Am heutigen Verhandlungstag geht es erneut um den Lieferweg der Mordwaffe Ceska. Dabei steht die Aussage von Brigitte Ge. im Mittelpunkt. Sie ist die Ehefrau eines der vermutlich Beteiligten, Anton Ge. Sie wurde in der Schweiz vernommen und RiLG Stolzhäuser sagt dazu aus. Aus der Vernehmung ergibt sich allerdings nichts Neues zum Lieferweg der Waffe. Außerdem werden Dokumente verlesen.
Zeuge:
- Stefan Stolzhäuser (RiLG, abgeordnet zum GBA, Rechtshilfevernehmung von Brigitte Ge.)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Als Zeuge wird heute Richter am Landgericht Stefan Stolzhäuser gehört, der zum GBA in Karlsruhe abgeordnet ist. Götzl sagt, es gehe um die Vernehmungssituation anlässlich der Einvernahme der Zeugin Brigitte Ge. durch die StA Bern in Thun in der Schweiz am 31.03.2016. Götzl: „Herr Stolzhäuser, Sie haben das Thema gehört.“ Götzl bittet den Zeugen darum, zunächst von sich aus zu berichten. Stolzhäuser sagt, aus seiner Sicht sei die Vernehmung unkompliziert, unproblematisch abgelaufen. Die Zeugin sei pünktlich erschienen, sei belehrt worden vom vernehmenden Staatsanwalt Wiedmer über die rechtlichen Rahmenbedingungen, das Wesen der Rechtshilfevernehmung, ganz normal wie auch nach hiesigem Recht üblich. Sie sei auf die Pflichten als Zeugin hingewiesen worden und auch analog zu § 55 belehrt worden. Bei der Belehrung zu § 55 habe es eine Diskussion gegeben, RAin Schneiders habe, so Stolzhäuser, eingewandt, dass die Zeugin das ggf. nicht verstanden habe. Die Zeugin sei dann nochmal belehrt worden auf Schweizerdeutsch und mit Beispielen. RA Heer habe sich dann beschwert, so Stolzhäuser, dass bei den Beispielen Bedrohungen aus dem rechtsextremen Milieu erwähnt worden seien, worauf Heer gesagt habe, dass noch nicht bewiesen sei, dass Rechtsextremismus vorliegt. [phon.] Es sei dann nochmal auf Hochdeutsch wiederholt worden, wie belehrt worden sei.
Der StA Wiedmer habe den Fragekatalog des Senats abgearbeitet, aber einige Fragen zunächst ausgelassen, dabei habe es sich um Ergänzungsfragen gehandelt und StA Wiedmer sei davon ausgegangen, dass die keinen Sinn mehr machen. RA Pausch habe später darum gebeten, dass einige dieser Fragen gestellt werden und dem sei der StA nachgekommen. [phon.] Dann seien Fragen von der BAW, OStA Weingarten, gestellt worden. Hauptgegenstand seien Vorhalte aus der polizeilichen Vernehmung gewesen. Es sei um die Frage gegangen sei, was Ge.s Ehemann nach seiner Haftentlassung berichtet habe, was er bei seiner Vernehmung für Angaben gemacht habe, und ob sie sich an ihre Vernehmung erinnere und was ihr Mann ihr berichtet habe von seiner Vernehmung. Und dann sei es um Paketlieferungen gegangen, ob sie welche bekommen habe und an wen sie die weitergegeben habe. Ge. habe angegeben, dass sie sich nicht erinnere. Dann seien Nachfragen aus der Nebenklage gestellt worden, er glaube von RA Matt, so Stolzhäuser. Dieser habe Protokollstellen vorgehalten, inwiefern ein „Briefing“ zwischen ihr und ihrem Mann stattgefunden habe. Ge. habe dazu angegeben, keine Erinnerung mehr zu haben. Dann sei die Vernehmung abgeschlossen und der Protokollinhalt vorgelesen worden.
