensern und Jenaern ein schönes Weihnachtsfest.“ Namen: André Kapke, Uwe Böhnhardt, Holger Gerlach und ich. Es gab noch mehr Mitglieder, z. B. Tom Turner, den bereits nach kurzer Zeit die Lust verließ. Aufgrund der Fluktuation sind mir keine weiteren Namen mehr präsent. Uwe Mundlos hat sich nach meiner Erinnerung erst später in die KS eingebracht. Ich weiß aber nicht, ob als Mitglied. Beate Zschäpe habe ich ebenfalls nicht als Mitglied in Erinnerung. Wenn sie an Treffen teilgenommen hat, dann als Begleiterin von Uwe Böhnhardt. Als Mitglieder werden immer wieder Stefan Apel und Marc Rüdiger [He.] erwähnt. Bei [He.] kann ich eine Mitgliedschaft ausschließen. Bei Apel bin ich mir nicht sicher. Wenn überhaupt, war er nur kurze Zeit Mitglied.
Nationaler Widerstand Jena: Irgendwann sind die Aktivitäten der KS Jena eingeschlafen, was auch darauf zurückzuführen ist, dass man mehr und mehr unter dem Namen „THS – Sektion Jena“ agierte. Ein Gruppenname, der auf Tino Brandt zurückzuführen ist. Denn dieser erstellte in Eigeninitiative Aufkleber mit dieser Bezeichnung. 1998 oder 1999 wurde dann aus der KS Jena der „Nationale Widerstand Jena“, wobei auch diese Namensgebung auf Tino Brandt zurückzuführen ist. Der stellte den Speicherplatz für die ersten Netzseiten zur Verfügung. Er wies mir auf dem Server einen Unterordner mit der Bezeichnung „NWJ“ zu. [phon.] Er teilte mir mit, das würde besser passen. [phon.] Weil er Kosten und Gebühren übernahm, gab es auch keine Diskussion, dadurch war der neue Gruppenname festgelegt. Der „Nationale Widerstand Jena“ wurde also nicht gegründet, sondern bestand plötzlich. Eine offizielle Gründung wäre auch nicht zweckmäßig gewesen. Man verstand sich als Zusammenschluss aller aktiven nationalen Menschen in und um Jena. In der Rubrik „Wir über uns“ stand:
Dann verliest Wohlleben Teile der Selbstdarstellung des NWJ, wie sie auf dessen Internetseite veröffentlicht wurde. Es handele sich beim NWJ um „nationale Jugendliche aus Jena, die sich entweder in Parteien, Organisationen oder freien Kameradschaften organisieren“. In Jena seien zur Zeit die NPD mit einem Kreisverband und deren Jugendorganisation JN mit einem „Stützpunkt in der Saalestadt“ aktiv. Des weiteren sei noch die „Sektion Jena“ des THS zu erwähnen, die „den größten Teil der Sympathisanten“ verzeichnen könne. Der NWJ wolle „auf diesem Wege betonen das er jegliche Art von Gewalt, zur Durchsetzung politischer Interessen, entschieden ablehnt“ [Fehler im Original der Website]. Weiter verliest Wohlleben aus der Selbstdarstellung: „Bei all unseren Betrachtungen steht das Volk im Vordergrund. Von ihm leiten sich alle Denkansätze ab.“ Man habe es sich zur Aufgabe gemacht, „die Kultur unseres Volkes zu erhalten“ und versuche „alte Bräuche und Sitten wieder aufleben zu lassen“. Ziel sei es, „unsere Kultur vor weiteren Zerfall zu schützen“ [Fehler im Original der Website]. Der NWJ fühle sich „tief mit unseren Ahnen verwurzelt“, daher sehe man es als Pflicht an „sie zu ehren und ihre Traditionen weiterleben zu lassen“. Wohlleben verliest weiter: „Wir bekennen uns zu jedem Teil unserer Geschichte. Wir nehmen sie als gegeben hin und versuchen keinesfalls uns von ihr abzuwenden.“ Ausdrücklich betonen wolle man, dass „wir unser Volk niemals über ein anderes stellen“. Jedes Volk und somit jede Kultur habe sich in Jahrhunderten entwickelt und sei somit schützenswert. Wohllebens Vortrag endet auf den Slogan: „Für ein Europa der Vaterländer“. Danach setzt Wohlleben die Verlesung des eigentlichen Textes seiner Einlassung fort:
Diese Sätze würde ich auch heute noch so unterschreiben. Ich hatte schon Mitte der 90er Jahre nichts gegen Ausländer, sondern etwas gegen die Politik, die den massenhaften Zuzug von Ausländern nach Deutschland förderte. Anfang der 90er kam ich nach Frankfurt/Main. Dort hatte ich den Eindruck, dass es dort ganze Stadtteile gibt, die nicht mehr von Deutschen bewohnt wurden. So etwas wollte ich für Jena nicht. Ich kann die Gründe der Ausländer verstehen, aber ich hatte und habe die Befürchtung, dass der massenhafte Zuzug kulturfremder Ausländer, die Ghettoisierung und Parallelgesellschaften zu sozialen Spannungen führen. Nicht die Ausländer sind der politische Gegner, sondern die Politik der etablierten Parteien.
Wie bindend die Forderung „Europa der Vaterländer“ für mich war, zeigt das maßgeblich durch André Kapke und mich veranstaltete „Fest der Völker„, das ebenfalls die Forderung nach einem „Europa der Vaterländer“ enthielt. Viele Gäste kamen aus dem europäischen Ausland: Ungarn, Tschechien, Frankreich, Schweden, England, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Italien, Schweiz, Österreich, Estland und einigen mehr. [Aufzählung mglw. unvollständig] Die Mobilisierungsnetzseite war in 16 verschiedenen Sprachen.
An dieser Stelle wendet sich Wohlleben Richtung NK und sagt: „Kann ich irgendwas wiederholen, Herr Daimagüler?“ Götzl sagt, Wohlleben solle etwas langsamer vorlesen. Wohlleben fährt fort:
Aus diesem Fest entstanden auch Freundschaften, z.B. mit dem Giovanni aus Italien, dem Sivold aus Russland und dem Portugiesen Mario.
Ausländer- bzw. Asylpolitik spielte eine untergeordnete Rolle. Es ging zunächst darum, dass nationale Positionen überhaupt erst einmal Gehör finden, das Totschweigen und die Repressionen zu durchbrechen. Keine von uns durchgeführte Demonstration befasste sich mit Asylpolitik. Dasselbe galt auch für Plakate oder Aufkleber. Einzig der von Tino Brandt initiierte Aufkleber „Bratwurst statt Döner“ war eine Ausnahme davon. Die einzige politische Aktion zur Ausländerpolitik war eine Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Diese Position vertrat damals auch die CDU/CSU. Zur Mitgliederstruktur des NWJ Angaben zu machen, ist schwierig, weil es keine Treffen der Gruppe gab und auch keine Mitgliedsbeiträge. Wozu ich was sagen kann, ist zu sogenannten Aussteigern. Das gab es im Laufe der Jahre immer wieder und mir ist nicht ein Fall erinnerlich, wo hieraus ein Problem erwachsen wäre. Manchmal war man sogar froh, etwa bei solchen, die sich durch übermäßigen Alkoholkonsum hervortaten [phon.]. Bei anderen bedauerte man eine entsprechende Entscheidung, beeinflusste diese aber nicht. Es war nicht unüblich, dass weiter ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt wurde. Wir, André Kapke und ich, haben uns früh darauf verständigt, keine weltanschaulichen Schulungen durchzuführen. Jeder sollte die Möglichkeit erhalten, selbstständig den Weg zu einem gefestigten Weltbild zu gehen. 2009 wurde aus dem NWJ das „Freie Netz Jena“.
THS: Auch beim THS habe ich keine Erinnerung mehr daran, ab wann dieser genau bestand. Es ist nicht ganz einfach zu definieren, was der THS letztlich war. Denn es konnte jeder, der es wollte, unter dem Namen agieren oder sich dem THS zugehörig fühlen. Es gab keine Mitgliedschaft. Was es gab, waren die Mittwochsstammtische, an denen jeder teilnehmen konnte, und Koordinierungstreffen Thüringer Gruppen, nicht nur THS [phon.]. Ich persönlich habe die Mittwochsstammtische als eine Art festen Anlaufpunkt in Erinnerung. Man wusste, dass man Gleichgesinnte aus vielen Ecken Thüringens trifft. Politik spielte eine eher untergeordnete Rolle. Ich könnte mich nicht entsinnen, dass da mal irgendwer eine Rede gehalten hätte. Das wäre vermutlich wegen der Lautstärke auch schwer möglich gewesen. Außerdem war es auch deshalb unsinnig, weil von einigen teilweise im hohen Maße dem Alkohol zugesprochen wurde. Es gab aber Informationen zu Veranstaltungen und Infomaterial. Tino Brandt brachte die „Nation & Europa“-Heftchen mit und einiges mehr. Diese Sachen wurden kostenlos weitergegeben. Einmal hat man mir zwei Reifen meines PKW abgestochen, wobei ich zu den Tätern nur Vermutungen anstellen könnte. Auf jeden Fall war ein ortsansässiger Kamerad sofort mit Ersatzreifen behilflich. Vorfälle dieser Art waren keine Seltenheit und in dem Fall noch eher harmlos.
