Kurz-Protokoll 261. Verhandlungstag – 17. Februar 2016

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Am heutigen Verhandlungstag geht es zunächst um den Überfall auf die Sparkasse in Zwickau, bei dem ein Mitarbeiter angeschossen wurde. Danach lehnt das Gericht einige Beweisanträge ab, u.a. die Deckblattmeldungen bzgl. Michael See alias V-Mann Tarif beizuziehen.

 

Zeug_innen:

  • N. R. (Überfall auf die Sparkasse Kosmonautenstraße Zwickau, 05.10.2006)
  • Dr. Matthias W. (Überfall auf die Sparkasse Kosmonautenstraße Zwickau, 05.10.2006)
  • Danielle G. (Überfall auf die Sparkasse Kosmonautenstraße Zwickau, 05.10.2006)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Erster Zeuge ist N. R. Götzl sagt, es gehe um einen Überfall auf eine Sparkassenfiliale in Zwickau, gelegen in der Kosmonautenstraße 2, am 05.10.2006: „Was hat sich denn damals zugetragen? Ich würde Sie bitten zu schildern, was Sie erlebt haben, wie Sie es in Erinnerung haben.“ R.: „Am 05.10.2006 kurz vor Mittag, späten Vormittag, hat ein maskierter Mann die Sparkasse betreten mit gezogener Pistole und hat Geld gefordert. Er ist handgreiflich geworden im Laufe des Überfalls. Er wollte in den Tresorraum, hat mit dem Ventilator zugeschlagen, einer Kollegin auf den Kopf. Nachdem einige meiner Kolleginnen die Flucht Richtung Pausenraum ergriffen haben, ist der Täter hinterher. Dort hinten gab es ein Handgerangel mit einem Sparkassenkunden [phon.], wo schon der erste Schuss fiel, der wohl in den Boden ging. Als der Täter wieder zurück kam Richtung Bankschalter war nur noch die Kollegin und ich vor Ort. Er kam auf mich zugelaufen und hat gesagt: ‚Wenn der Chef in drei Sekunden nicht da ist, knall‘ ich dich ab.‘ Er hat gesehen, dass die Kollegin noch da ist und hat sich umgedreht. Als er mir den Rücken zugewandt hat, habe ich versucht ihm die Waffe wegzunehmen, da hat er blindlings nach hinten geschossen, ziellos, mit den Worten: ‚Bist du verrückt?‘ Und hat dann die Filiale verlassen.“
Götzl: „Was ist mit Ihnen geschehen?“ R.: „Ich dachte erst, dass das eine Schreckschusspistole war, ich habe das nicht wahrgenommen zuerst. Aber als ich mir an den Bauch gegriffen habe, hatte ich Blut an den Händen. Und dann habe ich mir an den Rücken gegriffen und gemerkt, dass was durchgegangen ist. [phon.] Dann kam jemand von draußen rein, der glücklicherweise Arzt war. Stabile Seitenlage und schnell war medizinische Hilfe da und die haben mich dann mitgenommen. Und dann kann ich mich an nicht mehr viel erinnern.“

Es folgt die Einvernahme des Zeugen Dr. Matthias W. Götzl: „Es geht um Ereignisse 05.10.2006, Überfall Sparkassenfiliale Zwickau, Kosmonautenstraße 2, was haben Sie dazu noch in Erinnerung?“ W.: „Ich war in der Schaltervorhalle und habe Kontoauszüge geholt und stand etwas schräg zur Eingangstür. Aufgefallen ist mir, dass ein junger Mann dabei und eine übergezogen Kapuze getragen hat und relativ schnell reingegangen ist. [phon.] Ich habe die Sparkasse verlassen und stand am Auto, da fiel ein Schuss. Ein Rentner kam raus und rief: Banküberfall. Der junge Täter kam raus und richtete 3 Sekunden [phon.] die Pistole auf mich. Ich bin reingegangen und habe den Verletzten versorgt: Infusion, Schmerztherapie, was man halt so macht und habe auf den Notarzt gewartet.“ Götzl: „In welcher Verfassung war der Verletzte?“ W.: „Der hat einen Bauchschuss gehabt.“ Götzl: „War er ansprechbar?“ W.: „Ja.“ Götzl: „Was haben Sie gemacht bei der Erstversorgung?“ W.: „Er hat eine Infusion bekommen und Schmerzmittel.“ Götzl: „Haben Sie die Waffe gesehen?“ W.: „Ja.“ Götzl: „Können Sie die beschreiben?“ W.: „Auf die Waffe habe ich mich nicht konzentriert.“

