Kurz-Protokoll 283. Verhandlungstag – 12. Mai 2016

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Am heutigen Verhandlungstag lässt Beate Zschäpe Antworten auf die Fragen des Senats verlesen. Zudem wird noch der Zeuge Thomas Mü. des BKA Meckenheim befragt zu einer Vernehmung, in der es um Waffenbeschaffungen ging.

Zeuge:

  • Thomas Mü., (BKA Meckenheim zur Vernehmung des Zeugen Jens L.)

Nach der Präsenzfeststellung wird als erster Zeuge Thomas Mü. [zuletzt 158. Verhandlungstag]vom BKA Meckenheim gehört. Es geht um die Vernehmung des Zeugen Jens L. [zuletzt 275. Verhandlungstag], Mü. soll Ablauf, Inhalt und Verhalten schildern. Thomas Mü. beginnt mit seiner Aussage. Der Zeuge L. sei auf schriftliche Vorladung des GBA geladen worden. Zuerst seien dem Zeugen drei Namen genannt worden, zu denen er sich habe äußern sollen. Zu Hans Ulrich Mü. habe er angegeben, der Name komme ihm bekannt vor, er könne ihn aber nicht zuordnen. Zu Enrico Theile: Dieser sei ein Randmitglied der Gruppierung von Ron E., er sei einer der „Soldaten“ gewesen, er habe Aufträge erledigt. Zu Jürgen Länger: Ohne Bild habe er nichts weiter zu der Person sagen können. Dann sei das Hauptthema abgehandelt worden: Waffenbeschaffung in der Gruppierung der E.s.

Der Zeuge L. habe zu diesem Thema folgendes angegeben: Die Zuständigkeit habe bei E. gelegen, die Waffen seien in Teilen aus der Schweiz und von einem Russen beschafft worden. Der Auftrag sei bei den E.s eingegangen, die Waffen seien im Vorhinein bezahlt worden und Leute hätten das ausgeführt. Auf Nachfrage habe er gesagt, das seien u.a. Mü. gewesen. Zu Mü. habe er nur gesagt, dass dieser aus Apolda komme, den Vornamen kenne er nicht. Der hätte bei der Waffenbeschaffung eine Rolle gespielt. Und aus anderen Gesprächen hätte er mitbekommen, dass es nun nicht mehr über Mü. aus Apolda laufe, dass man aber nun Waffen aus der Schweiz beschaffen könne. Die Frage, ob er selbst mal eine Waffe aus der Schweiz besessen habe, habe L. bejaht. Er wisse von einer Lieferung von Waffen aus der Schweiz, über zwei weitere sei gesprochen worden. Jeden Freitag habe einen Besprechung stattgefunden.
Auf die Frage, ob er Bedenken um seine persönliche Sicherheit habe, hab L. angegeben, mit der Geburt seiner Tochter habe sich sein Leben geändert. Mit seiner Aussage würde er in Jena einen Krieg anfangen und sein Leben und das seiner Tochter in Gefahr bringen. Vorhalt: War Ihnen bekannt damals, dass es drei untergetauchte Rechtsextremisten gab? – Ja, es wurde uns alles zugetragen, gefühlt war uns jeder Kleinkriminelle bekannt; zum damaligen Zeitpunkt fand eine Bewaffnung der rechten Szene Jena statt, jeder von denen wollte damals eine Waffe haben;
Mü. bestätigt.