Es sei dann eine kurze Diskussion aufgekommen zu einem vorher gemacht Vorhalt. Da sei es um einen Sonntag gegangen, da habe Ge. gemeint, falsch verstanden worden zu sein. Das sei dann korrigiert worden. Ansonsten habe Ge. ihre Angaben genehmigt. Von Wiedmer sei Ge. nochmal gefragt worden, ob sie mit dem vereinfachten Rechtshilfeverfahren [phon.] einverstanden sei, was Ge. bejaht habe. Götzl: „Konnten alle Beteiligten Fragen stellen?“ Stolzhäuser bejaht das. Vorhalt: Auf Frage kann ich bestätigen, dass es Granzkarten [phon.] sind. – StA erläutert, was eine Granzkarte ist im Gegensatz zu Waffenbesitzkarte. Stolzhäuser: „Wie ich das verstanden habe, geht es um Zielscheiben, die fürs Schießen verwendet werden.“ Vorhalt: Nach Hinweis RA Pausch: Ist Ihnen im Zusammenhang Waffenlieferung etwas bekannt? – Nein. Götzl fragt, was mit „nach Hinweis Pausch“ gemeint sei. Stolzhäuser: „Das ist wahrscheinlich das, was ich eben sagte, die Fragen, die Wiedmer ausgelassen hat zunächst. Herr Pausch hat darum gebeten, dass die doch noch gestellt werden.“
Götzl: „Nachdem hier von Vorhalten die Rede ist, hier wird Bezug genommen auf ein früheres Vernehmungsprotokoll, da wird auf Ziffern Bezug genommen.“ [In dem Protokoll werden die der Zeugin gemachten Vorhalte nicht komplett wiedergegeben, sondern es wird auf die Zeilen im Protokoll verwiesen, aus dem vorgehalten wurde.] Vorhalt: Auf Vorhalt Kopie Vernehmungsprotokoll Kantonspolizei Bern … Auskunftsperson, Z. 32-34. Götzl hält dann aus dem entsprechenden früheren Protokoll vor: Ihr Ehemann wurde am Sonntag … 2012 durch die StA entlassen, haben Sie sich unterhalten, was er ausgesagt hat? Götzl fragt, ob das in der Rechtshilfevernehmung vorgehalten worden sei. Stolzhäuser: „Ich gehe davon aus, dass der Vorhalt gemacht wurde. Herr Weingarten hat immer die Vorhalte aus der Kopie der Urkunde, des Protokolls, entnommen.“ Götzl sagt, im Kopie der Rechtshilfevernehmung werde auf die Ziffern 41 bis 44 verwiesen. Vorhalt der entsprechenden Zeilen aus dem Protokoll der polizeilichen Vernehmung: Dass die Zettel ihm zugestellt wurden, auch dass die Waffen ihm zugestellt wurden, nicht konkret zur Lieferung, dass die Waffen per Post geliefert wurden, nicht selbst gesehen, er sagte, nicht selbst geöffnet. Götzl fragt, ob das der Vorhalt gewesen sei, was Stolzhäuser bestätigt. Stolzhäuser: „Die Fragen waren immer, ob sie eine Erinnerung hat, und die zweite Frage war, ob sie sich an die Aussagen erinnert ihres Mannes, auf die sie sich damals bezogen hat.“
Vorhalt aus dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll: Wie war es mit den Zetteln und Paketen? – Er sagte, Pakete bekommen und diese weitergegeben, an welche Adresse sagte er nicht, ich habe sie nicht entgegengenommen, wenn ich Pakte z. B. von der Schwägerin bekommen habe, wusste ich davon. Auf die Frage, ob der Vorhalt gemacht worden sei, sagt Stolzhäuser: „Er ist im Zweifel gemacht worden, denn der zweite Komplex der Fragen bezog sich auf die Pakete.