Am heutigen Prozesstag werden zwei Zeug_innen zu Bank- bzw. Postüberfällen befragt. Außerdem sagt KK‚in Pf. über ihre Recherchen zu der Frage aus, ob Beate Zschäpe vom brennenden Wohnmobil über das Radio erfahren haben kann und wie die Aufnahmen zum Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße entstanden sein könnten. Die Vernehmung der Zeugin zum dem bei Wohlleben gefundenen T-Shirt mit der Aufschrift „Eisenbahnromantik“ scheitert an einem Antrag der Wohlleben-Verteidigung, die Hauptverhandlung für umfassende Akteneinsicht für zwei Monate zu unterbrechen.
Zeug_innen:
- Dirk W. (Bankangestellter Chemnitz, zum Banküberfall am 14.05.2004)
- KK‚in Jeanette Pf. (BKA Meckenheim, Erkenntnisse zu Radioberichten am 04.11.2011 und Aufnahmen von Berichten über den Bombenanschlag auf die Kölner Keupstraße)
- Frank B. (Zeuge des Überfalls auf die Postfiliale in Chemnitz am 05.07.2001)
- KOKin Nadja En. (BKA Wiesbaden, Feststellungen zu T-Shirt „Eisenbahnromantik“, das bei Wohlleben gefunden wurde)
Der Prozess beginnt um 09:46 Uhr. Befragt wird der Zeuge Dirk W., Bankangestellter der Sparkassen-Filiale in Chemnitz. Er wird gebeten, von dem Überfall am 14.05.2004 zu berichten. Der Zeuge gibt an, er sei vorne am Schalter gewesen und habe die beiden Täter zur Tür hereinstürmen sehen, er habe sich geduckt und den Alarm ausgelöst. Seine Kollegin sei am Telefon gewesen und habe den Hörer fallenlassen, eine andere Kollegin habe auch noch vorne gestanden. Alles sei abgelaufen wie im Film. Er habe nur noch schemenartige Situationen im Kopf: Dass die beiden Männer ständig geschrien haben, dass alles brutal war, dass seine Kollegin geschlagen wurde. Die war schwanger. Dass ihm Revolver und Pumpgun an Körper und Schläfe gehalten wurden und ständig gedroht wurde. Den Tätern sei es nicht schnell genug gegangen. Er sei aufgefordert worden, den Tresorschlüssel aus dem Beraterzimmer zu holen. Die seien wirklich ausgerastet, hätten den Bildschirm eingeschlagen. Eine Kollegin sei völlig ausgeflippt, habe nur noch geschrien. Seine Kolleginnen hätten später gesagt, die Täter hätten ständig gesagt, dass sie ihn umbringen, erschießen wollten. Eine Kundin sei noch da gewesen, sie habe sich hinlegen müssen. Nachdem im Tresor nicht genügend Geld gewesen sei, hätten sie vorne alle Fächer öffnen müssen. Er habe erklärt, dass sie unter Zeitverschluss seien, was die Täter nicht glauben wollten. Sie hätten ständig gedroht. Irgendwann hätten sie fluchtartig die Filiale verlassen.
Götzl fragt nach einer Beschreibung der Täter. Beide hätten Basecaps auf gehabt und sich mit Dreieckstüchern vermummt. Einer hätte einen Revolver gehabt, einer eine Pumpgun. Beide seien relativ schlank gewesen und jung, vielleicht Mitte 20. Sie hätten für ihn keinen außergewöhnlichen Dialekt gesprochen. Götzl fragt, was für ihn ein außergewöhnlicher Dialekt sei und der Zeuge antwortet: Wenn das bayerisch gewesen wäre, hätte er das sicher gehört. Deswegen gehe er davon aus, dass es sächsischer Dialekt war. Auf die Frage nach den Folgen des Überfalls, antwortet W., sie seien stundenlang befragt worden, so dass das Emotionale erstmal gar keinen Platz gehabt hätte. Im Nachhinein komme das schon immer mal wieder. Es sei schlimm gewesen. Der Körper habe Selbstschutz gemacht, er habe sich eingeredet, dass das alles Plastikwaffen gewesen seien, er habe das relativ gut verkraftet, aber in den letzten Wochen sei es wieder hochgekommen. Anfang 2012 sei eine E-Mail von der Polizeibehörde gekommen, als aus dem Haus die gestempelten 5 Euro-Scheine Altgeld aus ihrer Filiale gefunden worden seien. Sie seien zur Identifizierung herangezogen worden. Von dem Moment sei ihm klar gewesen, dass es sich um den NSU handelt. Leider sei er bis zur Einladung hier nie offiziell in Kenntnis gesetzt worden.
