An diesem Verhandlungstag wird die Befragung von Reinhard Görlitz, dem ehemaligen V-Mann-Führer von Carsten Szczepanski alias V-Mann Piatto, zuende geführt. Weiterhin gibt sagt er zumeist aus, entweder nichts mehr zu wissen oder nicht informiert worden zu sein. Danach stellt eine Vertreterin der Nebenklage einen Beweisantrag zum „NSU-Brief“ und der Auswertung des Neonazi-Zines „Weisser Wolf“.
Zeuge:
- Reinhard Görlitz (LfV Brandenburg, V-Mann-Führer von V-Mann „Piatto“ / Carsten Szczepanski)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Heute wird die Einvernahme des Zeugen Reinhard Görlitz fortgesetzt [zuletzt 266. Verhandlungstag]. Görlitz hat erneut seinen Zeugenbeistand RA Butz Peters dabei und ist erneut verkleidet. Götzl verliest die erweiterte Aussagegenehmigung des Innenministeriums Brandenburg vom 03. April 2016. Die Aussagegenehmigung wird erweitert hinsichtlich der „nachrichtendienstlichen Quelle Piatto“ auf die gesamte Zeit von 1994 bis 2000. Darüber hinaus wird Görlitz ein Aussagegenehmigung erteilt hinsichtlich Toni Stadler und Nick Greger als Kontaktpersonen von Carsten Szczepanski für den gesamten Zeitraum.
RA Klemke: „Haben Sie in Zusammenhang mit der V-Person Piatto Kenntnis von einem Rohrbombenbau?“ Görlitz schweigt kurz und sagt dann: „Piatto hat im Zusammenhang mit Nick Greger über einen Rohrbombenbau berichtet.“ Klemke: „Also die Rohrbombe soll der Nick Greger gebastelt haben?“ Görlitz: „Nick Greger erzählte, dass er Rohrbomben teste und diese mit einem Kameraden dann zur Explosion bringen wollte.“
Klemke: „Haben Sie irgendwas mit dieser Info angefangen?“ Görlitz: „Ich habe sie aufgeschrieben und an die Auswertung weitergeleitet, die aufgrund auch eines Vermerks Anfang März 2000 sehr daran interessiert war, an Erkenntnissen über Nick Greger, weil Greger bei seiner Haftentlassung im Jahre 1999 gegenüber Mitgefangenen geäußert haben soll, dass er beabsichtige, eine jüdische Synagoge in Dresden in die Luft zu jagen. Und daraufhin kam auch Anfang März ein Auftrag der Auswertung, hier ein besonderes Auge auf den Herrn Greger zu werfen.“
Klemke: „Gab es Verbindungen zwischen Herrn Szczepanski und Herrn Toni Stadler?“ Görlitz: „Verbindungen? Sie haben sich getroffen, ja.“ Klemke: „Hat Ihnen gegenüber der Herr Szczepanski in Bezug auf Toni Stadler Waffenbeschaffungsaktionen erwähnt?“ Görlitz: „Nein, Piatto hat hier lediglich über die rechtsextremistische Musikszene berichtet in Zusammenhang mit Stadler.“
Klemke: „Hat Piatto Mitteilungen gemacht bzgl. Greger, ob dieser Waffen besorgt hatte oder sich Waffen besorgen wollte?“ Görlitz: „Er hat zweimal berichtet. Einmal von dieser Rohrbombengeschichte im April. Und dann nochmal berichtet im März, da hat, auch wieder auf einer Kameradschaftssitzung, Nick Greger erzählt, dass er Waffen, Panzerminen in Sachsen versteckt habe. Das war eine Reaktion auf eine provokante Äußerung eines weiteren Kameraden, der ihm vorwarf, er solle sein Geld nicht für Propagandamaterial ausgeben, sondern sich Waffen beschaffen. Daraufhin kam es zu der Äußerung Gregers, Panzermine. [phon.]“
NK-Vertreter RA Bliwier: „Herr Görlitz, ich würde gerne mit Ihnen nochmal einen Teil des Fragenkatalogs quasi abarbeiten, die Sie in Ihren Unterlagen dabei hatten.“ Bliwier sagt, es gehe um die Besprechung im Innenministerium Brandenburg, Grundlage sei eine Information zu Jan Werner. Bliwier hält noch einmal die bekannte Meldung zur geplanten Waffenbeschaffung für Jan Werner vor. Görlitz: „Das sagt mir was.“ Bliwier: „In der Folge zu diesem Quellenbericht hat im Innenministerium Brandenburg eine Besprechung stattgefunden, mutmaßlich am 17.09. Herr Görlitz, 17.09., Innenministerium Brandenburg, haben Sie eine Erinnerung an diese Besprechung?“ Görlitz: „Nein, habe ich nicht.“
Bliwier: „Halte Ihnen vor, der Teilnehmer Schrader soll ausweislich des Protokolls Untersuchungsausschuss Bund in Bezug auf den Anlass der Besprechung geschildert haben.“ Vorhalt: Wir haben zunächst diese Deckblattmeldung bekommen von Brandenburg und wollten mit Brandenburg telefonisch klarkommen, dass wir das weitergeben können. Das haben die Brandenburger vehement abgelehnt. Dann haben wir vorgeschlagen, dass wir da eine Besprechung führen, sind nach Potsdam gefahren, haben darüber gesprochen. Es muss einen Vermerk geben, ich habe einen gefertigt, sinngemäß dass wir gegen die Meinung der Brandenburger diese Meldung an die Polizei weitergeben. Muss irgendwo in den Akten stehen. [phon.]