“ [phon.] Vorhalt aus dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll: Gehe davon aus, dass darin Waffen waren, aber er sagte nicht, wie viele. Stolzhäuser bejaht, dass das vorgehalten worden sei. Vorhalt aus dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll: Wissen Sie, an wen weitergegeben hat? – Nein, außer am Sonntag mir gesagt, dass er die Pakete ungeöffnet einem Herrn Mü. gegeben hat. Auf die Frage, ob der Vorhalt gemacht worden sei, sagt Stolzhäuser: „Der muss auch so gemacht worden sein, denn da gab es dieses Korrekturbegehren der Frau Ge. in Bezug auf Sonntag, was ich erwähnt habe.“ Götzl sagt, es gehe ihm dann noch um die Situation mit dem „Briefing“, die Stolzhäuser angesprochen habe. Vorhalt aus dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll: Wollten Sie aufgrund der Lügen Ihres Mannes nicht wirklich mehr wissen? Wollten Sie nach dieser Lüge in der Familie nicht mehr wissen? – Sagte nur, dass er Mü. übergeben, wenn er siebenjährig gewesen wäre, geohrfeigt. – Dass er Jahreszahl evtl. getauscht hat. Götzl: „Ist der Vorhalt erfolgt?“ Stolzhäuser: „Ja.“
Götzl: „Wie hat sie sich verhalten?“ Stolzhäuser: „Sie wirkte nicht sehr aufgeregt, abgesehen von der üblichen Aufregung. Sonst habe ich nichts wahrgenommen. Sie hat nur knapp geantwortet und hat sich nicht erinnert meistens, schon gar nicht an die Vernehmung des Mannes. Mein Eindruck war, sie wollte nicht mehr mit dem Sachverhalt befasst werden.“ Auf Frage, wie die Protokollierung erfolgt sei, ob die ganzen Antworten aufgenommen worden seien, sagt Stolzhäuser: „Die sind aufgenommen worden. Ich habe mir private Notizen gemacht und habe das beim Vorlesen durch die Protokollführerin abgeglichen und das hat von einigen Formulierungen abgesehen so auch gepasst wie im Protokoll.“ Götzl: „Wie war das Verhalten der Zeugin insgesamt?“ Stolzhäuser: „Sie war relativ einsilbig vom Antwortverhalten. Ich hatte das Gefühl, sie wollte mit dem Sachverhalt nicht mehr belastet werden, sie hatte abgeschlossen. Mein Eindruck war, ihr war es nicht recht, nochmal mit den Dingen belästigt zu werden. Aber äußerliche Dinge, an denen ich das festmachen könnte, könnte ich jetzt nicht mehr schildern.“
Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Eine Nachfrage: Können Sie sich noch an eine Äußerung der Frau Ge. zu dem Wort ‚Briefing‘ erinnern?“ Stolzhäuser verneint das. Schneiders: „Wenn ich Ihnen sage, dass sie fragte, was das Wort denn bedeutet?“ Stolzhäuser: „Korrekt. Es war dann meiner Erinnerung nach auch so, dass von Herrn Wiedmer das Wort ‚Briefing‘ erläutert worden ist und sie geantwortet hat.“ Schneiders fragt nach dem Verhalten Ge.s, als es um die Situation der ersten Vernehmung gegangen sei, als sie von einem Betriebsessen geholt worden sei. Stolzhäuser sagt, an ein konkretes äußeres Verhalten von Ge. könne er sich nicht erinnern, sie habe aber mehrfach betont geschockt gewesen zu sein. Schneiders: „War sie da auch einsilbig?“ Stolzhäuser: „Das hat sie etwas ausführlicher dargelegt.“ Vorhalt aus der Rechtshilfevernehmung: Nachdem mir erklärt wurde, was ein Briefing ist, nicht erinnern, dass es das mit meinem Mann gegeben hat. Schneiders: „Wie ist es ihr erklärt worden?“ Stolzhäuser: „Ihr wurde das so erläutert, dass es eine Gesprächssituation ist, wo man vorbereitet wird – auf eine Vernehmung vielleicht nicht – aber auf ein Gespräch.“ [phon.] Der Zeuge wird um 10:15 Uhr entlassen.