Götzl will wissen, ob er wieder habe arbeiten können. Der Überfall sei an einem Freitag gewesen, antwortet der Zeuge, gleich am Montag sei er wieder arbeiten gegangen. Im Nachhinein sei er nochmal alles durchgegangen, das Timing, Fluchtweg und alles, das sei hochprofessionell abgelaufen. Die Täter mussten absolute Ortskenntnis gehabt haben, denn die Filiale sei sehr versteckt und auch der Fluchtweg deute drauf hin, dass das Ganze extrem gut vorbereitet gewesen sei. Götzl bittet um Ausführung. Die Täter seien über Bahngleise zu einem alten Bahngelände, Bahnindustriegelände geflüchtet, wo normalerweise kein Mensch hinkomme, was die wenigsten Menschen kennen. Das sei bestimmt vorher begutachtet worden. Götzl will wissen, woher der Zeuge die Informationen zum Fluchtweg habe. Das könne er nicht genau sagen, von der Polizei, er sei sich aber nicht sicher. Es habe ein Fluchtauto in der Limbacher Straße gegeben, von dort gebe es einen direkten Fluchtweg über die Bahnschienen.
Götzl will genaueres zu den Waffen wissen. Die Kollegin sei mit einer Pistole geschlagen worden, antwortet der Zeuge, ihm selbst sei eine Pistole an den Kopf und eine Pumpgun an den Körper gehalten worden. Götzl fragt nach dem Unterschied zwischen Pistole und Revolver. Es bleibt unklar, ob es wirklich eine Pistole oder ein Revolver war, denn der Zeuge habe die Waffe nur seitlich gesehen. Götzl fragt nun nach der Größenordnung der Beute. Seine Angaben, so W., bezögen sich auf 30.000 Euro. Außerdem sei noch gestempeltes Altgeld mitgenommen worden. Die beiden Täter hätten einen „Max Bahr“-Beutel bei sich getragen, das habe er auch der Polizei zur Kenntnis gegeben. Es habe damals in der Region nur einen einzigen „Max Bahr“-Baumarkt gegeben, in Zwickau. Zu der Frage, ob auch Reiseschecks weggekommen seien, kann der Zeuge nichts sagen. Götzl fragt nach den Folgen für die beiden Kolleginnen. Die eine habe danach noch große Angst gehabt. Bei der anderen und bei ihm habe sich das in Grenzen gehalten.
Vorhalt aus der Polizeivernehmung vom 14.05.2004: Bzgl. dem ersten Täter: Chemnitzer Dialekt; zweiter Täter sprach auch Chemnitzer Dialekt. Der Zeuge bestätigt das. Er bejaht die Frage, ob es einen Geldautomaten gegeben hat, verneint aber, dass auch von dort etwas verlangt worden sei. Vorhalt: Nachdem ich den Alarm ausgelöst hatte, wurden wir von beiden Tätern aufgefordert, den Tresor zu öffnen. Dafür musste ich in mein Büro gehen. Frau K. war bereits im Tresorraum, übergab Geld, ich wurde dazu aufgefordert, den Geldautomaten zu öffnen. Daran könne er sich nicht erinnern. Vorhalt: Hierzu muss der Täter wahrscheinlich vorher die Sparkasse ausgekundschaftet haben. W. sagt dazu, das könne sein: Dieser Geldautomat habe ja so eine Rückwand und die Filiale sei damals etwas provisorisch gewesen. Die Rückwand sei nur mit Lamellen verhangen gewesen, die aber nur durch den Sicherheitsdienst zu öffnen gewesen sei. Vorhalt: Der Täter zeigte auf den automatischen Kassentresor und ich sagte, dass das Öffnen ca. 30 Minuten dauert. Der Zeuge wird entlassen, will aber vorher noch anmerken, dass sich bisher niemand bei den Opfern der Banküberfälle für die Versäumnisse der Behörden entschuldigt habe. Die Anwält_innen der Verteidigung versuchen zu intervenieren, BAW Weingarten gesteht dem Zeugen diese Worte als Folgen der Tat jedoch zu. Um 10:07 Uhr wird Dirk W. entlassen.
