An diesem Verhandlungstag geht es erneut um die Angaben von Carsten Schultze zu einem Angriff an der Straßenbahnendhaltestelle Jena-Winzerla. Dazu sagt zunächst Steffen Gu. vom Jenaer Nahverkehr aus. NK-Vertreter RA Langer wird danach als Zeuge zu von ihm recherchierten Zeitungsartikeln befragt. Im Anschluss daran folgt auf eine Antragsablehnung durch Götzl ein Ablehnungsgesuch gegen den ganzen Senat durch die Verteidigung Wohlleben.
Zeugen:
- Steffen Gu. (Jenaer Nahverkehr, örtliche Gegebenheiten an der Straßenbahnendhaltestelle Jena-Winzerla)
- Hardy Langer (Rechtsanwalt, NK-Vertreter, Authentizität von Kopien von Zeitungsartikeln)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Erster Zeuge ist Steffen Gu. Götzl: „Es geht uns um eine bestimmte Örtlichkeit, den Bereich der Wendeschleife der Straßenbahnendhaltestelle an der Rudolstädter Straße Ende der 90er Jahre, 1998/99“ Gu.: „Mir ist die Örtlichkeit bekannt, das Grundstück ist im Eigentum des Jenaer Nahverkehrs. Zu der Zeit kann ich aber keine Aussagen treffen, da ich erst seit 2014 Geschäftsführer des Jenaer Nahverkehrs bin.“ Götzl: „Die Örtlichkeit selbst, haben Sie die vorher schon mal gesehen?“ Gu.: „Ja, ich habe mein halbes Leben in Jena verbracht, insofern ist mir die Haltestelle Winzerla bekannt.“ Götzl: „Haben Sie sonst Bezug auch zu dem Bereich gehabt?“ Gu.: „Wie gesagt, ich habe jetzt beruflichen Bezug, ansonsten wie jeder andere in Jena auch, wenn er mit der Straßenbahn gefahren ist.“ Götzl: „Es geht darum, ob sich in dem Bereich ein Holzhäuschen befunden hat, könne Sie dazu was sagen, unabhängig von Ihrer Geschäftsführertätigkeit?“ Gu.: „Ich habe versucht, im Archiv des Jenaer Nahverkehrs nachschauen zu lassen. Es ist mir nicht gelungen, ein Holzhäuschen irgendeiner Art festzustellen. Auf der Wendeschleife wurde in den 80er Jahren massiv gebaut, das steht auch noch, ein Stahlbetonbau. Was ich weiß, ist, dass das Nachbargrundstück über ein Holzgebäude verfügt, das ist ein Imbiss. Ich muss gestehen, ich war nie drin. Kann man von der Straße erkennen, es wird beworben. Ich kann leider nichts dazu sagen.“
Götzl: „Bezüglich dieses Imbisses, können Sie die Beschaffenheit näher erläutern, Größe etc.?“ Gu.: „Es ist dunkelbraun gehalten, ein dunkelbraunes Holzhaus mit ein bisschen Biergarten draußen in der Verlängerung. Größe fällt mir schwer zu schätzen, 6 mal 6 Meter, würde ich sagen. So ein übliches Holzhaus, wie es gerne auch in Gärten steht.“ Götzl fragt, ob er richtig verstanden habe, dass Gu. von Recherchen anhand von Unterlagen gesprochen habe. Gu.: „Richtig.“ Götzl: „Was Ihre eigene Erinnerung anbelangt?“ Gu.: „Ende der 90er Jahre war ich wenig in der Gegend unterwegs, ich kann mich da wirklich nicht an ein Holzhaus erinnern. Aus meiner früheren Tätigkeit in der Rudolstädter Straße ist mir dieses Holzhaus von der Ansicht bekannt. Ich war aber nicht dort, kenne den Imbiss nicht. Ich kann ihnen da wirklich nichts sagen, was das noch näher beschreibt.“
Es folgt ein visueller Vorhalt, dazu geht Gu. nach vorn an den Richtertisch. Gezeigt wird ein Luftbild der Wendeschleife. Gu. erläutert, dass man die Wendeschleife Winzerla sehe, die Gleisanlagen. Das sei, so Gu., in den 70er, 80er Jahren erbaut worden. In der Mitte sehe man den Stahlbetonbau, in den 80er Jahren entstanden, größtenteils vermietet. Außerdem befinde sich darin ein Fahreraufenthaltsraum inklusive Toiletten. Gu. zeigt, wie das Grundstück des Jenaer Nahverkehrs umrissen sei und wo sich das Nachbargrundstück mit dem Imbiss und dem Biergarten befinde, das aber nicht Eigentum des Jenaer Nahverkehrs sei. Gu.: „Die Wendeschleife ist nicht umzäunt, ein frei zugänglicher Bereich. Meines Wissens nach auch heute nicht in irgendeiner Weise überwacht. [phon.] Insofern ist es schwer, was zu sagen.“ Götzl: „Wo hat in der Vergangenheit die Straßenbahn gehalten?“ Gu.: „Die Haltestelle befindet sich in diesem Bereich gegenüber dem Busbereich. Das ist ein Verknüpfungspunkt. Bahnen kommen und fahren so, dass man beidseitig einsteigen kann. [phon.]“
Götzl: „War das in den 90er Jahren auch so?“ Gu.: „Das wurde saniert, war aber meines Wissens nicht wesentlich anders. Es ist recht einfach gehalten, wie so in der Regel Endstellen eingerichtet werden.“ Götzl: „Haben Sie Informationen, Unterlagen bei den Recherchen gefunden über eine körperliche Auseinandersetzung Ende der 90er?“ Gu.: „Nein, dazu gibt es keine Unterlagen und ich habe Leute dazu befragt aus dem Jenaer Nahverkehr, immer im Kontext des Holzhäuschens, ob es eines gab. Also dazu gibt es keinerlei Informationen. Auch Leute, die zu dieser Zeit im Jenaer Nahverkehr beschäftigt waren, konnten mir nichts zu dem Holzhäuschen mitgeben.“ Es wird ein Lageplan gezeigt, den Gu. ebenfalls erläutert. Gu. nimmt wieder Platz. Götzl fragt, wie mit Sachbeschädigungen, die festgestellt wurden, umgegangen worden sei. Gu.: „Ich kann das nur aus meiner Zeit beschreiben: Werden dokumentiert, fotografiert und regelmäßig zur Anzeige gebracht.“
Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Herr Gu., Sie sagten, Sachbeschädigungen werden regelmäßig zur Anzeige gebracht. Wann gibt es denn Ausnahmen, wann wird denn keine Anzeige erstattet?“ Gu.: „Regelmäßig meine ich im Sinne von immer. Wir bringen jede Beschädigung zur Anzeige, dazu sind wir allein dadurch verpflichtet, um bei der Versicherung, wenn kein Täter ermittelt wurde, den Schaden wiedergutzumachen.“ Klemke: „Sie sagten, Sie kennen die Gegend wie jeder aus Jena, der da hinfährt mit der Straßenbahn. Sind Sie 1998 bis 2000 dort mit der Straßenbahn unterwegs gewesen?“ Gu.: „In dem Zeitraum eher weniger, da ich ein Studium abgeschlossen habe und dann weniger mit der Straßenbahn gefahren bin.“ Klemke: „Was heißt weniger? Überhaupt?“ Gu.: „Im Freizeitbereich schon, aber das war eine geringere Nutzung als zur Zeit, wo ich studiert habe, da war das prima mit dem Semesterticket.“ Klemke: „Sind Sie mit Ihrem Semesterticket auch mal zur Endhaltestelle Winzerla gefahren?“ Gu.: „Die Frage kann ich Ihnen heute nicht mehr beantworten.“
Klemke sagt, Gu. habe angegeben, dass er das Holzgebäude wahrgenommen habe, als er in der Rudolstädter Straße tätig gewesen sei. Gu.: „Ich habe das Gelände von meinem Büro aus einsehen können.“ Klemke: „Ab wann?“ Gu.: „Ab 2000.“ Klemke: „Ab wann 2000?“ Gu.: „September, Oktober 2000 war der Umzug der Stadtwerke Jena, meinem früheren Arbeitgeber, in die Rudolstädter Straße. Das war der Zeitpunkt, ab dem ich in dem Gebäude tätig war [phon.], was bis heute vis à vis steht.“ Klemke: „Sie konnten vom Büro das Gelände einsehen?“ Gu. bestätigt das. Klemke: „Direkt?“ Gu.: „Ja, man konnte von vielen Büros die Wendeschleife einsehen.“ Klemke fragt, ob Gu. in dieser Zeit da mal ein Holzhaus aufgefallen sei. Gu.: „Nein, ich gebe zu, ich habe in dieser Zeit aber auch nicht auf ein Holzhaus geachtet.“ Klemke: „Nachvollziehbar. Wer war denn damals, 1998 bis 2000, Geschäftsführer?“ Gu. nennt den Namen Gr., dieser sei bereits verstorben, und den Namen Fr. Klemke fragt, ob Jä. damals verantwortlich für die Anlagen gewesen sei. Gu.: „Nein, er war Mitarbeiter, aber zu dem Zeitpunkt nicht voll verantwortlich für die Anlagen.“ Wohlleben-Verteidiger Nahrath: „Gibt es noch weitere Personen im Unternehmen, die in der Zeit von 1998 bis 2000 einschließlich mit dieser Endhaltestelle zu tun hatten?“ Gu.: „Das kann ich so nicht beantworten, müsste ich recherchieren.“ Nahrath: „Könnten Sie aber?“ Gu.: „Das kann ich versuchen.“
Carsten Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Ich würde den Senat bitten, dem Zeugen nochmal diese erste Anlage vorzulegen.“ Es wird nochmal das Luftbild vorgelegt, dazu geht der Zeuge wieder nach vorn an den Richtertisch. Hösl sagt, neben dem Gebäude sei eine Schiene zu sehen, die in die Mitte diagonal rein läuft [phon.] und man sehe dort kleine Gegenstände: „Können Sie sagen, um was es sich da handeln könnte und was da noch in der Wendeschleife ist?“ Gu.: „Das hatte ich schon erwähnt. Teile der Gebäude sind an eine Gartenbaufirma vermietet und ich nehme an, dass das die Utensilien der Gartenbaufirma sind.“ Hösl: „Haben Sie nähere Kenntnis dazu, was das für Gegenstände sind?“ Gu.: „Nein.“ Hösl: „Sie waren auch nie dort?“ Gu.: „Nein.“
Wohlleben-Verteidigerin Schneiders: „Können Sie etwas dazu sagen, von wann diese Aufnahme stammt?“ Gu.: „Ich habe mir diese Aufnahme letzte Woche zuarbeiten lassen, nachdem ich die Vorladung erhalten habe. Ich kann es nicht sicher sagen.“ Schneiders: „Herr Vorsitzender, könnte man ihm noch die anderen Aufnahme vorlegen vom Kollegen Langer von 1997?“ Die Aufnahme wird vorgelegt. Schneiders: „Können Sie etwas dazu sagen, ob der Umbau der Haltestelle da schon stattgefunden hatte oder das noch die ursprüngliche Bebauungsweise [phon.] war?“ Gu.: „Nein, das kann ich nicht beantworten. Ich bin Kaufmann von der Ausbildung her und auch der kaufmännische Geschäftsführer. Zu technischen Fragen möchte ich mich eher nicht äußern. [phon.]“ RA Klemke: „Herr Gu., welche Straßenbahnlinie fährt denn diese Wendeschleife an?“ Gu.: „Heute die Linien 2 und 3.“ Klemke: „Und damals, 1998?“ Gu.: „Das kann ich Ihnen nicht sagen.“ Klemke: „Kann man durch Recherchen bei Ihnen feststellen, welche Linien damals die Wendeschleife anfuhren und welche Mitarbeiter damals dort als Fahrer unterwegs waren auf dieser Strecke?“ Gu.: „Das kann ich nicht beantworten, ich weiß es nicht.“ Klemke fragt, wie lange die Fahrdienstpläne aufbewahrt würden. Gu. sagt, dazu könne er nichts sagen. [phon.]