Danach beantwortet Zschäpe-Verteidiger RA Borchert die Fragen des Senats an Beate Zschäpe.
Ich beantworte die mir gestellten Fragen des Senats wie folgt:
Fragen vom 05.04.2016
Frage: Wie verlief der Kontakt von Ihnen und Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu Holger Gerlach nach ihrem Untertauchen bis zu ihrer Festnahme?
Antwort: Im Jahre 1994 lernte ich Holger Gerlach über Uwe Böhnhardt kennen. Wir freundeten uns an.
[…]
Als wir in die Wohnung in der Heisenbergstraße in Zwickau eingezogen waren (Juli 2000 bis Mai 2001) besuchte uns Holger Gerlach ein oder zweimal. Es war ein freundschaftliches Wiedersehen, ohne dass ein besonderer Grund vorgelegen hätte. Nach unserem Einzug in die Polenzstraße in Zwickau trafen wir uns bis zum Jahr 2004 ein bis zwei Mal pro Jahr, entweder bei einem gemeinsamen Urlaub oder bei uns zu Hause. Zwischen 2005 und 2009 fanden nur noch Treffen zwischen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Holger Gerlach statt. Es gab keinen gemeinsamen Urlaub mehr und von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt weiß ich, dass sie sich pro Jahr ein bis zwei Mal mit ihm getroffen hatten. Zwischen 2009 und November 2011 war ich etwa drei Mal bei Treffen zwischen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Holger Gerlach dabei. Die Treffen fanden in Lauenau statt, wo Holger Gerlach mittlerweile wohnte. Die zwei letzten Treffen fanden im Frühjahr/Sommer 2011 statt. Der Grund der Treffen bestand darin, dass Uwe Böhnhardt einen neuen Reisepass brauchte. Der im Juni 2001 ausgestellte Reisepass verlor seine Gültigkeit. Deshalb fand im Frühjahr ein Treffen statt, um ein geeignetes Foto für den Reisepass zu fertigen. Im Sommer 2011 holte ich den Reisepass bei Holger Gerlach ab und übergab ihn an Uwe Böhnhardt, der krank war und mich darum gebeten hatte. Während unseres Aufenthaltes in der Frühlingsstraße hatte uns Holger Gerlach niemals besucht. […]
Uwe Böhnhardt wollte den Kontakt zu Holger Gerlach aufrechterhalten. Er wollte sicher sein, dass mit den auf Holger Gerlach ausgestellten Ausweisen alles in Ordnung und ihm der Führerschein nicht entzogen worden ist. Er wollte dies nicht telefonisch regeln.
Frage: Hat Holger Gerlach von ihrer Seite oder von Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos Informationen über die Taten bekommen?
Antwort: Ich hatte Holger Gerlach weder von den Morden noch von den Bombenanschlägen erzählt. Ich wollte über dieses Thema nicht reden, nicht mit Uwe Böhnhardt und nicht mit Uwe Mundlos, und schon gar nicht mit Holger Gerlach, dem ich nicht vertraute.
[…]
Ich weiß nicht, ob Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt ihm von den Mordtaten und von den Bombenanschlägen erzählt hatten. Er wusste jedoch, dass wir von Banküberfällen lebten. Ich selbst war weder bei der Übergabe des Geldes noch bei den Gesprächen über Banküberfälle dabei.[…]
Frage: Fuhren Sie und Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos nach dem Untertauchen 1998 nach Hannover zu Holger Gerlach?