Um 10:11 Uhr beginnt die Befragung der nächsten Zeugin, Jeannette Pf., Kriminalkommissarin beim BKA Meckenheim, zu den Ermittlungen zu den Radioberichten über ein brennendes Wohnmobil und zu den Ermittlungen bezüglich der DVD. Götzl bittet sie, zunächst mit den Ermittlungen zu den Radioberichten zu beginnen. Hintergrund für ihre Ermittlungen sei, so die Zeugin, die Aussage von Beate Zschäpe am 09.12.2015 gewesen, wonach diese von dem brennenden Wohnmobil in Eisenach aus dem Radio erfahren haben will. Sie habe den Nachermittlungsauftrag des Gerichts aufgenommen. Sie habe nachgeschaut, ob in der Wohnung Radios sichergestellt worden seien und den Internetverlauf geprüft und bei den radiosendenden Programmen nachgefragt.
Zu den Radiogeräten: In dem „Wohnzimmer“, in dem Zschäpe gewohnt habe, sei ein Radiowecker gefunden worden. Dort hätten die jetzt eingestellten Frequenzen keinen Radiosender aus der Region ergeben, es sei aber nicht sicher, ob das die ursprünglich eingestellten Frequenzen gewesen seien.
Auf Fotos habe sie ein weiteres Radio in der Küche unter dem Küchenschrank gesehen, das aber nicht sichergestellt worden sei. Die Überprüfung des Internetverlaufs hätten gezeigt, dass von 11:42 Uhr bis 11:50 Uhr und dann 13:28 Uhr bis viertel vor zwei mehrfach Internetseiten von Radiosendern angesurft worden seien. Der hinzugezogene Techniker habe einen sogenannten flash-Cookie des Radiosenders MDR Info um 13:30 Uhr festgestellt, dieser lege sich automatisch an, wenn man einen Livestream über einen Flashplayer öffnet.
Sie habe deswegen Anfragen zum Programm zwischen 9 bis 15 Uhr an MDR Info, MDR Thüringen und MDR jump gestellt, denn nach 15 Uhr habe die Wohnung ja schon gebrannt. MDR info habe um 13:30 Uhr eine Nachricht über den Bankraub gesendet, nicht jedoch über das Wohnmobil und die Leichen, das sei erst um 15:30 und 16:30 Uhr erfolgt und dann noch später. Bei MDR Thüringen und MDR Jump lägen keine Meldungen vor, diese seien schon wieder gelöscht worden. Es habe rekonstruiert werden können, dass um 15:50 Uhr ein Liveinterview gesendet worden sei und dann noch nach 18:00 Uhr, also auch nicht zu den relevanten Zeiten. Die Chronologie der Ereignisse habe im Sender ab 13:00 Uhr bekannt gewesen sein müssen, der Mitarbeiter des Senders habe einen Bericht recherchieren können, wonach die Streifenbeamten das Wohnmobil gegen Mittag festgestellt hätten und er habe daraus geschlossen, dass ab 13 Uhr wohl Meldungen vorgelegen hätten. Agenturmeldungen oder so habe er ihr nicht mehr dazu geben können. Götzl will wissen, mit wem genau sie Kontakt gehabt habe. Die Zeugin nennt zwei Namen, darunter den Nachrichtenchef von MDR Info.
Götzl fragt nun nach dem Inhalt der MDR-Sendungen. Die Zeugin gibt an, um 13:30 Uhr sei über den Bankraub berichtet worden und um 15:30 und 16:30 Uhr über das brennende Wohnmobil, und auch über die Leichen. Vorhalt: 04.11.2011 13:30 in Eisenach ist am Vormittag einen Sparkasse überfallen worden…die beiden maskierten Täter…. Die Zeugin bestätigt das. Weiter im Vorhalt: 15:30 In Eisenach sind in einem ausgebrannten Wohnmobil zwei Tote gefunden worden. Die Zeugin bestätigt auch das. Vorhalt zum MDR Thüringen: Nachrichtenmeldungen aus 2011 liegen nicht mehr vor, allerdings ist dokumentiert, dass um 15:50 Uhr ein Livegespräch zum Thema Sparkassenüberfall mit zwei Leichen ausgestrahlt wurde; aufgrund der bei MDR Thüringen bekannten Chronologie kann es frühestens um 13:00 Uhr eine Sendung über ein brennendes Wohnmobil und zwei Leichen darin gegeben haben. Die Zeugin bestätigt diese Vorhalte.