Götzl verkündet, dass beabsichtigt sei, das Protokoll der Rechtshilfevernehmung zu verlesen. Danach sagt Götzl, dass beabsichtigt sei, einen Brief von Anton Ge. vom 15.06.2015 zu verlesen. Dann wird der Brief [Auszüge] verlesen: Ich bin der Schweizer Strohmann. Meine Frau hat damit nichts zu tun. Tatsache ist, dass wir unsere alte Wohnung an die Familie [A.] aus Kosovo vermietet hatten. Meine Frau wird nicht in München vor Gericht erscheinen. Dann sagt Götzl, dass als nächstes ein Vermerk von Richterin Odersky verlesen werden soll. Der Vermerk wird verlesen. Darin wird festgestellt, dass eine schweizerische StAin mitgeteilt habe, dass der Antrag auf Videovernehmung abgelehnt sei, dem Antrag auf Vernehmung in der Schweiz aber stattgegeben worden sei und die Vernehmung am Donnerstag, den 31.03.16, in Thun stattfinde. Dann gibt Götzl den Hinweis, dass nach schweizerischem Recht, die StA zuständig sei für Rechtshilfehandlungen, und die Zeugenbelehrung sinngemäß nach den Grundsätzen der deutschen StPo erfolgt sei.
Dann wird ein Schreiben des Gerichts an die Verfahrensbeteiligten verlesen, in dem diesen mitgeteilt wird, dass die StA Bern die Einvernahme von Anton Ge., Hans-Ulrich Mü. und Brigitte Ge. per Video abgelehnt habe, aber Brigitte Ge. in der Schweiz vernommen werde. Außerdem wird das Datum der Einvernahme mitgeteilt. Das Gericht werde an der Einvernahme nicht teilnehmen, die Verfahrensbeteiligten könnten teilnehmen, der Fragenkatalog sei den Prozessbeteiligten bekannt. Ergänzungsfragen seien zuvor einzureichen, damit sie an die Schweizer Behörden weitergeleitet werden können. Götzl: „Erklärungen? Nein. Dann werden wir unterbrechen und uns zur Beratung zurückziehen.“ Es folgt eine Pause bis 10:44 Uhr.
Nach der Unterbrechung bittet direkt Wohlleben-Verteidiger RA Klemke um das Wort: „Eine Erklärung zur stattgehabten – sagt man: stattgehabt? – Verlesung des angeblichen Briefes des Herrn Ge.“ Zum einen, so Klemke, sei nicht erwiesen, dass dieses Schreiben von Ge. stammt, sollte dies der Fall sein, sei darauf hinzuweisen, dass er datiere auf nach der Vernehmung im Wege der Rechtshilfe in Thun 2014: „Die Verteidigung des Herrn Wohlleben hatte also keine Gelegenheit Herrn Ge. auf den Brief hin zu befragen. Der Beweiswert, der eh schon ziemlich dürftig ist, ist dann gegen Null tendierend.“ Götzl sagt, es sei bei der Verlesung des Briefes im Freibeweisverfahren [das Freibeweisverfahren gehört nicht zur eigentlichen Beweiserhebung und dient hier der Vorbereitung einer Entscheidung des Senats]um die Mitteilung des Nichterscheinens gegangen.