Antwort: Ein paar Wochen nach unserem Untertauchen wollten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ich Holger Gerlach in seiner Wohnung in Hannover aufsuchen. Mit unserer Fahrt hatte es folgende Bewandtnis. Mit Hilfe des Thomas Starke waren wir in der Wohnung des Thomas Rothe in der Friedrich-Viertel-Straße 85 in Chemnitz untergekommen. Am 22. Februar 1998 (das Datum habe ich der Ermittlungsakte entnommen, weil ich keine konkrete Erinnerung daran habe) lief in der Sendung des MDR „Kripo Live“ eine Fahndung nach uns dreien. Thomas Rothe hatte dies mitbekommen und wollte, dass wir alsbald aus der Wohnung ausziehen. Deshalb sind wir nach Hannover gefahren, um Holger Gerlach zu fragen, ob er uns eine Wohnung besorgen könne. Wir konnten ihn in seiner Wohnung nicht antreffen. In der Innenstadt von Hannover gerieten wir in eine Drogenkontrolle. Uwe Mundlos wies sich mit dem Ausweis des Volker [He]. aus, den dieser ihm zuvor überlassen hatte. Darüber hinaus wurde das Kennzeichen des Pkw, mit welchem wir unterwegs waren, per Computerabfrage überprüft. Das Kennzeichen war gestohlen und wir befürchteten, dass wir nun verhaftet würden. Dies geschah jedoch nicht und wir konnten unbehelligt weiterfahren.
[…]
Frage: Könnten Sie bitte die in der Wette verwendeten Begriffe „Killer“ und „Cleaner“ erläutern?
Antwort: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt haben die Begriffe „Killer“ und „Cleaner“ für sogenannte „Ballerspiele“ im Rahmen von Computerspielen verwendet.
[…]
Fragen vom 19.04.2016
Frage: Wandten Sie sich mit Wissen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos an RA Eisenecker? Wie verhielten sich diese gegebenenfalls dazu?
Antwort: Sowohl Uwe Böhnhardt als auch Uwe Mundlos waren damit einverstanden, dass ich mich an Rechtsanwalt Dr. Eisenecker wandte. Die beiden wollten ebenfalls wissen, was sie im Falle einer Verurteilung zu erwarten hätten.
[…]
Frage: Wer hat das erbeutete Geld an welcher Stelle in der Wohnung versteckt bzw. aufbewahrt?
Antwort: Im Abstellraum befand sich eine Geldkassette. In dieser befanden sich in der Regel einige tausend Euro, um die Anschaffungen des täglichen Lebens zu finanzieren.
[…] In meinem Zimmer hatte ich kein Geld aufbewahrt. Das Geld, das ich benötigte, entnahm ich der Geldkassette. Uwe Mundlos hatte Geld hinter seinem Schrank deponiert, Uwe Böhnhardt unter seinem Bettkasten. Am 04. November 2011 konnte ich mit viel Mühe den Bettkasten hochheben und wollte das von mir dort vermutete Geld mitnehmen, konnte jedoch keines finden, was ich heute meiner damaligen Hektik zuschreibe.
Frage: Wer hatte auf das erbeutete Geld auf welche Art und Weise Zugriff?
Antwort: In der Polenzstraße hatte jeder Zugriff auf das Geld, welches sich in der Couch im Wohnzimmer befand. In der Frühlingsstraße hatte ich Zugriff auf die Geldkassette und bekam Geld von den beiden, wenn ich danach gefragt hatte. Entweder Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt füllten die Geldkassette auf, so dass der Inhalt immer zwischen 5.000,- € und 10.000,- Euro betrug.
[…]
Frage: Führten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bei ihrem Überfall am 04.11.2011 in Eisenach im Wohnmobil erbeutetes Geld aus früheren Überfällen mit sich, ggf. in welcher Höhe und zu welchem Zweck?
Antwort: Ich wusste nicht, wie viel Geld Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am Wochenende vor dem 04. November 2011 mitgenommen hatten. Ich kann deshalb auch nicht sagen, zu welchem Zweck sie es mitgenommen hatten. Ich wusste zwar, dass sie immer Geld bei sich hatten, wenn sie das Haus verließen, wusste jedoch nicht, in welcher Höhe. Deshalb bin ich heute mehr als erstaunt darüber, dass im Wohnmobil 112.207, 29 € gefunden wurden. Abzüglich der Beute vom gleichen Tag hatten Sie vorher anscheinend etwa 40.000, 00 € von zuhause mitgenommen. Damals wusste ich nicht, dass sie einen solch hohen Betrag mitgenommen hatten und ich kenne den Grund dafür nicht.