OStA Weingarten: „Sie sagten, bei Ihnen im Unternehmen gibt es Mitarbeiter, die für die Betriebsanlagen zuständig sind. Wie verhält es sich mit den Liegenschaften, den Grundstücken Ihres Unternehmens?“ Gu.: „Da gibt es auch Verantwortlichkeiten, die sind zusammengefasst im Bereich ‚Gebäude und Anlagen‘. Darüber hinaus werden alle Liegenschaftsfragen von uns als Dienstleistung eingekauft, die wir von den Stadtwerken Jena einkaufen.“ Weingarten: „Gehört es dazu, sich Überblick zu verschaffen über Gegenständen [phon.] auf vermieteten Grundstücken?“ Gu.: „Man wird es sich sicher anschauen, wenn Grundstücke vermietet werden, die in der Nähe von Anlagen liegen, ob Sie den Regelungen der BOStrab, der Betriebsordnung für Straßenbahnen, entsprechen.“ Weingarten: „Was muss der BOStrab entsprechen?“ Gu.: „Die Liegenschaften, die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort.“ Schneiders: „Wissen Sie, wer damals, 1998 bis 2000, diese BOStrab überprüft hat?“ Gu.: „Nein, das kann ich nicht sagen.“ Schneiders: „Ist das noch nachvollziehbar?“ Gu.: „Das kann ich recherchieren, wissen tue ich es nicht. Ich denke, das kriegt man raus, wenn das ein Wunsch ist. Ich habe mir die Wünsche jetzt aber nicht mitgeschrieben.“ Der Zeuge wird um 10:20 Uhr entlassen. RA Hösl: „Wir würden uns eine Erklärung vorbehalten, wenn der Beweiskomplex abgeschlossen ist.“
Es folgt die Einvernahme des NK-Vertreters RA Langer. Götzl: „Sie wissen, worum es geht, es geht um diese Artikel.“ Langer: „Mir war jetzt nicht ganz klar, geht es nur um Freie Presse oder um beide?“ Götzl: „Es geht eigentlich um beide, auch um den Artikel der OTZ.“ Langer berichtet, dass er am 29./30. in Jena in der Thüringer Uni-und Landesbibliothek gewesen sei und sich die Jahrgänge 1998/99 habe raussuchen lassen, das seien 43 Bände gewesen. Er habe nicht alles durchgeguckt, sondern die OTZ sei so aufgebaut gewesen, dass vorn immer das Hauptblatt gewesen sei und dann die Regionalseiten. Er habe immer die Titelseite, die Thüringen-Seite und die Seite „Jena und Umgebung“ durchgesehen. Da sei er auf den Artikel gestoßen und habe das dann fotografiert, weil man dort nicht kopieren dürfe. Bei der „Freien Presse“ habe er über die Unibibliothek Leipzig herausbekommen, dass die Lokalausgabe Chemnitz in der Staatsbibliothek in Berlin lagert. Er habe vorher drum gebeten, dass ihm die Bände vom Zeitraum Mitte 2000 gegeben werden und sei am 5.9. [phon.] dort gewesen und habe es eingesehen. Auch dort habe er nur Fotos machen dürfen und habe Titelseite, Lokalseite Sachsen und Lokalseite Chemnitz immer durchgeblättert.
Götzl: „Jetzt hat Rechtsanwalt Kaiser gestern noch einen Vorbericht angesprochen bezüglich des anderen Artikels, OTZ.“ Langer: „Ich habe die Frage so verstanden, dass er gesagt hat, da ist ja auf einen Vorbericht verwiesen. Das ist mir auch aufgefallen und ich habe seit dem 13. alle bis zum 29. zweimal noch komplett durchgeblättert. Aber wie gesagt, ich habe dort nichts gefunden. Ich habe dann die Damen dort in der Bibliothek gebeten, was ein großes Privileg war, ob sie mir auch die TLZ [phon.] und die Thüringer Allgemeine holen, 11. bis 20. Juli, und habe auch dort nachgeguckt. Es gibt manchmal Verzögerungen. Wenn etwas am Sonntag geschehen ist, ist es nicht zwingend am Montag drin, es kann auch sein, dass es vielleicht erst am Donnerstag drin ist. Aber auch dort habe ich nichts gefunden.“ Eine Mitarbeiterin der Bibliothek, die sehr kompetent gewesen sei, habe ihm sehr geholfen, ohne sie hätte er nichts gefunden, so Langer. Er habe ja bei der OTZ angerufen und sei erstaunt gewesen, dass die ihre eigenen Zeitungen nicht archivieren.
