An diesem Prozesstag sind zwei Polizeibeamt_innen geladen. Ca. sagt erneut zu den in der Frühlingsstraße in Zwickau aufgefundenen Zeitungsartikeln aus. Dabei geht es um gefundene Fingerabdrücke auf zwei Artikeln, die in Augenschein genommen werden. Diesbezüglich wird erneut eine „Vorläuferversion“ des NSU-Bekennervideos in Augenschein genommen. Danach sagt Wa. dazu aus, wie in dem Internetcafé von Halit Yozgat nach dem Mord die Einloggzeiten an Computern und Telefonen festgestellt wurden. Im Anschluss daran geht es erneut um die Schweizer Beteiligten am Lieferweg der Mordwaffe Ceska.
Zeug_innen:
- Christian Ca. (BKA Wiesbaden, Tatortarbeit, Auswertung von Asservaten)
- Sabine Wa. (ehem. PP Nordhessen, Auswertung von Computerzeiten im Internetcafé, Mordfall Halit Yozgat)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:50 Uhr. Erster Zeuge ist KHK Christian Ca. Götzl sagt, man habe Ca. bereits gehört und wolle ihn nun ergänzend vernehmen: „Es geht uns um zwei Asservate, 2.12.377.10 und 2.12.377.51. Wir hatten Sie dazu schon befragt.“ Es gehe ihm zunächst um dieses letztgenannte Asservat, so Götzl, und da um die Lage der Fingerspuren. Dann wird das Asservat 2.12.3.77.51 im Original, eingepackt in Folie, in Augenschein genommen. Dazu geht Ca. nach vorn an den Richtertisch. Bei dem Asservat handelt es sich um einen Zeitungsartikel der Münchener „tz“ über den Mord an Habil Kılıç. Zu lesen ist u.a.: „München. Sie wollten Lutscher kaufen.“ Ca. legt das Asservat, das aus zwei Teilen besteht so hin, dass die ganze Zeitungsseite erkennbar ist. Ca.: „Und die Fingerspur, um die es geht, die liegt quasi hier oben.“
Stahl: „Haben Sie noch Erinnerungen, ob Sie oder Kollegen Wahrnehmungen dazu gemacht haben, ob Sie auf demselben Asservat weitere Fingerspuren gefunden haben?“ Ca.: „Meines Wissens auf dem Asservat nur die eine Fingerspur.“ Stahl: „Haben Sie Erkenntnisse getroffen, um welchen Finger es sich handelt?“ Ca.: „Ist als Spurensicherer nicht meine Aufgabe. Das erfolgt, wie ausgeführt, im entsprechenden Fachreferat.“
Es wird dann das Asservat 2.12.377.10 in Augenschein genommen, ein ganzseitiger Zeitungsartikel des „Express“ aus Köln (Überschrift: „Es sollten viele Menschen sterben“). Ca.: „Ja, das ist jetzt die eine Seite von dem Zeitungsartikel.“ Ca. dreht das Asservat um: „Das ist die andere Seite und hier unten eingezeichnet die relevante Fingerspur, um die es geht, wobei man das hier im Original auch wieder besser sieht als auf dem Bildschirm.“
Stahl: „Auch hier meine Frage: Haben Sie Kenntnisse davon, ob weitere daktyloskopische Spuren auf dieser Seite festgestellt worden sind?“ Ca.: „Auf dem Asservat nur die eine.“ [phon.] Stahl: „Keine einzige andere? Ich frage nicht nur nach verwertbaren Spuren und nicht speziell nach Spuren von Frau Zschäpe.“ Ca.: „Nee, da war keine andere.“
Danach folgt die Einvernahme der Zeugin Sabine Wa., Kriminalbeamtin, heute in Duisburg. Götzl: „Es geht um von Ihnen durchgeführte Ermittlungen zum Zeitablauf am 06.04.2006 im Hinblick auf PCs, Telefongespräche und Einsatzprotokolle.“ Wa.: „Wir haben zum damaligen Zeitpunkt feststellen wollen, den Tatzeitpunkt eingrenzen wollen, und deswegen habe ich einen Auswertebericht unserer Dienststelle bekommen, die haben uns die Zeitangaben gegeben, die habe ich in Vermerkform verfasst: Wer war wann wie lange im Internetcafé eingeloggt?“ Götzl: „Wer hat Ihnen jetzt was gegeben?“ Wa.: „In jedem Präsidium gibt es ein Referat [phon.], was nur Auswertungen macht, z. B. Handys. Und die hatten die PCs aus dem Internetcafé, die haben mir die Sachen gegeben und ich habe sie in Vermerkform verfasst. Die haben ausgewertet, wer sich wann eingeloggt hat. Die haben alle Computer im Internetcafé ausgewertet. Und von den Telefongeschichten genau das gleiche. Aber da war das so eingestellt, dass die Zeiten immer auf Null zurückspringen, so dass die das abrechnen konnten.“ Götzl: „Mir geht’s ums Prozedere.“ Wa. sagt, im Normalfall sei es so, dass das schriftlich aus den Computern rausgezogen und eben runtergegeben werde zu dem entsprechenden Sachbearbeiter.“ Die Zeugin wird entlassen.