Zschäpe-Verteidiger RA Grasel bezieht sich auf die Aussage der Zeugin, wonach sich die Frequenz des Radioweckers keinem Sender habe zuordnen lassen und verweist darauf, dass Frequenzen sich ändern können. Er will wissen, ob sie das überprüft habe, was die Zeugin bestätigt. Auf die Frage, warum das Küchenradio nicht sichergestellt worden sei, kann sie keine Antwort geben. Grasel will wissen, ob sie ausschließen könne, dass Zschäpe die Info über das Radio bekommen haben könnte. Vorhalt: Es ist nicht auszuschließen, dass Beate Zschäpe das Radio MDR Thüringen gehört hat. Die Zeugin bestätigt, sie wisse es nicht.
Wohlleben-Verteidiger RA Klemke bezieht sich auf die Aussage, frühestens um 13 Uhr sei eine Nachrichtenmeldung über das brennende Wohnmobil verbreitet worden und will wissen, ob sie mit dem Pressesprecher der PD Erfurt Kontakt aufgenommen habe, um das zu überprüfen. Sie selbst habe das nicht getan, antwortet die Zeugin, habe aber eine e-mail-Korrespondenz gefunden, die besagt, der Pressesprecher habe um 12 Uhr eine Meldung fertig gehabt, in der aber, so glaube sie, das Wohnmobil noch nicht enthalten gewesen sei. Er hätte sich dann an den Tatort begeben und um 13:00 Uhr sei dann die Meldung mit dem Wohnmobil rausgegangen. Sie sei aber nicht 100 % sicher und wisse auch nicht genau, an wen die e-mail-Korrespondenz gegangen sei. Sie meine, an eine übergeordnete Pressestelle. Klemke will wissen, wer zu dem Zeitpunkt Pressesprecher gewesen sei. Die Zeugin erinnert sich an den Vornamen, Marcel, den Nachnamen könne sie nicht mehr genau erinnern.
Götzl kommt zum zweiten Komplex, der DVD. Sie sei, beschreibt die Zeugin, auf dieses Asservat durch Zufall gestoßen. Es handele sich um eine wiederbeschreibbare DVD, die zwei Seiten hat. Das Asservat sei schon ausgewertet gewesen und die Auswertung habe eine tatzeitnahe Berichterstattung zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße gezeigt. Sie habe sich das vor dem Hintergrund der Aussage von Zschäpe nochmal angeschaut. Die Aufzeichnungen beginnen ca. zwei Stunden nach der Tat. Sie habe sich gefragt, wer die Aufnahmen getätigt haben könnte. Recherchen im Nachrichtenarchiv des WDR in Köln hätten ergeben, dass die Beiträge ungefähr ab 18 Uhr ausgestrahlt worden seien. Es sei unmöglich, in den zwei Stunden zwischen 16 und 18 Uhr von Köln wieder nach Zwickau in die Wohnung zu kommen. Sie habe sich gefragt, wie das passiert sein könnte. Recherchen im Archiv und in der Kriminaltechnik hätten ergeben, dass es sich um Berichterstattungen von NTV und WDR gehandelt habe. Sie habe geprüft, wie man das 2004 habe empfangen können – mit der Hypothese, dass es in der Polenzstraße aufgenommen worden sein könnte. Sie habe geprüft, wie damals der Fernsehempfang in der Polenzstraße gewesen sei und ob diese beiden Sender ausgestrahlt worden seien.
Insgesamt seien es 27 Beträge, beginnend 09.06.2004 bis zum 09.06.2006. 2012 habe bereits ein Gutachten festgestellt, dass die Aufnahmen von einem analogen Gerät mit VHS-Qualität aufgenommen worden seien. Die Bildqualität sie nicht gut, unten sei ein Grisselstreifen. Bei der letzten Aufnahme von 2006 habe dieser Streifen gefehlt. Die Techniker hätten ihr bestätigt, dass diese Aufnahme nicht mit einem VHS-Gerät, sondern mit DVD oder Festplattenrecorder aufgenommen worden sei. 12 der 27 Beiträge seien vom 09.06. und Minutenbeiträge vom WDR und von NTV. In ihrem Vermerk ziehe sie die Schlussfolgerung, dass diese augenscheinlich manuell aufgenommen worden seien, weil bei einem Sendungswechsel z.B. der erste Satz der Anmoderation fehle. Sie habe überlegt, ob man den Videorecorder programmiert haben könnte, aber dann wären nicht sieben Sendewechsel zwischen WDR und NTV möglich gewesen. Für sie und die Kolleg_innen sei der Eindruck entstanden, dass jemand vor dem Gerät gesessen und die Sender gewechselt haben muss. Der Bericht der Kriminaltechnik stehe noch aus, aber man habe ihre bereits signalisiert, dass man nicht überprüfen könne, wie die Aufnahmen auf dem VHS-Gerät getätigt worden seien. Auf Seite A der DVD sei ca. eine Stunde, auf Seite B 20 Minuten Videomaterial.