RA Klemke: „Ja, Herr Langer, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie am 29./30. September nach Erfurt gereist sind und dort an zwei Tagen die Ausgaben durchforstet haben?“ Langer: „Ich glaube, das war August. Habe ich September gesagt? Ich habe den Beweisantrag einen Tag später gestellt, das war am 31. August. Das war Montag und Dienstag und am Mittwoch war dann Verhandlung hier.“ Klemke: „Waren Sie in Erfurt oder in Jena?“ Langer: „Ich war erst in Jena, dann bin ich nach Erfurt gefahren und von dort wurde ich vom hier im Saal anwesenden Kollegen Gärtner mitgenommen.“ [phon.] Klemke: „Nun betraf das ja die Überprüfung einer Erzählung des Carsten Schultze. Was war Ihre Motivation da nachzuprüfen …“ OStA Weingarten setzt an, die Frage zu beanstanden. Klemke: „Es können nur Fragen beanstandet werden, die fertig gestellt sind, Herr Weingarten. Was war Ihre Motivation, die Erzählung des Carsten Schultze nachzuprüfen, nachzuforschen, ob es dort laut Presseberichten zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen ist?“ OStA Weingarten: „Ich beanstande die Frage, nachdem sie jetzt ziemlich lang und vollständig gestellt wurde, als nicht zur Sache gehörig. Die Frage, aus welcher Motivation der Zeuge Recherchen vornimmt, ist im Hinblick auf Schuld- und Rechtsfolgenfragen unerheblich. Insbesondere vor dem Hintergrund des Gegenstands der Aussage des Zeugen. Es geht nämlich nur um die Authentizität der Kopien. Die Frage ist provokativ.“
Klemke: „Sie ist nicht provokativ. Wenn eine solche Behauptung aufgestellt wird, muss sie auch belegt werden. Außerdem ist die Frage zulässig und zur Sache gehörig, weil es schon interessant ist, dass ein Nebenklägervertreter hier den Fragen nachgeht, um die Glaubwürdigkeit eines Angeklagten zu stützen. Von daher kann man das schon nachfragen.“ RA Hösl: „Ich meine, der Zeuge hat sich hierzu bereits geäußert. Vielleicht nicht als Zeuge, aber im Rahmen einer Erklärung im Verfahren. Er hat gesagt, er stünde den Angaben des Herrn Schultze kritisch gegenüber und wollte diese überprüfen.“ Klemke: „Irgendwelche Erklärungen sind nicht Bestandteil von Zeugenangaben, sind also nicht dem Beweis zugänglich.“ Götzl: „Soll die Beanstandung aufrecht gehalten werden?“ Weingarten: „Ich halte einen Beschluss des Senats nicht für erforderlich.“
Langer: „Es ist in der Tat so, dass ich der Aussage von Herrn Schultze kritisch gegenüberstand, auch in anderen Teilen. Ich bin auch der Meinung, das war eine innere Tatsache, das sind Anhaltspunkte, die er benannt hat, die haben sich bestätigt. [phon.]“ Er, Langer, habe sich gedacht, dass sich z. B. die Sache mit der Schusswaffe irgendwo niedergeschlagen haben müsste. Und da Schultze es ja zeitlich eingeordnet habe bei der ersten Sache, 1998/99, habe er die Hoffnung gehabt, dazu etwas zu finden. Langer: „Im Endeffekt erübrigt sich das ja, es hat sich ja jetzt so bestätigt.“ Das bedeute nicht, dass er den Angaben Schultzes nicht weiter kritisch gegenüber stehe, aber bestimmte Teile der Aussage hätten den Anschein, dass sie stimmen. Klemke: „Warum haben Sie recherchiert bezüglich des Schusswaffengebrauchs in der Freien Presse Chemnitz. Er hat keine Orte erwähnt.“ Langer sagt, das mit der Schusswaffe sei ein Zufalls- oder Nebenprodukt gewesen. Er habe nichts mit scharfen Schusswaffen gefunden, habe das aber vorsorglich fotografiert. Als der Zeuge Wu. dann das Verhalten von Böhnhardt, Stichwort Luftdruckwaffe und Diabolo, erwähnt habe, habe man neben der Nähe [phon.] noch ein Indiz gehabt. Klemke: „Mit Nähe meinen Sie räumliche Nähe?“ Langer: „Ja, Wolgograder Allee.“ Der Zeuge wird entlassen.
Nach einer Pause bis 10:59 Uhr kommt dann die Kopie des Artikels aus der Ostthüringer Zeitung vom 29.07.1998 zur Verlesung. Der Artikel wird von Richter Dr. Lang verlesen: Noch immer keine Spur von den Schlägertypen. Polizei sucht Zeugen zur Körperverletzung. Jena (OTZ). Die Polizei sucht weiter Zeugen, die Hinweise zur Körperverletzung vom 12. Juli (OTZ berichtete) geben können. Gegen 2.45 Uhr wurden an der Straßenbahnhaltestelle Winzerla zwei junge Männer von sieben bis acht anderen jungen Männern angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Einer mußte mehrere Tage in der Klinik verbringen. Nach Aussagen der Geschädigten waren die Täter ca. 180 cm groß, kurzgeschoren und mit Bomberjacken bekleidet. Einer war sehr kräftig. Bisherige Ermittlungen der Polizei haben noch nicht zur Aufklärung der Straftat geführt. Zeugen, die Angaben zur Straftat machen können, werden gebeten, sich mit Ermittlern der Polizei in Lobeda (39 46 71) oder der Polizeiinspektion Mitte (810) in Verbindung zu setzen. Danach wird die Kopie der kompletten Zeitungsseite mit dem Artikel in Augenschein genommen.