Es folgt eine weitere Unterbrechung bis 11:09 Uhr. Danach sagt Götzl: „Nochmal eine Nachfrage, damit wir nicht aneinander vorbei reden, Herr Klemke, das verlesene Schreiben im Freibeweisverfahren bezog sich auf eine mögliche Verlesung des Protokolls der Schweizer Behörden. Ich habe Ihre Stellungnahme so verstanden, dass es um den Inhalt ging.“ Götzl sagt, das stehe ja in Zusammenhang mit einem Artikel, den er ja nicht verlesen habe, in dem von „Schweizer Strohmann“ die Rede sei. Götzl: „Um diese inhaltliche Bezugnahme ging es Ihnen?“ Klemke bestätigt das. Götzl: „Ja, gut, dann werden wir die Entscheidung über die Verlesung erstmal zurückstellen.“
Götzl fragt nach ausstehenden Stellungnahmen. Auf Frage sagt NK-Vertreter RA Scharmer, dass eine angekündigte Stellungnahme zur Stellungnahme des GBA zum Beweisantrag zu Ralf Marschner dann morgen gemeinsam mit RA Hoffmann abgegeben werde. Klemke: „Kollegin Schneiders hat erfahren, dass die Verlesung des Schreibens ins Protokoll aufgenommen worden ist, aber nicht im Freibeweisverfahren.“ Klemke beantragt, dass das Protokoll entsprechend berichtigt wird. Götzl: „Ja ja, aber das ist klar, dass es im Freibeweisverfahren ist.“ Dann sagt Götzl, dass die Verfahrensbeteiligten eine Liste über Verlesungen bekommen hätten, daraus sei zunächst die Verlesung eines Behördengutachtens geplant.
Das Behördengutachten wird von Richter Lang verlesen. Es handelt sich um ein schriftvergleichendes Gutachten des KT-Instituts des BKA vom 06.12.2011 zur Frage, ob das entsprechende Schriftmaterial untereinander und mit Asservaten aus dem Bestand der „Zentralen Handschriftensammlung“ urheberidentisch ist oder nicht. Außerdem solle eine Aussage dazu getroffen werden, ob die Schreibleistungen durch eine weibliche oder männliche Person verfasst worden sind. Bei dem Schriftmaterial handelt es sich um einen Lebenslauf von Gunter Frank Fiedler, Teile einer Geburtsurkunde vom Max-Florian Bu. mit handschriftlichen Schreibleistungen auf der Rückseite und Teile einer Geburtsurkunde vom Max-Florian Bu. mit handschriftlichen Schreibleistungen auf Vorder- und Rückseite. Nach der Benennung der Asservate werden die methodischen Grundlagen erläutert. Wesentliche Grundlage der Analyse sei die Erhebung des „objektiven grafischen Tatbestandes“, besonders die schreiberspezifischen Weiterentwicklungen als Abweichung von der jeweiligen Schulvorlage. Im Gegensatz zur Graphologie erfolge jedoch keine persönlichkeitsdiagnostische Interpretation der Schriftmerkmale, sondern eine Aussage zur Urheberschaftsfrage aufgrund übereinstimmender und/oder abweichender Merkmalskonfigurationen.
Dabei werde zwischen allgemeinen und besonderen Schriftmerkmalen unterschieden. Allgemeine Schriftmerkmale seien Merkmale, die in jeder Schrift vorkommen wie Bindungsform, Schriftgröße und -weite, Schriftlage usw. Die Schriften verschiedener Schreiber würden sich dabei durch unterschiedliche Ausprägungen, v.a. aber durch unterschiedliche Kombinationen der Ausprägungsgrade in den einzelnen Merkmalsgruppen unterscheiden. Besondere Schriftmerkmale seien Besonderheiten der Bewegung, der Form und der Schreibraumbehandlung, die nicht zwangsläufig in allen Schriften vorkommen müssten, bspw. Buchstabenzerbrechungen oder -verschmelzungen, ungewöhnliche Eigenarten der Schreibbewegung etc. Diesen Merkmalen komme der eigentliche Identifizierungswert zu. Die Bewertung führe dann zu einer Wahrscheinlichkeitsfeststellung auf einer Rangskala: mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit; mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit; mit hoher Wahrscheinlichkeit; mit überwiegender Wahrscheinlichkeit; mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit; nicht entscheidbar. Die einzelnen Stufen würden die Einschätzungen des SV zu den Wahrscheinlichkeiten von Urheberschaftshypothesen wiedergeben. Diesen Aussagen würden jeweils komplementäre Wahrscheinlichkeiten zur Alternativhypothese gegenübergestellt. Beide Wahrscheinlichkeiten würden sich dann zu 100 Prozent addieren. Kategorische Schlussfolgerungen im Sinne einer absoluten Gewissheit seien in der forensischen Handschriftenuntersuchung, wie in den anderen empirischen Disziplinen, nicht möglich.
