An diesem Verhandlungstag wird zunächst auf einen Ablehnungsantrag der Angeklagten Zschäpe gegen den vorsitzenden Richter eingegangen, der am vorangegangenen Wochenende beim Gericht per Fax eingegangen war. Dieser wird zurückgestellt. Danach werden Erkenntnisse einiger Ämter für Verfassungsschutz u.a. zu den Angeklagten Carsten Schultze und Holger Gerlach verlesen. Danach stellt Richter Götzl weitere Fragen an die Angeklagte Zschäpe.
Der Prozesstag beginnt um 09:49 Uhr. Zschäpe-Verteidiger RA Borchert ist heute anwesend. Nach der Präsenzfestellung sagt Götzl: „Es wird festgestellt, dass mit Fax vom 30.01.2016 ein Ablehnungsgesuch der Angeklagten Zschäpe gegen den Vorsitzenden Richter beim Gericht eingegangen ist.“ Götzl sagt, es ergehe die Verfügung, dass die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der Angeklagten Zschäpe vom 30.01. vorläufig zurückgestellt werde. Wohlleben-Verteidiger RA Klemke sagt: „Der Herr Wohlleben schließt sich dem Ablehnungsgesuch an.“ Götzl: „Sollen dann zum Ablehnungsgesuch des Herrn Wohlleben Erklärungen erfolgen?“ Dies ist nicht der Fall. Götzl: „Dann wird die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Angeklagten Wohlleben von heute, 02.02., vorläufig zurückgestellt. Für heute sind vorgesehen Verlesungen, und zwar geht es um Verlesungen von Erkenntnismitteilungen, die Verfahrensbeteiligten hatten bereits Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.“
Es werden nun Erkenntnismitteilungen verschiedener Ämter für Verfassungsschutz zu einigen Angeklagten verlesen. Richter Lang verliest als erstes eine Erkenntnismitteilung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz vom 15.11.2011. Es gehe um Erkenntnisse des TLfV über Holger Gerlach. Laut einem Hinweis vom 26.05.1999 an das TLfV habe der zu dem Zeitpunkt in Hannover wohnende Gerlach am 15.05.1999 in der Wohnung des Wohlleben eine Party gefeiert. Dabei sei es zu einem vertraulichen Gespräch zwischen Wohlleben und Gerlach über die drei Flüchtigen gekommen. Wohlleben habe Gerlach gebeten, Kontakt mit Thorsten Heise aufzunehmen, um an dessen Auslandskontakte zu kommen. Gerlach habe zugesichert, ein Gespräch mit Heise zu führen.
Es folgt ein Bericht vom 01.02.2000 an das TLfV über eine NPD-Schulungs-Veranstaltung am 29.01.2000 in der Jugendherberge Eisenberg Thüringen. Am Rande habe Wohlleben erwähnt, dass allein Carsten Schultze Telefonkontakt zu den dreien halte, aber nur noch im Notfall, weil Schultze durch unbedachte Äußerungen Dritten gegenüber insbesondere ihn, Gerlach und Heise gefährde, weil die drei weggebracht werden sollten. Vom 10.04.2001 notierte das TLfV, Wohlleben habe in einem Gespräch angemerkt, dass der Kontakt zu den Eltern Böhnhardt momentan gestört sei, weil Holger Gerlach ihnen gegenüber geäußert habe, dass sich die drei eher erschießen als stellen würden.
Götzl: „Dann Erkenntnisse 29.11.2015 aus dem TLfV.“ Richter Lang verliest die Erkenntnisse. Es geht um Erkenntnisse des TLfV zur Person Holger Gerlach. Am Volkstrauertag 1996 seien Gerlach, Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe festgenommen worden, um Straftaten zu verhindern. Im PKW von Böhnhardt seien Sturmhauben, ein Schlagstock, eine Gaspistole, eine Reizgaspatrone, Messer, ein Schulterholster für Pistolen, Luftdruckpistolen, Magazine, Schreckschusspistole u. a. gefunden worden. Am 28.01.1997 habe es eine Durchsuchung der SOKO REX u. a. bei Gerlach, Jena und Berufsbildungswerk Seligenstädt, bei Kapke, Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe wegen Drohung mit Gewalttaten gegeben. Bei Kapke sei eine Pistole mit Magazin, bei Gerlach Gauwinkel und ein Buch ‚Meine Ehre heißt Treue‘ sichergestellt worden.