Anhand der „Aktuellen Stunde“ erkenne man, dass die Aufnahmen aus dem Lokalberereich WDR-Fernsehen-Köln stammen. Nach Auskunft des WDR sei der normale WDR nur über Kabel zu empfangen. Übers Internet wurde der WDR zu der Zeit noch nicht ausgestrahlt, terrestrisch sei WDR nur im größeren Umfeld von Köln zu empfangen gewesen, also nicht in Zwickau. Aus dem Mietvertrag der Polenzstraße von 2001 sei ersichtlich, dass die Kosten für den Anschluss ans Breitbandkabel in den Nebenkosten enthalten waren. Im Jahr 2004 habe laut den Vertragsunterlagen des Vermieters ein Vertrag mit Bosch Breitbandkabel oder Breitnetze GmbH bestanden. Die Nachfolger dieser Firma hätten zwar keine Daten mehr zur Verfügung, die Justiziarin habe aber mitgeteilt, dass der WDR und NTV immer zum Standardprogramm gehört hätten und wenn der WDR überregional ausgestrahlt worden sei, dann auch das WDR Fernsehen Köln. Eine Recherche der Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien habe ergeben, dass sowohl NTV als auch WDR in der Programmliste gewesen seien. Es sei allerdings nicht sicher, ob auch WDR Köln gesendet worden sei. Sie könne also nicht beantworten, wer das aufgenommen habe. Die Voraussetzungen für eine Aufnahme in der Polenzstraße 2 seien gegeben gewesen. Ein VHS-Recorder sei nicht sichergestellt worden, aber mehrere VHS-Kassetten.
In ihrem Vermerk gehe sie noch auf ein anderes Asservat mit TV-Berichterstattung ein, das zwar theoretisch nach der Rückkehr von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hätte aufgezeichnet werden können, es sei aber trotzdem interessant, weil die Dateien teilweise gelöscht worden seien. Der Kollege habe nur die vorhandenen Dateien untersucht. Aber auch die gelöschten Dateien ließen aufgrund von Namen und Zeitraum erkennen, dass hier Berichterstattung zu Taten enthalten, die dem NSU zugeschrieben werden: einmal nach der Tat in Kassel und einmal nach der Tat in Heilbronn. Die Zeugin wird nach den Ansprechpartner_innen beim WDR gefragt und nennt die Namen. Sie ergänzt, sie habe auch eine Anfrage beim Mitschnittservice laufen, die sei noch nicht abgeschlossen. Nach Angaben von WDR und NTV bekomme man nur ganze Sendungen, man hätte dann also etwas zusammenschneiden müssen. Die Mediathek habe es 2004 noch nicht gegeben.
Zschäpe-Verteidiger RA Grasel kommt noch einmal auf die Voraussetzungen zu sprechen, ob Aufnahmen in der Polenzstraße möglich gewesen wären. Die Zeugin wiederholt zusammengefasst ihre Angaben ihrer Aussage. RA Grasel fragt nach, ob sie sich sicher sein könne, was die Zeugin wiederholt nicht bestätigen kann. Es habe die Voraussetzungen gegeben, aber sie könne nicht ganz sicher sein, dass der Sender wirklich ausgestrahlt worden sei und es sei kein Videorecorder gefunden worden. RA Grasel fragt, ob die Aufnahmen auch woanders getätigt worden sein können, was die Zeugin als möglich bestätigt. Nebenklage-Anwalt RA Langer will wissen, ob auf Seite A eine einzige oder 12 Dateien vorhanden seien. Pf. gibt an, das sei etwas verwirrend, es gebe auf jeder Seite zwei große Dateien. Beim Einlesen der Dateien seien diese in mehrere unterteilt worden. Aber es handele sich um einen Film pro Seite.