Dann kommt im Freibeweisverfahren der gesamte Ermittlungsrapport der Dezernatschefin des Dezernats Leib und Leben bei der Kantonspolizei Bern Ursula Hi. vom 10.08.2012 zur Verlesung. Die Verlesung übernehmen nacheinander Richter Lang, Richterin Odersky, Richter Kuchenbauer und Götzl selbst. Danach sagt Götzl: „Dann werden wir jetzt unsere Mittagspause einlegen und setzen fort um 13:15 Uhr.“
Um 13:21 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet den Beschluss, dass die Anträge der Verteidigung Wohlleben auf Vernehmung von Ursula Hi. abgelehnt sind und den Anträgen, die im von Hi. in ihrem Ermittlungsbericht erwähnte Email-Korrespondenz zwischen dem Ermittlungsbeamten Bü. und Andreas Zb. vom Dezember 2008 bei den Schweizer Behörden beizuziehen und Akteneinsicht zu gewähren (311. Verhandlungstag), nicht nachgekommen wird. Die Anträgen auf Vernehmung von Hi. hätten, so Götzl, abgelehnt werden können, weil die Einvernahme der Zeugin nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei. Götzl macht allgemeine Ausführungen zur Ladung von Auslandszeugen und zur Aufklärungspflicht. Dann sagt er, dass die Aufklärungspflicht nicht dazu dränge, die in der Schweiz zu ladende Zeugin Hi. zu den unter Beweis gestellten Tatsachen zu vernehmen.
Dann geht Götzl auf die Ziffern 1, 2, 6 und 7 des Beweisantrages ein: i. In diesen Ziffern ist unter Beweis gestellt, unter Nummer 1, dass es der Kantonspolizei aufgrund ihrer Ermittlungen unmöglich gewesen sei, den Waffenweg nachzuvollziehen; unter Nummer 2, dass Beweise zum Nachweis des Waffenbesitzes bei Hans-Ullrich Mü. fehlen würden; unter Nummer 6, dass der Verbleib der Waffe Ruger nicht ermittelt habe werden können und unter Nummer 7, dass sie, die Zeugin, aufgrund der Feststellungen zum Waffenbuch von Schläfli & Zbinden die Glaubwürdigkeit des Anton Ge. definitiv in Frage stelle. ii. Der Nachweis dieser Umstände würde zu keinem Aufklärungsgewinn hinsichtlich einer möglichen Schuld- und/oder Rechtsfolgenentscheidung im vorliegenden Verfahren führen. Es handelt sich dabei ausnahmslos um Äußerungen der Zeugin, in welcher Weise sie das Ermittlungsergebnis der schweizerischen Behörden zum Zeitpunkt der Verfassung ihres Ermittlungsrapports, also am 10.08.2012, im Hinblick auf die im Kanton Bern getätigten Ermittlungen bewerte. Der Nachweis von Einschätzungen dieser Zeugin würde aber zu keinem Aufklärungsgewinn führen, da sie lediglich die subjektive Überzeugung der Zeugin ausdrücken. Auswirkungen, wie die Antragsteller vortragen, auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Ge. haben diese Würdigungen der Zeugin nicht. Entsprechendes gilt für die Beweiswürdigung hinsichtlich der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen. Die Aufklärungspflicht drängt daher nicht dazu, die von den Antragstellern aufgeführten Wertungen der Zeugin zu bestimmten Sachverhalten aufzuklären.
Dann geht Götzl zu den Ziffern 3, 4 und 5 über: i. In diesen Ziffern ist unter Beweis gestellt, unter Nummer 3, dass sich aus den Waffenbüchern von Schläfli & Zbinden eine Versand-Lieferung der Waffe Ruger MK II vom 8.5.1996 an den Zeugen Ge. ergebe; unter Nummer 4, dass der Zeuge Ge. diese Waffe mit einem zweiten Waffenerwerbsschein erworben haben soll und unter Nummer 5, dass der Zeuge Ge. diesen Waffenerwerb nie eingeräumt hat. ii. Der Nachweis dieser Umstände würde zu keinem Aufklärungsgewinn hinsichtlich einer möglichen Schuld- und/oder Rechtsfolgenentscheidung im vorliegenden Verfahren führen. Der Umstand, dass der Zeuge Ge. laut dem Waffenbuch der Firma Schläfli & Zbinden mit einem weiteren Waffenerwerbsschein im Mai 1996 im Versandkauf eine Waffe Ruger MK II erworben hat, hat keine erkennbare Aussagekraft hinsichtlich des hier relevanten Verkaufsvorgangs der Ceska 83 mit der Waffennummer 034678, der laut Waffenbuch der Firma Schläfli & Zbinden am 11.4.1996 stattgefunden haben soll. Auch der Umstand, dass der Zeuge Ge. diesen im Waffenbuch dokumentierten Waffenkauf niemals eingeräumt hat, führt zu keinem Aufklärungsgewinn. Auch hinsichtlich der hier relevanten Waffe Ceska 83 hat der Zeuge Ge. in mehreren Vernehmungen zunächst den Erhalt der Waffe bestritten, ihn dann eingeräumt und in einer späteren Vernehmung dann wieder in Frage gestellt. Aus dem Nachweis des Umstands, dass der Zeuge den Erwerb einer weiteren Waffe nie eingeräumt hat, würde der Senat deshalb keinerlei Schlussfolgerungen im Hinblick auf den dokumentierten Waffenerwerb hinsichtlich der Ceska 83 und im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Ge. oder im Hinblick auf seine Glaubwürdigkeit ziehen.