Bliwier: „Wie ist Ihre Erinnerung hinsichtlich der Weitergabe des Vermerks an andere Dienststellen?“ Görlitz: „Dazu kann ich nichts mehr sagen. Ich kann nur noch sagen, dass die dortigen Teilnehmer eine andere Ebene als ich waren. Ich war Sachbearbeiter und das waren Referatsleiter.“
Vorhalt aus der Aussage des Zeugen Fahrenholt beim Bundestags-UA: Also Brandenburg hat einen klare Linie gefahren: Das LfV Thüringen darf informell das LKA Thüringen informieren, eine schriftliche Information wurde damals verweigert. Vorhalt aus der Aussage des Zeugen Schrader: Wir haben mit Brandenburg einen richtigen Disput gehabt, weil die Brandenburger sagten: Wir geben diese Meldung nicht frei. [phon.] Bliwier: „Kommt da eine bessere Erinnerung?“ Görlitz: „Ich betone nochmals: Ich war Sachbearbeiter und war in den Entscheidungsprozess nicht involviert.“ Bliwier: „Haben Sie irgendjemand danach gefragt wie jetzt mit dieser Meldung umgegangen wird?“ Görlitz: „Nein.“ Bliwier: „Haben Sie erfahren, dass das LKA Thüringen informiert worden war über diese Mitteilung?“ Görlitz: „Nein.“
Bliwier: „Die Zeugen Nocken und Schrader sind nach dieser Unterredung noch ins LKA nach Erfurt gefahren, um dem Präsidenten, Herrn Luthardt, das vorzutragen.“ Vorhalt der Aussage des Zeugen Schrader beim Bundestags-UA: Wir sind extra abends – weil wir nicht wussten, wie wir diese Meldung anders rüberbringen sollten, sie war uns einfach zu heiß um sie auf Arbeitsebene rauszuplaudern – deshalb sind wir abends extra hingefahren zu Luthardt. Vorhalt der Aussage des Zeugen Nocken: Wir haben es trotzdem getan, nicht dokumentiert, aber auf mündlich Art und Weise dem Präsidenten in einem vertraulichen Gespräch. Bliwier: „Ich habe Ihnen vorgehalten die Aussage des Zeugen Schrader, dass der zusammen mit Nocken zum Präsidenten gefahren ist, weil die Meldung zu heiß gewesen sei. Wissen Sie etwas über einen Besuch Schrader und Nocken bei Herrn Luthardt?“ Görlitz: „Ich weiß nichts darüber. Ich weise nochmal darauf hin: Ich bin die Arbeitsebene!“ Bliwier: „Sie haben auch hinterher nicht erfahren, dass es diesen Besuch gegeben hat?“ Görlitz: „Nein.“
NK-Vertreter RA Narin: „Noch eine Frage: Ihnen wurde mehrfach die Meldung [phon.] vorgehalten, es sollte eine Waffe beschafft werden, um ‚weitere Überfälle‘ [phon.] zu begehen. Wurde in Ihrer Behörde thematisiert, ob es vorangegangene Überfälle gegeben hat?“ Görlitz: „Ist mir nicht in Erinnerung, nein.“ Um 11:41 Uhr wir der Zeuge Görlitz entlassen.
