Kurz-Protokoll 309. Verhandlungstag – 14. September 2016

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An diesem Prozesstag ist erneut Marcel Degner geladen. Es entstehen wieder Diskussionen darum, ob er die Aussage verweigern kann und bzgl. des Verfahrens gegen Degner. Danach nimmt Beate Zschäpe Stellung zu Fragen, die an sie gerichtet wurden. Im Anschluss wird ein Antrag auf Verlesung der Briefe Zschäpes an Robin Schmiemann gestellt. Es entsteht eine lange Auseinandersetzung, während derer die Öffentlichkeit zeitweise ausgeschlossen wird.

Zeuge:

  • Marcel Degner (Neonazi-Umfeld, Blood and Honour Thüringen, ehemaliger V-Mann des LfV Thüringen)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:51 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung wird die Einvernahme des Zeugen Marcel Degner fortgesetzt. Nachdem Degners vorheriger Zeugenbeistand entpflichtet worden war, hat Degner heute RA Markus Meißner als Beistand dabei.

Götzl: „Ich rufe Ihnen die erteilten Belehrungen in Erinnerung, wir hatten uns das letzte Mal ja am 20.07.2016 gesehen. Ich gehe auf die Situation kurz ein: Die Staatsanwaltschaft München I hat ein Ermittlungsverfahren wegen falscher uneidlicher Aussage eingeleitet, dieses wurde vorläufig eingestellt. Das Verfahren kam in Gang aufgrund einer Anzeige der Bundesanwaltschaft im Hinblick auf Angaben von Ihnen am 20.05.2015 und im Termin davor. Am 20.05.2015 wurden Sie hier nicht entlassen. Die Bundesanwaltschaft ging aber von einer Entlassung aus. Es wurde damals Ihrer Entlassung widersprochen und ich habe Sie damals nicht entlassen. Das bedeutet, dass aus Sicht des Senats Ihre Aussage damals nicht abgeschlossen war, so wäre eine Korrektur, sofern falsche Angaben gemacht wurden, noch möglich.“
Götzl: „Gibt es von Ihrer Seite etwas zu ergänzen?“ Degner: „Nein.“ Götzl: „Dann will ich trotzdem nochmal nachfragen: Sie haben beim letzten Termin haben Sie von Korrektur Ihrer Angaben gesprochen. Wollen Sie etwas korrigieren?“ Degner: „Nein.“ Götzl: „Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Informationen an Verfassungsschutzbehörden weitergeleitet?“ Degner: „Aufgrund meines laufenden Verfahrens möchte ich dazu nichts sagen.“ Götzl: „Gab es Kontakt zu Verfassungsschutzbehörden, insbesondere zum Thüringer Landesamt?“ Degner: „Dazu möchte ich nichts sagen.“ Götzl: „Warum?“ Degner: „Aufgrund meines laufenden Verfahrens.“
Götzl: „Sind denn weitere Fragen an den Zeugen? Keine Fragen. Anträge auf Vereidigung des Zeugen? Keine. Dann bleibt der Zeuge unvereidigt und kann so entlassen werden.“ Zeuge und Beistand verlassen den Saal.

NK-Vertreterin RAin Von der Behrens: „Ich würde gerne eine kurze Erklärung abgeben. Wir haben einen Zeugen vor uns gehabt, der einer der wichtigsten Zeugen des Verfahrens hätte sein können. Ein hochrangiger Neonaziaktivist in Thüringen, Sektionsleiter bei Blood & Honour. Er hat große Teile der Neonaziszene in Deutschland gekannt und gesteuert. Er meldete parallel zu Carsten Szczepanski identische Hinweise, gab Hinweise auf Aufenthaltsort und das Unterstützerumfeld des Trios, nämlich die sächsische Blood & Honour-Sektion. Wir haben aber gesehen, das Aussageverhalten des Zeugen macht es uns unmöglich, diesen Zeugen zu befragen. Es hätte eine Vielzahl von Fragen gegeben. Die weitere Befragung des Zeugen hätte keinen Sinn gemacht, weil wie er sich bisher eingelassen hat, nicht glaubhaft war. Inklusive seiner Angabe, dass er nicht für den Verfassungsschutz gearbeitet hat – was ganz klar widerlegt wurde durch die Zeugen Zweigert und Wießner. Gleichzeitig haben wir das Problem, dass die Akten des Verfassungsschutzes zu dem Zeugen vernichtet worden sind, wir also auch daraus keine Vorhalte machen konnten.“

Dann stellt Klemke den Antrag, der Senat möge 1. beim TLfV die Verpflichtungserklärung von Marcel Degner betreffend dessen „angebliche Verpflichtung als Vertrauensperson“ für das TLfV im Original beiziehen, verlesen und die darauf befindliche Unterschrift in Augenschein nehmen und 2. einen Schriftsachverständigen vernehmen „zum Beweis der Tatsache, dass die Schreibleistung der Unterschrift auf der beizuziehenden Verpflichtungserklärung von einem anderen Schrifturheber als dem Zeugen Marcel Degner stammt“.