Zur Ziffer 8 sagt Götzl: i. In dieser Ziffer ist unter Beweis gestellt, dass das Postzustellbuch der Familie Ge. bzgl. der beiden Versandeinträge im April und Mai 1996 im Waffenbuch der Firma Schläfli & Zbinden keine hiermit korrespondierenden Paketeingänge ausgewiesen habe. ii. Der Nachweis dieser Umstände würde zu keinem Aufklärungsgewinn hinsichtlich einer möglichen Schuld- und/oder Rechtsfolgenentscheidung im vorliegenden Verfahren führen. Aus dem Umstand, dass die beiden Lieferungen nicht im sogenannten Postempfangsscheinbuch der Familie Ge. verzeichnet sind, folgt nicht, dass die beiden Pakete nicht an den Zeugen Ge. zugestellt wurden. Der Schweizer Polizeibeamte Ry. hat als Zeuge in der Hauptverhandlung insoweit glaubhaft ausgesagt, es sei nicht zwingend, dass eine Paketzustellung in das Buch eingetragen werde. Es bestehe vielmehr die Möglichkeit, dass man als Empfänger einer Sendung bei der Post die Nachnahmegebühr bezahle und sich die Zahlung auf einem Extra-Beleg quittieren lasse. Dann würde die Zustellung eines Nachnahmepakets nicht im Postempfangsscheinbuch aufscheinen. Eintragungen in das Buch würden nur bei Nachnahmesendungen erfolgen. Der Zeuge Schl., der im Jahr 1996 Mitinhaber des Waffengeschäfts Schläfli & Zbinden war, gab in der Hauptverhandlung insoweit glaubhaft an, man habe in ihrem Laden Waffen auch im Versandwege erwerben können. Die Bezahlung der Waffen sei dann entweder per Vorauskasse oder per Nachnahme erfolgt. Aus dieser Aussage des Zeugen Schl. ergibt sich, dass im Falle der Bezahlung einer Waffe durch Vorauskasse kein Versand per Nachnahme erfolgte und damit auch keine Eintragung in das Postempfangsscheinbuch erfolgte.
Zur Ziffer 9: i. In dieser Ziffer ist zusammengefasst unter Beweis gestellt, dass es zwischen einem Schweizer Ermittlungsbeamten und dem Zeugen Andreas Zb. eine Email-Korrespondenz gegeben habe, in der Zb. eingeräumt habe, dass der Eintrag „Versand“ bzgl. der Waffenlieferung Ceska 83 mit der Waffennummer 034678 von ihm stamme und dass er diesen Eintrag wahrheitswidrig vorgenommen habe. ii. Der Umstand, dass es zwischen dem Zeugen Zb. und dem Schweizer Ermittlungsbeamten im Zeitraum vom 19. bis 25.12.2008 zu einer Email-Korrespondenz gekommen ist, führt für sich allein betrachtet zu keinem Aufklärungsgewinn. Der bloße Umstand, dass der hier gegenständliche Eintrag im Waffenbuch der Firma Schläfli & Zbinden vom Zeugen Zb. stammt, würde ebenfalls zu keinem Aufklärungsgewinn führen. Wer den Eintrag im Waffenbuch fertigte, ist für sich gesehen ohne Bedeutung. Die Aufklärung dieses Details ist daher von der Aufklärungspflicht auch nicht geboten. Relevanz würde allerdings die weitere Behauptung der Antragsteller haben, dass der Zeuge Zb. eingeräumt habe, er habe diesen Eintrag wahrheitswidrig vorgenommen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Zb. diesen Umstand jedoch gegenüber dem Ermittlungsbeamten Bü. bestätigt hat, sind aber nicht vorhanden. Die Antragsteller belegen die sonstigen gestellten Anträge mit den Ausführungen der benannten Zeugin Hi. in ihrem Ermittlungsrapport vom 10.8.2012. In diesem Rapport wird aber an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass die Schweizer Ermittlungen Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass der Zeuge Zb. den hier gegenständlichen Eintrag im Waffenbuch wahrheitswidrig vorgenommen habe. Anhaltspunkte für die Annahme, der Zeuge Zb. habe die relevante Eintragung wahrheitswidrig im Sinne von bewusst falsch vorgenommen, haben sich weder aus dem Aktenbestand noch aus der durchgeführten Hauptverhandlung ergeben. Die Aufklärungspflicht drängt daher hinsichtlich dieser Punkte nicht zur Vernehmung der benannten Zeugin.
Zu den Ziffern 10 und 11 sagt Götzl: i. In diesen Ziffern ist zusammengefasst unter Beweis gestellt, dass die Schweizer Ermittlungsbehörden gegen den Zeugen Zb. ein Ermittlungsverfahren wegen illegaler Waffengeschäfte geführt hätten und dass ihm vorgeworfen worden sei, Waffen an unberechtigte Dritte gegen Vorlage von Waffenerwerbsscheinen einer anderen Person abgegeben zu haben. ii. Anhaltspunkte dafür, dass die benannte Zeugin Angaben hierzu machen kann, sind nicht vorhanden. In ihrem Rapport äußert sich die Zeugin zu den unter Ziffern Nummer 10 und 11 aufgeworfenen Themenkomplexen nicht. Sollten der Vortrag der Antragsteller auf die Vorfälle um Fr., Werner bezogen sein, ist hierzu festzustellen, dass nach den glaubhaften Angaben des Schweizer Polizeibeamten Ja. in der Hauptverhandlung der Zeuge Zb. in dem genannten Verfahren freigesprochen worden ist.
Zu den Anträgen bzgl. der Email-Korrespondenz sagt Götzl, dass es sich um Beweisermittlungsanträge handele. Er macht allgemeine Ausführungen zu Beweisermittlungsanträgen und sagt dann zu den konkreten Gründen, warum den Anträgen nicht nachgekommen wird: Es ist nicht ersichtlich, dass die Beiziehung der genannten Korrespondenz zu einem Ermittlungserfolg hinsichtlich einer möglichen Schuld- und/oder Rechtsfolgenentscheidung führen würde. i. Wie bereits oben dargelegt, führt der bloße Nachweis, dass die fragliche Eintragung im Waffenbuch vom Zeugen Zb. gefertigt wurde zu keinen Aufklärungsgewinn, so dass unter diesem Aspekt die Aufklärungspflicht nicht zur Beiziehung der Email-Korrespondenz drängt. ii. Nachdem weder im Ermittlungsrapport der Zeugin Hi. noch in der sonstigen Akte bzw. aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung Hinweise dafür vorhanden sind, dass in der Email-Korrespondenz vom Zeugen Zb. ausgeführt werde, er habe die Eintragung wahrheitswidrig vorgenommen, drängt die Aufklärungspflicht auch unter diesem Aspekt nicht zur Beiziehung der Email-Korrespondenz.