Dann geht es um das Material. Der Lebenslauf von Gunter Frank Fiedler sei dabei „X1“, der im Original vorliege und mit Ausnahme der Überschreibungen voll analysierbar sei. „X1“ sei in Druck- bzw. Schreibdruckschrift gefertigt und die grafische Ergiebigkeit sei ausreichend für eine Untersuchung. „X2“ und „X3“ seien der Lebenslauf Bu. bzw. die Reproduktion desselben, hierzu wird bzgl. des Materials auf ein anderes Gutachten verwiesen. Zum Ergebnis verliest Lang, dass der interne Vergleich zu folgender Schlussfolgerung geführt habe: 1. Die Schriftzüge auf „X1“ Vorderseite und und „X1“ Rückseite von „Gunter Frank Fiedler“ bis „Chemnitz“ könnten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einem einzigen Schrifturheber zugeordnet werden.; 2. Die Schriftzüge von „Andreas [De.]“ bis „76“ auf „X1“ Rückseite seien mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht urheberidentisch mit den übrigen Schriftzügen auf „X1“; 3. Die Schreibleistungen auf dem Lebenslauf Bu., „X2“ bzw. „X3“, und die Schriftzüge auf „X1“ Vorderseite sowie „X1“ Rückseite von „Gunter Frank Fiedler“ bis „Chemnitz“ seien mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht urheberidentisch; 4. Mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehe auch keine Urheberidentität zwischen den Schreibleistungen von „Andreas [De.]“ bis „76“ auf „X1“ Rückseite und den Schriftzügen auf „X2“ bzw. „X3“.
Dann geht es um das Geschlecht des Schrifturhebers. Hierzu könnten anhand des Schriftbildes keine wissenschaftlich begründeten Aussagen getroffen werden. Zum Vergleich der Schriftzüge mit Asservaten aus dem Bestand der „Zentralen Handschriftensammlung“ verliest Lang, dass das übersandte Schriftmaterial mit asservierten Schriftstücken verglichen worden sei, es hätten sich aber keine Anhaltspunkte für einen Urheberschaftszusammenhang zwischen den fraglichen Schriftzügen und Asservaten aus der „Zentralen Handschriftensammlung“ ergeben. Dann werden noch die Asservatennummern genannt, unter denen das untersuchte Schreibmaterial in der Handschriftensammlung asserviert wird. Es folgt die Mittagspause bis 12:53 Uhr.
Danach verliest Richterin Odersky ein weiteres Behördengutachten. Es handelt sich erneut um ein Schriftgutachten, diesmal vom 27.03.2012. Das Gutachten ist aufgebaut wie das erste Gutachten. Auftrag sei, in einem schriftvergleichenden Gutachten zu der Frage Stellung zu nehmen, ob das übersandte Material von Beate Zschäpe mit den im „BAO Trio“-Komplex vorliegenden fraglichen Schreibleistungen bzw. weiteren Asservaten aus der „Zentralen Handschriftensammlung“ urheberidentisch ist oder nicht. Dann werden die Schreibleistungen von Zschäpe benannt: ein Blatt DIN A4, Berufsausbildungsvertrag vom 01.11.1992 mit Unterschrift „Beate Zschäpe“; ein Doppelbogen DIN A4, Anmeldung zur Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Gärtner vom 20.04.1995 mit einer Unterschrift „B. Zschäpe“; ein Blatt DIN A5, Antrag vom 12.11.2011 mit Eintragungen: „12.11.2011“, „Ich melde mich“, „Hochachtungsvoll“ und einer Unterschrift „Beate Zschäpe“; ein Blatt DIN A5, Antrag vom 12.11.2011 mit Eintragungen: „12.11.2011“, „Ich möchte an“, „Hochachtungsvoll“ und einer Unterschrift „Beate Zschäpe“; ein Blatt DIN A5, Antrag vom 21.11.2011 mit Eintragungen: „4876/11/3“, „Hochachtungsvoll“ und Unterschrift „Beate Zschäpe“.