Es folgt die Vernehmung der Zeugin Danielle G. zum Sparkassen-Überfall am 05.10.2006. Sie berichtet: „Es war in der Mittagszeit. Ich arbeite normalerweise auf der anderen Seite des Schalters und hatte etwas rüberzubringen zum Schalter. Ich bin hinter den Schaltertresen und in dem Moment kam der Täter reingerannt und stürmte zu uns an den Schalter. Dort hielten sich viele Kollegen auf. Er wirkte sehr aufgeregt und sprang. Er hatte eine Maske auf und eine Pistole. Ich bin erstarrt in dem Moment, stehengeblieben. Er hat gebrüllt und einen Ventilator vom Serviceplatz genommen und auf die Kollegin geschlagen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie der Ablauf in den Tresor hinein war. Er kam wieder rausgerannt und hat an meine Stirn die Pistole gehalten. Ich hatte das Gefühl, dass er sehr groß ist, und er wirkte brutal und aufgeregt. Er sprang und ich habe gesagt: ‚Ist ja gut, ist ja gut.‘ Die anderen Kollegen sind weggerannt Richtung Küche und er ist ihnen hinterher gerannt. Ich bin vor [phon.] den Schaltertresen, aber da kam er schon wieder zurückgerannt. Ich habe von hinten auch einen Schuss gehört. Ich kann mich nur erinnern, dass der Lehrling und ich noch da gestanden haben. Und dann hat der Täter die Pistole an den Bauch gehalten und geschossen. [phon.]
Der Lehrling ist zusammengebrochen und der Täter rausgerannt. [phon.] Ich hatte das Gefühl, das alles sehr brutal ablief und sehr schnell und hektisch und laut. Ich bin zum N. [R.] gegangen und habe ihn gestreichelt und immer gesagt: ‚Halte durch.‘ In dem Moment kam der Dr. W. rein, hat ihn hochgenommen und dann haben wir durch das Hemd hindurch den Durchschuss gesehen. Ich weiß noch, dass der N. die Arme [phon.] hochgemacht hat vorher.“
Götzl: „Wie waren für Sie die Folgen dieses Überfalls?“ G.: „Wir hatten den nächsten Tag frei und haben uns anonym getroffen. Es war eine ganz schwere Zeit. Aber wir müssen im Dienst uns immer beherrschen und versuchen die Arbeit weiterzumachen. Aber es hat sehr lange gedauert, das zu verarbeiten. Ich habe nach 5 Jahren die Unterlagen alle weggeschmissen, weil ich da drunter einen Schlussstrich ziehen wollte.“ Götzl: „Befanden Sie sich in Behandlung?“ [Vermutlich weint die Zeugin.] G.: „Wir hatten ein Gespräch beim Psychologen, gleich nach dem Überfall. Wir haben auch alle wieder gearbeitet, keiner ist krank gewesen, weil wir über das Reden gegenseitig das Thema verarbeitet haben. Wir haben uns jeden Tag in die Küche gesetzt und miteinander geredet und das war für uns eine gute Hilfe, das zu verarbeiten. Wenn man in so einem Beruf ist wie wir, hat man jeden Tag mit vielen Kunden zu tun und wir wurden immer wieder auf dieses Thema hingewiesen, auch Jahre später.“

Danach verliest NK-Vertreter RA Hoffmann eine Erklärung zur Aussage des Zeugen Mario Brehme (zuletzt 259. Verhandlungstag): „Mario Brehme, zur Zeit seines Engagements im Thüringer Heimatschutz Jurastudent, heute Pharmareferent, hat sich angestrengt bemüht, alle bisher dagewesenen Nazizeugen an Dreistigkeit zu übertreffen. Der Zeuge wurde auf einen Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben geladen, er hat mit seiner Aussage ein klares Ziel verfolgt: Die Angeklagten, vor allem den Angeklagten Wohlleben, zu entlasten, ihn als ‚Nationalpazifisten‘ darzustellen.

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge, Lothar Schu. vom PP Köln zu vernehmen und die Anträge , die Leiterin des VS des Landes NRW zu vernehmen, abgelehnt sind, und dass den Anträgen, die bei der Abteilung Staatsschutz des PP Köln angefertigten Akten bzw. Aktenvermerke zum Komplex Sprengstoffanschlag Probsteigasse beizuziehen, die bei den VS-Dienststellen angefertigten Akten bzw. Aktenvermerke zum Komplex Probsteigasse beizuziehen, die Verwaltungsakte der Waffenrechtsbehörde Köln zu Johann H. beizuziehen, die Ermittlungsakte des Verfahrens gegen Johann H. wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz beizuziehen, nicht nachgekommen wird.

Danach verliest Götzl folgenden Beschluss:
(I). Den Anträgen, 1. die 171 Deckblattmeldungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), die auf Berichte des V-Manns Michael Doleisch von Dolsperg, geb. See, mit dem Decknamen „Tarif“ zurückgehen und 2. die (rekonstruierten) V-Mann- bzw. Beschaffungs- bzw. Werbungsakten des BfV zu den V-Personen mit den Decknamen, „Tinte“, „Treppe“, „Tonfarbe“, „Tusche“, „Tacho“ und „Tobago/Investor“ sowie die V-Mann-Akte des V-Mannes Michael v. Dolsperg, soweit deren Rekonstruktion über die unter 1. genannten Aktenbestandteile hinausgeht, beizuziehen und diesbezüglich Akteneinsicht zu gewähren, wird nicht nachgekommen.
(II). Den Anträgen, den (ehemaligen) Beamten des BfV, der im November 2011 das Stellenzeichen 2 B 2 hatte, und den Tarnnamen Lothar Lingen trägt, zu hören, wird nicht nachgekommen.
(III). Den Anträgen, eine dienstliche Erklärung des Präsidenten des BfV dazu einzuholen, 1. welche Akten, in welchem Umfang unter welcher konkreten Bezeichnung von den unter 1. und 2. genannten V-Personen im Original oder rekonstruiert im BfV vorhanden sind und 2. ob die Rekonstruktion der jeweiligen Akten abgeschlossen ist, und wenn ja, die weitergehende Erklärung einzuholen, dass keine weiteren Bestandteile dieser Akten im BfV vorhanden sind, wird nicht nachgekommen.
Der Verhandlungstag endet um 11:51 Uhr.

Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/02/17/17-02-2016/

Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.