Nebenklage-Vertreterin RAin Lunnebach will wissen, ob sie im Kontakt mit dem Archiv des WDR den zweiten Kölner Anschlag von 2001 zur Sprache gebracht habe. Die Zeugin verneint das, das habe sie nicht mehr angeschaut. Die Bombe in der Probsteigasse sei erst viel später gezündet. Man könne davon ausgehen, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos das auch zuhause hätten aufnehmen können. Götzl fragt nach den Entfernungen und Fahrzeiten. Die Zeugin gibt an 500 Kilometer und knapp fünf Stunden. Die Kameras hätten ja gezeigt, dass Böhnhardt und Mundlos in Köln gewesen seien und nicht nur einer. Die Zeugin wird um 10:58 Uhr entlassen.
RA Grasel gibt eine Erklärung nach §257 ab. Die Ermittlungen zum Radio hätten ergeben, dass mehrere Geräte vorhanden gewesen seien und Radiolivestreams hätten empfangen werden können. Damit sei die Einlassung seiner Mandantin bestätigt. Auch die DVD-Ermittlungen hätten die Einlassung seiner Mandantin nicht widerlegt. Seine Mandantin habe angegeben, sie habe sich über das Fernsehen weitere Informationen beschafft. Die Vernehmung der Zeugin hätten ergeben, dass die Aufnahmen mit einem VHS-Recorder getätigt worden seien, der nicht gefunden wurde. Dass die Voraussetzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben gewesen sein, lasse den Rückschluss nicht zu, seine Mandantin habe die Aufnahmen getätigt. Das sei nur eine von theoretisch vielen Möglichkeiten. Mundlos und Böhnhardt hätten die Aufnahmen auch in Köln oder mit Hilfe eines Unterstützers getätigt haben können. Die Tatsache, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe über einen Digitalrecorder verfügten, spreche dagegen, dass seine Mandantin die Aufnahmen erst auf einem VHS-Recorder gemacht hätte.
Nebenklage-Vertreter RA Narin erwidert, weil selektiv relevante Sachverhalte weggelassen worden seien. Die Zeugin habe zum Beispiel angegeben, dass VHS-Kassetten in der Frühlingsstraße aufgefunden worden, diese hätte man mit einem Videorecorder ansehen müssen. Und 2004 seien digitale Recorder noch nicht so verbreitet gewesen. Es spreche viel dafür, dass Beate Zschäpe diese Aufzeichnungen selbst angefertigt habe. Sie habe selbst erklärt, dass der Angeklagte André Eminger keinerlei Kenntnis gehabt habe von den Anschlägen. Grasel entgegnet, laut Wikipedia sei die DVD-Technik bereits seit 1997 auf dem Markt. Sieben Jahre später müsse man von einer verbreiteten Technik ausgehen. Es wird eine Pause angesetzt bis 11:25.
Die Sitzung wird um 11:31 Uhr fortgesetzt. Als Zeuge wird Frank B. zu seinen Beobachtungen des Überfalls auf die Postfiliale in der Max Planck-Straße 2001 befragt. Er sei damals danach auch als Zeuge vernommen worden, beginnt der Zeuge. Er sei mit dem Hund hinter dem Haus gewesen, als aus Richtung Max-Planck-Straße jemand schwarz gekleidet an ihm vorbeigerannt gekommen sei. Er habe jemanden rufen hören: ‚Überfall, Festhalten‘, da sei die Person aber schon vorbei gewesen. An mehr könne er sich nach 15 Jahren nicht mehr erinnern. Der Zeuge bestätigt, dass es sich um eine Person gehandelt habe, diese sei hinter dem Wohnblock rum. Götzl will wissen, wie weit dieser Ort von der Postfiliale entfernt sei. Der Zeuge Antwortet 200 bis 250 Meter. Auf die Frage, ob er sich an etwas zur Person erinnern könne, gibt der Zeuge an, er sei vielleicht zwischen 20 und 30 gewesen. Ein Gesicht habe er nicht erkannt, das sei zu schnell gegangen.