Frage: Zu Ralf Wohlleben. Seit wann kennen Sie Ralf Wohlleben? Wie häufig und zu welchen Gelegenheiten hatten Sie Kontakt zu ihm ? Wie war ihr Verhältnis zu ihm ?
Antwort: Mit Kennenlernen des Uwe Böhnhardt hatte ich auch Ralf Wohlleben kennengelernt, weil diese miteinander befreundet waren. Zwischen 1994 und 1998 trafen wir uns anfangs sehr oft, auch ab und zu während der Woche, in der letzten Zeit bis 1998 dann etwas weniger, jeweils an den Wochenenden. Das Verhältnis würde ich als gut, beziehungsweise freundschaftlich bezeichnen. Nach 1998 hatte ich ihn zwar noch zwei bis dreimal gesehen, aber zu einem persönlichen Beisammensein kam es nicht mehr.
[…]
Frage: Haben Sie von Holger Gerlach eine Versichertenkarte für Arztbesuche erhalten und haben sie diese gegebenenfalls benutzt?
Antwort: Holger Gerlach hatte mir etwa im Jahr 2006 eine Krankenversicherungskarte, ausgestellt auf den Namen Silvia Ro., besorgt. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten ihn mit der Begründung darum gebeten, dass es mir gesundheitlich sehr schlecht gehe. Mit dieser Krankenversicherungskarte hatte ich zwei bis drei Mal einen Zahnarzt aufgesucht.
Frage: Weswegen hielten sie sich zusammen mit Uwe Böhnhardt in der in Jena angemieteten Garage auf? Welche Situation fanden Sie dort vor? Was befand sich in der Garage?
Antwort: Ich war mit Uwe Böhnhardt geschätzte drei bis vier Mal an der Garage. Ich erinnere mich, dass Uwe Böhnhardt einmal sein Auto vor der Garage gewaschen hatte. Ich erinnere mich an ein weiteres Mal, dass er dort Werkzeug deponiert hatte und wir anschließend sofort wieder weiterfuhren. Wie bereits in meiner Stellungnahme vom 09. Dezember 2015 geschildert sah ich die Garage als Aufbewahrungsort für Propagandamaterial, wobei ich ab Frühjahr/Sommer 1997 wusste, dass auch Schwarzpulver dort gelagert wurde. Heute habe ich kein Bild mehr vor Augen, wie es in der Garage damals ausgesehen hatte. Ich kann nicht mehr sagen, welche Gegenstände sich in der Garage befunden hatten.
Frage: Welche Informationen haben Sie zu Aufenthalten und/oder Aktivitäten von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in dieser Garage?
Antwort: Dazu kann ich nichts sagen, weil ich nie dabei war, wenn beide in der Garage waren. Sie haben mir auch nie gesagt, wann und zu welchem Zweck sie zur Garage fahren. Ich wusste jedoch nachträglich von beiden, dass sie in der Garage eine Holzkiste und eine Bombenattrappe gebaut hatten/die den Eindruck erwecken sollten, dass es sich um eine „Kofferbombe“ handelt.
[…]
Frage: Wie lief der Besuch Holger Gerlach’s im Sommer 2001 in der Wohnung in der Polenzstraße in Zwickau ab?
Antwort:
[…] Der Geschehensablauf, wie von Holger Gerlach in seiner Einlassung zur Sache vom 06.06.2013 dargestellt, entspricht zum Teil nicht den Tatsachen. Ich war bei der Übergabe der Waffe nicht dabei. Wenn Holger Gerlach davon spricht, wir drei hätten ihn für den Transport der Waffe benutzt, wir drei hätten ihn beschwichtigt und beruhigt und ihm zu verstehen gegeben, dass dies eine Ausnahme gewesen sei, und wir drei hätten uns bei ihm entschuldigt, so möchte ich betonen, dass ich bei einem solchen Gespräch ebenfalls nicht dabei war. […]
Nach der Verlesung fragt Götzl die Angeklagte, ob das ihre Antworten seien. Sie nickt. Der Verhandlungstag endet um 12:50 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/05/12/12-05-2016

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