Die Sonntagstreffen, auf denen ich hin und wieder zugegen war, verliefen in ruhiger Atmosphäre. Hier wurde besprochen, ob und wenn ja, welche Gruppe welche Veranstaltung durchführt oder welche Veranstaltungen man personell unterstützt. Lautsprecheranlagen oder Megaphone waren Mangelware, deshalb war eine Koordination der Veranstaltungen angezeigt. Dadurch wurde verhindert, dass mit schlechter oder gar keiner Technik eine Demonstration durchgeführt wird, und dass es zu einer Spaltung des Mobilisierungspotenzials kommt. Woran ich mich ebenfalls erinnere, ist, dass rechtliche Schritte besprochen wurden. So u.a. als eine öffentliche Sonnwendfeier auf dem Jenzig, auch mit THS-Mitgliedern, durch Polizeikräfte gestürmt wurde und es zu unzähligen Ingewahrsamnahmen kam. Es war erschreckend, mit welcher Brutalität die eingesetzten Beamten vorgegangen sind. Es waren viele Familien mit Kindern da und es gab keinen Grund einzuschreiten. Leider gehörten solche Vorfälle des öfteren zum Wochenenderlebnis. Es wurden an den Sonntagstreffen auch Themen besprochen wie das Zeitungsprojekt „Neue Thüringer Zeitung“ oder bestickte THS-T-Hemden. Aber ich kann nicht mehr einschätzen, ob ich bei den Treffen selbst dabei war oder mir nur davon berichtet wurde. Die Sonntagstreffen waren auch immer wieder Ziel von Überfällen sogenannter Linker. So steuerte einmal plötzlich ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf den sich auf der Straße befindlichen Sven Rosemann zu, der beiseite sprang. Dann ist mir noch ein Überfall auf den PKW von Sandro Tauber erinnerlich. Er befand sich damals mit seiner schwangeren Freundin auf der Anreise zu einem Sonntagstreffen. Er wurde auf der Landstraße von Vermummten mit einem Morgenstern angegriffen und das Auto beschädigt. [phon.] Mit dem Namen THS haben wir noch nach der Enttarnung von Tino Brandt gearbeitet. Dies beschränkte sich aber auf das Zeigen eines Transparents: „Thüringer Heimatschutz – Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“ – aus einem Gedicht von Ernst Moritz Arndt.
Zum Jahrhunderthochwasser 2002 sind wir in die betroffenen Gebiete gefahren, um zu helfen. Ich erinnere mich an Torgau und Jessen, wo wir Tätigkeiten übernahmen. Da es immer wieder Presseanfragen gab, wer wir sind, haben wir auf den Namen „Thüringer Heimatschutz“ zurückgegriffen. 2005 gab es durch Mario Brehme Bemühungen, den THS zu reaktivieren. Da aber sowohl André Kapke als auch ich die Vermutung hatten, dass dies schneller zu einem Verbot führen könne, als sich das alle Beteiligten vorstellen können, lehnten wir dieses Vorhaben ab und kommunizierten dies auch. Wir wiesen auch darauf hin, dass ein Verbot auch Menschen betreffen könnte, die früher dem THS zugerechnet wurden. Anlässlich der Hausdurchsuchung 2011 bei mir sah ich nochmal das einzige Relikt, was ich und andere mit dem THS verbinden, das Transparent. Es hing im Garten des „Wohn- und Schulungsobjektes Zu den Löwen“.
Vor dem Untertauchen: Es ist nicht einfach, jetzt noch zeitlich genau zu rekapitulieren, wann man sich mit den genannten Personen getroffen hat. Ich gehe deshalb anhand von Treffpunkten vor.
Jugendclique Tischtennisplatte Lobeda-Ost: Hier traf ich Uwe Böhnhardt und Jürgen Helbig. Uwe Mundlos und Beate Zschäpe schließe ich aus, weil sie mir da unbekannt waren. Carsten Schultze auch. Zeitlich beschränke ich den Treffpunkt auf 1991 bis 1993, was ich daraus schließe, dass ich damals mit Uwe Böhnhardt und Jürgen Helbig von zu Hause ausgerissen bin. Holger Gerlach habe ich nach meiner Erinnerung erst bei einem Heimurlaub wiedergetroffen, deshalb schließe ich aus, ihn dort getroffen zu haben.
Jugendclique Drackendorf: Hier war ich 1993/94 regelmäßig. Ich erinnere mich nur an Holger Gerlach, den ich des öfteren zu Hause abholte. Ausschließen kann ich nicht, dass wir dort Uwe Böhnhardt und Jürgen Helbig ab und an getroffen haben, aber ich habe daran keine Erinnerung mehr. Ausschließen kann ich Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Carsten Schultze.
Jugendclique Altlobeda: Ende 1993, Anfang 1994, weil sich meine damalige Freundin Ulrike [P.] regelmäßig dort aufhielt. Dort traf ich oft Jürgen Helbig, weil unsere Freundinnen befreundet waren. Nicht ausschließen kann ich, dass ich Uwe Böhnhardt dort getroffen habe. Holger Gerlach schließe ich aus. Auf alle Fälle nicht getroffen habe ich dort Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Carsten Schultze.
Verschiedene Treffpunkte: Da ich 1994 meine Fahrerlaubnis erhielt und mir einen Trabant zulegte, gab es vorerst keinen festen Treffpunkt mehr. Die meiste Zeit fuhr ich mit André Kapke, der auch Trabant fuhr, umher. Kapke kannte ich bis dahin nur flüchtig, aber nach meiner Erinnerung seit 1990. An Wochenenden fuhren wir auf Dorfdiskos. Ich kann nicht ausschließen, dort auf Uwe Mundlos und Beate Zschäpe getroffen zu sein, denn dort war auch oft Stefan Apel anwesend.
Gut erinnere ich mein erstes Skinheadkonzert in Rudolstadt zusammen mit André Kapke. Mitorganisator oder Organisator dürfte Tino Brandt gewesen sein. Es müsste sich um das Konzert handeln, nach dem Brandt nach eigener Aussage Mitarbeiter des TLfV geworden ist. Kapke und Brandt müssen sich damals schon gekannt haben, denn wir bekamen Plätze auf der Empore zugewiesen. Ich empfand das als angenehm, denn unten auf der Tanzfläche kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Skins. Das war auch der Beginn unregelmäßiger Fahrten nach Rudolstadt und Schwarza zu den Mittwochsstammtischen. Kapke hatte irgendwann keinen eigenen PKW mehr und wir fuhren mit meinem PKW Wartburg zu den Stammtischen. Holger Gerlach traf ich damals auch immer mal wieder, meist bei ihm zu Hause. Allerdings habe ich auch hier keine Erinnerung mehr, wie oft das gewesen ist. Was ich auch nicht erinnere, ist, ob Gerlach bei Fahrten nach Rudolstadt bzw. Schwarza dabei war. Uwe Böhnhardt war damals mit einer Angelika [D.] aus Gerlachs Nachbarhaus befreundet. Ich sah ihn hin und wieder.
Winzerclub: Es muss Ende 1994, Anfang 1995 gewesen sein, als der Winzerclub zum regelmäßigen Treffpunkt für mich wurde. Anfangs nur wegen der Abendgestaltung. [phon.] Dann war es so, dass ich, weil ich nicht mehr über ein eigenes Fahrzeug verfügte, bereits nachmittags mit Bus oder Bahn in den Winzerclub fuhr und ihn erst abends wieder verließ. Wir, u.a. Uwe Böhnhardt und Stefan Apel, spielten Karten und bei diesen Spielen habe ich zum ersten Mal Beate Zschäpe, damals wohl schon als Freundin von Uwe Böhnhardt, in Erinnerung. Uwe Mundlos habe ich auch im Winzerclub getroffen, aber ich meine, eher selten unter der Woche. Wie lange der Winzerclub für mich regelmäßiger Anlaufpunkt war, weiß ich nicht mehr; ich war auch nach dem Untertauchen von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe noch ab und zu dort.
Lobeda-West: Irgendwann, wohl 1996, verbrachte ich einen Großteil meiner Freizeit in Lobeda-West. Dort wohnten André Kapke und Christian Kapke. Es gab dort verschiedene Treffpunkte, Wohnungen bis Hauseingänge. Der Freundeskreis um Christian Kapke bekam einen Raum im Jugendclub „Impuls“. Dort lernte ich Juliane Walther kennen, mit der ich später eine Beziehung einging. Dort schauten hin und wieder André Kapke und Uwe Böhnhardt vorbei. Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Holger Gerlach erinnere ich nicht, was nicht heißen muss, dass diese nicht auch dort verkehrten. Wir haben uns damals nicht regelmäßig gesehen. [phon.] Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt verbrachten viel Zeit bei Uwes Bruder. Holger Gerlach könnte schon außerhalb von Jena gewesen sein. André Kapke war durch die Arbeit in der Firma seines Vaters viel beschäftigt. Uwe Mundlos dürfte da schon das Ilmenau-Kolleg besucht haben. Ich selber machte eine Ausbildung in einem Möbelhaus. Dadurch waren Treffen meist nur am Wochenende möglich, wobei ich allerdings auch Erinnerungen an Mittwochstreffen in Saalfeld-Gorndorf habe, zu denen Uwe Mundlos aus Ilmenau anreiste.
Freundeskreis Jürgen Helbig / Conny [Co.]: Anfang 1997 verbrachte ich einen großen Teil meiner Zeit mit dem Freundeskreis um Jürgen Helbig und Conny [Co.]. Wir fuhren viel umher. Ich bekam meine erste Wohnung, die beiden waren mir eine große Hilfe bei Renovierung und Umzug. Uwe Mundlos, André Kapke, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe sah ich damals immer seltener. Ich wusste, dass Beate Zschäpe eine Wohnung in Winzerla hatte; André Kapke müsste im gleichen Zeitraum eine Wohnung in Lobeda-Ost erhalten haben. Holger Gerlach dürfte schon in Hannover gewohnt haben, so dass ich ein Zusammentreffen mit ihm fast ausschließen kann.