RA Bliwier gibt eine Erklärung ab: „Die Nebenklage Yozgat hatte ja dieses Thema unter Beweis gestellt. Umgang des LfV Brandenburg mit dieser Mitteilung unter dem Gesichtspunkt: Hätte man damals bei ordnungsgemäßer Abwicklung, bei Zurverfügungstellen der Information zumindest einen mitgeteilten Raubüberfall mit Schusswaffe verhindern können? Ich habe erhebliche Zweifel, dass der Zeuge uns hier die Wahrheit sagt. Deshalb weil es kaum vorstellbar ist, dass der Zeuge als derjenige, der die Quelle führt, nicht informiert wird, wie mit der Information umgegangen wird, die so brisant war laut anderen Zeugen, dass Teilnehmer der Besprechung noch direkt zum Präsidenten des LKA Thüringen gefahren sind, um den zu informieren.“
Dann verliest NK-Vertreterin RAin Von der Behrens einen Beweisantrag: In der Strafsache
./. Zschäpe u.a. 6 St 3/12 wird im Folgenden ein Beweisantrag gestellt, der an die ursprüngliche Ladung der Zeugen David Petereit und Torsten Wa., beide im Jahr 2002 Empfänger des so genannten NSU-Briefes, anknüpft.
Der Zeuge Wa. gab in seiner polizeilichen Vernehmung an, den NSU-Brief, dem ein 500-Euro-Schein beigelegt war, im Jahr 2002 erhalten zu haben. Der Zeuge Petereit wollte sich in seiner polizeilichen Vernehmung nicht daran erinnern, ob er den Brief mit einer Geldspende erhalten hatte. Allerdings wurde der NSU-Brief, adressiert an den Weissen Wolf, bei der Durchsuchung bei dem Zeugen Petereit sichergestellt. Mit dem Verschicken des Briefes hatte der NSU nach vier Morden und zwei Bombenanschlägen den Schritt gemacht, sich und seine Ziele in der Szene in einer neuen Form mit einer größeren Reichweite bekannt zu machen und so um weitere Unterstützer zu werben. Im Hinblick auf die erwartete Ladung des Zeugen David Petereit wird bereits jetzt beantragt:
1. die Deckblattmeldung des Ministeriums für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern, Abteilung für Verfassungsschutz vom 9. April 2002 beizuziehen und in der Hauptverhandlung zu verlesen zum Beweis der Tatsache, dass es in den Dokumenten heißt, dass nach Informationen des V-Mannes bei dem Fanzine der Weisse Wolf eine anonyme Spende in Höhe von 2.500 Euro eingegangen ist und dass dieser Spende ein Brief, in dem es sinngemäß hieß: „Macht weiter so, das Geld ist bei Euch gut aufgehoben!“, beigefügt war.
Weiter wird unter 2. beantragt, den Erstauswerter des BfV, der das Heft Weisser Wolf Nr. 18 aus dem Jahr 2002 ausgewertet hat, über das BfV zu laden, und zum Beweis der Tatsache zu hören, dass durch den Zeugen die Information des V-Mannes des VS Mecklenburg-Vorpommern zu der Spende an den Weissen Wolf und die Grüße an den NSU mit dem Zusatz „es hat Früchte getragen“ in dem Heft Nr. 18 des Weissen Wolfs im Herbst 2002 dahingehend ausgewertet worden sind, dass eine sich NSU nennende rechte Vereinigung über erhebliche Geldmittel verfügt und diese der Szene zur Verfügung stellt und dass aufgrund dieser Erkenntnisse die Auswertungsabteilung den Auftrag an die Beschaffung des BfV und an den VS Mecklenburg-Vorpommern gegeben hat, mit nachrichtendienstlichen Mitteln abzuklären, welche weiteren Erkenntnisse es zu der Spende und dem Absender gibt, wer hinter dieser Vereinigung steht und aus welchen Quellen die Personen über die erheblichen Geldmittel verfügen.
Nach den Angaben des Erstauswerters gegenüber dem Sonderermittler Montag in einer „informellen Anhörung“ wurde diese Ausgabe Nr. 18 von ihm und weiteren 12 Auswertern in der Zeit von Oktober 2002 bis Januar 2003 ausgewertet. Er hätte dem Gruß auf Seite zwei keine Bedeutung beigemessen, „andere Teile des umfangreichen Hefts [seien]wichtiger gewesen als der ‚Dank an den NSU‚“. Mit dem Begriff hätte er damals nichts anfangen können.
Die Version des BfV, die Grüße seien nicht weiter ausgewertet und nicht mit der Spendenmeldung zusammengebracht worden, ist nicht glaubhaft.
Der Verhandlungstag endet um 13:12 Uhr.
Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/06/16/16-06-2016/
Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.