RAin Schneiders beantragt die Erteilung einer Abschrift und eine 30-minütige Pause zur Besprechung mit dem Mandanten. Götzl: „Dann setzen wir fort um 14:15 Uhr.“ Um 14:21 Uhr wird durchgesagt, dass die Hauptverhandlung erst um 16 Uhr fortgesetzt werde. Gegen 16 Uhr wird durchgesagt, dass es um 16:45 Uhr weitergehen soll.
Um 16:55 Uhr geht es dann tatsächlich weiter. RA Nahrath verliest ein Ablehnungsgesuch Wohllebens gegen den Senat. Zunächst gibt er Teile des heutigen Beschlusses wieder und schildert den prozessualen Hergang aus Sicht der Verteidigung Wohlleben. Dann führt er zur konkreten Begründung des Befangenheitsantrags aus, dass die im Beschluss aufgeführten Gründe sich aus Sicht Wohlleben als objektiv willkürlich erwiesen, da sie „selektiv belastend und ergebnisorientiert“ seien. Die abgelehnten Richter ließen zudem im Rahmen ihrer antizipierten Beweiswürdigung bedeutsame Unterschiede außer Acht, so Nahrath weiter. Die Verteidigung Wohlleben habe beantragt, Hi. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass das Postempfangsscheinbuch der Familie Ge. bzgl. der beiden Versandeinträge im April und Mai 1996 im Waffenbuch der Firma
Schläfli & Zbinden keine hiermit korrespondierenden Paketeingänge ausgewiesen habe. Der Senat meine, die Aufklärungspflicht dränge nicht hierzu.
Der Senat führe eingangs aus, dass von der Vernehmung des Auslandszeugen abgesehen werden könne, wenn er nur zu Beweisthemen benannt ist, die lediglich indiziell relevant sind oder die Sachaufklärung sonst nur am Rande betreffen: „Schon diese Erwägung erscheint objektiv willkürlich, da es sich bei dem Weg, den die Ceska 83 gemäß der Hypothese der Bundesanwaltschaft nach Deutschland genommen hat, für die Frage, ob unser Mandant an der Beschaffung der Tatwaffe oder aber an der Beschaffung irgendeiner anderen Waffe beteiligt war, von ausschlaggebender Bedeutung ist. Der gesamte Prozess gegen unseren Mandanten stützt sich ausschließlich auf Indizien. Weder der Mitangeklagte Schultze noch irgendein Beweismittel belegen für sich allein die Verwirklichung auch nur eines Tatbestandmerkmals. Von daher kann es nicht darauf ankommen, ob die Bekundung, zu welcher die Zeugin benannt ist, nur indizielle Bedeutung hat.“
Der Senat führe weiter aus, so Nahrath, dass die Vernehmung Hi.s zu keinen Aufklärungsgewinn führen würde, aus dem Umstand, dass die beiden „angeblichen Lieferungen“ an Ge. nicht im Postempfangsscheinbuch der Familie Ge. verzeichnet seien, folge nicht, dass die beiden Pakete nicht an Ge. zugestellt wurden. Nahrath: „Insoweit beziehen sich die abgelehnten Richter auf die Bekundungen des Schweizer Polizeibeamten Ry. in der Hauptverhandlung. Dieser habe ausgesagt, dass es nicht zwingend sei, dass der Empfang in das Empfangsscheinbuch eingetragen werde, es bestünde vielmehr die Möglichkeit, dass man als Empfänger einer Sendung bei der Post die Nachnahmegebühr bezahle und sich die Zahlung auf einen Extrabeleg quittieren lasse. Dann würde die Zustellung nicht im Postempfangsscheinbuch eingetragen werden. Eintragungen würden nur bei Nachnahmesendungen in das Empfangsscheinbucherfolgen. Der Zeuge Schl. habe in der Hauptverhandlung glaubhaft angegeben, man habe in dem Waffengeschäft Schläfli & Zbinden Waffen auch im Versandwege erwerben können. Die Bezahlung der Waffen sei dann entweder per Vorkasse oder per Nachnahme erfolgt.