Zusammengefasst: Unabhängig von den Treffpunkten besuchten wir – damit meine ich André Kapke, Holger Gerlach, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe – verschiedene politische Veranstaltungen, wobei ich heute nicht mehr weiß, ob immer alle genannten Personen dabei waren. Erinnerlich sind mir u.a. der Sandro-Weilkes-Marsch in Neuhaus, der Rudolf-Heß-Marsch in Worms oder das Münstermann-Gedenken in Aschaffenburg. Ich erinnere mich auch an die Teilnahme am Roeder-Prozess in Erfurt. Roeder war wegen Sachbeschädigung angeklagt. Er soll Informationstafeln anlässlich der Wehrmachtsausstellung in Erfurt mit dem Wort „Lüge“ versehen haben. Zu dem Bild, auf dem Uwe Böhnhardt schreiend zu sehen ist und ich hinter ihm bin, muss man sagen, dass linke Chaoten das Auto von Uwe Mundlos beschädigt hatten. Wir konnten nicht zurückfahren. Bei der Organisation der Rückfahrt, wurden wir mittels Steinwürfen von sogenannten Antifas angegriffen. Böhnhardt drehte sich um und hat etwas in Richtung der Steineschmeißer gerufen. Es gab auch unregelmäßige Zusammenkünfte mit Aktivisten anderer Städte: Volksfeste, Diskos, Badeausflüge, Geburtstagsfeierlichkeiten. [phon.] Ich erinnere mich auch an Urlaubsreisen, so an spontane Wochenendurlaube in der Tschechischen Republik. Neben Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren auch Holger Gerlach und Kay [St.] mal mit. Ich erinnere mich an einen Ungarn-Urlaub mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos, Holger Gerlach zum Balaton.
1996 war ich mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Kay [St.] am Aufhängen des Puppentorsos beteiligt. Beate Zschäpe war nach meiner Erinnerung nicht dabei. Unsere damaligen Aussagen bei der Polizei sind insoweit richtig, was den Aufenthalt bei der Geburtstagsfeier in Schwarzbach und die Heimfahrt betrifft. Wir waren nach meiner Erinnerung noch kurz in Beate Zschäpes Wohnung und haben diese dann wieder verlassen. Beate blieb zu Hause. Wir sind dann mit dem PKW von Uwe Mundlos zur Brücke gefahren. Ob die Puppe da schon im Auto lag, weiß ich nicht mehr. Mein Tatbeitrag war das Schmierestehen und das Abhören des Polizeifunks. Mir ist nicht erinnerlich, ob ich zum damaligen Zeitpunkt schon wusste, dass mit der Puppe eine Bombenattrappe verbunden werden sollte. Das war eine Reaktion auf eine Absichtserklärung von Jenaer Journalisten, die angekündigt hatten, nicht mehr über die rechte Szene zu berichten [phon.]. Wir wollten sie zwingen, über uns zu berichten. Der Besuch von Ignatz Bubis, des damaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in der BRD, spielte dabei keine Rolle. Danach kam es zu einer Hausdurchsuchungswelle. Dabei wurden Sachen beschlagnahmt, bei denen die Beamten bereits vorher wussten, dass diese wieder ausgehändigt werden müssen. Um die Anzahl der Beschlagnahmungen so niedrig wie möglich zu halten, kam Uwe Böhnhardt auf die Idee, eine Garage oder einen Garten zu mieten, wo man dann solche Sachen lagert. Eine solche Vermietung ist nirgendwo verzeichnet, weshalb aus seiner Sicht die Sachen dort sicher waren. Ich hatte bislang weder Probleme mit Hausdurchsuchungen, noch Dinge, die man dort hätte lagern müssen. Daher hatte ich kein Interesse. Irgendwann habe ich erfahren, dass Uwe Böhnhardt eine Garage an der Kläranlage gefunden hat. Ich muss mindestens einmal dort gewesen sein für eine Reparatur am Fahrzeug von Uwe Böhnhardt. Wir holten Werkzeug aus der Garage. Dort war aber nichts von dem zu sehen, was die Polizei dann 1998 dort gefunden haben will. Die Garage war so eingerichtet, dass man einen PKW hätte unterstellen können. Ich habe keine Koffer öder Ähnliches gesehen. [phon.] Aus meiner Sicht war das eine ganz normale Garage.
Für mich hat auch das sonstige Verhalten von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nie Anlass gegeben zu vermuten, dass die mal dazu fähig sein könnten, schwere Straftaten zu begehen, schon gar nicht gegen Ausländer, weil diese für uns nicht Thema waren. Mir ist auch überhaupt nur ein Vorfall mit Gewalt in Erinnerung. Ein Vorfall im Clubkeller „Modul“. Den habe ich aber nicht komplett mitbekommen, denn ich muss auf dem Rückweg vom Stadtzentrum gewesen sein. Als ich mich auf das „Modul“ zubewegte, sah ich einen Menschenauflauf, den ich allerdings nicht zuordnen konnte. Erst als ich nach unten gehen wollte, sah ich Uwe Böhnhardt auf der Straße liegen, von mehreren Personen körperlich bedrängt. Uwe Mundlos habe ich gar nicht wahrgenommen; auch Beate Zschäpe nicht. Irgendwann kam jemand und sagte: „Weg hier!“ Ich habe erst später Uwe Mundlos wahrgenommen, der ein lädiertes Gesicht hatte. André Kapke habe ich mit einem zerrissenen Polohemd in Erinnerung. An Holger Gerlach habe ich keine Erinnerung. Das Ganze hatte aber keinen politischen Hintergrund, sondern war eine Kneipenschlägerei, so wurde mir das berichtet.
Was die Bombenattrappen im Stadion und auf dem Nordfriedhof und die Briefbombenattrappen anbelangt, weiß ich nicht mehr, ob ich damals unmittelbar davon Kenntnis hatte. Jedenfalls wurde nicht drüber gesprochen, weil prinzipiell nicht über so etwas gesprochen wurde. Man ging davon aus, dass die Szene mit Spitzeln durchsetzt ist. Da ich zu keiner Zeit für einen staatlichen Dienst als Spitzel gearbeitet habe, habe ich auch nicht nachgefragt [phon.]. Bzgl. der Bombenattrappe am Theaterhaus weiß ich nicht mehr genau, wann und von wem ich erfahren habe, dass das auf Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zurückzuführen ist. Ich glaube, es wurde mir bei einem Treffen nach dem Untertauchen von einem der Uwes erzählt. Ich erinnere mich, dass mir irgendwann mal gesagt wurde, dass das TNT nur dabei gewesen sei, um Aufmerksamkeit zu provozieren. Das passte, denn sie mochten es ja zu provozieren. So als zuerst Uwe Mundlos und später auch Uwe Böhnhardt plötzlich mit einer Art braunen Uniform unterwegs waren. Ich hatte Kenntnis, dass die beiden Uwes die Puppe aufgehängt und die Bombenattrappe am Theater hingestellt haben. Nach meiner Auffassung handelte es sich um Provokationen, mit denen keine Menschen getötet oder verletzt werden sollten. Von daher kam ich nie auf den Gedanken, dass die beiden Uwes zu solchen Straftaten fähig sein könnten, wie sie hier angeklagt sind.
Nach dem Untertauchen: Am 26. Januar 1998 gab es mehrere Durchsuchungsaktionen. Uwe Böhnhardt konnte den Ort verlassen. Was er dann konkret gemacht hat, weiß ich nicht. Mir ist auch nicht erinnerlich, wer zu mir kam, und mich fragte, ob man mein Auto haben könne. Ich weiß, dass es darum ging, vorerst die Stadt zu verlassen. Sicher wurde mir auch von der Durchsuchung berichtet und dass man vorhat, erstmal zu verschwinden. Es war durchaus üblich, seinen PKW zu verleihen. Zumal ich als Ersatz das Auto von Uwe Mundlos bekam. Bzgl. des von Juliane Walther erinnerten Treffens zwischen Volker [He.], ihr und mir in der Wohnung habe ich keine Erinnerung. Ich erinnere mich nur, dass wir bei Jürgen Helbig übernachteten, weil ich vermutete, dass es auch bei mir zu einer Hausdurchsuchung kommen könnte. So etwas war keine Seltenheit. [phon.] Ich wollte gegenüber meinem Mitfahrer zur Berufsschule nicht in Erklärungsnot geraten. [phon.] Was sich in den darauffolgenden Tagen abspielte, weiß ich auch nicht mehr. Ich weiß nur, dass der PKW von Mundlos plötzlich weg war. Das war ungünstig, denn ich war auf ein Auto angewiesen. Irgendwie muss ich das aber kompensiert haben. An Fahrten mit dem Vater von Uwe Mundlos erinnere ich mich jedenfalls nicht, ausschließen kann ich sie aber auch nicht. Auch an den ersten telefonischen Kontakt und sein Zustandekommen habe ich keine Erinnerung.
Es gab ein Telefonzellensystem, das schon früher angewendet wurde. Wer es entwickelt hat, kann ich nicht mehr sagen, auch nicht wie es genau war [phon.]. Es kam zu verschiedenen Telefonaten. Zu Inhalten könnte ich nur Vermutungen anstellen. Genaue Erinnerungen habe ich nur daran, dass ich mehrmals die Mutter von Uwe Mundlos aufsuchen sollte, was ich auch tat. Mit welchen Anliegen, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich, dass ich nicht nur mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt telefoniert habe, sondern am Anfang auch mit einer unbekannten männlichen Person. An Telefonate mit Beate Zschäpe erinnere ich mich nicht. Auch mit welcher Regelmäßigkeit, erinnere ich nicht. Am Anfang wurde immer beim aktuellen Telefonat der nächste Termin ausgemacht. Später bekam ich eine Funknummer, um mich anzukündigen, und dann die Nummer einer Telefonzelle. [phon.] Ich erinnere mich, dass Jürgen Helbig eine Zeit lang seinen Anschluss und seinen Anrufbeantworter zur Nachrichtenübermittlung zur Verfügung stellte. Telefonisch habe ich von den Uwes erfahren, dass mein PKW mit einem Defekt liegen geblieben ist, wo das Auto steht und wo der Schlüssel versteckt ist. Sie wären in Hannover gewesen und fast von der Polizei geschnappt worden. Man habe sie laufen lassen. Danach hätten sie sich andere Kennzeichen besorgt.
