An diesem Verhandlungstag beantragt die Verteidigung von Beate Zschäpe zunächst, Fragen der Nebenklagevertreter_innen an ihre Mandantin als unzulässig zurückzuweisen. Dem wird von den Anwält_innen der Nebenklage widersprochen. Dann werden weitere Anträge von den Prozessbeteiligten gestellt.
Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Ich bitte um das Wort für eine andere prozessuale Aktivität [phon.], hat nichts mit dieser Sache zu tun. Wir, Frau Sturm, Kollege Stahl und ich, beanstanden folgende, am 295. Hauptverhandlungstag durch Vertreter der Nebenkläger an unsere Mandantin gerichtete Fragen und beantragen, diese als ungeeignet bzw. nicht zur Sache gehörend zurückzuweisen.“ Heer beginnt damit, Fragen von NK-Vertreter RA Scharmer zu beanstanden. Beispielsweise sagt er, die Frage, seit wann Zschäpe Robin Schmiemann kenne etc. sei nicht zur Sache gehörend. Dann geht es um Fragen von RAin von der Behrens. Unter anderen nennt Heer die Frage, welche Internetcafés Mundlos und Böhnhardt in Chemnitz und Zwickau und/oder anderen Orten zum Surfen im Internet aufgesucht hätten, als nicht zur Sache gehörend.
Es folgen Fragen von RAin Başay. Zum Beispiel sagt Heer, die Frage zur „Hetendorfer Tagungswoche“ sei nicht zur Sache gehörend. Es folgen dann Fragen von RA Stolle: U.a. die Frage nach dem Lied „5. Februar“ von „Eichenlaub“ sei nicht zur Sache gehörend. Dann geht es um eine Frage von RA Hoffmann: Die Frage zu Marcel Ch. sei nicht zur Sache gehörend. Es folgt eine Frage von RA Behnke: Die Frage nach der Mitgliedschaft in einer DDR-Jugendorganisation etc. sei nicht zur Sache gehörend. Dann geht es um Fragen von RAin Luczak. Beispielsweise sagt Heer, die Frage: „Waren Sie am 07.05.2000 in Berlin? Wenn ja, mit wem waren Sie zusammen dort und was war der Zweck des Besuchs?“ Heer setzt dann mit den Beanstandungen zu Fragen von RA Narin fort, so sei u.a. die Frage nach Kontakt zu Rockern oder anderen kriminellen Gruppierungen sei nicht zur Sache gehörend.
Es geht dann weiter mit Fragen von RAin Busmann. Heer nennt zum Beispiel die Frage: „Was war der Grund, den Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos für Fahrten nach Hamburg angegeben haben?“ als ungeeignet. Dann macht Heer allgemeine Ausführungen: Es ist geboten, durch prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden die Beschränkung des Fragerechts der oben genannten Nebenklägervertreter in dem bezeichneten Umfang anzuordnen.
Götzl: „Wir werden den Antrag kopieren, ein Pause einlegen und dann können Sie Stellung nehmen, wobei ich zunächst den Nebenklägervertretern Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen will.“ RA Hoffmann: „Ich möchte sofort etwas erwidern. Diese Beanstandungen, insbesondere unter Verweis auf das Beschleunigungsgebot, empfinde ich als anmaßend und ungeheuerlich.“
RA Scharmer: „Ich würde grundsätzlich etwas dazu sagen wollen: Wir haben ein etwas ungewöhnliches Prozedere, was die Einlassung von Frau Zschäpe betrifft.“ Das sei im Grunde nicht so, wie es die StPO vorsieht, sondern im Grunde zivilprozessual, so Scharmer, man reiche Fragen ein und dann reiche Zschäpe Antworten ein. [phon.] Das mache es, so Scharmer weiter, schwierig Aufbaufragen zu stellen.
Götzl fragt RA Grasel, ob er jetzt eine Erklärung Zschäpes verlesen wolle. Grasel: „Das war zunächst so geplant. Wir werden jetzt zunächst abwarten müssen, wie sich das mit den Beanstandungen entwickelt und wie der Senat entscheidet. Das einzige was ich heute noch verlesen könnte, wäre die von mir vorbereitete 257er-Erklärung zu den Urlaubsfotos.“ Dann verliest Grasel die Erklärung: „Meine Mandantin hat angegeben, dass es zwischen 2005 und 2009 keine gemeinsamen Urlaube mit Holger Gerlach gab. Das entspricht nach wie vor ihrer Erinnerung. Aufgrund der Lichtbilder ist aber davon auszugehen, dass Holger Gerlach 2006 am Urlaubsort anwesend war. Es kann sich dabei nur um einen Tagesbesuch gehandelt haben, an den sich die Mandantin nicht mehr erinnert.“
Danach gibt Klemke eine Erklärung zur Vernehmung des Zeugen Kl. ab: „Die Vernehmung des Zeugen Sven Kl. ist ein gutes Beispiel dafür, welche Gefahren aus Vorhalten für die Erforschung der Wahrheit hervorgehen können. Vorhalte haben nämlich die Tendenz, dass sie eine suggestive Wirkung im Zeugen hervorrufen können, dass Erinnerungsbilder verfälscht oder kreiert werden. Hier hat Kl. ausgesagt, er habe von dieser Schlägerei, an der er beteiligt gewesen sein soll, erst in seiner polizeilichen Vernehmung erfahren. Trotz Vorhalts konnte Kl. sich nicht erinnern, dass er zweimal vom BKA vernommen worden ist. Weiter hat er angegeben, dass es sehr gut sein könne, dass es so eine Schlägerei gegeben habe, er habe aber keine Erinnerung.“
Klemke weiter: „An die Schlägerei konnte sich bisher kein Zeuge erinnern, abgesehen vom Kronzeugen Carsten Schultze. [phon.]“ Dann beantragt Klemke, die Vernehmungsbeamten der Vernehmung von Sven Kl. vom 20.06.2013, die Beamten Fr. und Kl., zu laden und zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass Sven Kl. bei der Vernehmung angegeben habe, er könne sich an einen derartigen Vorfall überhaupt nicht erinnern und habe sich nie an so einer Schlägerei beteiligt.