Götzl: „Dann kämen wir zu den Angaben von Ihnen, Frau Zschäpe.“ Zschäpe-Verteidiger RA Grasel verliest dann die Antworten auf zuvor gestellte Fragen:

I. Die Fragen der Verteidigung des Angeklagten Schultze beantworte ich wie folgt:
Frage: Kennen Sie Andreas Schulz? Kannten Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt Andreas Schulz?
Antwort: Ich kenne Andreas Schulz als Inhaber eines Bekleidungsgeschäftes in Jena. Ich habe in seinem Geschäft ein- oder zweimal eingekauft. Ein darüber hinausgehender Kontakt bestand nicht. Meines Wissens waren Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ebenfalls nur Kunden des Andreas Schulz und hatten über Einkäufe in dessen Geschäft hinaus keinen Kontakt zu ihm.
Frage: Wissen Sie, von wem die SMS stammen, von denen in SAO 529, 69 die Rede ist?
Antwort: Ich weiß nicht, von wem diese SMS stammen.
Frage: Kennen Sie Nico [Eb.]?
Antwort: Ich kenne Nico [Eb.] vom Namen her. Er war wohl auf Demos und Partys dabei. Heute habe ich weder sein Gesicht vor Augen noch könnte ich seine Person beschreiben.
Frage: Wissen Sie, ob Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos ihn kannten?
Antwort: Ich vermute, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos den Nico [Eb.] kannten, wobei ich davon ausgehe, dass nur eine flüchtige Bekanntschaft bestand.
Frage: Gab es nach dem Abtauchen Kontakte zu ihm, wenn ja, in welcher Art und in welcher Beteiligung?
Antwort: Nach dem 26.01.1998 gab es meines Wissens keine Kontakte zu Nico [Eb.].
Frage: Wissen Sie, wer in der SMS mit „Ebi“ gemeint ist?
Antwort: Ich weiß nicht, wer in der SMS mit „Ebi“ gemeint ist und kann nur vermuten, dass es sich auf Grund der drei Buchstaben um Nico [Eb.] handeln könnte.
Frage: Zu welchem Zweck waren die Vertretungsvollmachten, die Sie in Chemnitz unterschrieben haben, da Sie mit RA Dr. Eisenecker schon selbst zuvor Kontakt hatten?
Antwort: Ich habe die auf Rechtsanwalt Eisenecker lautenden Vertretungsvollmachten unterschrieben, damit er mich in den gegen mich laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anwaltlich vertritt. Die genauen zeitlichen Abläufe habe ich aufgrund des langen Zeitablaufs nicht mehr präsent.
II. Die Fragen der anwaltlichen Vertreter der Nebenkläger beantworte ich nicht. Sollte der Senat eine oder mehrere Fragen der Nebenklage für entscheidungserheblich halten, sich diese zu eigen machen wollen und mir stellen, so werde ich diese beantworten.
III. Die Fragen des Sachverständigen Herrn Prof. Dr. Saß beantworte ich nicht.

Dann fragt Götzl, ob noch weitere Anträge gewünscht sind. NK-Vertreter RA Hoffmann beantragt, einen von der Angeklagten Zschäpe geschriebenen Brief an Robin Schmiemann zu verlesen zum Beweis der Tatsache, dass dieser im Gegensatz zu dem Bild stehe, das Zschäpe in ihrer Einlassung von sich zu zeichnen versuche, wonach sie sich Mundlos und Böhnhardt habe unterordnen müssen und keinen Einfluss auf diese und die Taten des NSU gehabt habe. Hoffmann beginnt mit einem Zitat aus dem Brief. Daraufhin unterbricht Zschäpe-Verteidiger RA Stahl die Verlesung des Antrags: „Ich bitte Rechtsanwalt Hoffmann zu unterbrechen. Ich gehe davon aus, dass er Teile dieses Schreiben weiter verlesen wird. Dem will ich widersprechen.“
Hoffmann: „Ich bin schon irritiert. Mitten im Beweisantrag eine Unterbrechung, das ist meiner Meinung nach nicht zulässig.“ Stahl: „Bei dem Schriftstück handelt es sich um höchstpersönliche Post von Frau Zschäpe, die hier jetzt schon in öffentlicher Hauptverhandlung unter Vorwegnahme des Antrags verlesen werden soll. Wir gehen davon aus, dass dies nicht zulässig ist. Es müsste zumindest die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.“ Stahl beantragt, auch im Namen von RA Heer und RAin Sturm, für die weitere Verlesung des Beweisantrags von RA Hoffmann sowie die Dauer der Erörterung darüber, die Öffentlichkeit auszuschließen, soweit aus dem Brief zitiert oder auf seinen Inhalt Bezug genommen werden solle. Götzl verkündet den Beschluss, dass für die Verhandlung über den Ausschluss der Öffentlichkeit die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird. Die Besucher_innen müssen den Saal verlassen. Um 14:59 Uhr dürfen die Besucher_innen wieder in den Saal. Um 15:09 Uhr geht es weiter. Die nicht-öffentliche Diskussion wird wiederholt, sie betrifft insbesondere die Legalität der Weitergabe des Briefs durch die JVA. Der Antrag auf Verlesung wird nicht zuende gestellt.

Dann verliest NK-Vertreter RA Langer einen Beweisantrag. Er beantragt ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ziel des Antrags sei es, den Nachweis zu führen, dass aufgefundene Medien des Typs DVD-R keine solchen sein könnten, die von irgendeiner Person, so auch nicht von der Angeklagten Zschäpe, nachträglich „geschnitten“ worden sein können und die Medien somit kein Beleg für die Richtigkeit der verlesenen Erklärung Zschäpes vom 09.12.2015 seien. Der Verhandlungstag endet um 16:14 Uhr.

Kommentar des Blogs „nsu-nebenklage„: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/09/14/14-09-2016/

Die vollständige Version des Protokolls ist hier zu finden.