Mit Jürgen Helbig und einer weiteren Person bin ich zu dem angegebenen Ort gefahren; nach meiner Erinnerung in Sachsen, Waldheim, auf einem Feldweg, nicht weit von der Bundesautobahn 4. Das Auto hatte keine äußerlichen Schäden. Die Kennzeichen waren nicht mehr am Auto, sie lagen im Auto. Der Schlüssel lag auf dem Hinterrad. Es ließ sich auch starten, aber es schien ein Getriebedefekt vorzuliegen. Wir haben es zu einer Tankstelle geschleppt. Zuvor haben wir jedoch die Kennzeichen wieder angebracht. Wir beschlossen, mein Auto an der Tankstelle stehen zu lassen und nach Jena zu fahren, um beim ADAC eine Abschleppstange zu leihen und es damit zu probieren. Wie es sich dann ergeben hat, dass Andreas Rachhausen mein Auto mit dem Hänger geholt hat, kann ich nur vermuten. Auf jeden Fall hat er es geholt, es stand dann hinter meinem Haus. Am 3. März 1998 wurde das Auto von Sandro Tauber während einer Diskussionsveranstaltung im Hotel Esplanade in Jena zum Thema Rechte Gewalt von sogenannten Linken angezündet. Da der PKW baugleich mit meinem Fahrzeug war, bot mir Sandro an, sich um die Reparatur meines PKW zu kümmern. Mit Conny [Co.] schleppte ich meinen PKW nach Rudolstadt. Wir halfen bei den Arbeiten. Danach funktionierte mein PKW wieder.
Es muss kurz nach dieser Reparatur gewesen sein, als ich das erste Mal nach Chemnitz gefahren bin, um mich mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu treffen. Den genauen Termin muss ich telefonisch ausgemacht haben. Ich weiß nicht mehr, ob mit einem der beiden Uwes oder mit einer anderen Person. Auf jeden Fall war vorgegeben, dass ich in der Nähe einer Tankstelle kurz vor Chemnitz auf eine Person warte, die mich dann anspricht. Diese Person, ein Glatzkopf, kam dann auch. Er forderte mich auf, in seinen VW Polo einzusteigen, was ich auch tat. Wir haben uns unterhalten, aber mir ist nur eine Bemerkung zu meinem Auto erinnerlich. Er sagte: „Dein Auto fährt ja wieder.“ Wir haben dann meiner Erinnerung nach eine Altbauwohnung in Chemnitz aufgesucht. Dort habe ich Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe das erste Mal nach ihrem Verschwinden wiedergesehen. Was gesprochen wurde, erinnere ich nicht, nur noch eine kleine Wohnung mit einem Schlauchzimmer hinter einem Wohnzimmer. Weitere Personen, außer den Dreien, mir und dem Fahrer waren nicht anwesend. Was die Transporte von Jürgen Helbig anbelangt, habe ich ihn weder gefragt noch gebeten, mir zu helfen. Die Telefonate gingen zunächst über Helbigs Telefonanschluss. Er bot mir seine Hilfe von sich aus an. Ich habe keine Erinnerung, was er transportiert hat. Ausschließen kann ich seine Vermutung, dass es sich irgendwann mal um eine Waffe gehandelt hat. Das vermutet er nur wegen der Ermittlungen. [phon.] Die meisten Sachen kamen von Böhnhardts Eltern. Um was es sich dabei genau gehandelt hat, weiß ich nicht mehr. Auch ob ich von Frau Mundlos etwas ausgehändigt bekam, weiß ich nicht mehr. Was ich aber erinnere, ist der Transport eines Zip-Laufwerks für Uwe Mundlos. Das ist mir nur in Erinnerung, weil er der einzige war, den ich kannte, der ein solches Speichermedium besaß.
Bzgl. der „Pogromly“-Spiele ist es auch schwer, genaue Angaben zu machen. Selbst das Zwischenlager bei Jürgen Helbig ist mir nur erinnerlich, weil er es angegeben hat. Tino Brandt hat einen Großteil der Spiele aufgekauft. Welche Stückzahlen kann ich nicht sagen. Zur Gesamtstückzahl könnte ich auch nur spekulieren, aber mehr als 20 waren es auf keinen Fall. Ich habe das Spiel vor dem Untertauchen mal gespielt. Mundlos hat es mitgebracht, es war in meiner Wohnung. Juliane und Uwe Böhnhardt waren dabei. Ich fand das Spiel nicht sonderlich toll.
Irgendwann Anfang 1999 kam es zu einem weiteren Treffen zwischen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe und mir. Es waren keine weiteren Personen anwesend [phon.]. Telefonisch wurden mir Zeitpunkt und Ort genannt, und dass ich aufpassen solle, nicht verfolgt zu werden. Mit welchem PKW ich gefahren bin, weiß ich nicht mehr, nicht mein eigener. Das Treffen sollte dazu dienen, von Beate Zschäpe eine Vollmacht für eine anwaltliche Vertretung zu bekommen. Ausschließen kann ich nicht, dass auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt entsprechende Vollmachten übergeben haben. Vage erinnere ich mich, dass ich mal bei RA Thaut war. Es ging um die Selbstgestellung von Böhnhardt. Mglw. war Frau Böhnhardt dabei. [phon.] Bei dem Treffen mit den Dreien, das in einem Park in der Nähe von einem Einkaufszentrum stattfand, gab es noch ein persönliches Gespräch zwischen Uwe Böhnhardt und mir. Er äußerte den Wunsch, dass ich mich nach einer scharfen Pistole umhören solle. Wenn es ginge mit Munition. Es sollte eine Pistole und kein Revolver sein. Als ich ihm entgegnete, dass ich mich nicht auskenne, sagte er sinngemäß, ich solle nur darauf achten, dass es ein deutsches Fabrikat ist. Wenn er sie nicht gebrauchen könne, würde er sie wieder verkaufen können. Auf Frage nach der Bezahlung sagte er, ich könnte mal bei Tino Brandt anfragen. Ich habe ihn gefragt, wozu er eine scharfe Waffe bräuchte. Böhnhardt hat mir klar gemacht, dass er nicht mehr in Haft gehen würde und sich eher selbst erschießen würde.
Ob das Treffen mit Eisenecker vor oder nach der Übergabe der Vollmacht stattgefunden hat, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere, dass ich mit Carsten Schultze nach Goldenbow gefahren bin. Es ging darum, dass die Drei wieder zurückkommen sollten. Ich erinnere mich sonst noch an eine Frage zu einem Findling, welchen er bei Bauarbeiten gefunden hatte. Dieser lag im Flur und er wollte wissen, ob ich weiß, wie man die Stelle findet, um ihn mit einem Schlag zu zerkleinern.
Irgendwann übernahm Carsten Schultze die Telefonate. Wie es dazu kam, erinnere ich genauso wenig wie das Ansprechen durch André Kapke und mich. Es muss bei ihm schon so gewesen sein, dass er über eine Telefonzelle eine Funknummer angewählt hat. Bei Neuigkeiten [phon.] befand sich ein entsprechender Text mit genauen Anweisungen auf dem Anrufbeantworter, z. B. auch, ob ich bei Telefonterminen dabei sein sollte. Irgendwann ging der Kontakt nur noch über Funktelefone. Welche Aufgaben konkret an wen vermittelt wurden, kann ich nicht mehr sagen, auch nicht, zu welcher Zeit. Es gab aber jedenfalls den Auftrag, in die Wohnung Zschäpe einzubrechen, um persönliche Unterlagen zu sichern. Diesen Einbruch hat Carsten Schultze durchgeführt. Jürgen Helbig stand Schmiere. Das hat mir Carsten Schultze erzählt. Einen Teil der Sachen haben Carsten Schultze und ich hinter der „Fliegerscheune“ vergraben. Den anderen Teil haben wir in der Saale versenkt. Des weiteren gab es den Auftrag, ein Motorrad zu stehlen. Der Typ wurde vorgegeben. Ich vermutete, dass die Teile verkauft werden sollten. Das Motorrad sollte irgendwohin gebracht werden. Ich habe mit Carsten Schultze, wie bestellt, ein Motorrad MZ ETZ 150 gestohlen. Es sprang nicht an und wir haben es in einem Gebüsch bei einer Autobahnbrücke versteckt. Später wollte ich entweder alleine oder zusammen mit Carsten Schultze nochmal zu dem Motorrad, es war aber nicht mehr da.
Dann gab es immer wieder die Frage nach finanzieller Unterstützung und die Unterbringung im Ausland war ständig im Gespräch. Kurz nach dem Untertauchen kamen immer noch Gelder zusammen, aber im Laufe der Zeit reduzierte sich das fast auf Null. Wie genau die Gelder zu den Untergetauchten kamen, kann ich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Zu dem behaupteten Kredit kann ich nur sagen, dass ich zu der Zeit nicht kreditwürdig war. Das ergibt sich auch aus den Finanzermittlungen. Weitere Gelder außer den 500 DM von Tino Brandt habe ich für die Drei nicht entgegengenommen. Das hat nach meiner Erinnerung immer André Kapke gemacht. Die Gelder für die Spiele haben nach meiner Erinnerung Jürgen Helbig und André Kapke weitergeleitet. Aus Geldgeschichten habe ich mich immer rausgehalten, weil es in der Szene immer wieder Streit wegen Geld gab. Es gab immer Gerede, man würde sich selbst bereichern. Bestes Beispiel ist, als André Kapke einmal Geld abhanden kam.
