Kurz-Protokoll 264. Verhandlungstag – 24. Februar 2016

0

An diesem Prozesstag geht es zunächst um die Waffen des NSU. Dazu ist ein Sachverständiger geladen, der sowohl die asservierten Waffen als auch Vergleichsmodelle zeigt und erklärt. Danach lehnt Richter Götzl erneut Beweisanträge ab. In diesen ging es u.a. um den Kontakt zwischen dem Angeklagten Holger Gerlach und Thorsten Heise.

Sachverständiger:

  • Eberhard Opitz (BKA, Waffensachverständiger, Erläuterung asservierter Waffen des NSU)

Heute ist Fototermin. Die Angeklagten betreten den Saal um 09:43 Uhr, der Senat um 09:47 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung wird der BKA-Waffensachverständige Eberhard Opitz gehört.
Nach der Belehrung sagt Götzl: „Es geht uns um Erläuterungen zu asservierten Waffen und dabei auch um die Heranziehung und Erläuterung entsprechender Vergleichswaffen.“
Götzl sagt, Opitz solle entsprechend der Liste vorgehen, Vergleichswaffe und asservierte Waffe. Opitz geht wieder nach vorn an den Richtertisch. Im Folgenden legt Opitz immer Vergleichswaffe und Originalasservat auf, meist nacheinander. Er beschreibt dann die Funktionsweisen der einzelnen Waffen. Er fügt auch stets hinzu, inwiefern die Waffen spurenschonend gereinigt und gegebenfalls beschossen wurden. Opitz legt eine Waffe auf und sagt, es handele sich jetzt um das Asservat zu der Pistole Radom Vis 35. Götzl: „Dann Pistole Erma.“ Opitz legt das Vergleichsstück auf: Eine so genannte SRS- oder auch Gasalarmwaffe, eingerichtet für Kaliber 8 mm Knall, Selbstladepistole, gleiche Funktion wie scharfe Waffe, aber ich kann aus der Waffe keine Geschosse verfeuern.“ Opitz legt die nächste Vergleichswaffe auf. Opitz: „Die Pistole des Herstellers Walther, Modell PP, Kaliber 7,65 Browning, Selbstladepistole, Funktion wie beschrieben.“
Nun legt Opitz gleichzeitig Vergleichsstück und Asservat auf, es handelt sich um die Tatwaffe Ceska 83. Opitz: „Ich habe hier zwei modellgleiche Pistolen, Pistole Ceska, Modell 83, im Kaliber 7,65 Browning, beide Waffen mit Schalldämpfer versehen, auch eine halbautomatische Selbstladepistole, wobei die untere das Asservat ist. Deutlich zu sehen, sie ist durch Wärme, gerade im Bereich der Griffschalen stark angegriffen. Hier ist die Griffschale angewölbt, auf der anderen Seite angeschmolzen. [phon.]“ Götzl bittet darum, dass Opitz den Schalldämpfer abschraubt, um sich die Funktion anzuschauen. Opitz: „Der Schalldämpfer ist auf den Lauf geschraubt.“ Aus der NK wird Opitz gebeten, das so zu machen, dass es auch im hinteren Teil des Saals zu sehen ist. Opitz schraubt den Schalldämpfer ab und wieder auf. Opitz: „So montiert und im Gegensatz angeschraubt. Dazu notwendig ist, im Bereich der Mündung muss der Lauf ein gewisses Stück über den Verschluss hinausragen, damit das entsprechende Gewinde aufgebracht werden kann. [phon.]“
Opitz legt eine kleine Waffe auf und sagt: „Hier haben wir eine Pistole des Herstellers Erma EP 552 S, Kaliber 22 Long Rifle. In dem Fall auch wieder halbautomatische Selbstladepistole mit gleicher Funktionsweise wie die anderen auch.“ Dann legt Opitz einen Revolver auf. Opitz: „Das Asservat. Ein Revolver Kora eines tschechischen Herstellers mit der Kaliberangabe 6 mm Flobert. Die Funktion des Revolvers ist Double Action, d. h. ich kann sowohl durch Ziehen des Abzugs einen Schuss auslösen, aber auch den Hahn vorspannen und dann einen Schuss auslösen.“ Opitz legt das nächste Asservat auf und sagt: „Pistole des Herstellers Ceska, Modell 82, Kaliber 9 mm Makarow. Auch wieder Selbstladepistole, halbautomatisch, in etwa baugleich mit Ceska 83, lediglich das Kaliber ist anders.
Zum nächsten Asservat sagt Opitz: „Jetzt kommen wir zu einer russischen Pistole, TOZ Modell TT33. Diese Waffe war sehr angegriffen, hat das Kaliber 7,62 mm Tokarew, auch wie die anderen vorliegenden Pistolen eine Selbstladepistole. Zum nächsten Asservat sagt Opitz: „Hier haben wir vorliegen einen Revolver mit der Modellbezeichnung Chief Special mit Herstellerangabe License Trade Mark Smith & Wesson, höchstwahrscheinlich von Umarex hergestellt. Eine Gasalarmwaffe, SRS-Waffe, Kaliber 9mm Knall. Ist auch dafür eingerichtet. Die Sperren sind noch im Lauf, es ist nicht möglich, Geschosse zu verschießen.“ Dann geht er zur nächste Waffe über und legt Asservat und Vergleichsstück gleichzeitig auf. Es handelt sich um ein kleines Gewehr. Opitz: „Ein Flobert Einzelladegewehr der Firma Rhöner Sportwaffen. Hier noch deutlich Reste von, ich sage mal, Brandschutt zu sehen. Die Waffe ist ein Einzellader, Verschluss öffnen, Patrone einlegen, Verschluss schließen und dann einmal mit schießen. Der Schaft, der mal vorhanden war, wurde in dem Bereich abgeschnitten und offensichtlich auch der Lauf gekürzt, so dass hier im vorderen Bereich auch keine Aufnahme für das Korn mehr vorhanden ist.“