Aus dieser Aussage des Zeugen Schl. ergibt sich, dass im Falle der Bezahlung per Vorauskasse kein Versand per Nachnahme und damit auch kein Eintrag in Empfangsscheinbuch erfolgte. Diese Begründung erweist sich als lückenhaft, selektiv belastend und damit objektiv willkürlich. Der Senat verkennt, dass Ge. zu keinem Zeitpunkt ausgesagt hat, eine oder mehrere Waffen bei Schläfli & Zbinden bezahlt zu haben. Er sei nie im Geschäft von Schläfli & Zbinden gewesen. Kein weiterer Zeuge hat ausgesagt, dass eine andere Person mit dem Ausweisdokument des Zeugen Ge. die angeblich an Ge. versandten Waffen im Geschäft von Schläfli & Zbinden gekauft und bezahlt hat. Auch hat der Zeuge Ge. nie ausgesagt, ein Paket bei der Post oder beim Empfang zu Hause bezahlt zu haben. Diese Umstände haben die abgelehnten Richter mit keiner Silbe in ihre antizipierte Beweiswürdigung eingestellt: Es ist nicht erkennbar, welche der möglichen Bezahlungsarten sie dem Zeugen Ge. unterstellen. Bei dieser Sachlage muss die dargestellte Begründung der abgelehnten Richter als objektiv willkürlich bewertet werden. Aus Sicht des Angeklagten lassen die abgelehnten Richter dies bewusst offen, um die Hypothese der Bundesanwaltschaft um jeden Preis zu retten.“
Der Senat verkenne außerdem, dass es dass es „absolut widersinnig“ sei, im Waffengeschäft Schläfli & Zbinden eine Waffe zu bezahlen, diese aber nicht gleich mitzunehmen, sondern sich zusenden zu lassen. Warum Ge. eine solche Kaufmodalität gewählt haben könnte, begründe der Senat mit keinem Wort. Zudem lasse der Senat außer Acht, dass Ge. zu keinem Zeitpunkt ausgesagt habe, dass er mglw. zwei Pakete erhalten haben könnte. Ge. habe außerdem niemals bekundet, ein Paket geöffnet zu haben: „Bei dieser Sachlage ist es nicht klar, welche der mglw. versandten Waffen sich im Paket befunden hat. Es handelt sich bei den angeblich versandten Waffen schließlich um zwei Ceskas 83 und eine Ruger.“ Im Übrigen habe sich Ge. zu keinem Zeitpunkt festgelegt, wann er ein Paket erhalten haben könnte, so dass bereits wegen des „angeblichen Versands“ von zwei Paketen keine tragfähigen Schlüsse dahingehend gezogen werden könnten, dass sich in dem einen Paket die Tatwaffe befunden habe. Ge. habe zudem später bestritten, überhaupt ein Paket erhalten zu haben und bekundet, dass er bei der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung den Erhalt „nur im Konjunktiv eingeräumt“ habe, dass es lediglich „möglich“ gewesen sei, ein Paket erhalten zu haben; er habe den möglichen Erhalt eines Pakets nur angegeben, um aus der Haft entlassen zu werden.
Der Senat berücksichtige außerdem auch nicht die Aussage des Zeugen Ry. am 147. Verhandlungstag, dass die Zustellung auch nur eines Paketes an Ge. nicht habe belegt werden können. Der Senat verkenne zudem, dass es sich auch bei den Einträgen im Waffenbuch lediglich um ein Indiz handele. Da der Senat sich gleichzeitig nicht auf die Aussage Ge.s stützen wolle, schließe er allein aus dem Eintrag im Waffenbuch, ohne dass er dessen Richtigkeit prüfe, dass Ge. die Tatwaffe gekauft und erhalten hat. Nahrath weiter: „Im Übrigen ist es für den Angeklagten Wohlleben und jeden vernünftigen Angeklagten in seiner Lage offenkundig, dass die abgelehnten Richter ausschließlich Schweizer Auslandszeugen laden und vernehmen, die die Anklagehypothese stützen könnten. Gegenläufigen Beweisanträgen stehen sie nicht mehr offen gegenüber. Aus Sicht des Angeklagten haben sie sich hinsichtlich des Weges der Tatwaffe endgültig festgelegt und begründen dies, wie dargelegt, selektiv und objektiv willkürlich.“
Götzl: „Dann wird den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt.“ Bundesanwalt Diemer: „Wir nehmen Stellung, wenn die dienstlichen Erklärungen vorliegen.“ Götzl: „Der nächste Termin wäre dann, Dienstag, 08.11. Wir setzen fort am Dienstag, 08.11.2016, um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 17:17 Uhr.
Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Erster Zeuge heute war ein Geschäftsführer des Jenaer Nahverkehrs, der erneut berichtete, dass auf dem Grundstück an der Endhaltestelle Jena-Winzerla kein Holzhäuschen stand. Seine Aussage ist aber wohl irrelevant, nachdem der Geschädigte des Angriffs an der Haltestelle ja nunmehr berichtet hat, dass das Holzhäuschen in einer Kleingartenanlage in der Nähe gestanden habe, in die er sich von der Haltestelle aus geflüchtet habe […]. Die Verteidigung Wohlleben versuchte dennoch, den Eindruck zu vermitteln, als sei nichts geschehen – so wollten sie unter anderem vom Zeugen wissen, wer denn damals vor 16-18 Jahren die Fahrer der S-Bahn-Linien gewesen seien, die die Haltestelle anfuhren. Der Geschädigte und sein damaliger Begleiter, dem es gelang, zu fliehen und die Polizei anzurufen, sind für die Woche des 7.11. geladen. Danach wurde der Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Langer als Zeuge vernommen – er hatte zweimal Zeitungsartikel eingereicht, um den Ermittlungsbehörden auf die Sprünge zu helfen […]. Sodann lehnte das Gericht einen weiteren Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben, gerichtet auf Ladung einer Schweizer Polizisten, ab, nachdem es zuvor den Ermittlungsbericht der Polizistin verlesen hatte. Auch mit diesem Antrag hatte die Verteidigung die Lieferkette der Mordwaffe Ceska in Frage stellen wollen. Es ergab sich indes schon aus dem Bericht der Beamtin, dass sie insoweit nichts Relevantes zu berichten gehabt hätte. Die Verteidigung Wohlleben nahm dies zum Anlass, erneut die Richter wegen angeblicher Befangenheit abzulehnen – inzwischen scheint es zur Tradition im NSU-Verfahren zu werden, dass die Verteidigung Wohlleben auf jeden abgelehnten Beweisantrag mit einem Befangenheitsgesuch antwortet. Immerhin ist inzwischen auch das Gericht so routiniert, dass die Ablehnung dieser unbegründeten Gesuche in der Regel bis zum nächsten regulären Verhandlungstag erfolgt.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/10/27/27-10-2016/