Zum Thema Ausland war von Südafrika und Amerika die Rede. Ich erinnere mich, dass Thorsten Heise als Ansprechpartner im Gespräch war, und dass Holger Gerlach sich darum bemühte. Aber warum das nicht geklappt hat, weiß ich nicht. Zum Stern-Interview erinnere ich, dass eine große Summe im Gespräch war. Ich befürwortete das Interview, weil es den Sprung ins Ausland ermöglichen konnte. Beate Zschäpe wollte nicht ins Ausland. Uwe Böhnhardt war rechtskräftig verurteilt und für ihn kam aus meiner Sicht nur eine Flucht ins Ausland in Betracht. Ich erinnere mich, dass ich für die Vermittlung von Telefonaten mit der Familie Böhnhardt und Tino Brandt zuständig war. Bei der Familie Böhnhardt warf ich Zettel mit Telefonzelle und Zeitpunkt in den Briefkasten. Telefonische Kontakte zwischen Uwe Mundlos und dessen Eltern stellte ich nicht her. Hier übermittelte ich persönlich Nachrichten, zum Beispiel Grüße, und dass es ihm gut gehe, an seine Mutter. Uwe Mundlos hatte die Befürchtung, dass sein Vater zur Polizei geht. Brandt informierte ich persönlich. Ausgemacht hatten wir: Buchbestellung mit Datum und Uhrzeit über das Telefon bei seiner Arbeit. [phon.] Woran ich eine Erinnerung habe, ist ein geplantes Treffen von Familie Böhnhardt und mir mit Uwe Böhnhardt. Aus diesem wurde aber nichts, weil Uwe Böhnhardt zu große Bedenken hatte. Er ging davon aus, dass seine Eltern und ich überwacht werden.
Carsten Schultze erklärte irgendwann seinen Rückzug. Somit übernahm ich dann wieder, wenn auch beschränkt, den Kontakt. Ich nutzte ausschließlich Telefonzellen. Ich erinnere mich an Telefonzellen an den Rewe-Kaufhallen in Winzerla und Lobeda-West. [phon.] Ich rief die bekannten Funknummern [phon.] an und hörte den Anrufbeantworter ab. Viele direkte Telefonate gab es nicht. Erst mit dem Auffliegen von Tino Brandt als Spitzel gab es wieder Redebedarf. Ich sagte einem der Uwes, dass ich nicht derjenige sein möchte, wegen dem sie gefunden werden. Es bewegte sich weder etwas wegen einer Rückkehr der Drei über RA Eisenecker noch bzgl. einer Flucht ins Ausland und ich bat darum, den Kontakt einzustellen. Man wollte sich nur noch ein letztes Mal mit mir treffen. Kurz nach Brandts Enttarnung bin ich mit dem Zug nach Zwickau gefahren. Wer mich am Bahnhof abholte, weiß ich nicht mehr. Wir sind in einen Park in der Nähe des Bahnhofs gelaufen. Das beherrschende Thema war die V-Mann-Tätigkeit von Brandt. Sie fragten mich, ob ich davon ausgehe, dass Brandt etwas zum Aufenthaltsort der Drei verraten hätte. Dazu konnte ich nichts sagen, hielt es aber für möglich. Aus der Frage schloss ich, dass Brandt es wusste. Ich ging davon aus, dass man sie hätte finden können. [phon.] Mir wurde noch gesagt, dass man derzeit überlege, dass sich Beate alleine stellt und die anderen erstmal versteckt bleiben.
Zu den Anklagevorwürfen: Die BAW wirft mir vor, dass ich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bei der Organisierung ihres Lebens im Untergrund behilflich gewesen sei. Dies soll ich als „steuernde Zentralfigur der gesamten Unterstützerszene“ mindestens bis 2001 getan haben. Diese Behauptung ist unzutreffend und beruht auf Spekulationen. Dies zeigt auch die Beweisaufnahme. Keiner der sogenannten Chemnitzer Unterstützer kannte und kennt mich persönlich. Sicherlich habe ich einen gewissen Beitrag geleistet, v.a. die Flucht vereinfacht, z.B. indem ich ihnen meinen PKW gegeben habe. Allerdings ist es aus meiner Sicht garantiert nicht so, dass man, im Gesamtkontext betrachtet, hierdurch eine maßgebliche Organisierung ihres Lebens im Untergrund erkennen kann. Ich habe mir die Unterstützungsleistungen nicht selber ausgedacht, sondern wurde von den Uwes darum gebeten. Es ist nicht so, dass ich „Mittelsmänner“ gebeten habe, Aufträge vorzutragen, sondern diese haben das von sich aus gemacht auf Wunsch der Uwes. Ich erinnere nur an die Aussage von Carsten Schultze, der in seiner Vernehmung am 01.02.2012 sagte, dass „es die allgemeine Stimmung bei Ralf Wohlleben und mir war, dass die drei hoffentlich nichts von uns wollten“. Das war auch meine Einstellung. [phon.] Im Gegensatz zu Jürgen Helbig wollte Carsten Schultze Anerkennung und Lob und hat es mir wahrscheinlich deswegen erzählt.
Was die Waffenbeschaffung durch den Angeklagten Carsten Schultze angeht: Es hat mich stark gewundert, dass er so viele wichtige Details vergessen hat. Insbesondere die Tatsache, dass ihm durch mich oder die beiden Uwes bekannt war, dass ich schon vor ihm den Auftrag hatte, eine Waffe zu beschaffen. Wegen Überwachung und Strafverfolgung wollte ich keine Waffe besorgen. Ich wollte auch nicht am Suizid von Böhnhardt schuld sein. Das sagte ich aber niemandem. Schließlich wurde Carsten Schultze beauftragt; dies sagte mir einer der Uwes am Telefon. [phon.] Ich fragte, wo er denn eine Waffe besorgen könne, wenn ich es schon nicht wüsste. Einer der Uwes sagte, Carsten könne es doch beim Schultz im „Madley“ probieren. Als mich Carsten Schultze fragte, versuchte ich nicht, wie die BAW mir vorwirft, diesem Wunsch möglichst genau zu entsprechen, sondern verwies ihn lediglich, ohne dass er mir Details der Bestellung nannte, an Andreas Schultz. Ich ging nicht davon aus, dass er dort Erfolg haben würde, dass man dort neben CDs und Klamotten auch Waffen erhalten kann. Wenn mir die BAW weiter vorwirft, der Angeklagte Schultze habe von mir 2.500 DM erhalten, weise ich dies zurück. Wie die Finanzermittlungen ergeben haben, war ich damals gar nicht im Stande, eine derartige Summe aufzubringen. Hierfür spricht, dass Carsten Schultze selbst ausgesagt hat, das Geld von den beiden Uwes zurückerhalten zu haben. Das Geld hat er jedoch nicht an mich weitergeleitet. Dies spricht gegen den GBA. Ich gehe davon aus, dass das Geld von Tino Brandt kam. Uwe Böhnhardt hatte mir ja gesagt, dass man zu Tino Brandt solle für Geld. Im Übrigen spricht auch das Schreiben von Tino Brandts RA Jauch dafür. Wenn der GBA davon ausgeht, dass die Waffe aus Spendengeldern finanziert wurde, so ist das falsch. So viel [phon.] hatte ich nicht zur Verfügung. Wenn Spenden eingingen wie die 500 DM von Tino Brandt wurden diese immer gleich weitergeleitet, weil sie meiner Kenntnis nach dringend gebraucht wurden. In diesem Fall per Überweisung von Carsten Schultze. Dies ergibt sich auch aus einer Meldung des Thüringer VS.
Das Überbringen der Waffe durch Carsten Schultze zu mir [phon.]: Carsten Schultze hatte von mir keinen Auftrag, mir die Waffe zu zeigen. Ich kenne mich mit Waffen nicht aus. Außerdem hatte ich damals das Gefühl einer permanenten Überwachung. Ich fühlte mich auch in meiner Wohnung überwacht. Ich ging davon aus, dass ich vom gegenüberliegenden Schulgebäude aus akustisch und optisch überwacht werde. Deswegen war ich überrascht [phon.], als er mit einer Waffe vor der Tür stand. Ich war verärgert, dass er eine Waffe zu mir gebracht hat. Was gesprochen wurde, habe ich nicht mehr in Erinnerung. [phon.] Ich weiß noch, dass wir uns die Waffe im toten Winkel meiner Wohnung, im Essbereich, angesehen haben. Ich weiß nicht mehr, wer die Waffe auspackte. Ich war über den Schalldämpfer überrascht. Aus reiner Neugier habe ich den Schalldämpfer aufgeschraubt. Ich habe mit Sicherheit nicht extra Handschuhe geholt. Für mich war der Schalldämpfer ein einfaches Zubehörteil, so wie bei Schreckschusswaffen ein Leuchtkugelaufsatz an Silvester [phon.]. Ich habe auch zu keiner Zeit Überlegungen angestellt, wofür er eingesetzt werden könnte. Er war einfach da. An die von Carsten Schultze geschilderte Situation, wonach ich mit einem Lächeln im Gesicht die Waffe auf ihn gerichtet hätte, kann ich mich nicht erinnern. Ich erinnere mich aber an die Waffe, an den Zustand mit aufgeschraubtem Schalldämpfer. Der Schalldämpfer war definitiv kürzer als die Waffe und dicker als der Schalldämpfer, den ich in den Akten gesehen habe. Er war auch ziemlich schwer, ähnlich schwer wie die Waffe. An ein auffälliges Außengewinde bei der Pistole kann ich mich ebenfalls nicht erinnern. Die Pistole habe ich klobiger als die Ceska in den Akten in Erinnerung.