Dann folgen die bereits aus dem ersten verlesenen Gutachten bekannten Ausführungen zur Methode. Es wird ausgeführt, dass das Material überwiegend uneingeschränkt analysierbar sei. Dann geht es zunächst um den internen Vergleich der Schriftzüge. Die Analyse sei vor und unabhängig von der Einbeziehung von Vergleichsschriftmaterial erfolgt. Es sei zunächst abzuklären gewesen, ob die Schreibleistungen von ein- und derselben Person gefertigt worden sind oder mehrere Schrifturheber in Frage kommen. Einige Schreibleistungen auf den Schriftträgern stammten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Zschäpe und seien daher aus der Untersuchung herausgenommen worden; diese Schreibleistungen werden im Einzelnen benannt. Zum Ergebnis des Vergleichs der Schriftzüge mit Asservaten aus dem Bestand der „Zentralen Handschriftensammlung“ wird schließlich verlesen, dass zwischen dem Vergleichsschriftmaterial und dem aus dem „BAO Trio“-Komplex asservierten und bisher nicht identifizierten Schriftmaterial „Andreas [De.]“ bis „76“ [es handelt sich um Material, das im ersten verlesenen Schriftgutachten vom 06.12.2011 untersucht wurde]bestehe mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit Urheberidentität. Weitere Zusammenhänge mit Material aus der Handschriftensammlung hätten sich nicht ergeben.
Dann verliest Götzl den Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters beim BGH gegen Jürgen Länger vom 10.02.2012. Danach verliest Richter Kuchenbauer den Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters beim BGH gegen Enrico Theile vom 10.02.2012. Dann wird von Richter Kramer der schweizerische Durchsuchungsbeschluss gegen Hans-Ulrich Mü. vom 21.01.2012 verlesen. Schließlich verliest Richter Lang ein Behördengutachten des KT-Instituts des BKA vom 07.02.2012. Es geht um die Untersuchung mehrerer Asservate, Pulver, und Wischproben auf Explosivstoffe. Das Ergebnis der Untersuchungen ist, dass in den Wischproben keine relevanten Sprengstoffkomponenten hätten nachgewiesen werden können, dass es sich bei den Asservaten mit Pulver aber um Proben eines kommerziell hergestellten Schwarzpulvers handele.
Götzl fragt dann die Verteidigung Zschäpe, wann die Antworten auf die Fragen an Zschäpe zu erwarten seien. Zschäpe-Verteidiger RA Grasel sagt, er könne es konkret nicht sagen, man werde die Verhandlungspausen nutzen. NK-Vertreter RA Narin: „Ich werde dann mündlich morgen Stellung nehmen. Ich hatte eine schriftliche Stellungnahme erwartet und wollte schriftlich antworten. Ich werde dann umdisponieren.“ Der Verhandlungstag endet um 13:39 Uhr.
Das Blog „nsu-nebenklage“ kommentierte: „Heute wurde ein Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft vernommen zur kürzlich erfolgten Vernehmung einer Schweizerin, der Ehefrau des ersten Käufers der Mordwaffe Ceska, durch die Schweizer Behörden. Das Protokoll der Vernehmung soll voraussichtlich später verlesen werden. Die Zeugin war, wie auch ihr Ehemann, nicht in München erschienen. In einem Brief ans Gericht, in dem er dies mitteilte, hatte er aber mitgeteilt, er sei ‚der Schweizer Strohmann‘. Die Vernehmung der Zeugin war ohne konkrete Ergebnisse, sie gab an, sich nicht konkret zu erinnern. Ihr Ehemann hatte bei seiner Vernehmung angegeben, er habe die Ceska für einen Bekannten bestellt – über den gelangte die Waffe, so hat es die Bundesanwaltschaft ermittelt, dann nach Thüringen.“