Götzl sagt, es komme nun zur Verlesung die Erkenntniszusammenstellung des TLfV vom 21.11.2011. Richterin Odersky verliest die Erkenntnisse des TLfV über Carsten Schultze. Die Rolle der Person Carsten Schultze bei der Flucht des Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sei wie folgt zu bewerten: „Für 1999/2000 liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Wohlleben den Carsten Schultze als zeitweise Kontaktperson, Kontaktmittler eng in den Vorgang eingebunden hat. Das wird deutlich an Hinweisen, der Carsten Schultze habe zeitweise als Einziger den Kontakt gehalten, durch das Eindringen in die Wohnung Zschäpe sowie durch konspiratives Verhalten.“ Am 13.03.1999 in Mitterskirchen (Bayern): Der Jenaer Kamerad Carsten Schultze habe den Hinweisgeber aufgefordert, sein Handy auszuschalten. Er habe dann mitgeteilt, dass nicht mehr Ralf Wohlleben, sondern er den telefonischen Kontakt zu den drei halte. Mit Wohlleben sei folgende Verbindungsaufnahme abgesprochen worden: Über sein Handy erhalte er von Wohlleben eine Nachricht und ginge dann anschließend zum Telefonieren.
Am 08.05.1999 sei es zu einem Gespräch Wohlleben und Carsten Schultze gekommen. Dabei habe Wohlleben erklärt, keinen Kontakt mehr zu den dreien zu haben, er habe Kameraden in Sachsen aufgefordert, das zu überprüfen. Carsten Schultze habe erwähnt, dass er Anfang März 1999 in die Wohnung der Beate Zschäpe eingestiegen sei und Sven Kl. dabei Schmiere gestanden habe. Carsten Schultze habe noch Sachen holen wollen, sie seien aber gestört worden. Bei der Party des Holger Gerlach am 15.05.1999 in der Wohnung von Ralf Wohlleben habe dieser vertrauliches Gespräch mit Holger Gerlach und Carsten Schultze geführt. Ralf Wohlleben habe mitgeteilt, dass der Kontakt zu den dreien hergestellt sei und sich Thorsten Heise bereit erklärt habe, Unterstützung für einen Auslandsaufenthalt zu leisten. Spendengelder seien nach Sachsen überwiesen worden. Carsten Schultze mache die Sache korrekt.
Laut einer Meldung vom 21.01.1999 soll Carsten Schultze bei Rückfahrt aus Neuburg Donau gefragt haben, was der Hinweisgeber zu Kontakt zu Manfred Roeder sage könne. Der Hinweisgeber habe gesagt, dass er nicht die Zuverlässigkeit einschätzen könne. Carsten Schultze habe gesagt, man benötige unbedingt einen neuen Aufenthaltsort, die Angelegenheit mit Heise ziehe sich hin, nach Meinung des Hinweisgebers sei der Kontakt zu den dreien damals allein von Carsten Schultze gehalten worden. Bei einer Schulungsveranstaltung habe Ralf Wohlleben erwähnt, dass allein Carsten Schultze Kontakt zu den dreien halte, dies jedoch nur im Notfall. Die drei sollten in nächster Zeit weggebracht werden.
Bei einem Rennicke Konzert am 26.04.2000 in Neustadt Bayern habe Carsten Schultze den Hinweisgeber aufgefordert, das Handy auszuschalten und ihn dann gefragt, ob er bereit sei, ein Handy zu einer Familie der Untergetauchten zu bringen, weil Kontakt gewünscht sei. Der Hinweisgeber habe sich grundsätzlich bereit erklärt, sagte aber, dass ihm ein kurzfristiges Überbringen wegen des Arbeitsorts auswärts nicht möglich sei. Die Quelle solle das Handy an einen Elternteil übergeben und nach Gesprächsbeendigung sofort übernehmen. Die Mutter des Uwe Mundlos hatte am 19.05.2000 ihren 50. Geburtstag. Carsten Schultze habe sich in der Szene kürzlich überraschend geäußert, sich in der Szene zurückzuziehen und zu seiner Schwester umzuziehen, weg aus Jena. Richterin Odersky verliest den abschließenden Bearbeitervermerk: Zu großen Teilen seien diese Erkenntnisse aus Mitteilungen des V-Manns 2045, Tino Brandt.
Götzl: „Frau Zschäpe, anknüpfend an die Stellungnahme würden sich noch ergänzende Fragen ergeben. Gilt das, dass Sie sich dazu äußern werden?“ RA Grasel: „Das werden wir im selben modus operandi tun wie beim letzten Mal.“ Götzl: „Dann stelle ich Ihnen Fragen, es geht um die schriftliche Stellungnahme vom 21.01.2016.“
Zu Seite 2 und Ihrem Alkoholkonsum. Was meinen Sie mit den Begriffen betrunken, was mit angetrunken?
Zu Seite 4: Da wüsste ich gern, wie waren die Situationen, als Uwe Böhnhardt Ihnen gegenüber handgreiflich geworden ist. Wann war das?
Dann zu Seite 8: Thema Inhaftierung Uwe Böhnhardt, welche näheren Informationen haben Sie zu der massiven körperlichen Gewalt und dem sexuellen Missbrauch, die Uwe Böhnhardt nach Ihren Ausführungen während seiner Inhaftierung erlebt hat.