Ich habe Carsten Schultze nicht beauftragt, die Waffe nach Chemnitz zu bringen. Ich gehe davon aus, dass er das selbst mit den beiden Uwes ausgemacht hat. Eine Einbindung von mir wäre sinnlos gewesen. Ich weise in aller Deutlichkeit die Unterstellung der BAW zurück, ich hätte bei der Beschaffung und Weiterleitung der Waffe damit gerechnet, dass damit ideologisch motivierte Tötungsdelikte begangen werden und mir sei das wegen meiner eigenen Einstellung recht gewesen. Wie ich schon ausführte, ging ich davon aus, dass Uwe Böhnhardt die Waffe ausschließlich für sich wollte, um sich im Falle einer Festnahme selbst zu töten. Egal wie man den Begriff Rechtsextremismus definieren will, Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele lehnte ich zu jeder Zeit und bis heute ab. Diese Haltung war im nationalen Lager bekannt. Sie hat sich bereits durch Zeugenaussagen hier und durch Vernehmungen im Ermittlungsverfahren manifestiert. André Kapke und ich wurden Ende 2007 von einer Horde sogenannter Antifaschisten vor dem Jenaer Rathaus brutal zusammengeschlagen. Als wir am Boden lagen, traten die Angreifer uns mehrfach gegen Kopf und Oberkörper. [Tu.] vom Staatsschutz berichtete mir, eine Zeugin habe angegeben, dass sie dachte, ich sei totgeschlagen worden. Kapke und ich hatten zuvor an einer Sitzung des Jenaer Stadtrates teilgenommen und waren auf dem Weg nach Hause. Die Täter wurden, wie immer, nicht ermittelt. Weiter wurde im März 2008 mein PKW vor meinem Wohnhaus angezündet.
Wohlleben bittet darum, Bilder an die Leinwände zu projizieren. Zu sehen ist ein brennender VW Golf. Dann setzt Wohlleben fort:
Meine Kinder sahen das brennende Auto sogar. In beiden Fällen haben Kapke und ich zum Gewaltverzicht aufgerufen. Dies kann auch der Zeuge Kevin Schnippkoweit [Anmerkung von NSU-Watch: Schnippkoweit wurde 2009 vom Landgericht Kassel wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt; er hatte bei einem Nazi-Überfall auf ein Zeltlager der Jugendorganisation der Linkspartei eine 13-Jährige schwer verletzt] aussagen, dass ich die Leute beruhigt habe und sagte, das solle man der Polizei überlassen. Meine Ablehnung von Gewalt umfasst erst recht die Ablehnung von Morden. [phon.] Ich ging zu jedem Zeitpunkt davon aus, dass sich meine Freunde den Behörden stellen oder die Flucht ins Ausland antreten. An schwere Straftaten habe ich keine Gedanken verschwendet. Ich habe nicht damit gerechnet, dass man sich in so einer Situation einem zusätzlichen Fahndungsdruck aussetzt. Die Drei wollten ja nicht geschnappt werden.
In Bezug auf die Erinnerungsleistung des Angeklagten Schultze erstaunt mich ein Fakt extrem, nämlich der, dass er vergessen haben will, dass es im Nachgang an seine Waffenbeschaffung Beschwerden von Uwe Böhnhardt gab, der sagte, dass die beschaffte Waffe gar nicht funktionieren würde. Ich meine, er hat sie sogar als Schrott bezeichnet. Ich weiß nicht mehr, ob Carsten Schultze oder Uwe Böhnhardt mir das sagte. Ich erinnere mich daran, dass Carsten Schultze mit Unverständnis reagierte und sinngemäß sagte: „Jetzt regen die sich auch noch auf.“
Zu sonstigen Vorhalten:
Turner-Tagebücher: Ich habe sie nie gelesen, obwohl sie auf meiner Festplatte gefunden wurden. Ich habe sie zwar heruntergeladen, weiß aber nicht mehr wann und warum. Mich verwundert, dass dem so viel Beachtung geschenkt wird; der Zeitstempel ist vom 18.05.2005. Ich weise darauf hin, dass sich auf demselben Datenträger ein von mir geschnittenes Video „Xenophobie“ befindet, das sich mit der Überfremdung der Gesellschaft beschäftigt. Jegliche Art von Fremdenfeindlichkeit wird abgelehnt und als Urheber der kapitalistische Globalismus genannt. Ebenso auch beim Fest der Völker.
Im Folgenden verliest Wohlleben den Aufruf zum „Fest der Völker“ 2005, wie er auf diversen neonazistischen Websites veröffentlicht worden war. Man lebe, so Wohllebens Vortrag, „in einer Zeit der Auflösung, des totalen Wandels und der Umstrukturierung aller bisherigen Lebensformen“: „Die damit einhergehende Zerstörung ethnischer und kultureller Eigenarten, die Jahrtausende lang gewachsene natürliche Struktur, wird in naher Zukunft vollkommen ausgelöscht sein.“ [Fehler im Original des Aufrufs] Den wenigsten Menschen würden die „eigenen kulturellen und ethnischen Werte“ heute noch etwas bedeuten: „Auflösungserscheinungen mit all ihren Nebenwirkungen; Dekadenz, soziale Gleichgültigkeit und Verlust des großen europäischen Geistes in Form seiner abendländischen Philosophie und Wertvorstellung, einer für die Welt einstmals als Leitbild fungierend und wegweisenden großen Epoche sind geopfert auf Altären des Mammons der Kapitalisierung und Industrialisierung unserer Gesellschaft.“ [Fehler im Original des Aufrufs]
Wohlleben spricht davon, dass hier eine „neue Jugend“ stehe, die „den Geist des alten Europa in sich“ trage, sich „der Tragweite der derzeitigen erzwungenen Veränderungen bewusst“ sei und diese „aus innerster Überzeugung“ ablehne. Man sei die Jugend eines anderen Europas „als der EU-Aristokraten in Maastricht und ihren Kultur vernichtenden Vasallen“. Man fordere den „Erhalt der gewachsenen Strukturen“ gegen eine „industrialisierte Zwangsumwandlung in den derzeitig erlebbaren Ausmaßen“. Zwar sollten Kultur und Gesellschaften „wachsen und gedeihen“, aber nicht „zum Spielball internationaler Industriemanager“ werden. Überall in Europa wachse unter jungen Menschen die Erkenntnis, dass es nur eine Zukunft geben könne, wenn man sich seiner Vergangenheit bewusst ist: „Ein Baum kann ohne Wurzeln nicht gedeihen.“ Dann verliest Wohlleben: „Wir Nationalisten sind keine Ausländerfeinde wie es die Presse gerne behauptet, wir achten jede Kultur und jeden Menschen“. Man sei jedoch, so der Vortrag weiter, der Meinung, dass „jeder Mensch und jede Kultur ihren angestammten Platz in dieser Welt hat“ und dieser müsse von jedem respektiert werden.
Wohlleben weiter: „Wir haben verstanden, wer die Nutznießer einer ‚Einwelt‘ Ideologie sind, nicht der Mensch, der in ihr nur zum notwendigen Produktions- und Konsumentenmittel verkommt, Nutznießer sind die Großkonzerne und die kleine Kaste die sie leitet, Manager, Politiker Industrielle.“ [Fehler im Original des Aufrufs] Die Auswirkungen der derzeitigen Politik, der „massenhaften Einwanderung von fremdländischen Menschen in die Staaten Europas“ werde, so Wohlleben weiter, Menschen hervorbringen, die „nicht mehr an ihre Heimat, Kultur und Herkunft gebunden“ seien, weil sie „einfach keine mehr“ hätten. Diese seien leichter auszubeuten als Menschen, die „an Kultur und Heimat gebunden und mit dieser verwurzelt“ seien: „Wer kämpft schon gerne für etwas, zu dem er überhaupt keinen Bezug hat, was ihm völlig egal ist?“ Die Auswirkung sei „[m]odernes Nomadentum“, wie es heute schon in den USA alltäglich sei. In der „globalisierten Welt“ würden Menschen zu „Spielfiguren der ganz wenigen privilegierten Industriegangster und ihren Helfern aus der Politik“. Die „andere Jugend Europas“ wolle mit dem „Fest der Völker“ ein Zeichen setzen. Es sei ihnen nicht gleichgültig, „was mit uns und der Welt geschieht“. Man werde „nicht alles unwidersprochen hinnehmen, was uns versucht wird aufzuzwingen“. Wohlleben endet auf den Satz: „Für Deutschland, für Europa.“
Dann lässt Wohlleben eine Videodatei „xeno.mp4“ abspielen. [Es handelt sich um eine Version eines Videos der neonazistischen Gruppe „Media pro Patria“. „Media pro Patria“ fertigte meist Videos, in denen verschiedene Neonazis in unterschiedlichen Einstellungen Propagandatexte in die Kamera sprechen, oft mit Musik unterlegt. Im Video „Xenophobie“ wird „Ethnopluralismus“ propagiert. Es richtet sich an andere Neonazis, die vorgeblich davon überzeugt werden sollen, keine „Ausländerfeinde“ zu sein. Die Argumentation im Video ist letztlich aber rassistisch.]
Danach setzt Wohlleben mit der Einlassung fort:
Waffenlieferung über Gerlach: Mit aller Deutlichkeit weise ich die Behauptung von Holger Gerlach zurück, dass ich ihm eine Pistole übergeben hätte, damit er sie zu den beiden Uwes bringt. Holger Gerlach hat lediglich bei mir übernachtet, wenn er in Jena war. Uwe Böhnhardt bat auch Holger Gerlach, eine Waffe zu besorgen. Das hat mir entweder Holger Gerlach oder Uwe Böhnhardt gesagt. Ich hatte Holger Gerlach irgendwann informiert, dass Carsten Schultze über das „Madley“ eine Waffe organisiert hatte. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass er als Bezugsquelle Andreas Schultz nennt, dieser aber einen Verkauf an mich ausschließt. Ich habe den Verdacht, dass Holger Gerlach durch diese Lüge verschleiern will, von wem er die Waffe tatsächlich erhalten hat.