Götzl: „Ja, wir wollten dann nochmal in Augenschein nehmen, die so genannte zweite Vorgängerversion des NSU-Bekennervideos.“ Das Video wird abgespielt und an die Leinwände projiziert. Danach sagt Götzl in Richtung des dafür zuständigen Justizangestellten: „Ist es möglich, dass Sie bestimmte zeitliche Einstellungen direkt nochmal anspielen?“ RA Stahl: „Wir hatten dieses Dokument ja schon mal in Augenschein genommen. Der prozessuale Zweck jetzt ist welcher?“ Götzl: „Im Hinblick auf die Zeitungsartikel heute geht’s mir drum, einen Abgleich per Augenschein vorzunehmen. [phon.] Deswegen möchte ich auf bestimmte Bilder eingehen. Ist es möglich, bei 3 Minuten, 12 Sekunden uns die Bilder nochmal zu zeigen?“ Es wird die Sequenz zum Mord an Habil Kılıç gezeigt. Götzl: „Der Hinweis an Sie noch: Uns liegt der Bericht N37 Blatt 189f, auf Blatt 193/194 [phon.] ist dieses Asservat 2.12.377.51 angesprochen. Und im Vermerk sind Lichtbilder angesprochen, auch das bitte ich noch anzusehen. Wir können uns auch dann die entsprechenden Zeitungsausschnitte nochmal anschauen.“
NK-Vertreter RA Reinecke: „Ich würde eine Erklärung nach § 257 abgeben wollen: Dieses Video wird immer als Vorgängerversion des Paulchen-Panther-Videos bezeichnet, was meiner Meinung nach etwas irreführend ist, weil es den Eindruck erweckt, dass es gewissermaßen eine Materialsammlung für das spätere ist. Es handelt sich aber, wie wir gesehen haben, um ein in sich abgeschlossenes Video in Bild und Ton. Es wird ein Song beendet [phon.] mit der Botschaft: ‚Wir kommen wieder.‘ Das heißt, dieses Video war offenbar dazu gedacht, schon zu diesem Zeitpunkt öffentliche Aufmerksamkeit zu wecken. Es muss dann im Trio einen Diskussion gegeben haben, dass man dieses fertiggestellte Video nicht auf den Markt wirft, sondern zunächst zurückhält. Und ich gehe davon aus, dass eine solche Diskussion nicht ohne Frau Zschäpe stattgefunden hat.“
RA Stahl: „Natürlich ist der Sinn und Zweck von Erklärungen nach 257 StPO, dass man auf die unmittelbar vorausgegangene Beweisaufnahme Bezug nehmen kann, aber ich bin der Auffassung, sie sollten wenigstens ansatzweise Hand und Fuß haben. Und es ist eine vollkommene Spekulation, es habe innerhalb eines Trios oder des Trios dann eine Diskussion gegeben, das widerspricht auch den bisherigen Feststellungen in der Hauptverhandlung.“
Götzl: „Ja, dann geht es noch darum, um Verlesung der richterlichen Vernehmung Hans-Ulrich Mü. durch den Gerichtspräsidenten Staudenmann. Richter Kuchenbauer verliest das Protokoll der Vernehmung Mü.s vom 10.02.2012 durch Gerichtspräsident Staudenmann. Zur Sache habe Mü. angegeben, dass er seine Aussagen ggü. Polizei und StA bestätige und keine Korrekturen zu seinen Aussagen zu machen habe. Auf Frage habe Mü. bestätigt, dass er mit Waffen gehandelt habe. In welchem Zeitraum könne er nicht genau sagen, meine aber, dass es Ende der 1980er bis Ende der 1990er gewesen sein könne. Er habe nicht Buch geführt, wie viele Waffen er dabei ge- und verkauft habe: „Es dürften nicht allzu viele gewesen sein.“
Mü. habe für die genannte Zeit von 15 bis 20 Stück gesprochen. Gekauft habe er die Waffen von Waffengeschäften und Privatpersonen. Mü. habe „Schl. & Zb.“ in Bern, „Gr. Waffen“ in Thun sowie „Schw. Waffen“ in Bern genannt. Privat bezogen habe er die Waffen z. T. auf Vermittlung; die Personen könne er nicht mehr nennen. Auf Frage, ob er nur an Kunden aus der Schweiz verkauft habe, habe Mü. gesagt, er habe sehr viele Waffen an Personen im Wallis verkauft, ihm sei aber nicht bewusst, jemals an Ausländer Waffen verkauft zu haben. Die Frage, ob er an Personen aus Deutschland verkauft habe, habe Mü. verneint und gesagt, dass er keine Waffe ins Ausland transportiert habe bis auf eine, die er im Fahrzeug vergessen habe. Der Verhandlungstag endet um 13:02 Uhr.
Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.
Die vollständige Version des Protokolls ist hier zu finden.