Vorhalt der Zeugenvernehmung vom 06.07.2001: Ich stieg aus meinem PKW aus und sah zwei junge Männer die Treppe herunterrennen. Die rannten dann, nicht auf dem Weg, weiter sondern über eine Wiese und hinter den Häusern Nummer (…). Er könne sich nur an einen erinnern, gibt der Zeuge an. Vorhalt: Zu diesen beiden Hauseingängen sind beide Jungen hingerannt. Ich sah wie sie von dort mit Fahrrädern davon gefahren sind. Auch daran kann der Zeuge sich nicht erinnern. Vorhalt: Beide schnell gerannt und hatten Masken vor dem Gesicht. Das Gesicht habe er nicht erkannt, er wisse nicht mehr, ob die nun Masken getragen hätten oder ein Tuch davor. Der Zeuge wird um 11:40 Uhr entlassen.
Götzl ruft die Zeugin Nadja En. (BKA) herein. Bevor die Befragung beginnt, stellt Wohlleben-Verteidiger RA Klemke einen Antrag. Die Wohlleben-Verteidigung widerspreche gegen die geplante Beweiserhebung zum T-Shirt mit dem Aufdruck „Eisenbahnromantik“. Der angebliche Fund in der Wohnung seines Mandanten betreffe den Gegenstand nicht. Seinem Mandanten werde eine Beihilfehandlung von 1999 bzw. 2000 vorgeworfen, die Durchsuchung habe aber 2011 stattgefunden. Wegen der langen Zeitspanne sei der Fund ohne Bedeutung. Selbst für den Fall, dass sich dieses T-Shirt 2011 im Besitz seines Mandanten befunden haben sollte, ließen sich keine Rückschlüsse auf die Gesinnung zu. Es seien verschiedene Interpretationen möglich. Weiter sei kein Opfer der Ceska-Mordserie mosaischen Glaubens. Die Bundesanwaltschaft versuche, Stimmung zu machen. Die Wohlleben-Verteidigung beantrage, das Verfahren gegen Wohlleben abzutrennen, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, Wohlleben Volleinsicht die die Akten zu gewähren und die Hauptverhandlung nach zwei Monaten fortzusetzen.
Klemke weiter: Die Akte der gegen ihren Mandanten gerichteten Durchsuchungen enthalte zwar einen Sicherstellungsbericht und ein Durchsuchungsprotokoll vom 24.11.2011, jedoch seien darin keinerlei Fotodokumentationen zu finden, auch kein Hinweis auf das Anfertigen von Fotos. Die Verfahrensakten seien also offensichtlich unvollständig. Im Vermerk beziehe sich Frau En. auf eine Verfügung von OSTA am BGH Weingarten vom Januar 2016. Außerdem führe sie aus, dass das T-Shirt bei der Durchsuchung nicht als verfahrensrelevant eingestuft und daher nicht sicher gestellt worden sei. Bei dieser Sachlage sei es befremdlich, dass OSTA Weingarten am 15. Januar 2016 bzgl. dieses T-Shirts eine Verfügung erlassen habe. Aus ihren Akten ergebe sich dafür kein Anlass. Es sei lebensfremd, dass die Zeugin En. den Vermerk am 22.01.2016 aus der Erinnerung geschrieben haben solle. Vielmehr dränge sich der Eindruck auf, dass ihr Aktenbestandteile vorgelegen haben müssen, die sich nicht in den Gerichtsakten finden. Es sei nicht auszuschließen, dass dieses Material auch entlastende Umstände enthalte. BKA und GBA reichten belastendes Material ständig nachträglich zu den Akten, die Verteidiger seien nur dann in der Lage zu reagieren, wenn sie rechtzeitig den Einblick vor der Hauptverhandlung erhalten. Dies könne nur in einer Aussetzung des Verfahrens bestehen.
BAW Diemer entgegnet, die Erhebung der Beweise sei nicht rechtswidrig, die Zeugin könne vernommen werden. Nebenklage-Vertreter RA Ilius ergänzt, Ralf Wohlleben habe in seiner Einlassung vom Dezember 2015 ein Video von 2009 zur Kenntnis gegeben, um seine Einstellung zu zeigen. Das sei ebenfalls als nach den verfahrensrelevanten Taten gewesen. Insofern spiele es natürlich schon eine Rolle, wenn 2011 so ein T-Shirt gefunden worden sei. Götzl unterbricht die Sitzung für eine Mittagspause bis 13 Uhr.