Depot von 10.000 DM: Wenn Holger Gerlach behauptet, ich hätte als Depot 10.000 DM erhalten, so stimmt dies nicht. Ich habe nie einen Betrag in derartiger Höhe erhalten und kann auch ausschließen, dass ich dies vergessen habe.
Bewaffnungsdiskussion: Bzgl. der von Holger Gerlach geschilderten Richtungsdiskussion, die er anfänglich sogar Bewaffnungsdiskussion genannt haben soll, kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Eine Bewaffnung, die dem eigenen Schutz dient, also aus Schreckschusspistole, Abwehrspray o.Ä. besteht, war damals jedem selber überlassen. Wenn überhaupt, gab es darüber einen Erfahrungsaustausch. Über scharfe Waffen oder Sprengstoff wurde nie geredet. Worüber es mal eine Diskussion gab, war, ob man aufgrund der medialen Blockadehaltung nicht mal provokantere Aktionen machen sollte.
Verurteilung von André Kapke und mir wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung im minderschweren Fall: Ende 1998 wurden neben dem Auto von Tino Brandt vor meinem Wohnhaus auch das Fahrzeug des Republikaners Wilhelm Tell und der PKW von Christian Kapke durch Linkskriminelle angezündet. Christian Kapke wurde wenige Tage danach in der Straßenbahn von zwei jungen Frauen angesprochen, was denn seine neuen Schonbezüge machen würden. Weil er diese erst kurz vorher gekauft hatte, ging er von Täterwissen aus und überredete sie zu einem Treffen. Weil er eine Falle befürchtete, entschied er sich dazu, neben einem kameraüberwachten Treffpunkt noch ein paar Bekannte im Hintergrund warten zu lassen. Eine weibliche Bekannte, Jana [A.], sollte die Gesprächsatmosphäre lockern. Wer alles wartete, weiß ich nicht mehr. Gleich zu Beginn kam es zu Unstimmigkeiten unter den Damen. [phon.] André Kapke und ich entschieden uns spontan, nochmal das Gespräch zu suchen. Wir mussten hinterherfahren und ihnen entgegenlaufen. [phon.] André forderte sie mit lauter Stimme auf, sich auszuweisen. Eine der beiden wurde von André an einen Zaun gedrückt. Ich habe keine Erinnerung mehr, warum. Es hat nicht lange gedauert, schnell fand man den Weg zurück auf ein normales Gesprächsniveau. Die Frage, ob sie wüssten, wer das Auto angezündet hat, verneinten beide Damen und nach kurzer Verständigung, das Gespräch doch noch zu führen, sind wir mit ihnen zurück in Richtung des ersten Treffpunkts gelaufen. Ich bin dann zu meinem Auto gelaufen und habe am nächsten Tag erfahren, dass man noch bis tief in die Nacht an der Haltestelle im Holzhäuschen gesessen hätte und es eine angeregte Gesprächsatmosphäre war. Man habe sogar Bücher ausgetauscht. [phon.] Irgendwann später gab es eine Vorladung bei der Polizei, weil Anzeige gegen André Kapke und eine unbekannte Person erstattet worden war. Ich war nur als Zeuge vorgeladen, habe dann aber zugegeben, dass ich der sogenannte Unbekannte bin.
Schultzes Behauptung „Die haben jemanden angeschossen.“: Die von Carsten Schultze aufgestellte Behauptung, es hätte mal ein Telefonat gegeben, welches ich mit dem Satz „Die haben jemanden angeschossen“ zusammengefasst hätte, hat es so nie gegeben. [phon.] Entweder zeigt Carsten Schultze starke Belastungstendenzen mir gegenüber oder er erinnert sich falsch. Das Gespräch habe ich meiner Erinnerung nach mit André Kapke oder Brandt geführt. Es ging um den Südafrika-Urlaub von Mike [St.] und einem [Bö.]. Die sollen sich bei einer Schießübung selbst angeschossen haben. Das erklärt auch das Lächeln im Sinne von: „Die Idioten.“
Auch der von Carsten Schultze behauptete Vorfall, wonach ich jemandem auf dem Kopf rumgesprungen sei, zeigt den Belastungseifer von Schultze. Das hat es nie gegeben. [phon.] Es fällt auf, dass Carsten Schultze zugibt, an einer Körperverletzung beteiligt gewesen zu sein und gleichzeitig sagt, dass ich dabei war. [phon.] Das ist genauso bei dem geschilderten Telefonat [phon.] zu Nürnberg: Er gibt zu, Kenntnis von einem Anschlag in Nürnberg erlangt zu haben, und im gleichen Atemzug sagt er, ich hätte ihm von einem Schusswaffeneinsatz erzählt. [phon.] Ich zitiere aus einem Schriftsatz seiner Verteidiger vom 18.12.2012: „Es ist also nicht auszuschließen, dass der Beschuldigte Wohlleben eine entsprechende Bestellung mit Schalldämpfer unmittelbar oder über Dritte dem Zeugen Schultz unterbreitet hat.“ Diese Spekulation spricht dafür, dass es die Verteidiger von Schultze sind, die ihn dahin steuern, die Vorgaben aus der Anklage zu bestätigen und damit gleichzeitig ihren Mandanten zu entlasten.
Zur „Geburtstagszeitung“, die ich zusammen mit Jana [A.] André Kapke geschenkt haben soll: Ich schließe aus, dass ich Texte beigesteuert habe. Lediglich Fotos kommen mir bekannt vor und dürften von mir stammen.
Abschließend möchte ich zu verschiedenen Personen Angaben machen:
David [Fe.]: Kannte ich schon Mitte der 1990er Jahre von Dorfdiskos. Ist inzwischen mein Schwager und mir dadurch bekannt. Seinen ehemaligen Gasthof in Lichtenhain/Bergbahn habe ich mehrfach besucht. Dabei gab es auch Fahrten ins angrenzende Oberweißbach. Dort habe ich aber keine weiteren Personen, auch nicht Michèle Kiesewetter, kennengelernt.
Claus Nordbruch: Kenne ich von Schulungsveranstaltungen, kein näherer Kontakt.
Enrico [Ri.]: Kannte ich vor dem Verfahren nicht, evtl. gab es Berichte von Uwe Mundlos über ihn.
Thomas Starke: War mir namentlich schon vor dem Verfahren bekannt, auch ein persönliches Aufeinandertreffen kann ich nicht ausschließen. Dass er mit Beate Zschäpe liiert war, war mir neu.
Frank Liebau: Kenne ich durch seinen Laden, das „Madley“. Es war aber keine freundschaftliche Beziehung. Das „Madley“ verdiente mit der Szene Geld, aber es ging kein Geld in die Szene zurück. Ich habe nur ganz selten dort eingekauft.
Andreas Schultz: Kenne ich auch nur aus dem „Madley“. Kein freundschaftliches Verhältnis.
Frank Schwerdt: Kenne ich seit Ende der 1990er Jahre. Er war mein Landesvorsitzender bei der
Thüringer NPD und stellvertretender Kreisvorsitzender im NPD-Kreisverband Jena. Sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis.
Jürgen Länger: Kannte ich seit der Schulzeit vom Sehen. Ein Freund von ihm wohnte direkt an der POS. Er fiel durch seine Körpergröße auf. Seinen Namen hielt ich die ganze Zeit für einen Spitznamen. Wir haben uns nie persönlich gekannt. Nur einmal, 2009, fragte er mich, wo die Demonstration zum Arbeiterkampftag am 1. Mai stattfindet.
Enrico Theile: Kannte ich auch nur vom Sehen. Obwohl er an der „POS Rosa Luxemburg“ war und in der Nähe wohnte, keinerlei Kontakt.
Torsten Schau: Kannte ich bis zu diesem Verfahren nicht. Es kann sein, dass Uwe Mundlos mir von ihm erzählte, aber ich habe keine konkrete Erinnerung .
Nachfolgende Personen kannte ich bis zum Verfahren nicht: André Eminger, Susann Eminger, Maik Eminger, Matthias Dienelt, Max Florian [Bu.], Fiedlers, Jan Werner, Mandy Struck, Kay [Ri.], Jörg [Ri.], Pierre [Ja.], Andreas Graupner, Antje Probst, Jörg Winter, Thomas Rothe, Enrico [Pö.], Hermann [Schn.], Hendrik Lasch, Hartmut [Tsch.], Carsten Szczepanski, Siegfried [Sch.], Michael Probst, Mirko Hesse, Ralf Marschner, Ralph Hofmann, Hans-Ulrich [Mü.].
Wie alle anderen habe auch ich vom Thema NSU erst im November 2011 aus den Medien erfahren. Unerklärlich ist mir, dass der Staat trotz beinahe lückenloser Überwachung und Durchsetzung mit Spitzeln nicht in der Lage gewesen sein soll, die Drei aufzuspüren. Ich bin nicht schuldig im Sinne der Anklage. Ich bin entsetzt darüber, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos derart kaltblütig Menschen getötet haben sollen. Es war mir unvorstellbar, dass sie zu solchen Taten im Stande waren. Ich habe bis heute keine Erklärung, warum sie es getan haben. Ich kann es kaum glauben und habe kein Verständnis dafür. Ich war mit ihnen über Jahre befreundet, nur deshalb habe ich sie bei ihrer Flucht unterstützt. [phon.] Ich hätte es besser nicht getan. Hätte ich damals geahnt, dass sie einmal Menschen töten würden, hätte ich ihnen nicht geholfen. Ich bedauere jede Gewalttat, durch die Menschen getötet oder verletzt werden. Den Angehörigen der Opfer gilt mein Mitgefühl. Es folgt eine Pause bis 14:36 Uhr.