Es folgt die nächste Waffe. Opitz: „Maschinenpistole Ceska. Die Maschinenpistole hat eine klappbare Stütze. Opitz setzt mit dem nächsten Asservat fort. [Es handelt sich um die zweite Tatwaffe, die bei den Morden an Enver Şimşek und Süleyman Taşköprü eingesetzt wurde] Opitz: „Hier haben wir eine Pistole des italienischen Herstellers Bruni, Modellbezeichnung 315 Auto, ursprünglich Kaliber 8mm Knall, also auch eine so genannte SRS-Waffe. Besonderheit: Halbautomatische Pistole, aber, ich zeige es am Vergleichsstück, …“ Opitz nimmt das Vergleichsstück und spricht weiter: „… wenn ich den Abzug bewege, bewegt sich der Hahn nicht. Single-Action-Mechanismus, d. h. vor jedem Schuss, der verfeuert wird, muss der Hahn wieder gespannt werden, sonst kann ich nicht schießen mit der Waffe. Das passiert allerdings beim Schießen automatisch; wenn ich das geladene Magazin in die Waffe einführe, dann ziehe ich den Verschluss zurück, um eine Patrone ins Patronenlager zu bekommen [phon.], und automatisch ist der Hahn gespannt. Und bei jedem automatischen Repetieren ist auch gleich wieder der Hahn gespannt. Besonderheit ist: Der Gaslauf für das Kaliber 8mm Knall wurde, wann auch immer, entfernt und durch einen scharfen Lauf, Kaliber 6,35mm Browning ersetzt.“
Opitz geht zur nächsten Waffe über und legt das Asservat auf: „Hier haben wir eine Flinte, eine so genannte Vorderschaftrepetierflinte [= Pumpgun] im Kaliber 12. Auffällig ist, dass der Lauf, der eigentlich länger ist, wohl gekürzt ist bis auf annähernde Länge des Magazins.
Danach legt Opitz eine weitere Vorderschaftrepetierflinte auf, zunächst das Asservat. Opitz: „Noch eine Vorderschaftrepetierflinte, vom amerikanischen Hersteller Winchester. Auffällig hier auch: Der Lauf ist sehr kurz, in dem Fall vermutlich werkseitig so hergestellt, weil sich hier oben ein Korn befindet. Es ist durchaus üblich, dass in Amerika solche Waffen als Verteidigungsgewehre kurze Läufe haben. [phon.]“
Zum nächsten Asservat sagt Opitz: „Ein Revolver der tschechischen Firma Alfa-Proj, Kaliber 38 Spezial muss das gewesen sein. Double-Action-System.“ Zum nächsten Asservat sagt Opitz: „Eine Maschinenpistole, Modell Pleter 91. Nach unserem Wissen höchstwahrscheinlich in Kroatien im ehemaligen Jugoslawien hergestellt. Kaliber 9 mm Luger. Schießt Dauerfeuer, wobei ich hier keine Möglichkeit habe auf Einzelfeuer umzustellen, sondern einfach nur Maschinenpistole, schießt so lange, wie der Abzug gehalten wird. [phon.] Auffällig hier vorne eine nickelfarbene Schraube und der Lauf liegt frei. Das ist eigentlich bei dieser Maschinenpistole unüblich. Die Schraube dient hier eigentlich dazu, entweder einen Laufmantel oder einen Schalldämpfer an der Waffe zu befestigen.“ Opitz zeigt die Vergleichswaffe und sagt: „Das Vergleichsmodell hat jetzt z. B. einen Schalldämpfer montiert, der über diese Schraube fixiert wird.“
Opitz legt das nächste Asservat auf: „Ein Revolver mit einem PTB-Zeichen, Zeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, was angebracht wird auf so genannten SRS-Waffen, also Gasalarmwaffen.“ Opitz legt die Vergleichswaffe auf: „Das Original ist dieser Revolver hier, im Kaliber 6 mm Flobert Knall. Der ist unbearbeitet. [phon.] Single-Action-Revolver, ich muss jedes Mal vor dem Verfeuern den Hahn von Hand spannen. Dass Asservat selber ist bearbeitet, man sieht hier eine goldfarbene Linie. Der wurde augenscheinlich in eine scharfe Waffe geändert. Bei der goldfarbenen Linie könnte es sich um Messinglot handeln, mit dem die vordere und hintere Hälfte der Trommel zusammengefügt [phon.] wurden.“ Zur nächsten Waffe sagt Opitz: „Das ist die zweite Heckler & Koch-Pistole von dem Modell P 2000.“ Opitz zeigt erneut die Vergleichswaffe für die Waffe P 2000. Opitz legt ein Asservat auf: “ Hier eine Pistole des tschechischen Herstellers Ceska, Modell 70, Kaliber 7,65 Browning. Es handelt sich um eine eigentlich ganz normale Selbstladepistole.“ Opitz legt die Vergleichswaffe auf und sagt: „Das Vergleichsstück wäre dann diese Waffe hier.“