Um 13:05 Uhr wird die Sitzung fortgesetzt. Götzl bittet um Stellungnahmen zum Antrag der Wohlleben-Verteidigung. OStA Weingarten stellt fest, der zentrale Anwurf, die Verfahrensakten seien im Hinblick auf die Anfertigung von Lichtbildern und das T-Shirt unvollständig, greife nicht. Bei der gebotenen Befassung mit der Aktenlage wäre man unschwer auf die Dokumentation, dass Fotos gemacht wurden, gestoßen. Er nennt mehrere Stellen der Akte, an denen von Fotoaufnahmen die Rede sei. Aus der damaligen Einschätzung des Asservats als nicht verfahrensrelevant könne man entnehmen, dass es der BAW gerade nicht darum ginge, Stimmung zu machen, denn ideologische Rückschlüsse, die nicht zum Tatzeitraum gehörten, erschienen ihnen wirklich nicht verfahrensrelevant. Die Verfahrensrelevanz habe sich aus der Einlassung des Angeklagten selbst ergeben. Aus dem Umstand, dass die BAW aus den skizzierten Gründen nunmehr das Eisenbahnromantik-T-Shirt für relevant halte, hätten sie den Sachverhalt erst jetzt zu den Sachakten gegeben. Und deswegen sei die Zeugin in zulässiger Weise zu vernehmen, weil sie in zulässiger Weise dazu aussagen könne. Götzl unterbricht die Sitzung auf Antrag von Nebenklage-Verteidiger RA Narath bis 13:25 Uhr.
Um 13:29 Uhr geht die Sitzung weiter. RA Klemke erwidert auf BAW Weingarten, er sei dankbar, dass die BAW Ordner eingefügt habe, denn das belege, dass sie Aktenmaterial aus den Akten ferngehalten habe. Es komme nicht darauf an, was die BAW für verfahrensrelevant ansehe, es komme nur darauf an, ob es im Verfahren entstanden sei. Sie habe das alles dem Senat und ihnen vorzulegen, deswegen blieben sie bei ihrem Aussetzungsantrag. Sie wüssten nicht, was da noch beim GBA schlummere und peu à peu rausgeholt werde. Das Argument der BAW, sie sei aufgrund der Einlassung von Wohlleben genötigt worden, das einzuführen, sei nicht schlüssig. Er habe einzig dieses Video zum Gegenstand seiner Aussage gemacht, um der Einführung des Beweismittels Turner-Tagebücher/Selbstleseverfahren zu entgegnen, denn der download der Turner Tagebücher stamme von 2005/2006. Von daher beiße sich die Katze in den Schwanz. Sie drängten und bestünden darauf, dass alles, was zu ihrem Mandanten an Akten entstanden sei, auch zu den Akten gereicht werde, darunter fassten sie auch Beweisstücke wie Fotografien. Nachdem keine weiteren Stellungnahmen gewünscht sind, schließt Götzl die Sitzung. Die Zeugin En. wird nicht vernommen. Ende der Sitzung um 13:33 Uhr.
Auf dem Blog der Nebenklage heißt es:
„Geht man davon aus, dass die Aufnahmen in der Frühlingsstraße gefertigt wurden, dann können sie also nur von Zschäpe stammen. Die aber hatte in ihrer Einlassung behauptet, sie habe von dem Anschlag in Köln erst nach der Rückkehr der beiden Männer erfahren. Wie verzweifelt die Erklärungsversuche der Verteidigung Zschäpe inzwischen sind, zeigt die Reaktion von Zschäpe-Verteidiger Grasel, der von der Presse bereits vor einigen Tagen auf die Videos angesprochen worden war: gegenüber der taz gab er an, die Aufnahmen könnten ja z.B. auch von André Eminger gemacht worden sein – gestern, weniger als eine Woche später, verlas nun sein Mitverteidiger Borchert im Namen von Zschäpe die Erklärung, Eminger habe von den Morden und Anschlägen überhaupt nichts gewusst. Damit werden die heute dargestellten Ermittlungen– zusammen mit den zahlreichen bereits vorliegenden Beweismitteln – dazu führen, dass Beate Zschäpe wie angeklagt verurteilt wird – zu erdrückend die Beweislage, zu unglaubhaft und widersprüchlich ihre bestreitenden Angaben. Es stellt sich aber auch die Frage, warum manche der Beweisthemen, um die es in den letzten Wochen ging, nicht schon viel früher ausermittelt und ins Verfahren eingeführt wurden.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/03/17/17-03-2016/