Götzl: „Mit der Befragung können wir natürlich heute noch nicht fortsetzen, Herr Wohlleben. Was für heute aber noch aussteht, das wäre die Stellungnahme zu dem Entbindungsantrag.“
Dann verliest Zschäpe-Verteidiger RA Heer eine Erklärung zum Entpflichtungsantrag Zschäpes gegen ihre Verteidiger_innen Heer, Stahl und Sturm. Selbstverständlich trete man der Aufhebung der Bestellungen jeweils nicht entgegen. Angesichts des Verhaltens von RA Grasel seien aber einige korrigierende Anmerkungen angebracht. Man gebe keinem Mandanten eine „Anweisung“ sich zu erklären oder sich schweigend zu verteidigen, sondern man gebe lediglich Empfehlungen: „Wir haben Frau Zschäpe weder eine Verteidigungsstrategie auferlegt, noch eine Aussage blockiert.“ Richtig sei, dass man sie fortlaufend beraten und Einschätzungen dargelegt habe: „Weder haben wir uns einer Diskussion noch der Fortführung ihrer Verteidigung im Falle einer Aussage verschlossen.“ Es könne bei Uneinigkeit mit dem Mandanten im Interesse des Mandanten geboten sein, das Mandatsverhältnis zu beenden: „Die von Rechtsanwalt Grasel hierauf gestützte Konsequenz des Verlustes anwaltlichen Beistands bestand von unserer Seite aus zu keinem Zeitpunkt.“ Den Vorwurf einer Pflichtverletzung weise man zurück. Dies gelte auch für die wahrheitswidrige Darstellung der Ablehnung einer Kommunikation mit Zschäpe.
Im Folgenden verliest Heer, wann und wie Sturm, Stahl, Heer Grasel bei mehreren Anlässen ihre Kooperationsbereitschaft zugesichert hätten. Man habe ihm etwa mitgeteilt, dass man sich einer Besprechung aller Verteidiger mit der Mandantin nicht verschließe, ferner sei Grasel gebeten worden, die Strategie mit ihnen abzustimmen und sie auf dem Laufenden zu halten. Es sei Grasel angeboten worden, ihn in einer Art Aktenvortrag umfassend über die Beweisaufnahme zu informieren. Darauf sei Grasel nicht zurückgekommen. Man habe Grasel Anregungen gegeben hinsichtlich der Einarbeitung. Es sei ihm angeboten worden, dass er sich nach Besuch bei Zschäpe gerne auch am Sonntag melden könne. Eine Rückäußerung sei nicht erfolgt. Es sei ihm auch mitgeteilt worden, dass auch nach dem Antrag auf Aufhebung ihrer Bestellungen die Bereitschaft unverändert fortbestehe. Am 25.11. sei mit Grasel ein Gespräch über die Konsequenzen einer Änderung der Verteidigungsstrategie geführt worden. Am 07.12. habe man Grasel mitgeteilt, dass man für eine Besprechung zur Verfügung stehe. Am 08.12. habe es eine Besprechung mit RA Borchert gegeben, an deren Ende dieser geäußert habe, er habe das Gespräch als „sehr angenehm“ empfunden.
Dann sagt Heer, dass sich Grasel für eine sachgemäße Einarbeitung in der verhandlungsfreien Zeit mit Sturm, Stahl, Heer hätte ins Benehmen setzen können. Dann hätten sich, so Heer, sinnvollere Möglichkeiten ergeben, sich über die Hauptverhandlung zu informieren, als über die Mitschriften von Sturm, Stahl, Heer, die nur zum eigenen Gebrauch bestimmt und für Dritte nicht durchgängig verständlich seien. Da Rechtsanwälte nicht gehalten seien, solche Unterlagen an Mandanten herauszugeben, bestehe kein Anlass sie an Grasel zu geben. Dieser habe außerdem selbst am 15.07.2015 geäußert, dass er, sofern sie ihm zur Verfügung stehen würden, wahrscheinlich auch nichts damit anfangen könne. Grasel selbst habe Sturm, Stahl, Heer eine Liste mit den aus seiner Sicht erheblichen Zeugen zukommen lassen. Dann sagt Heer, dass auch Zschäpe selbst wiederholt Gespräche angeboten worden seien und nennt die Daten. Man habe auch geäußert, dass man sich einer evtl. Änderung der Verteidigungsstrategie nicht verschließe. Heer: „Von einem unkooperativen und unkollegialen Verhalten unsererseits und einem Boykott von Rechtsanwalt Grasel kann keine Rede sein. Der bereits zurückgewiesene Vorwurf eines bewusst schädigenden Verhaltens ist so absurd, dass er keines weiteren Kommentars bedarf. Solange unsere Bestellungen Bestand haben, kommen wir unseren Berufspflichten nach, Frau Zschäpe zu verteidigen. Dass dies nicht hinreichend effektiv möglich ist, haben wir bereits verdeutlicht.“ Götzl: „Das ist eine Erklärung für Sie alle drei?“ Sturm, Stahl und Heer bestätigen das.
NK-Vertreter RA Hoffmann: „Ich würde darum bitten, dass das Gericht heute schon eine Frage an Herrn Wohlleben stellt, denn es gibt eine Festplatte im Computer von Herrn Wohlleben, die vollständig verschlüsselt ist und wenn er bereit ist, das Passwort herauszugeben, könnte das aufbereitet werden.“ Ralf Wohlleben: „Also, ich halte das nicht für sinnvoll, aus dem ganz einfachen Grund, weil die Daten auf der Festplatte, die ich für die Beiträge hier ausgewählt habe, die sollte auch verschlüsselt sein, aber die war es nicht. Die Daten der verschlüsselten Festplatte dürften mit der identisch sein, weil ich da, als ich die verschlüsselt habe, das System neu aufgesetzt hatte.“ Götzl sagt, man werde dann morgen zunächst die geladenen Zeugen hören und dann mit der Befragung von Wohlleben beginnen. Wohlleben: „Ich hatte das mit den Verteidigern so vereinbart, das wir maximal die Sachen mit den persönlichen Verhältnissen machen und dann im neuen Jahr die sonstigen Sachen.“ Götzl: „Okay, dann morgen persönliche Verhältnisse und Sonstiges im neuen Jahr.“ Der Verhandlungstag endet um 14:52 Uhr
Das Blog „nsu-nebenklage„: „Wohlleben bestreitet die ihm von der Anklage vorgeworfenen Taten. Er habe zwar seinen Freunden beim Untertauchen geholfen, es aber niemals für möglich gehalten, dass diese solche Straftaten begehen. Er habe auch einen Tip gegeben, wo Carsten Schultze nach einer Waffe fragen könnte, er sei aber davon ausgegangen, dass Uwe Böhnhardt diese Waffe nur haben wollte, um sich im Falle einer Festnahme selbst zu töten. Im Gegenteil habe er sich in seiner politischen Arbeit, aber auch privat immer gegen die Anwendung von Gewalt, insbesondere gegen fremdenfeindliche Gewalt ausgesprochen. Er greift damit die bereits von André Kapke vorgetragene Charakterisierung seiner Person als ‚Friedenstaube‘ auf. Wohlleben inszeniert sich als Opfer. Als Opfer der Wende, die nicht die von ihm gewünschte nationalistische Ausrichtung brachte, sondern Globalisierung, Migration und Kapitalismus. Als Opfer der Polizei, die willkürlich gegen ‚Nationalisten‘ vorgegangen sei. Als Opfer der Antifa, die ihn und seine Kameraden immer wieder angegriffen habe. Als Opfer der Mitangeklagten Gerlach und Schultze, die nicht nur sich selbst, sondern auch ihn belasten. Spannend ist, dass Wohlleben angab, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt mehrfach in Chemnitz und einmal, nach der Enttarnung Tino Brandts als V-Mann (Mai 2001), in Zwickau getroffen zu haben. Bei einem Treffen in Chemnitz sei ein ihm unbekannter ‚Glatzkopf‘ dabei gewesen, der Details der Flucht gekannt habe, am Telefon habe ein ihm unbekannter Mann Anweisungen erteilt. Mit diesen Angaben bestätigt er seine wichtige Funktion für die drei, auch bei der Frage, ob diese durch Brandt gefährdet seien. Bemerkenswert an der Erklärung Wohllebens ist, dass sie ähnlich der Erklärung Zschäpes stark auf den angeblichen Selbstmordplan Böhnhardts aufbaut. Wo Zschäpe allerdings abstruse Erklärungen für bestimmte Behauptungen gesucht hat, beschränkt sich Wohlleben auf das bloße Leugnen. Wo Zschäpe ihre politische Einstellung zu verbergen versucht hat, nutzt Wohlleben den Auftritt im Gerichtssaal für politische Propaganda, verliest ausführlich aus dem Aufruf zum von ihm mit veranstalteten ‚Fest der Völker‘, spielt ein Neonazi-Propaganda-Video ab, das Theorien des ‚Ethnopluralismus‘ darstellt. […] Die Wohlleben stark belastenden Aussagen der Angeklagten Schultze und Gerlach, die zu einem frühen Zeitpunkt bereits gegenüber der Polizei gemacht worden sind und später vor Gericht wiederholt wurden, werden sich mit bloßem Leugnen nicht widerlegen lassen, zumal eine Einlassung zu einem so späten Zeitpunkt, die auf die bereits durchgeführte Beweisaufnahme zugeschnitten ist, ohnehin nur geringen Beweiswert hat. Im Übrigen zeigte sich schon bei der allerersten Frage an Wohlleben, dass er seine Ankündigung, er wolle alle Fragen beantworten, nicht durchhalten wird: gefragt nach dem Passwort einer verschlüsselten Festplatte, weigerte er sich, dieses herauszugeben, behauptete, die Daten seien identisch mit denen auf der nicht verschlüsselten Platte. Eine wenig plausible Erklärung – wenn die Dateien mit den schon bekannten identisch wären, wäre es ja kein Problem, das Passwort herauszugeben.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/12/16/16-12-2015