Als nächstes verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge auf Inaugenscheinnahme der „Kriegsberichter“-Videos, hilfsweise auf Vernehmung eines BKA-Mitarbeiters zu dem Video [240. Verhandlungstag] abgelehnt sind.
Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass folgende Anträge abgelehnt sind: Auf Vernehmung der BKA-Vernehmungsbeamten von Tom Turner dazu, dass 1) Turner laut Akte bei seiner Vernehmung am 16.04.2013 in Recklinghausen durch die Zeugen auf die Frage, Wohlleben stehe im Verdacht, dem Trio eine Waffe besorgt zu haben, welche Möglichkeiten habe Wohlleben in dieser Richtung gehabt, geantwortet habe, davon wisse er nichts. Auch als sie über eine militante Organisation gesprochen hätten, sei nicht erwähnt worden, wo man sich Waffen beschaffen könne. 2) Dass der Zeuge beim abschließenden Durchlesen seiner Aussage ohne weitere Angabe darauf bestanden habe, den Satz „Auch als wir über eine militante Organisation gesprochen haben, wurde nicht erwähnt, wo man sich Waffen beschaffen könnte.“ zu streichen. [240 Verhandlungstag]
Als nächstes verkündet Götzl den Beschluss, dass die Beweisanträge zum Kontakt von Holger Gerlach und Thorsten Heise [242. Verhandlungstag] abgelehnt sind.

Danach sagt Götzl: „Wir wären damit für heute am Ende.“ Zuvor stellt jedoch RAin Schneiders noch einen Beweisantrag. Sie beantragt KHK Michael Thur, LKA Berlin, Dezernat
Staatsschutz zu vernehmen zum Beweis der Tatsachen, 1) dass die von Jan Werner benutzten Telekommunikationsmittel im Zeitraum 1998 bis 2001 durch das LKA Berlin, dort
durch die „EG Rechts“, überwacht worden seien, 2) dass sich aus der TKÜ von Werner folgendes ergeben habe: a) Jan Werner habe von Carsten Szczepanski eine scharfe Schusswaffe erwerben wollen und habe deshalb bei Szczepanski mehrfach telefonisch und per SMS nachgefragt; b) Jan Werner habe Erlöse aus B&H-Konzerten für die Beschaffung von scharfen Schusswaffen verwendet, c) Jan Werner habe Kontakt zu den verstorbenen Böhnhardt und Mundlos gehabt, d) Jan Werner habe den Auftrag gehabt, für Böhnhardt und Mundlos scharfe Schusswaffen zu beschaffen.
Der Verhandlungstag endet um 14:20 Uhr.

Hier geht es zum Kommentar des Blog NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/02/24/24-02-2016/

Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.