Seite 17: Zum Abend des 03. November 2011. Was bedeutet „ziemlich viel Sekt“ konkret? Was meinen Sie mit „betrunken gefühlt“, wann haben Sie zu Trinken begonnen, wann aufgehört?
Zu Seite 17, zum Vormittag des 04. November 2011: Von wann bis wann haben Sie am 04.11.2011 getrunken? Zeigte der genossene Sekt Wirkungen auf Sie? Ggf. welche?
Zu Seite 18: An welchen Umständen machen Sie fest, dass Gerlach nicht spielte, weil er Spaß am Spiel hatte sondern weil er einfach spielen musste?
Zu Seite 21: Besuch Kapkes in der Limbacher Straße. Wie kam es zu diesem Besuch? Erfolgte der Besuch zu einem bestimmten Zweck? Wie waren die Umstände des Besuches?
Noch einmal zurück zu Seite 19 und 20: Wie haben Sie André Eminger kennengelernt? Welche Information hatte André Eminger zu Ihrer, Uwe Böhnhardts und Uwe Mundlos‘ Flucht sowie den Gründen für die Flucht? Welche Kenntnis hatte André Eminger von Ihren Lebensumständen und denen Uwe Böhnhardts und Uwe Mundlos‘? Hatte André Eminger Kenntnis von den Raubüberfällen und Tötungsdelikten? Haben Sie André Eminger von den Ereignissen am 04.11.2011 berichtet und ggf. was? Und an welchem Ort hat Sie André Eminger abgeholt?
Zu Seite 22: Zu Susann Eminger: Welche Kenntnis hatte Susann Eminger von Ihren Lebensumständen und denen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos? Hatte Susann Eminger Kenntnis von den Raubüberfällen und Tötungsdelikten? Hatten Sie am 04.11.2011 Kontakt zu Susann Eminger?
Zu Seite 23: Stichwort Waffe Gerlach: Da wär die Frage, haben Sie aus den Erzählungen der beiden nähere Umstände hinsichtlich des Besorgens, der Lieferung und des Verwendungszwecks der Waffe erfahren? Was wissen Sie über die zeitliche Einordnung des Vorgangs?
Zu Seite 23 Stichwort Waffe Jan Werner: Wann haben Sie von Uwe Böhnhardt erfahren, dass eine weitere Pistole über Jan Werner geliefert worden sei? Haben Sie näheres von ihm über die Umstände der Lieferung der Pistole erfahren?
Zurück auf Seite 9: bei welcher Gelegenheit und wann hatte Ihnen Carsten Schultze die Vollmacht des Rechtsanwalts gegeben?
Götzl: „Es hätten sich dann noch weitere Fragen zu der Einlassung am 09.12.15 ergeben. Da geht’s mir um Seite 34:“
Frau Zschäpe, mich würde interessieren, haben Ihnen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mitgeteilt, welchen Zweck sie mit der Versendung der DVDs verfolgten?
Zu Seite 47 ergänzende Frage: Aufgrund welcher Umstände vermuteten Sie, dass auch die Morde Gegenstand des Films sein könnten?
Auch zu Seite 47: Was ist mit der Formulierung gemeint: „Sie verdrängten jedoch diesen Gedanken“, am Ende des ersten Absatzes?
Nochmal zu Seite 34: Wurde zwischen Ihnen, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos besprochen, wie es mit Ihnen, Frau Zschäpe, weitergehen sollte, falls Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos Suizid begehen würden oder erschossen werden sollten? In dem Zusammenhang auch die Frage: Haben Sie im Hinblick auf den Eintritt einer solchen Situation für Ihre Person Überlegungen angestellt und ggf. welche?
Zu Seite 40: Haben Sie, Frau Zschäpe, vor oder anlässlich der Brandlegung Überlegungen angestellt, wie Sie im Anschluss daran weiter vorgehen werden und ggf. welche?
Zu Seite 16: Stichwort Auswanderung: Wurde der Gedanke an eine Auswanderung ins Ausland zu irgendeinem Zeitpunkt aufgegeben und ggf. wann und aus welchen Gründen?
Zu S. 14: „Ende des Jahres 1998 lebten wir bereits seit fast einem Jahr in der ständigen Angst entdeckt zu werden. Außerdem war unser Geld aufgebraucht.“ Ende des Jahres 1998 sei Ihr Geld aufgebraucht gewesen. Über wie viel Geld hatten Sie verfügen können? Woher hatten Sie welche Beträge? Hatten Sie von André Kapke Geld bekommen, ggf. wie? Hatten Sie von Carsten Schultze Geld bekommen, ggf. wie?
Und schließlich hab ich noch die Frage: Von wem wurden welche Räume, und auf welche Art und Weise, in der Wohnung Frühlingsstraße genutzt? Der Prozesstag endet 11:57 Uhr.
Kommentar des Blog NSU-Nebenklage, hier.
Hier geht es zur vollständigen Version des Protokolls.