Götzl: „Soll Stellung genommen werden?“ Hoffmann: „In einem Satz: Die Zeugenvernehmung hat keinerlei Zweifel an den Angaben des Angeklagten Schultze in Bezug auf diesen Sachverhalt ergeben.“
Dann verliest RAin Başay den Beweisantrag, den Zeugen Thomas Gerlach erneut zu laden und zu vernehmen: Der Zeuge wird bekunden, dass Ralf Wohlleben u. a. im März 2008 die Emailadresse derrosarotepanther [at] [nennt einen E-Mail-Provider] benutzt hat. Weiter wird beantragt, sämtliche schriftlich dokumentierte Ermittlungshandlungen des BKA beizuziehen, die sich auf Ermittlungen zur der Emailadresse derrosarotepanther [at] [nennt einen E-Mail-Provider]beziehen, und Akteneinsicht in diese zu gewähren. Die Beweisaufnahme wird ergeben, dass der Angeklagte Wohlleben nach Fertigstellung des NSU-Bekennervideos und vor dem 4. November 2011 die Emailadresse derrosarotepanther [at] [nennt einen E-Mail-Provider]verwandt und diese mit dem Nutzernamen „Wolle“ verbunden hat.
Die Beweisaufnahme ist erheblich, da die unter Beweis gestellte Tatsache den Schluss nahelegt, dass dem Angeklagten Wohlleben die Existenz des letzten Bekennervideos bereits spätestens im Jahr 2008 bekannt war.
Dann stellt RAin Von der Behrens einen Beweisantrag: In der Strafsache ./. Zschäpe u.a. 6 St 3/12
wird beantragt, [u.a.] die in dem als Anlage 1 beigefügten Zeitungsartikel aus der Deutschen Stimme Nr. 10 von 2001, S. 10, unter der Überschrift „Den Völkern die Freiheit – Den Globalisten ihr globales Vietnam!“ abgedruckte Erklärung zu verlesen.
Begründung: Die beantragte Beweiserhebung ist hinsichtlich der als Zeitungsartikel beigefügten Erklärung „Den Völkern Freiheit – Den Globalisten ihr globales Vietnam“ erheblich, weil sie zeigen wird, dass der Thüringer Heimatschutz und damit auch der Angeklagte Wohlleben als einer der Führungsfiguren des THS im Jahr 2001 öffentlich ein Weltbild propagierte und für sich als handlungsleitend verstand, nach welchem sich Deutschland nicht nur in einem dauerhaften Kriegszustand befindet, sondern sich das „Deutsche Volk“ auch der Gefahr ausgesetzt sieht, Opfer eines Völkermordes zu werden.
Danach stellt RA Hoffmann einen Beweisantrag: In der Strafsache gegen Zschäpe u.a. 6 St 3/12 wird beantragt, einen instruierten Mitarbeiter des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz als Zeugen zu vernehmen, hilfsweise, die bei PC Records, Chemnitz, veröffentlichten DVD-Sets „Fest der Völker“ zu den Jahren 2005, 2007, 2008, 2009 inklusive der den DVD-Sets beigefügten Booklets vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz anzufordern und in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der folgenden Tatsachen: 1. Das Fest der Völker wurde in den Jahren 2005 bis 2009 federführend von dem Angeklagten Ralf Wohlleben organisiert. An der Veranstaltung der NPD nahmen zahlreiche führende Vertreter rechtsextremer Organisationen aus ganz Europa und viele Bands teil, die fast ausschließlich dem internationalen Neonazi-Musiknetzwerk „Blood and Honour“ angehörten. Die Veranstaltung, der aufgrund ihres offen neonazistischen Charakters internationale Aufmerksamkeit zukam, fand in den Jahren 2005 bis 2009 statt. Das Motto des Festivals und sein gewollter internationaler Charakter verdeutlichen die Modernisierungs- und
Internationalisierungsbestrebungen der NPD und der rechtsextremen Szene in Europa.
Begründung: Der Angeklagte Wohlleben hat in seiner Erklärung am 16. Dezember 2015 behauptet, er habe schon seit Mitte der 1990er Jahre „nichts gegen Ausländer“ gehabt, sondern „nur“ gegen die Politik, die solche Zustände, das heißt den „massenhaften Zuzug von Ausländern nach Deutschland“, förderte. Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele habe er immer abgelehnt, habe dies auch offen vertreten, weswegen seine Einstellung im so genannten „nationalen Lager“ bekannt gewesen sei. Die Beweisaufnahme wird ergeben, dass diese Angaben falsch sind. Der Verhandlungstag endet um 12:30 Uhr.
Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.
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